Verfahrensinformation



Die Klägerin ist eine kreisangehörige Gemeinde des beklagten Kreises. Sie wendet sich gegen die Heranziehung zur Zahlung eines Härteausgleichs zwischen kreisangehörigen Gemeinden im Zusammenhang mit den ihnen übertragenen Aufgaben nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.


Im Dezember 2004 übertrug der Beklagte der Klägerin und den anderen kreisangehörigen Städten und Gemeinden die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch. Für diesen Fall sah das nordrhein-westfälische Ausführungsgesetz zum Zweiten Buch Sozialgesetzbuch in der ab dem 8. Juli 2006 geltenden Fassung vor, dass die kreisangehörigen Städte und Gemeinden 50 % der entsprechenden Aufwendungen trugen. Darüber hinaus konnten die Kreise durch Satzung einen Härteausgleich festlegen, wenn infolge erheblicher struktureller Unterschiede im Kreisgebiet die Beteiligung kreisangehöriger Gemeinden an den Aufwendungen für diese zu einer erheblichen Härte führte. Die am 1. Januar 2013 in Kraft getretene Satzung des Beklagten über die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende enthielt eine solche Härteausgleichsregelung. Sie bestimmte außerdem, dass der Härteausgleich rückwirkend ab dem 8. Juli 2006 berechnet wird. Auf dieser Grundlage zog der Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 27. März 2013 zum Härteausgleich für die Jahre 2006 (ab 8. Juli 2006) und 2007 i.H.v. insgesamt rund 147 000 € heran.


Das Verwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil der Vorinstanz geändert und den Heranziehungsbescheid aufgehoben. Dieser sei rechtswidrig. Der Beklagte könne von der Klägerin die Zahlung eines Härteausgleichs für die Jahre 2006 und 2007 nicht verlangen. Die zugrundeliegende Satzungsregelung verstoße aufgrund ihrer Rückwirkungsbestimmung gegen das Rechtsstaatsprinzip und sei daher unwirksam. Es handele sich um den Fall einer sogenannten „echten“ Rückwirkung, die auch nicht ausnahmsweise zulässig sei. Die - als juristische Person des öffentlichen Rechts nicht grundrechtsfähige - Klägerin könne sich gegenüber dem Beklagten auf Vertrauensschutz und damit auf das Rückwirkungsverbot berufen.


Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des Beklagten.


Urteil vom 25.11.2020 -
BVerwG 8 C 21.19ECLI:DE:BVerwG:2020:251120U8C21.19.0

Härteausgleich zwischen kreisangehörigen Gemeinden für Aufwendungen im Zusammenhang mit übertragenen Aufgaben nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch

Leitsatz:

Das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot schützt das Vertrauen in ein auf der Grundlage der Rechtsordnung erworbenes Recht. Dies setzt eine dem Berechtigten individuell verliehene Rechtsposition voraus. Ein Anspruch auf Einräumung eines solchen Rechts oder das Bestehen einer für den Betroffenen günstigen Rechtslage genügt dafür nicht.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 20 Abs. 3
    SGB X § 111
    VwGO § 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 4

  • VG Minden - 28.10.2016 - AZ: VG 2 K 783/14
    OVG Münster - 21.08.2019 - AZ: OVG 12 A 2440/16

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 25.11.2020 - 8 C 21.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:251120U8C21.19.0]

Urteil

BVerwG 8 C 21.19

  • VG Minden - 28.10.2016 - AZ: VG 2 K 783/14
  • OVG Münster - 21.08.2019 - AZ: OVG 12 A 2440/16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2020
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller
für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. August 2019 geändert. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 28. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Gründe

I

1 Die Klägerin, eine kreisangehörige Gemeinde des Beklagten, wendet sich gegen die Heranziehung zur Zahlung eines Härteausgleichs zwischen kreisangehörigen Gemeinden im Zusammenhang mit den ihnen übertragenen Aufgaben nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.

2 Der Beklagte übertrug durch Satzung über die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch im Kreis Minden-Lübbecke vom 16. Dezember 2004 (Durchführungssatzung 2004) der Klägerin und den anderen kreisangehörigen Städten und Gemeinden die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende zur Entscheidung im eigenen Namen. Für diesen Fall regelte § 5 Abs. 5 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Dezember 2004 in der am 8. Juli 2006 in Kraft getretenen Fassung vom 27. Juni 2006 (GV. NRW. S. 292, nachfolgend: AG SGB II NRW), dass die Gemeinden 50 vom Hundert der entsprechenden Aufwendungen zu tragen hatten. Zudem sah Satz 2 dieser Vorschrift vor, dass die Kreise durch Satzung einen Härteausgleich festlegen konnten, wenn infolge erheblicher struktureller Unterschiede im Kreisgebiet die Beteiligung kreisangehöriger Gemeinden an den Aufwendungen für diese zu einer erheblichen Härte führte. Eine solche Ausgleichsregelung traf der Beklagte zunächst nicht.

3 Auf Klage der Beigeladenen stellte das Oberverwaltungsgericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 11. Januar 2012 (12 A 958/10) fest, dass der Beklagte verpflichtet sei, in die Durchführungssatzung 2004 eine finanzielle Härteausgleichsregelung für das Jahr 2006 zum Ausgleich bestehender erheblicher struktureller Unterschiede im Kreisgebiet aufzunehmen. Daraufhin beschloss der Kreistag des Beklagten am 17. Dezember 2012 eine neue Satzung über die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Durchführungssatzung 2013). Sie trat am 1. Januar 2013 in Kraft und enthielt in § 8 Abs. 2 eine Regelung über den Härteausgleich zwischen den kreisangehörigen Städten und Gemeinden. Nach Absatz 3 dieser Vorschrift sollte der Härteausgleich rückwirkend ab dem 8. Juli 2006 berechnet werden. Auf dieser Grundlage zog der Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 27. März 2013 zum Härteausgleich für die Jahre 2006 (ab 8. Juli 2006) und 2007 heran.

4 Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat den Bescheid vom 27. März 2013 aufgehoben. Die Heranziehung der Klägerin zum Härteausgleich sei rechtswidrig. Die dem Bescheid zugrunde liegende Satzungsregelung des § 8 Abs. 2 und 3 der Durchführungssatzung 2013 verstoße aufgrund ihrer Rückwirkungsbestimmung gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG und sei daher unwirksam. § 5 Abs. 5 Satz 2 AG SGB II NRW vermittle der Klägerin ein subjektiv-öffentliches, Vertrauensschutz begründendes Recht gegenüber dem Beklagten. In dieses greife der Erlass der Härteausgleichsregelung im Sinne echter Rückwirkung unzulässig belastend ein. Die Klägerin sei zwar als juristische Person des öffentlichen Rechts nicht grundrechtsfähig, könne sich aber gleichwohl auf Vertrauensschutz und damit auf das Rückwirkungsverbot berufen.

5 Zur Begründung der Revision macht der Beklagte geltend, das Berufungsgericht nehme zu Unrecht die Voraussetzungen einer echten Rückwirkung an. § 5 Abs. 5 Satz 2 AG SGB II NRW vermittle der Klägerin kein subjektiv-öffentliches Recht, das Vertrauensschutz begründe. Sie habe nicht damit rechnen können, vom Härteausgleich verschont zu bleiben. Das Berufungsgericht verneine auch zu Unrecht einen Ausnahmetatbestand, dessen Vorliegen eine Durchbrechung des Rückwirkungsverbots rechtfertige. Zudem könne sich die Klägerin als juristische Person des öffentlichen Rechts nicht auf das Rückwirkungsverbot berufen.

6 Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. August 2019 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 28. Oktober 2016 zurückzuweisen.

7 Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8 Die Klägerin verteidigt das Berufungsurteil und führt ergänzend aus, der Anspruch auf Härteausgleich sei auch in entsprechender Anwendung des § 111 SGB X ausgeschlossen.

9 Der Vertreter des Bundesinteresses und die Beigeladene unterstützen das Vorbringen des Beklagten und tragen ergänzend vor, das Berufungsgericht leite zu Unrecht aus der Möglichkeit einer Rechtsverletzung das Bestehen einer vom Rückwirkungsverbot geschützten Rechtsposition ab.

II

10 Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht und erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 4 VwGO).

11 1. Das Berufungsurteil misst der Härteausgleichsreglung des § 8 Abs. 2 und 3 Durchführungssatzung 2013 eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung bei, weil der Klägerin gegenüber dem Beklagten eine geschützte Rechtsposition im Sinne eines subjektiv-öffentlichen Rechts aus § 5 Abs. 5 Satz 2 AG SGB II NRW zustehe und der Erlass der Härteausgleichsregelung in diese Rechtsposition belastend eingreife. Diese Annahme geht von einem unzutreffenden Verständnis des verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbots aus und ist mit Art. 20 Abs. 3 GG nicht vereinbar.

12 a) Das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze beruht auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Es schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte. Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes, unter deren Schutz Sachverhalte "ins Werk gesetzt" worden sind (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 - BVerfGE 132, 302 Rn. 41; Urteil vom 10. April 2018 - 1 BvR 1236/11 - BVerfGE 148, 217 Rn. 134, jeweils m.w.N.). Das Rückwirkungsverbot findet im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze (stRspr, vgl. nur BVerfG, Urteil vom 23. November 1999 - 1 BvF 1/94 - BVerfGE 101, 239 <266 m.w.N.).

13 Danach setzt die Anwendung des Rückwirkungsverbots einen belastenden Eingriff in ein vom Berechtigten auf der Grundlage der Rechtsordnung erworbenes Recht voraus (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. April 2018 - 1 BvR 1236/11 - BVerfGE 148, 217 Rn. 134 m.w.N.; auch BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 - 9 C 2.18 - BVerwGE 164, 212 Rn. 35). Das Rückwirkungsverbot schützt das Vertrauen in eine dem Normadressaten zugewiesene, individuell verliehene Rechtsposition. Der von Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte Vertrauensschutz greift hingegen nicht schon ein, wenn dem Betroffenen lediglich ein Anspruch auf Einräumung eines solchen Rechts zusteht. Ebenso wenig genügt das Bestehen einer für den Betroffenen günstigen Rechtslage sowie die bloße Erwartung, von einer ihm nachteiligen Ermächtigung werde kein Gebrauch gemacht.

14 b) Das Berufungsurteil wird diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht gerecht. Es lässt den begünstigenden Reflex einer abstrakt-generellen Regelung für die Annahme eines erworbenen Rechts genügen, ohne die Verleihung einer individuellen Rechtsposition zu verlangen. Die gesetzliche Ermächtigung des Beklagten, unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 Satz 2 AG SGB II NRW eine Härteausgleichsregelung zu erlassen, begründet kein individuelles Recht der Klägerin, von einer solchen Regelung für zurückliegende, von der Ermächtigung umfasste Ausgleichszeiträume verschont zu bleiben. Selbst wenn von einer solchen Ermächtigung nur verzögert Gebrauch gemacht wird, folgt daraus nur ein die - vorerst - nicht Herangezogenen begünstigender Rechtsreflex und nicht die Verleihung einer individuellen Rechtsposition.

15 2. Das Berufungsurteil beruht auf der aufgezeigten Verletzung revisiblen Rechts und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).

16 a) Bei zutreffender Anwendung der Voraussetzungen des Rückwirkungsverbots liegt kein belastender Eingriff in ein erworbenes Recht der Klägerin vor. Das vom Berufungsgericht aus § 5 Abs. 5 Satz 1 und 2 AG SGB II NRW abgeleitete subjektiv-öffentliche Recht der Klägerin erfüllt die Anforderungen an ein erworbenes Recht nicht. Der Senat hat bei dieser Beurteilung das irrevisible Landesrecht in der durch das Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung zugrunde zu legen (§ 173 Satz 1 VwGO, § 560 ZPO). Danach geht das Berufungsurteil davon aus, dass § 5 Abs. 5 Satz 1 und 2 AG SGB II NRW der Klägerin einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Erlass einer Härteausgleichssatzung vermittelt. Darüber hinaus entnimmt es der Vorschrift im Falle des Erlasses einer Härteausgleichssatzung die Verpflichtung zu einem zeitnahen Erlass, ohne die zeitlichen Grenzen näher zu bestimmen. Bei diesem Verständnis der Norm begründet das Unterbleiben einer zeitnahen Satzungsregelung lediglich eine für die Klägerin günstige Rechtslage, auf deren Fortbestand sie nicht vertrauen darf. Dagegen folgt daraus kein ihr individuell zuerkanntes Recht, eine nachträgliche Härteausgleichssatzung auch dann abzuwehren, wenn diese materiell-rechtlich gerechtfertigt ist.

17 Liegen danach die Voraussetzungen eines erworbenen Rechts nicht vor, kann offenbleiben, ob das Berufungsurteil die weiteren Voraussetzungen einer echten Rückwirkung sowie die Ausnahmetatbestände, die eine Durchbrechung des Rückwirkungsverbots rechtfertigen könnten, zutreffend konkretisiert hat. Ebenso wenig bedarf der Erörterung, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen sich die Klägerin als nicht grundrechtsberechtigte Körperschaft des öffentlichen Rechts auf das Rückwirkungsverbot berufen könnte (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 - 9 C 2.18 - BVerwGE 164, 212 Rn. 34 ff.; BSG, Urteil vom 22. Oktober 2014 - B 6 KA 3/14 R - BSGE 117, 149 Rn. 34 ff.).

18 b) Auch sonstige Gründe stehen der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids nicht entgegen.

19 aa) Die damit verfügte Heranziehung der Klägerin beruht auf einer hinreichend bestimmten Rechtsgrundlage. § 8 Abs. 2 Durchführungssatzung 2013 genügt den bundesverfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen. Das Bestimmtheitsgebot ist erst dann verletzt, wenn es wegen der Unbestimmtheit einer Vorschrift auch mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden nicht mehr möglich ist, objektive Kriterien zu gewinnen, die eine willkürliche Handhabung durch die Behörden ausschließen; im Übrigen genügt eine dem jeweiligen Sachzusammenhang angemessene Bestimmtheit. Dem Bestimmtheitsgebot kann auch keine Pflicht entnommen werden, die Bemessung einer Abgabe so auszugestalten, dass sie möglichst einfach zu ermitteln ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. März 2014 - 9 B 66.13 - juris Rn. 2 m.w.N.). Die in § 8 Abs. 2 Durchführungssatzung 2013 festgelegten Modalitäten für die Berechnung der Höhe des Härteausgleichs sowie für die Neuverteilung des Finanzierungsanteils der Kommunen sind danach hinreichend bestimmt.

20 bb) Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Heranziehungsbescheids folgt auch nicht aus § 111 Satz 1 SGB X. Die Vorschrift ist weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. Wegen ihrer Zuordnung zum zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuchs betrifft sie die Zusammenarbeit der Leistungsträger und deren Erstattungsansprüche untereinander. Sie schließt einen solchen Anspruch aus, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages geltend macht, für den die Leistung erbracht wurde. § 111 SGB X regelt Erstattungsansprüche zwischen Sozialbehörden und damit einen Tatbestand, der mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt des interkommunalen Finanzausgleichs nicht vergleichbar ist; für eine Analogie bleibt daher kein Raum (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2017 - 4 C 6.16 - BVerwGE 161, 99 Rn. 15). Abgesehen davon fehlt es schon an Anhaltspunkten für eine planwidrige Lücke der gesetzlichen Regelung, die im Wege einer analogen Anwendung des § 111 SGB X zu schließen wäre.

21 cc) Die geltend gemachte Ausgleichsforderung ist schließlich nicht verjährt. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (vgl. § 195 BGB) - ihre Anwendbarkeit unterstellt - beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Danach ist auf den Schluss des Jahres abzustellen, in dem die Härteausgleichsregelung in die Durchführungssatzung eingefügt wurde und in Kraft getreten ist. Das war im Januar 2013 der Fall, so dass die Verjährungsfrist erst mit dem Schluss dieses Jahres zu laufen begann und der mit Bescheid vom 27. März 2013 geltend gemachte Härteausgleich nicht verjährt war.

22 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.