Beschluss vom 25.06.2020 -
BVerwG 1 WB 77.19ECLI:DE:BVerwG:2020:250620B1WB77.19.0

Konkurrentenstreit zwischen gleich leistungsstarken Bewerbern

Leitsätze:

1. Auch Kriterien, die im Anforderungsprofil für die Besetzung eines militärischen Dienstpostens nur als "erwünscht" oder "wünschenswert" bezeichnet sind, haben eine das Auswahlverfahren steuernde Bedeutung.

2. Es bedarf triftiger Gründe, wenn beim Vergleich zwischen zwei grundsätzlich geeigneten und gleich leistungsstarken Kandidaten der Bewerber, der ein oder ggf. mehrere "erwünschte" oder "wünschenswerte" Kriterien erfüllt, übergangen und stattdessen ein Bewerber ausgewählt werden soll, der nicht über die "erwünschten" oder "wünschenswerten" Qualifikationen verfügt.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 33 Abs. 2
    SG § 3 Abs. 1

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.06.2020 - 1 WB 77.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:250620B1WB77.19.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 77.19

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den ehrenamtlichen Richter Oberst Schütte und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Mück
am 25. Juni 2020 beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Präsidenten des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 16. März 2018, den Dienstposten des ... im ... mit dem Beigeladenen zu besetzen, und der Beschwerdebescheid des Bundesministeriums der Verteidigung vom 29. April 2019 werden aufgehoben.
  2. Das Bundesministerium der Verteidigung wird verpflichtet, über die Besetzung des Dienstpostens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
  3. Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung betrifft einen Konkurrentenstreit um die Besetzung eines nach Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstpostens.

2 Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 31. März ... Er wurde am 17. Juli 2002 zum Oberstleutnant befördert und mit Wirkung vom 1. Januar 2006 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 eingewiesen. Derzeit wird er als ... und ... beim L... verwendet.

3 Der ... geborene Beigeladene wurde am 4. April 2011 zum Oberst befördert und mit Wirkung vom 1. Februar 2011 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 16 eingewiesen. Er war zuletzt als ... beim ... eingesetzt.

4 Am 16. März 2018 entschied der Präsident des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr, den nach Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstposten des ... im ... mit dem Beigeladenen zu besetzen. Der Auswahlentscheidung liegt die Organisationsgrundentscheidung "Aufsteiger/Querversetzung" vom 23. November 2017 und ein Planungsbogen für das Auswahlverfahren zugrunde, der sich in eine Dienstpostenbeschreibung, eine mit einer Auswahlempfehlung schließende Kandidatenvorstellung sowie ein Protokoll mit der Auflistung der Stellungnahmen der beteiligten Stellen gliedert. In die engere Wahl gezogen und als Kandidaten vorgestellt wurden der Antragsteller und der Beigeladene; mitbetrachtet wurden zwölf weitere Stabsoffiziere, alle im Dienstgrad Oberstleutnant. In der vergleichenden Beschreibung der in die engere Wahl gezogenen Kandidaten wird der dienstliche Werdegang des Antragstellers und des Beigeladenen ausführlich dargestellt und jeweils hervorgehoben, welche Merkmale sie besonders für den Dienstposten qualifizieren. Zum Vergleich wird abschließend das Folgende ausgeführt:
"Beide Offiziere sind für die in Rede stehende Verwendung uneingeschränkt geeignet und erfüllen alle zwingenden Bedarfsträgerforderungen. Beide Offiziere wurden vornehmlich in ihren UTB eingesetzt, beide konnten auf unterschiedlichen Führungsebenen wertvolle Erfahrungen auch im Rahmen der ...arbeit sammeln und wurden jeweils über herausgehobene Verwendungen mit Disziplinarstufe 2 geführt.
Für Oberstlt ... spricht, dass nur er das wünschenswerte Kriterium einer unmittelbaren Lehrverwendung erfüllt. Demgegenüber kann auch Oberst i.G. ... aus der Verwendung als ... im ... ebenfalls Expertise im AusbMgmt vorweisen.
Für Oberst i.G. ... spricht die weitaus größere ministerielle Erfahrung mit drei Verwendungen im BMVg und insgesamt über 6 1/2 Jahre ministerielle Expertise, die zudem u.a. im visiblen und zugleich sensitiven Bereich der Presse-/ÖA erworben wurde. Im Gegensatz dazu stehen bei Oberstlt ... lediglich knapp 2 Jahre ministerielle Referententätigkeit im BMVg zu Buche. In den Auslandsverwendungen als ... konnte Oberst i.G. ... zudem wertvolle Erfahrung in zwei Einsatzgebieten (Bosnien/SFOR und Afghanistan/RC NORTH) sammeln und verfügt damit über eine größere und aktuelle Einsatzerfahrung als Oberstlt ..., der nur einmal 1998 im SFOR-Einsatz eingesetzt war.
Als einen weiteren Bonus kann nur Oberst i.G. ... die Hochwertausbildung der nationalen Generalstabsdienstausbildung vorweisen. Während auf der Ebene höhKdoBeh/Amt Oberstlt ... lediglich einmal als S3StOffz und einmal als DezLtr eingesetzt war, kann Oberst i.G. ... mit zwei Verwendungen als AbtLtr eine größere Erfahrungsbreite auf höherrangigeren DP für sich verbuchen.
Zudem hebt sich Oberst i.G. ... gegenüber Oberstlt ..., trotz exakt gleichem Leistungswert mit 8,6 in der aktuellen planmäßigen Beurteilung, ab, da ihm dieser in der Vergleichsgruppe auf der Ebene A 16 attestiert wird.
In der Summe kann damit Oberst i.G. ... aus Sicht der Personalführung sowohl einen Leistungsvorsprung als auch einen Befähigungsvorsprung erzielen. Er ist aufgrund seines tiefen und breiten Verwendungsaufbaues in zwei KompBer, seiner breiten ministeriellen Expertise sowie seiner Einsatzerfahrung verbunden mit einem ausgezeichneten Leistungsbild und seiner integren Gesamtpersönlichkeit im Vergleich der am besten qualifizierte Offizier."

5 Mit Schreiben vom 20. März 2018 erhob der Antragsteller Beschwerde gegen seine Nicht-Auswahl. Zur Begründung führte er aus, dass der Beigeladene zwar häufiger als er im Personal- und Ministerialbereich verwendet worden sei, was jedoch kein Kriterium für die Dienstpostenbesetzung darstelle. Dagegen habe er, der Antragsteller, eine größere Bandbreite verschiedener Tätigkeiten in der Bundeswehr aufzuweisen. Im Gegensatz zum Beigeladenen verfüge er auch über die als wünschenswert deklarierte Lehrverwendung. Die beiderseitigen Beurteilungen aus dem Jahre 2017 wiesen zwar jeweils den Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von "8,60" aus; er sei jedoch mit der Stufe "3" deutlich besser prognostiziert als der Beigeladene mit der Stufe "0". Wiederum im Unterschied zum Beigeladenen sei er auch bereits mehrfach intensiv mit ...arbeit befasst und zweimal Beauftragter für ...angelegenheiten gewesen. Langdauernde Verwendungen im Bundesministerium der Verteidigung sowie die Hervorhebung von zwei Auslandseinsätzen auf Seiten des Beigeladenen hätten mit der Dienstpostenbeschreibung nichts zu tun. Insgesamt sei er deshalb für den Dienstposten besser geeignet als der Beigeladene.

6 Mit Bescheid vom 29. April 2019 wies das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sowohl der Antragsteller als auch der Beigeladene alle bundeswehrgemeinsamen Bedarfsträgerforderungen und dienstpostenbezogenen Voraussetzungen des Anforderungsprofils erfüllten. Im Leistungsvergleich auf der Grundlage der planmäßigen dienstlichen Beurteilungen seien beide Bewerber als im Wesentlichen gleich leistungsstark einzuschätzen. In einer Gesamtabwägung sei jedoch dem Beigeladenen der Vorzug zu geben gewesen. Dabei habe zugunsten des Antragstellers die Höhe der Verwendungsvorschläge bis in die B 3-Ebene, seine Lehrverwendungen, die größere Zahl von Verwendungen mit Führungserfahrung der Disziplinarstufe 2 sowie die größere Expertise aus Verwendungen mit der Wahrnehmung von ...angelegenheiten gesprochen. Gleich zu bewerten sei die Höhe der Entwicklungsprognose. Im Ergebnis überwiegend für den Beigeladenen habe gesprochen, dass er seine Eignung für die A 16-Ebene, auf der er bereits seit 2010 verwendet werde, durch Bewährung nachgewiesen habe, dass er über drei Verwendungen im Bundesministerium der Verteidigung und über die höherwertigen Verwendungen in einer höheren Kommandobehörde/Amt verfüge, die größere Zahl an Auslandseinsätzen aufweise, ihm in der dienstlichen Beurteilung die höhere soziale Kompetenz zugesprochen worden sei und er häufiger im Personalwesen tätig gewesen sei.

7 Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 28. Mai 2019 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 3. Dezember 2019 dem Senat vorgelegt.

8 Zur Begründung bezieht sich der Antragsteller auf seinen Beschwerdevortrag und macht ergänzend vor allem geltend, dass der Entwicklungsprognose eine fehlerhafte Bedeutung zugemessen worden sei. Der Beigeladene habe seine "individuelle Laufbahnperspektive erreicht". Seine, des Antragstellers, Prognose "deutlich oberhalb der allgemeinen Laufbahnerwartung" weise indes über die A 16-Ebene hinaus, was sich auch in den Verwendungsvorschlägen bis in die B 3-Ebene widerspiegle. Dass der Beigeladene keine weitergehenden Entwicklungsmöglichkeiten mehr habe, zeige auch die Tatsache, dass er seit Mitte 2010 auf einem A 16-Dienstposten verwendet werde. Dies, ebenso wie die drei Ministerialverwendungen, seien für den Beigeladenen deshalb eher als nachteilig zu werten gewesen. Unklar sei auch die Bedeutung der ministeriellen Expertise für den hier gegenständlichen Dienstposten. Für diesen seien vielmehr Kenntnisse und Erfahrungen in ...angelegenheiten bestimmend, über die er in wesentlich ausgeprägterer Form verfüge als der Beigeladene.

9 Der Antragsteller beantragt,
die Auswahlentscheidung des Präsidenten des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 16. März 2018 in der Fassung des Beschwerdebescheids des Bundesministeriums der Verteidigung vom 29. April 2019 aufzuheben.

10 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

11 Zur Begründung verweist es auf die Ausführungen im Beschwerdebescheid. Ein Ermessensfehler bei der Auswahl des Beigeladenen liege nicht vor. Die zugunsten des Antragstellers sprechenden Gesichtspunkte seien berücksichtigt und gewichtet, dem Beigeladenen jedoch in einer Gesamtbetrachtung der Vorrang gegeben worden. Die Entwicklungsprognosen seien nach den Erläuterungen in der Anlage 14.7 zur ZDv A-1340/50 für beide Kandidaten als gleich, nämlich der Ebene A 16/B 3 entsprechend, einzustufen.

12 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung, die auch die Auswahlunterlagen enthält, und die Personalgrundakten des Antragstellers und des Beigeladenen haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

13 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.

14 1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere hat sich der Rechtsstreit nicht dadurch erledigt, dass der strittige Dienstposten inzwischen mit dem Beigeladenen besetzt wurde. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats verfestigt sich eine einmal getroffene militärische Verwendungsentscheidung nicht dahin, dass der durch sie begünstigte Soldat eine rechtlich gesicherte Position erwirbt, auf dem ihm zugewiesenen Dienstposten verbleiben zu können; er müsste es vielmehr hinnehmen, von dem Dienstposten wegversetzt zu werden, wenn der Antragsteller bei der Stellenbesetzung ihm gegenüber rechtswidrig übergangen worden wäre (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 25. April 2007 - 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 Rn. 39 m.w.N.).

15 2. Der Antrag ist auch begründet. Die Entscheidung des Präsidenten des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr, den nach Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstposten ... im ...mit dem Beigeladenen zu besetzen, ist rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG). Die Auswahlentscheidung vom 16. März 2018 und der Beschwerdebescheid des Bundesministeriums der Verteidigung vom 29. April 2019 sind deshalb aufzuheben (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 WBO); das Bundesministerium der Verteidigung ist verpflichtet, über die Besetzung des Dienstpostens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 4 WBO).

16 a) Nach der Rechtsprechung zu beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten um Beförderungsämter folgt aus Art. 33 Abs. 2 GG ein Bewerbungsverfahrensanspruch, der Bewerbern um ein öffentliches Amt ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung in die Bewerberauswahl gibt; die Bewerbung darf nur aus Gründen abgelehnt werden, die durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 - 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <102>). § 3 Abs. 1 SG übernimmt die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG in das Dienstverhältnis der Soldaten und erstreckt sie über Ernennungen hinaus auf Verwendungsentscheidungen. Der Senat hat deshalb einen dem Beamtenrecht entsprechenden Bewerbungsverfahrensanspruch auch für soldatenrechtliche Konkurrenzverhältnisse anerkannt (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2013 - 1 WB 60.11 - NVwZ 2013, 1227 Rn. 40 m.w.N.).

17 Zwar beschränkt sich die Geltung des Grundsatzes der Bestenauslese im Bereich der Verwendungsentscheidungen auf Entscheidungen über höherwertige, die Beförderung in einen höheren Dienstgrad oder die Einweisung in die Planstelle einer höheren Besoldungsgruppe vorprägende Verwendungen (vgl. klarstellend BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 2014 - 1 WB 1.13 - Buchholz 449.2 § 6 SLV 2002 Nr. 6 Rn. 32). Der Bewerbungsverfahrensanspruch gilt aber auch dann, wenn sich - wie hier - die zuständige Stelle im Rahmen ihres Organisationsermessens dahin entscheidet, gleichermaßen sowohl Förderungsbewerber als auch Versetzungsbewerber mit dem Ziel der Bestenauslese in das Auswahlverfahren einzubeziehen und alle Bewerber ausschließlich nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG und des § 3 Abs. 1 SG nach Eignung, Befähigung und Leistung zu beurteilen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. März 2018 - 1 WB 1.17 - juris Rn. 20 m.w.N.).

18 Aus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt ferner die Verpflichtung des Dienstherrn, die seiner Entscheidung zugrunde liegenden wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen, um eine sachgerechte Kontrolle durch den unterlegenen Bewerber und ggf. durch das Gericht zu ermöglichen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 - BVerfGK 11, 398 <402 f.>). Dem folgend hat der Senat eine entsprechende Verpflichtung zur Dokumentation der wesentlichen Auswahlerwägungen auch für Entscheidungen angenommen, die ein Konkurrenzverhältnis um eine höherwertige militärische Verwendung betreffen (vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 25. April 2007 - 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 Rn. 50 und vom 16. Dezember 2008 - 1 WB 19.08 - BVerwGE 133, 13 Rn. 36). Zur Dokumentation verpflichtet ist dabei primär die Stelle, die für die Auswahlentscheidung zuständig ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Februar 2010 - 1 WB 36.09 - jurion Rn. 27). Die für die Beschwerdeentscheidung zuständige Stelle ist im Umfang ihrer Kontrollkompetenz (§ 13 WBO) befugt, in der Beschwerdeentscheidung die materiellen Auswahlerwägungen zu ändern oder zu ergänzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2017 - 1 WB 41.16 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 87 LS 1 und Rn. 31 f.).

19 b) Die Dokumentationspflicht ist vorliegend erfüllt.

20 Der für die Auswahlentscheidung zuständige und damit primär dokumentationspflichtige Präsident des Bundesamts für das Personalmanagement hat sich mit der Unterzeichnung des Planungsbogens für das Auswahlverfahren dessen Inhalt zu Eigen gemacht und damit diejenigen Erwägungen fixiert, die der gerichtlichen Kontrolle zugrunde zu legen sind. Danach seien sowohl der Antragsteller als auch der Beigeladene für den Dienstposten uneingeschränkt geeignet und erfüllten alle zwingenden Bedarfsträgerforderungen; in der Summe erziele der Beigeladene jedoch gegenüber dem Antragsteller einen Leistungs- und Befähigungsvorsprung und sei im Vergleich der am besten qualifizierte Offizier. Ergänzend hat das Bundesministerium der Verteidigung in dem Beschwerdebescheid ausgeführt, dass beide Bewerber nicht nur alle Voraussetzungen des Anforderungsprofils erfüllten, sondern auch im Leistungsvergleich auf der Grundlage der dienstlichen Beurteilungen als im Wesentlichen gleich leistungsstark einzuschätzen seien; in einer Gesamtabwägung sei jedoch dem Beigeladenen der Vorzug zu geben.

21 c) Gegen diese Auswahlentscheidung bestehen in der Sache durchgreifende rechtliche Bedenken.

22 aa) Der Antragsteller und der Beigeladene erfüllen zwar - unstreitig - jeweils sämtliche zwingenden Kriterien des Anforderungsprofils für den Dienstposten.

23 bb) Beide Bewerber konnten auch im Leistungsvergleich als im Wesentlichen gleich leistungsstark eingeschätzt werden.

24 Werden mehrere Bewerber allen Anforderungskriterien gerecht, so haben - in der Regel durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene - Abstufungen der Qualifikation Bedeutung (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. April 2007 - 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 Rn. 55 und vom 16. Dezember 2008 - 1 WB 39.07 - BVerwGE 133, 1 Rn. 42; für das Beamtenrecht Urteil vom 16. August 2001 - 2 A 3.00 - BVerwGE 115, 58 <61>). Zur Ermittlung des Leistungsstands konkurrierender Bewerber ist dabei in erster Linie auf die zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung aktuellsten Beurteilungen abzustellen, weshalb der letzten dienstlichen Beurteilung regelmäßig eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt; zur abgerundeten Bewertung des Leistungs-, Eignungs- und Befähigungsbildes und seiner Kontinuität ist es darüber hinaus zulässig, in die Auswahlentscheidung auch frühere Beurteilungen bis zu den beiden letzten planmäßigen Beurteilungen vor der aktuellen Beurteilung mit einzubeziehen.

25 Im vorliegenden Fall haben der Antragsteller und der Beigeladene in den herangezogenen aktuellen dienstlichen Beurteilungen zum Termin 30. September 2017 den identischen Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von "8,60" erzielt, der Beigeladene allerdings im höheren Dienstgrad (Oberst A 16) als der Antragsteller (Oberstleutnant A 15). Das Bundesministerium der Verteidigung hat beide Bewerber - auch unter Berücksichtigung eines Statuszuschlags von "0,30" zugunsten des Beigeladenen, für den sich damit ein "korrigierter Beurteilungswert" von "8,90" ergab - als "im Wesentlichen gleich" bewertet angesehen. Dies ist vereinbar mit der ständigen Rechtsprechung des Senats, wonach beim Vergleich dienstlicher Beurteilungen Leistungsbewertungen als "im Wesentlichen gleich" eingestuft werden können, wenn sie im selben Wertungsbereich (§ 2 Abs. 5 und 6 SLV sowie Nr. 610 Buchst. b ZDv A-1340/50) liegen und sich der Unterschied der Bewertungen (Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung) in einem begrenzten Rahmen hält, was der Senat für eine Differenz von 0,3 Punkten auf der geltenden neunstufigen Punkteskala bejaht hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Januar 2013 - 1 WB 60.11 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 65 LS 1 und Rn. 49 ff. und vom 18. Dezember 2017 - 1 WDS-VR 8.17 - juris Rn. 32).

26 Da der Beschwerdebescheid der Auswahlentscheidung die für die gerichtliche Kontrolle maßgebliche Gestalt verleiht, kann dahingestellt bleiben, ob der Beigeladene aufgrund seiner besseren Leistungsbewertung (gleicher Wert im höheren Statusamt) für den Dienstposten hätte ausgewählt werden dürfen, wie dies in den Auswahlerwägungen des Planungsbogens anklingt.

27 cc) Rechtlich zu beanstanden ist allerdings die Gesamtabwägung, aufgrund derer dem Beigeladenen der Vorzug gegenüber dem Antragsteller gegeben wurde.

28 Sind mehrere Bewerber als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann im Rahmen sachgerechter Erwägungen auch sonstigen sachlichen Gesichtspunkten ein (gegebenenfalls) entscheidendes Gewicht für die Auswahl beigemessen werden, sofern dadurch das Gebot der Auswahl nach Eignung, Befähigung und Leistung nicht in Frage gestellt wird (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2011 - 1 WB 59.10 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 60 Rn. 31 m.w.N.). Dabei steht dem Dienstherrn, wie generell bei der Entscheidung über die Eignung eines Soldaten, ein Beurteilungsspielraum zu, den er unter Berücksichtigung des von dem Soldaten wahrzunehmenden Dienstpostens auszufüllen hat; demzufolge beschränkt sich die gerichtliche Nachprüfung auf die Kontrolle, ob er bei der Entscheidung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen des Beurteilungsspielraums verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 29. Januar 2013 - 1 WB 60.11 - NVwZ 2013, 1227 Rn. 34 m.w.N.).

29 (1) Für den abschließenden Vergleich haben der Präsident des Bundesamts für das Personalmanagement und das Bundesministerium der Verteidigung - sachlich zutreffend - die wesentlichen Qualifikationsmerkmale der beiden Bewerber einander gegenübergestellt. Dabei wurden zugunsten des Antragstellers vor allem dessen Verwendungsvorschläge (auf weitere Sicht) bis in die B 3-Ebene, seine Lehrverwendungen, die größere Zahl von Verwendungen mit Führungserfahrung der Disziplinarstufe 2 sowie die größere Expertise aus Verwendungen mit der Wahrnehmung von ...angelegenheiten gewertet. Vorzüge des Beigeladenen wurden darin gesehen, dass er seine Eignung für die A 16-Ebene bereits seit 2010 durch Bewährung nachgewiesen habe, dass er über die größere Zahl von Verwendungen im Bundesministerium der Verteidigung, die höherwertigen Verwendungen auf der Ebene höhere Kommandobehörde/Amt, die umfangreicheren Erfahrungen im Personalwesen und die größere Zahl an Auslandseinsätzen verfüge sowie dass ihm in der dienstlichen Beurteilung die höhere soziale Kompetenz zugesprochen worden sei.

30 Zutreffend wurden auch die Entwicklungsprognosen des Antragstellers ("3") und des Beigeladenen ("0") als im Ergebnis gleichwertig eingestuft. Bezugspunkt der Entwicklungsprognose, die vom stellungnehmenden Vorgesetzten in der dienstlichen Beurteilung abzugeben ist, ist eine der in Nr. 910 Buchst. b ZDv A-1340/50 aufgelisteten und in Anlage 14.7 zur ZDv A-1340/50 näher definierten Ebenen. Die für den Antragsteller vergebene Entwicklungsprognose "3" ("deutlich oberhalb der allgemeinen Laufbahnperspektive") bedeutet danach für Offiziere des Truppendienstes die "Ebene A 16/B 3". Dem Beigeladenen ist die Entwicklungsprognose "0" ("individuelle Laufbahnperspektive erreicht") zugesprochen, was dahingehend definiert ist, dass der Beurteilte aus Sicht des stellungnehmenden Vorgesetzten "über keine über die erreichte Ebene hinausgehende Förderperspektive" verfügt; im Falle des Beigeladenen bedeutet die "erreichte Ebene", weil er im Unterschied zum Antragsteller bereits (seit 2011) in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 16 eingewiesen ist, in der Stufung der Entwicklungsprognosen damit ebenfalls die "Ebene A 16/B 3". Die prognostische Einschätzung des Beigeladenen kann nicht, worauf der Antragsteller abzielt, auf die Besoldungsgruppe A 16 reduziert werden, weil eine solche "Ebene A 16" in der Systematik der Entwicklungsprognosen nicht vorgesehen ist und eine entsprechende Prognose mit den vorgegebenen Kategorien nicht ausgesprochen werden könnte. Auch ist die Entwicklungsprognose "0" nach ihrem klaren Wortlaut nicht im Sinne von "keine weitere Förderung mehr", sondern als offener Verweis auf die vom beurteilten Soldaten jeweils "erreichte Ebene" definiert.

31 (2) Bei der Bewertung der Gesichtspunkte und dem abschließenden "Stichentscheid" zwischen den Bewerbern haben der Präsident des Bundesamts für das Personalmanagement und das Bundesministerium der Verteidigung allerdings die Bedeutung, die dem im Planungsbogen für das Auswahlverfahren als "wünschenswert" bezeichneten Anforderungskriterium der Lehrverwendung zukommt, verkannt und damit einen allgemein gültigen Wertmaßstab nicht beachtet.

32 Der Planungsbogen für das Auswahlverfahren stellt ein vom Bundesamt für das Personalmanagement bei der Besetzung von A 16-Dienstposten regelmäßig verwendetes Formular dar, in dessen Rubriken die für das jeweilige Auswahlverfahren maßgeblichen Anforderungskriterien festgelegt werden. Neben "dienstpostenunabhängigen Kriterien", die dem "Katalog bundeswehrgemeinsamer Bedarfsträgerforderungen für militärische Auswahl- und Verwendungsplanungsverfahren im Rahmen des Personalmanagements" (Zentralerlass B-1340/78) entstammen, handelt es sich dabei um "dienstpostenbezogene Voraussetzungen", die der Dienstherr in Ausübung seines Organisationsermessens je nach dem Zuschnitt und den Aufgaben des konkreten Dienstpostens bestimmt. Dem Planungsbogen kommt auf diese Weise die gleiche Funktion zu wie einer Stellenausschreibung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. April 2020 - 1 WB 67.19 - juris Rn. 24), die anders als im Beamtenrecht (§ 8 BBG, § 4 BLV) im Recht der Soldaten nicht vorgeschrieben ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2015 - 1 WB 12.15 - NZWehrr 2015, 257 <258 f.>).

33 Festlegungen des Anforderungsprofils oder einer Aufgabenbeschreibung für den Dienstposten entfalten Bindungswirkung für die Festlegung und Gewichtung der Leistungsmerkmale im Auswahlverfahren; ob die zuständige Stelle ihre Auswahlentscheidung an dem Anforderungsprofil bzw. an der Aufgabenbeschreibung ausgerichtet hat, ist gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. April 2020 - 1 WB 67.19 - juris Rn. 23 m.w.N.). Diese Bindungswirkung gilt nicht nur für die zwingenden Kriterien, die ein Bewerber erfüllen muss, um in den Eignungs- und Leistungsvergleich auf der Grundlage dienstlicher Beurteilungen einbezogen zu werden (oben II. 2. c. aa und bb). Sie gilt vielmehr auch für die im Planungsbogen (nur) als "erwünscht" oder "wünschenswert" bezeichneten Anforderungskriterien. Auch bei ihnen handelt es sich um Festlegungen des Bedarfsträgers, die das Auswahlverfahren durch die Personalführung verbindlich steuern sollen und nicht zu deren Disposition stehen.

34 Ob ein Bewerber über eine (nur) "erwünschte" oder "wünschenswerte" Qualifikation verfügt oder nicht, ist zwar für den ersten Schritt des Auswahlverfahrens - der Eingrenzung des Felds grundsätzlich geeigneter Bewerber anhand der zwingenden Anforderungskriterien - irrelevant. Von Bedeutung sind "erwünschte" bzw. "wünschenswerte" Qualifikationen jedoch auf der hier in Rede stehenden Ebene des Vergleichs zwischen zwei oder mehreren grundsätzlich geeigneten und gleichermaßen leistungsstarken Bewerbern. Hier folgt aus der entsprechenden Festlegung im Anforderungsprofil, dass den "erwünschten" oder "wünschenswerten" Qualifikationen gegenüber anderen Gesichtspunkten ein deutlich gesteigertes Gewicht bei der Bestimmung des am besten geeigneten Bewerbers zukommt. "Erwünscht" oder "wünschenswert" bedeutet zwar auch auf dieser Ebene des Eignungsvergleichs nicht in einem schematischen Sinne "zwingend" oder "unmittelbar ausschlaggebend". Jedoch bedarf es triftiger Gründe, wenn ein Bewerber, der ein oder ggf. mehrere "erwünschte" oder "wünschenswerte" Kriterien erfüllt, übergangen und stattdessen ein Bewerber ausgewählt werden soll, der nicht über die "erwünschten" oder "wünschenswerten" Qualifikationen verfügt.

35 Im vorliegenden Fall enthält der Planungsbogen - als einzige "erwünschte" oder "wünschenswerte" Qualifikation - die dienstpostenbezogene Voraussetzung "Lehrverwendung (wünschenswert)". Der Präsident des Bundesamts für das Personalmanagement und das Bundesministerium der Verteidigung haben ausdrücklich anerkannt, dass nur der Antragsteller - durch drei entsprechende Vorverwendungen -, nicht aber der Beigeladene diese Voraussetzung erfüllt; das Bundesministerium der Verteidigung hat zudem klargestellt, dass eine Verwendung des Beigeladenen im Bereich des Ausbildungsmanagements insoweit nicht verwertbar ist. Die Auswahlerwägungen lassen sodann jedoch nicht erkennen, dass dem Kriterium der Lehrverwendung und der Tatsache, dass nur der Antragsteller diese Voraussetzung erfüllt, ein der Hervorhebung im Anforderungsprofil entsprechendes gesteigertes Gewicht zugemessen wurde. Ebensowenig lassen die Auswahlerwägungen erkennen, dass auf Seiten des Beigeladenen triftige und hinreichend gewichtige Gründe vorlagen, die gegenüber der vom Bedarfsträger festgelegten Präferenz als überwiegend angesehen werden durften. Vielmehr wurden die für den einen oder den anderen Bewerber sprechenden Gesichtspunkte, darunter die Lehrverwendungen des Antragstellers, unterschiedslos in eine Gesamtabwägung eingestellt, als deren Ergebnis die Wahl auf den Beigeladenen fiel. Dies widerspricht der das Auswahlverfahren steuernden Funktion, die nicht nur den zwingenden, sondern auch den "erwünschten" oder "wünschenswerten" Anforderungskriterien zukommt.

36 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO. Der Beigeladene, der keinen eigenen Antrag gestellt hat, trägt die ihm in diesem Verfahren entstandenen Aufwendungen selbst.