Beschluss vom 26.01.2022 -
BVerwG 1 WB 8.21ECLI:DE:BVerwG:2022:260122B1WB8.21.0

Rechtsschutz gegen eine nach Ruhestandsversetzung gebildete Referenzgruppe

Leitsatz:

Eine Referenzgruppe zur Förderung vom Dienst freigestellter oder im öffentlichen Interesse beurlaubter Soldaten, die nach dem Ende der aktiven Dienstzeit des Soldaten gebildet wird, ist gegenstandslos und kann nicht in Bestandskraft erwachsen. Die Rechtmäßigkeit einer solchen Referenzgruppe unterliegt der inzidenten Beurteilung durch das Gericht, bei dem der Soldat einen Anspruch auf Schadlosstellung oder Schadensersatz wegen unterbliebener Beförderung geltend macht.

  • Rechtsquellen
    WBO § 19 Abs. 1 Satz 3
    VwGO § 113 Abs. 1 Satz 4
    VwVfG § 43 Abs. 2 und 3
    Zentrale Dienstvorschrift A-1336/1

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.01.2022 - 1 WB 8.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:260122B1WB8.21.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 8.21

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den ehrenamtlichen Richter Generalstabsarzt Dr. Kalinowski und
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Wittig
am 26. Januar 2022 beschlossen:

  1. Die dem Antragsteller unter dem 22. Juli 2019 mitgeteilte Referenzgruppe vom 7. Juni 2019 und der Beschwerdebescheid des Bundesministeriums der Verteidigung vom 9. März 2020 sind gegenstandslos.
  2. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
  3. Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden zur Hälfte dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der Rechtsstreit betrifft eine für den Antragsteller gebildete Referenzgruppe zur Förderung freigestellter Soldaten.

2 Der Antragsteller war Berufssoldat; seine Dienstzeit endete mit Ablauf des ... 2019. Vom 1. Januar 2008 bis zum Dienstzeitende war er zur Wahrnehmung einer hauptberuflichen Tätigkeit bei der ... GmbH unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge beurlaubt. Zuletzt wurde er dabei am 28. November 2008 zum Oberst befördert und mit Wirkung vom 1. Dezember 2008 in eine Leerstelle der Besoldungsgruppe A 16 eingewiesen.

3 Im Hinblick auf die Freistellung vom Dienst wurde für den Antragsteller unter dem 29. November 2007 eine (erste) Referenzgruppe gebildet, die später aufgehoben und durch eine am 21. August 2017 gebildete Referenzgruppe ersetzt wurde. Nachdem der Antragsteller hiergegen Beschwerde erhoben und nach deren Zurückweisung die gerichtliche Entscheidung beantragt hatte, wurde auch diese (zweite) Referenzgruppe durch das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr aufgehoben. Das diesbezügliche gerichtliche Verfahren hat der Senat mit Beschluss vom 21. März 2019 - 1 WB 19.18 - eingestellt.

4 Unter dem 7. Juni 2019 wurde eine neue (dritte) Referenzgruppe gebildet, die am 17. Juni 2019 durch den Abteilungsleiter ... im Bundesamt für das Personalmanagement gebilligt und dem Antragsteller am 22. Juli 2019 bekanntgegeben wurde. In dieser - hier gegenständlichen - Referenzgruppe, die aus insgesamt acht Personen besteht, nimmt der Antragsteller den Rangplatz sieben ein. Ausweislich der Erläuterungen zu der Referenzgruppe wurden in die Neubetrachtung Stabsoffiziere ohne LGAN (Lehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst national) der PSt ... und ... sowie Stabsoffiziere in der Personalführung ... der PSt ..., ... und ... mit zugewiesenem Kompetenzbereich Führungsunterstützung einbezogen, die in den Jahren 2008 bzw. 2009 erstmals auf einen A 16-dotierten Dienstposten gefördert und auf der Grundlage der planmäßigen Beurteilung 2007 in einer Vergleichsgruppe der Ebene A 15 beurteilt wurden. Vier der in die Referenzgruppe einbezogenen Offiziere sind inzwischen in die Ebene B 3 gefördert und in die Besoldungsgruppe B 3 eingewiesen worden.

5 Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 19. August 2019 Beschwerde. Zur Begründung machte er geltend, dass er eine richtlinienkonforme Zusammensetzung der Referenzgruppe anhand der ihm vorliegenden Unterlagen nicht nachvollziehen könne. Es sei nicht erkennbar, ob die Entwicklungsprognose "deutlich oberhalb der allgemeinen Laufbahnperspektive" im Vergleich mit den anderen Soldaten der Referenzgruppe bei der Reihung berücksichtigt worden sei. Außerdem seien Offiziere mit Generalstabsausbildung, solche mit nicht vergleichbaren Werdegängen sowie ...offiziere unzulässigerweise in die Referenzgruppenbildung einbezogen worden.

6 Mit Bescheid vom 9. März 2020, zugestellt am 20. März 2020, wies das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde vom 19. August 2019 als unzulässig zurück. Der Beschwerde fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsteller sei durch die gegenständliche Referenzgruppe nicht mehr beschwert, weil sich das Verpflichtungsbegehren, fiktiv auf einen Dienstposten einer höheren Besoldungsgruppe versetzt zu werden, mit der Versetzung des Soldaten in den Ruhestand erledige. Es bestehe auch kein berechtigtes Interesse an einer Feststellung, dass die gegenständliche Referenzgruppe rechtswidrig gewesen sei. Ein solches Feststellungsinteresse ergebe sich insbesondere nicht aus der Absicht, wegen einer unterbliebenen Förderung in die Besoldungsgruppe B 3 Schadensersatz zu verlangen, wenn - wie hier - die Erledigung bereits vor Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten sei.

7 Hiergegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 15. April 2020 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 11. Februar 2021 dem Senat vorgelegt.

8 Zur Begründung verweist der Antragsteller insbesondere darauf, dass der 2. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts für die Laufbahnnachzeichnung freigestellter Personalratsmitglieder mit Beschluss vom 25. Juni 2014 - 2 B 1.13 - entschieden habe, dass eine Inzidentkontrolle des truppendienstlichen Anteils im Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten nicht stattfinde. Daher müsse die Kontrolle der truppendienstlichen Anteile als Vorfrage eines Schadensersatzprozesses auch nach Zurruhesetzung im Verfahren vor den Wehrdienstgerichten möglich bleiben. Dementsprechend sei hier über die Rechtmäßigkeit der Referenzgruppe vom 7. Juli 2019 zu entscheiden.

9 Der Antragsteller beantragt,
die Bundesministerin der Verteidigung unter Aufhebung der mit Bescheid des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 22. Juli 2019 dem Antragsteller mitgeteilten neu gebildeten und durch den Abteilungsleiter III gebilligten Referenzgruppe in Gestalt der Beschwerdeentscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 9. März 2020 zu verpflichten, für ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut eine Referenzgruppe zu bilden.

10 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

11 Zur Begründung wiederholt es im Wesentlichen die Gründe der Beschwerdeentscheidung. Der Antragsteller habe weder für die Aufhebung der Referenzgruppe noch für einen Verpflichtungsantrag, für ihn eine neue Referenzgruppe zu bilden, ein Rechtsschutzinteresse. Das Ziel einer Einweisung in die Besoldungsgruppe B 3 könne er nach Beendigung seines aktiven Dienstverhältnisses weder mit der angefochtenen noch mit einer neu gebildeten Referenzgruppe erreichen. Für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag fehle es an einem Feststellungsinteresse. Da die Erledigung bereits vor Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten sei, müsse der Antragsteller seine Schadensersatzklage ggf. unmittelbar beim zuständigen Verwaltungsgericht erheben, das neben den übrigen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs inzident auch die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Referenzgruppenbildung überprüfe.

12 Parallel zu dem hier gegenständlichen Wehrbeschwerdeverfahren führt der Antragsteller seit 2017 vor dem Verwaltungsgericht Köln ein Klageverfahren, mit dem er die Einweisung in die Besoldungsgruppe B 3 begehrt; dieses Verfahren wurde im Einverständnis der Beteiligten durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. Dezember 2019 - 23 K 13659/17 - bis zum Abschluss des Wehrbeschwerdeverfahrens ausgesetzt. Ferner betreibt der Antragsteller nach Angaben des Bundesministeriums der Verteidigung seit Dezember 2018 beim Bundesamt für das Personalmanagement ein Verwaltungsverfahren mit dem Ziel der Schadlosstellung, welches ebenfalls bis zur Entscheidung im vorliegenden Wehrbeschwerdeverfahren ausgesetzt wurde.

13 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

14 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat zum Teil Erfolg.

15 1. Der Antrag ist unzulässig, soweit der Antragsteller die Verpflichtung des Bundesministeriums der Verteidigung begehrt, für ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue Referenzgruppe nach der Zentralen Dienstvorschrift A-1336/1 ("Förderung vom Dienst freigestellter, entlasteter oder im öffentlichen Interesse oder wegen Familienpflichten beurlaubter Soldatinnen und Soldaten") zu bilden.

16 Insoweit hat sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch das Ausscheiden des Antragstellers aus dem aktiven Dienst erledigt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Juni 2017 - 1 WB 11.16 - juris Rn. 24 f. und vom 19. Juli 2018 - 1 WB 30.17 - Buchholz 450.1 § 5 WBO Nr. 3 Rn. 21). Mit dem Eintritt in den Ruhestand kann ein Soldat nicht mehr, auch nicht fiktiv (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. Dezember 2014 - 1 WB 6.13 - Buchholz 449.7 § 51 SBG Nr. 1 Rn. 19 und vom 25. Juni 2015 - 1 WB 27.13 - Buchholz 450.1 § 23 WBO Nr. 1 Rn. 16), versetzt oder befördert werden. Damit könnte auch eine ggf. neu zu bildende Referenzgruppe ihren Zweck nicht mehr erfüllen, dem Antragsteller unter den Voraussetzungen der Nr. 404 und 405 ZDv A-1336/1 die Versetzung auf einen höher dotierten Dienstposten und eine entsprechende Beförderung oder Einweisung in eine Planstelle einer höheren Besoldungsgruppe zu ermöglichen.

17 2. Soweit der Antragsteller in Verbindung mit dem Verpflichtungsantrag begehrt, die ihm unter dem 22. Juli 2019 mitgeteilte Referenzgruppe vom 7. Juni 2019 in Gestalt des Beschwerdebescheids des Bundesministeriums der Verteidigung vom 9. März 2020 aufzuheben, hat der Antrag mit der Maßgabe Erfolg, dass die Gegenstandslosigkeit der Entscheidungen festzustellen ist.

18 a) Die Referenzgruppe vom 7. Juni 2019 war von Beginn an gegenstandslos, weil eine fiktive Versetzung des bereits zuvor, nämlich am 31. März 2019, in den Ruhestand getretenen Antragstellers auf einen Dienstposten der Ebene B 3 und eine entsprechende Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe B 3 schon im Zeitpunkt der Referenzgruppenbildung nicht mehr in Betracht kam. Die Referenzgruppe ging damit - bezogen auf den ihr zugedachten Zweck - von vornherein ins Leere und war deshalb im Sinne des § 43 Abs. 2 VwVfG (zur Anwendung dieser Vorschrift im Wehrbeschwerderecht vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Oktober 2021 - 1 WRB 2.21 - Rn. 17) von Beginn an "auf andere Weise erledigt" und unwirksam. Eine unwirksame Maßnahme kann unabhängig davon, ob sie angefochten wird oder nicht, keine Bestandskraft entfalten (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 43 Rn. 30a); ihrer ausdrücklichen Aufhebung bedarf es nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 - 6 C 16.09 - BVerwGE 138, 186 Rn. 25).

19 b) Gleichwohl kann der Antragsteller im vorliegenden Fall die Beseitigung des Rechtsscheins eines Verwaltungsaktes verlangen, weil er die Referenzgruppenbildung jedenfalls auch mit einem Anfechtungsantrag angegriffen hat, dieser Antrag ausnahmsweise eigenständige Bedeutung besitzt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. April 1968 - 6 C 104.63 - BVerwGE 29, 304 <309>) und die Beseitigung des Rechtsscheins als Rechtsschutzziel anerkannt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 1964 - 7 C 10.61 - BVerwGE 18, 154 <155>; Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 15; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 42 Rn. 3). Dabei kann es offenbleiben, ob man die Forderung nach Beseitigung des Rechtsscheins als in einem Anfechtungsantrag enthaltenes "minus" oder als einen gemäß § 23a Abs. 1 WBO i.V.m. § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO jederzeit möglichen Übergang zur Nichtigkeitsfeststellung im Sinne des § 42 Abs. 1 VwGO wertet. Denn der Antragsteller ist jedenfalls auch durch den Rechtsschein im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO beschwert und hat ein berechtigtes Interesse an der im Tenor ausgesprochenen gerichtlichen Feststellung der Gegenstandslosigkeit und damit Unwirksamkeit der Referenzgruppe vom 7. Juni 2019 (§ 43 Abs. 2 Satz 2 VwGO, § 43 Abs. 3 VwVfG).

20 Dem Bundesamt für das Personalmanagement war bei der Bildung der Referenzgruppe vom 7. Juni 2019 zwar erkennbar bewusst, dass diese sich an einen bereits in den Ruhestand versetzten Soldaten richtete und für diesen keine unmittelbaren dienstlichen Auswirkungen mehr haben konnte; so enthält das Schreiben vom 22. Juli 2019, mit dem der Antragsteller über die Referenzgruppe vom 7. Juni 2019 informiert wurde, anders als noch das Schreiben vom 4. September 2017, mit dem die vorherige, später aufgehobene Referenzgruppe vom 21. August 2017 mitgeteilt wurde, keine Erläuterungen mehr zur möglichen fiktiven Versetzung und Beförderung bzw. Planstelleneinweisung.

21 Allerdings wurde das Schreiben vom 22. Juli 2019 dem Antragsteller förmlich gegen Empfangsbekenntnis zugestellt, weshalb die vorsorgliche Einlegung einer fristwahrenden Beschwerde nach dem Rechtsgedanken des § 839 Abs. 3 BGB (Verlust des Schadensersatzanspruchs bei schuldhaftem Unterlassen, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden) eine mindestens naheliegende Reaktion des Antragstellers darstellte. Hinzu kommt, dass das Bundesamt für das Personalmanagement den vom Antragsteller gestellten Antrag auf Schadlosstellung nicht etwa unter Verweis auf die Referenzgruppe ablehnte, sondern das diesbezügliche Verwaltungsverfahren bis zum Abschluss des vorliegenden Wehrbeschwerdeverfahrens ausgesetzt hat; in gleicher Weise verfuhr das Verwaltungsgericht Köln in dem dortigen Klageverfahren wegen Beförderung. Für den Antragsteller bestand damit das Risiko, dass ihm in diesen Verfahren die Bestandskraft der Referenzgruppe vom 7. Juni 2019 entgegengehalten würde, wenn er das begonnene Wehrbeschwerdeverfahren nicht zu Ende führt. Dieses Risiko wurde noch dadurch erhöht, dass die Entscheidung über die Beschwerde vom 9. März 2020 ebenfalls keine Aussage zur inhaltlichen Unverbindlichkeit der Referenzgruppenbildung enthält; vielmehr erweckt die Zurückweisung der Beschwerde den Eindruck, dass die inhaltlichen Festlegungen der Referenzgruppenbildung für den Antragsteller verbindlich und nicht mehr anfechtbar seien. Er hat deshalb ein berechtigtes Interesse an der tenorierten Feststellung.

22 3. Der Antragsteller kann mit dem vorliegenden Antrag auf gerichtliche Entscheidung jedoch keine Klärung der Rechtmäßigkeit der Referenzgruppe vom 7. Juni 2019 erlangen.

23 a) Die beantragte Verpflichtung zum erneuten Erlass einer Referenzgruppe kommt nicht in Betracht, weil das Bundesministerium der Verteidigung nach Eintritt des Antragstellers in den Ruhestand - wie ausgeführt - nicht mehr berechtigt ist, ihn auf einem Dienstposten der Besoldungsgruppe B 3 zu verwenden und dafür mit der Bildung einer Referenzgruppe eine verbindliche Vorentscheidung zu treffen. Diese Befugnis hat sich mit dem Eintritt des Antragstellers in den Ruhestand am 31. März 2019 erledigt.

24 b) Ein Übergang von diesem Verpflichtungs- zu einem Fortsetzungsfeststellungsantrag gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO ist jedenfalls deswegen unzulässig, weil der Antragsteller nicht das erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Referenzgruppe hat. Zwar kann sich das erforderliche Feststellungsinteresse nach der Rechtsprechung des Senats auch aus der Absicht ergeben, einen Schadlos- oder Schadensersatzanspruch geltend zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Januar 2013 - 1 WB 60.11 - NVwZ 2013, 1227 Rn. 26 und vom 11. Dezember 2014 - 1 WB 6.13 - Buchholz 449.7 § 51 SBG Nr. 1 Rn. 24). Wird das Feststellungsinteresse auf die Absicht, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, gestützt, so gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats einschränkend, dass die Erledigung erst nach Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten sein darf; nur dann entspricht es dem Gedanken der Prozessökonomie, das ursprünglich anhängige Anfechtungs- oder Verpflichtungsbegehren mit dem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme bzw. der Unterlassung fortzusetzen, um die im Verfahren vor dem Wehrdienstgericht gewonnenen Erkenntnisse für den nachfolgenden Schadensersatzprozess zu erhalten (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2014 - 1 WB 54.13 - juris Rn. 19 m.w.N.). Ist die Erledigung dagegen bereits vor Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten, so ist der Beschwerdeführer gehalten, seine Schadensersatzklage unmittelbar beim zuständigen (Verwaltungs- oder ordentlichen) Gericht zu erheben, das - neben den übrigen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs - inzident die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Maßnahme überprüft (ebenso für das allgemeine Verwaltungsprozessrecht die stRspr zu § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, vgl. z.B. BVerwG, Urteile vom 20. Januar 1989 - 8 C 30.87 - BVerwGE 81, 226 und vom 27. März 1998 - 4 C 14.96 - BVerwGE 106, 295 <298>).

25 c) Nach diesen Maßstäben ist der Antrag, die Rechtswidrigkeit der Referenzgruppe vom 7. Juni 2019 festzustellen, unzulässig, weil dem Antragsteller hierfür das Feststellungsinteresse fehlt.

26 Der Antragsteller hat sich nicht ausdrücklich zum Feststellungsinteresse geäußert. Aus seinem gesamten Vorbringen geht jedoch eindeutig hervor, dass er die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Referenzgruppenbildung im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen unterbliebener Einweisung in eine höhere Planstelle der Besoldungsgruppe B 3 begehrt. Ein solches Schadensersatzverlangen, wie es der Antragsteller auch bereits beim Bundesamt für das Personalmanagement angebracht hat, erscheint nicht von vornherein als aussichtslos.

27 Die Erledigung des Rechtsstreits über die Referenzgruppenbildung durch das Dienstzeitende des Antragstellers (31. März 2019) ist jedoch bereits lange vor Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung vom 15. April 2020 eingetreten. Der Antragsteller ist deshalb darauf zu verweisen, seine Schadensersatzforderung beim Bundesamt für das Personalmanagement weiterzuverfolgen und - prozessual - insgesamt und unmittelbar beim hierfür zuständigen Verwaltungsgericht geltend zu machen. Er kann nicht verlangen, vorab einen Teil der Voraussetzungen des Anspruchs auf Schadensersatz vom vermeintlich "sachnäheren" Wehrdienstgericht geklärt zu erhalten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2014 - 1 WB 54.13 - juris Rn. 20).

28 d) Etwas anderes folgt auch nicht aus dem vom Antragsteller angeführten Beschluss des 2. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juni 2014 (- 2 B 1.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 74). Aus den dort aufgestellten Rechtssätzen ergibt sich keine Durchbrechung der dargelegten Grundsätze zum Feststellungsinteresse bei einem Fortsetzungsfeststellungsantrag zur Vorbereitung eines Schadensersatzprozesses.

29 Dies gilt insbesondere für den vom Antragsteller in Bezug genommenen Leitsatz 3 des Beschlusses: "Die fiktive Versetzung eines vom militärischen Dienst freigestellten Personalratsmitglieds kann eigenständig geltend gemacht und eingeklagt werden; eine inzidente Nachprüfung im Rahmen eines Beförderungs- oder Schadensersatzbegehrens findet nicht statt". Der erste Halbsatz verweist auf die - vom 2. Revisionssenat auch zitierte (a.a.O. Rn. 10) - Rechtsprechung des 1. Wehrdienstsenats, wonach eine fiktive (ebenso wie eine reguläre) Versetzung eine dienstliche Maßnahme darstellt, die zum Gegenstand eines gerichtlichen Antragsverfahrens vor den Wehrdienstgerichten gemacht werden kann (§ 17 Abs. 3 Satz 1 WBO). Ungeachtet seines weitergehenden - und insofern missverständlichen - Wortlauts bedeutet der zweite Halbsatz jedoch nicht, dass ein Gegenstand (wie die fiktive Versetzung), der primär in die Zuständigkeit der Wehrdienstgerichte fällt, nur von diesen und nicht auch von Gerichten anderer Rechtswege beurteilt werden könnte, wenn er dort in einem Rechtsstreit - wie etwa einem Schadensersatzprozess vor einem Verwaltungsgericht - eine entscheidungserhebliche Vorfrage bildet (zur sog. Vorfragenkompetenz aller Gerichte vgl. Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 13 GVG Rn. 21).

30 Dass der Beschluss vom 25. Juni 2014 die Vorfragenkompetenz nicht einschränken wollte, zeigen die Gründe der Entscheidung: Der Kläger des Falls - ein als Personalratsmitglied vom Dienst freigestellter Soldat - hatte seine fiktive Versetzung auf einen höherwertigen Dienstposten, die entsprechende Beförderung sowie Schadensersatz für eine etwaig verspätete Beförderung beantragt; der Dienstherr lehnte dies ab und wies auch die dagegen gerichtete Beschwerde zurück (a.a.O. Rn. 3). Der Soldat klagte daraufhin erfolglos vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht auf Beförderung und Zahlung von Schadensersatz (a.a.O. Rn. 4). Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision zurück. Es erklärte hierzu, dass der Kläger die Möglichkeit gehabt hätte, die fiktive Versetzung unmittelbar und eigenständig geltend zu machen und nötigenfalls auch einzuklagen (a.a.O. Rn. 10). Von dieser Möglichkeit habe der Kläger, der sich jedenfalls noch während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erster Instanz im aktiven Dienst befand (a.a.O. Rn. 2 und 6), keinen Gebrauch gemacht und mit seinen Klageanträgen ausschließlich seine Beförderung und die Gewährung von Schadensersatz verfolgt (a.a.O. Rn. 11). Das Bundesverwaltungsgericht hat deshalb die schon vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung bestätigt, dass die auf Beförderung gerichtete Klage bereits mangels einer vorherigen fiktiven Versetzung auf den höher bewerteten Dienstposten unbegründet sei; gleiches gelte für den Antrag auf Gewährung von Schadensersatz wegen unterbliebener Beförderung (a.a.O. Rn. 11 und 12). Im Ergebnis hat der 2. Revisionssenat dem Kläger also vorgehalten, dass die Ablehnung seines Versetzungsantrags mangels rechtzeitiger Anfechtung in Bestandskraft erwachsen sei und ihm deswegen eine notwendige Voraussetzung für die Beförderung und die Gewährung von Schadensersatz fehle (zur sog. Tatbestandswirkung bestandskräftiger Verwaltungsakte vgl. Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 13 GVG Rn. 23 ff.). Dem im Lichte dieser Entscheidung berechtigten Interesse des Antragstellers zu verhindern, dass ihm im Schadensersatzprozess die Bestandskraft der Referenzgruppenbildung ohne inhaltliche Prüfung entgegengehalten werden kann, ist durch die hier tenorierte Feststellung der Gegenstandslosigkeit Rechnung getragen.

31 Entsprechendes gilt für die in dem Beschluss vom 25. Juni 2014 erhobene Forderung, dass Einwände gegen die Referenzgruppenbildung für vom militärischen Dienst freigestellte Soldaten zeitnah geltend gemacht werden müssen (a.a.O. LS 1 und Rn. 27). Der 1. Wehrdienstsenat hat - zeitlich nachfolgend - mit Beschluss vom 4. Mai 2017 - 1 WB 5.16 - entschieden, dass die Bildung einer Referenzgruppe nach dem Zentralerlass B-1336/2 zur "Förderung vom Dienst freigestellter Soldatinnen und Soldaten" (entspricht der aktuell geltenden Zentralen Dienstvorschrift A-1336/1) eine dienstliche Maßnahme im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO darstellt. "Zeitnahe Geltendmachung" im obigen Sinne bedeutet deshalb seitdem, dass die Referenzgruppe fristgerecht mit den Rechtsbehelfen der Wehrbeschwerdeordnung angefochten werden muss, wenn sie nicht in Bestandskraft erwachsen soll.

32 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.