Urteil vom 30.03.2011 -
BVerwG 2 WD 5.10ECLI:DE:BVerwG:2011:300311U2WD5.10.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 30.03.2011 - 2 WD 5.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:300311U2WD5.10.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 5.10

  • Truppendienstgericht Süd 7. Kammer - 24.11.2009 - AZ: TDG S 7 VL 12/09

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 30. März 2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister,
ehrenamtlicher Richter Major Doll und
ehrenamtlicher Richter Oberfeldwebel Kietzmann,
Leitender Regierungsdirektor Breitwieser
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt …,
als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin Kairies
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft wird das Urteil der 7. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 24. November 2009 aufgehoben.
  2. Gegen den Soldaten wird ein Beförderungsverbot von achtundvierzig Monaten sowie eine Kürzung der Dienstbezüge um ein Zwanzigstel für die Dauer von sechsunddreißig Monaten verhängt.
  3. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden dem Soldaten auferlegt.
  4. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Bund und dem Soldaten jeweils zur Hälfte auferlegt. Die dem Soldaten in der Berufungsinstanz erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund zur Hälfte auferlegt.

Gründe

I

1 Der im Juni 1981 geborene Soldat legte im Jahr 2000 sein Abitur ab und begann im Juli desselben Jahres seinen Grundwehrdienst bei der 6./… Im November 2000 wurde er in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen, wobei die Dienstzeit zuletzt auf zwölf Jahre festgesetzt wurde. Anträge auf Umwandlung des Dienstverhältnisses in das eines Berufssoldaten hatten keinen Erfolg, so dass der Soldat voraussichtlich zum 30. Juni 2012 aus der Bundeswehr ausscheiden wird.

2 Seinen Antrag auf Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des Militärfachlichen Dienstes wies das Personalamt der Bundeswehr zurück, wobei dieser Bescheid dem Soldaten am 13. Mai 2008 ausgehändigt wurde. Ab Dezember 2009 hat der Soldat bei einer Versicherungsgruppe eine auf Wochenenden und die dienstfreie Zeit beschränkte Ausbildung zum Fachwirt für Versicherungen aufgenommen. Derzeit studiert er im Rahmen des Berufsförderungsdienstes an der Fachhochschule D.

3 Der zuletzt Anfang Juli 2005 zum Oberfeldwebel beförderte Soldat leistete seinen Dienst zunächst in verschiedenen Einheiten des …bataillons … ab, bevor er zum Januar 2007 zur …kompanie … in B. versetzt wurde.

4 Wegen einer Verletzung des Großzehengrundgelenks beantragte der Soldat im August 2007 seine Versetzung. Er begründete sie damit, dass er einen Dienstposten anstrebe, bei dem die körperlichen Anforderungen niedriger seien als gegenwärtig. Im November 2007 lehnte die Stammdienststelle der Bundeswehr den Versetzungsantrag ab.

5 Der Soldat bestand im August 2001 an der Heeresunteroffizierschule II den Unteroffizierlehrgang 1 mit der Abschlussnote „gut“, wobei er im Rahmen dieses Lehrgangs auch die Seminare „Menschenführung in den Streitkräften“ besuchte und festgestellt wurde, seine Eignung und Befähigung, auf Menschen einzugehen und sie zu führen, sei besonders vorhanden. Der Soldat besuchte in der Zeit vom 1. Oktober bis 3. November 2003 das als „Ausbilder in der Allgemeinen Grundausbildung“ bezeichnete „Truppenpraktikum FwAnw TrD“, in dem ihm gute Leistungen und ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein bescheinigt wurden. Den anschließend vom 4. November 2003 bis 2. April 2004 an der Heeresunteroffizierschule II durchlaufenen Feldwebellehrgang schloss er mit der Abschlussnote „gut“ (Platzziffer 2,481) und der gleichlautenden Note im Lehrfach „Innere Führung“ ab, wobei der zuständige Inspektionschef einen Beurteilungsvermerk anfertigte, in dem er den Soldaten als eine „durch Ruhe und soldatische Haltung gekennzeichnete Persönlichkeit“ charakterisierte. Der Soldat berücksichtige Gesamtzusammenhänge und stimme in seinem Handeln mit Werten und Tugenden des soldatischen Dienstes überein. Grundsätze zeitgemäßer Menschenführung nehme der Soldat an und setze sie um.

6 In der Beurteilung vom 10. Mai 2005 erreichte der Soldat in der gebundenen Beschreibung für das Merkmal „Auffassungsgabe“ die Stufe „7“ und ansonsten fünfmal die Stufe „5“ und im Übrigen die Stufe „6“. Unter „Verantwortungsbewusstsein“ mit der Wertung „D“ heißt es, der Soldat sei ein sehr verantwortungsbewusster militärischer Führer, der für sein Verhalten immer einstehe und keine Ausflüchte suche. Für Zusatzaufträge stehe er stets zur Verfügung. Bei „Eignung und Menschenführung/Teambefähigung“ erreichte der Soldat den Eignungs- und Befähigungsgrad „deutlich vorhanden“, wobei der Disziplinarvorgesetzte den Soldaten im Hinblick auf seine Menschenführung als „gespalten“ und als Vorgesetzten beschreibt, der schwer einschätzbar sei, wenn er auf Widerstände stoße. Insgesamt hielt der Beurteilende den Soldaten für „psychisch und physisch voll belastbar“, allerdings entspreche sein Handeln nicht immer den Leitlinien der Inneren Führung.

7 In der Laufbahnbeurteilung vom 23. September 2005 und in der Stellungnahme vom 3. November 2005 erachteten nächster und nächsthöherer Vorgesetzter den Soldaten für die Umwandlung des Dienstverhältnisses als „gut geeignet“; der nächsthöhere Vorgesetzte erklärte, der Soldat gehöre zur Mittelgruppe der Unteroffiziere m. P. des Bataillons.

8 Die planmäßige Beurteilung vom 28. März 2007 bezieht sich u. a. auf die Tätigkeit des Soldaten als Ausbilder, Führer und Erzieher sowie auf dessen Einsatz als Leitender von Schulschießen auf der Standortschießanlage und Sicherheitsoffizier bei Schul- und Gefechtsschießen. In der gebundenen Beschreibung vergab der nächste Disziplinarvorgesetzte (Hauptmann B.) für die Merkmale Auffassungsgabe und Ausbildungsgestaltung jeweils die Stufe „7“, für Eigenständigkeit und Zusammenarbeit jeweils die Stufe „5“ und zwölfmal die Stufe „6“. In der freien Beschreibung stufte der Beurteilende den Soldaten bezüglich der vorgegebenen Eignungs- und Befähigungsmerkmale dreimal mit „D“ und einmal mit „E“ ein und führte unter „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“ aus, der Soldat setze die Grundsätze der zeitgemäßen Menschenführung konsequent um. Besonders positiv hervorzuheben sei sein Einsatz als Ausbilder der innendienstkranken Rekruten während der Grundausbildung. Der nächsthöhere Vorgesetzte, Oberstleutnant V., erklärte in seiner Stellungnahme vom 29. März 2007 im Wesentlichen, aufgrund seiner Persönlichkeit, seines Leistungsbildes und des vorhandenen Potentials sei auch für ihn die Eignung des Soldaten zum Zugführer und Berufssoldaten deutlich erkennbar.

9 In der späteren Laufbahnbeurteilung vom 19. Juli 2007 hielt der nächste Disziplinarvorgesetzte (Hauptmann Br.) den Soldaten für den Laufbahnwechsel für „geeignet“ und der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte (Oberstleutnant S.) für „gut geeignet“. Im Zusammenhang mit der vom Soldaten beantragten Umwandlung seines Dienstverhältnisses lautet im Jahre 2007 die Einschätzung des nächsten und nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten übereinstimmend „gut geeignet“.

10 Die Beurteilung vom 1. Juni 2007 bezieht sich erneut u. a. auf den Einsatz des Soldaten als Gruppenführer in der allgemeinen Grundausbildung. Als Beurteilender vergab Hauptmann Br. unter „Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten“ Wertungen, die zu einem Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von „4,60“ führten. Zum Persönlichkeitsprofil heißt es, im Auftreten vor Soldaten und Einfordern von Gefolgschaft müsse der Soldat noch Erfahrung sammeln, um seinem bereits gut ausgeprägten Vorschriftenwissen die entsprechende Geltung zu verleihen.

11 In der letzten Beurteilung vom 14. Dezember 2009 erhielt der Soldat im Bereich Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten zweimal die Wertung „2“, zweimal die Wertung „3“, dreimal die Wertung „4“ und dreimal die Wertung „5“, woraus sich ein Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von 3,7 ergibt. Erläuternd heißt es, der Soldat habe die an ihn gestellten Erwartungen und Anforderungen überwiegend erfüllt, ohne jedoch auffallend in Erscheinung zu treten. Den körperlichen Herausforderungen einer allgemeinen Grundausbildung halte er stand. Wegen eines noch nicht abgeschlossenen Genesungsprozesses habe er jedoch seine sportliche Leistungsfähigkeit nicht unter Beweis stellen können. Auch unter Belastung sei er konzentriert und energisch geblieben. Die Grundsätze der Inneren Führung habe er grundsätzlich verstanden, jedoch gelte es hier an Handlungssicherheit zu gewinnen. Der Soldat sei ein ruhiger und selbstbewusster Feldwebel, der, wenn gefordert, energisch in Erscheinung trete, seine Meinung immer argumentativ vertreten könne und ohne Umschweife für sein Handeln eintrete. Kritik nehme er offen auf und setze sie dann auch um. Er sei charakterlich gefestigt und aus innerer Überzeugung Soldat. Er zeige durchweg positive Leistungen. Im Kameradenkreis sei er aufgrund seiner offenen Art anerkannt und respektiert. Wenn er an seinen Defiziten weiter zielgerichtet arbeite, sei ein Leistungssprung zu erwarten, der ihm weitere Perspektiven eröffnen werde. Der nächsthöhere Vorgesetzte erklärte, im Bereich des Bataillons liege der Soldat im hinteren Leistungsdrittel seiner Vergleichsgruppe. Er besitze Potenzial, welches er jedoch deutlicher abrufen müsse.

12 In der Hauptverhandlung der Truppendienstkammer führte der nächste Disziplinarvorgesetzte Hauptmann P. aus, er habe von Januar bis Juni 2008 als damaliger Vertreter des Kompaniechefs den Soldaten fast täglich gesehen. Dieser sei wegen seiner körperlichen Einschränkung sehr unzufrieden gewesen, habe sich aber wegen seiner hohen Ansprüche gegen sich und seine Untergebenen im Innendienst kreativ hervorgetan. Außerdem habe er, um seine im Außendienst tätigen Kameraden zu entlasten, einen Großteil der Formalausbildung durchgeführt. Es sei zu Spannungen mit Kameraden gekommen, die ihre Ursache darin gehabt hätten, dass der Soldat keinen Außendienst geleistet habe. Weiter hat der Leumundszeuge dargelegt, dass er ab April 2009 die Kompanie auf Dauer übernommen habe und der Soldat während dessen nicht mehr in den Ausbildungsbetrieb eingebettet, sondern im Freizeitbüro tätig gewesen sei. Diese neue Verwendung übe er mit großem Engagement aus. In der Berufungshauptverhandlung hat der Leumundszeuge erklärt, unkontrollierte Verhaltensweisen habe der Soldat - abgesehen vom angeschuldigten Verhalten - nicht gezeigt.

13 Der Soldat ist im Besitz des Tätigkeitsabzeichens Rohrwaffenpersonal in Silber (seit 2007) und der Schützenschnur in Gold (ebenfalls seit 2007). Der Disziplinarbuchauszug Teil I vom 14. Februar 2011 und der Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 9. Februar 2011 enthalten keine Eintragung.

14 Der Soldat ist ledig und Vater eines Kindes. Sein monatliches Nettomonatseinkommen beträgt etwa 2000 €. Seine Vermögensverhältnisse sind geordnet. Neben den Aufwendungen für die Miete einer in Dresden gelegenen „Wochenendwohnung“, Versicherungen und laufende Ausgaben bestehen Ansprüche gegen den Soldaten aus Darlehen (Eigentumswohnungsfinanzierung von monatlich 375,61 € für die Dauer von 30 Jahren; Fahrzeugfinanzierung aus dem Jahre 2008 in Höhe von 272, 50 € monatlich bis 2012).

15 Das gegen den Soldaten wegen des angeschuldigten Verhaltens eingeleitete Strafverfahren wegen des Verdachtes der entwürdigenden Behandlung eines Untergebenen wurde im Januar 2009 gem. § 153a Abs. 1 StPO mit Zustimmung der Wehrdisziplinaranwaltschaft endgültig eingestellt, nachdem der Soldat 500 € an eine gemeinnützige Einrichtung gezahlt hatte. Die Staatsanwaltschaft hatte den Vorschlag damit begründet, dass der Soldat nicht aus „niederen Beweggründen“ gehandelt habe. Zwar sei dessen Verhalten nicht korrekt und völlig überzogen gewesen, gleichwohl sei die Geldauflage zur Ahndung der Tat ausreichend, weil der Soldat einsichtig und von einer falschen, nämlich viel gefährlicheren Situation ausgegangen sei.

II

16 1. In dem mit Verfügung des Kommandeurs der ... …division vom 2. April 2009 eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren legte der Wehrdisziplinaranwalt dem Soldaten in der ihm am 10. August 2009 ausgehändigten Anschuldigungsschrift vom 2. Juli 2009 folgenden Sachverhalt als Dienstvergehen zur Last:
„Der Soldat war am Vormittag des 13.05.2008 auf der Schießanlage des Standortübungsplatzes … B. anlässlich eines Gewehrschießens von Soldaten in der Grundausbildung als Aufsicht beim Schützen eingeteilt. Im Anschluss an einen Schießdurchgang und nachdem er mit dem ihm zugewiesenen Schützen die Trefferaufnahme durchgeführt hatte, lief er vom Zielbereich zum Stellungsbereich zurück und nahm das in der ihm zugewiesenen Stellung befindliche entladene, entspannte und gesicherte Gewehr G 36 und zielte mit diesem entgegen der ZDv 3/136, Nr. 205 und 601 aus einer Entfernung zwischen zwanzig Zentimetern bis zu einem Meter auf den Kopf des Jägers … L., der zu diesem Zeitpunkt auf Anweisung seiner Aufsicht beim Schützen, dem Oberfeldwebel … M., mit einem entladenen, entspannten und gesicherten Gewehr G 36 einen Probeanschlag stehend freihändig in Richtung Zielbereich der Schießbahn durchführte. Die Waffe im Anschlag, fragte der Soldat den Jäger L. sinngemäß, ob es diesem gefiele, wenn jemand auf ihn zielen würde bzw. ob es ihm gefiele, auf jemanden zu zielen. Erst auf Befehl des Leitenden des Schießens ließ er von seinem Opfer ab.“

17 2. Der Vorsitzende der 7. Kammer des Truppendienstgerichts Süd regte im Juli 2009 an, das gerichtliche Verfahren mit Disziplinargerichtsbescheid zu beenden und unterbreitete einen Entscheidungsvorschlag, den die Wehrdisziplinaranwaltschaft ablehnte.

18 3. Das Truppendienstgericht hat gegen den Soldaten durch Urteil vom 24. November 2009 ein Beförderungsverbot für die Dauer von 30 Monaten sowie eine Kürzung seiner Dienstbezüge um ein Zwanzigstel für die Dauer von 20 Monaten verhängt. Dies entsprach der Disziplinarmaßnahme, die das Truppendienstgericht zuvor als Inhalt eines Disziplinargerichtsbescheides in Aussicht gestellt hatte. Zudem hat das Truppendienstgericht die Kosten des Verfahrens dem Soldaten auferlegt mit Ausnahme der Kosten, die durch die Hauptverhandlung entstanden sind; diese hat es genauso wie die dem Soldaten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen dem Bund auferlegt.

19 4. In den Urteilsgründen heißt es im Wesentlichen, das Gericht gehe aufgrund der im Grundsatz geständigen Einlassung des Soldaten von dem angeschuldigten Sachverhalt aus. Danach habe der Soldat als „Aufsicht beim Schützen“ auf der Schießanlage des Standortübungsplatzes in B. während eines Gewehrschießens am 13. Mai 2008 beim Rückweg von der Trefferaufnahme beobachtet, dass der Jäger L. mit seiner entladenen, entspannten und gesicherten Waffe G 36 einen Probeanschlag in Richtung Schießbahn und damit auch in Richtung des Soldaten geführt habe. Diese Beobachtung habe der Soldat zum Anlass genommen, ein ebenfalls entladenes, entspanntes und gesichertes G 36 aufzunehmen, zu dem Jäger L. zu eilen „und währenddessen aus einer Entfernung von 20 bis zu einem Meter auf dessen Körper, also auch Kopf, zu zielen“ (Seite 12 des Urteils). Dabei habe der Soldat den Jäger L. sinngemäß angeschrien, ob es ihm gefalle, wenn jemand auf ihn ziele bzw. er auf jemanden ziele. Nach Einschreiten des Hauptfeldwebels H. habe der Soldat beruhigt werden können und von dem Jäger L. abgelassen. Es sei nicht zu widerlegen und auch durch die Einschätzung des Zeugen Hauptfeldwebel H. bestätigt worden, dass der Soldat irrtümlicherweise von einer gefährlicheren Situation ausgegangen sei, zumal er nicht habe beobachten können, ob das Magazin in der von dem Jäger L. verwendeten Waffe eingeführt gewesen sei oder nicht. Ebenso stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass sich die den Probeanschlag anordnende Aufsicht beim Schützen, der Zeuge Oberfeldwebel M., während der Durchführung des Probeanschlags mit dem (von dem Soldaten nicht wahrgenommenen) Magazin der Waffe bei dem etwa fünf bis zehn Meter entfernt stehenden Zeugen Hauptfeldwebel H. befunden habe. Schließlich gehe das Gericht davon aus, dass während des Fehlverhaltens des Soldaten, und zwar auch bereits zu Beginn der Trefferaufnahme, die grüne Flagge gesetzt gewesen sei.

20 Dienst- und disziplinarrechtlich sei das Verhalten des Soldaten als Verstoß gegen die Fürsorge-, Gehorsams-, Kameradschafts- und gegen die dienstliche Wohlverhaltenspflicht zu werten, mithin als vorsätzliches Dienstvergehen. Bei der rechtlichen Bewertung lege die Kammer die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts in seiner Entscheidung vom 18. März 1997 - BVerwG 2 WD 29.95 - zugrunde. Dabei werde nicht übersehen, dass der 2. Wehrdienstsenat bei einem Sachverhalt, wie er vorliege, auch eine Verletzung der Treuepflicht annehme und dies im Wesentlichen mit der Strafbarkeit nach § 46 und § 31 Abs. 1 WStG begründe (Urteil vom 22. April 2009 - 2 WD 12.08 -). Nach Einschätzung der Kammer sei dies jedoch nicht überzeugend, so dass sie eine Verletzung der Treuepflicht ablehne.

21 Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen sei bei derartigen Fehlverhaltensweisen die Herabsetzung im Dienstgrad. Wie das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt habe, sei eine Degradierung auch dann Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen, wenn es sich - wie hier - um ein lediglich potenziell gefährdendes Verhalten handele. Allerdings sei vorliegend eine moderate gerichtliche Disziplinarmaßnahme ausreichend, auch wenn die Voraussetzungen des klassischen Tatmilderungsgrundes einer Augenblickstat wegen der Ausführungen in der Beurteilung vom 10. Mai 2005 - der Soldat sei dort im Hinblick auf die Menschenführung als „schwer einschätzbar“ beschrieben worden - nicht bejaht werden könnten. Das Gericht teile die Einschätzung der Staatsanwaltschaft, dass das Verhalten des Soldaten nicht von einer böswilligen Gesinnung geprägt gewesen sei. Vielmehr sei der Soldat „in Rage“ gewesen und habe sich durch den Probeanschlag des Jägers L. „bedroht“ gefühlt. Wenn bereits eine Provokation einen Milderungsgrund darstelle, müsse dies erst recht für eine (scheinbare) Bedrohungssituation gelten. Bezeichnend sei, dass sich der Jäger L. trotz ausdrücklicher und mehrmaliger Hinweise nicht beschwert habe. Bezeichnend sei ebenfalls, dass der Jäger L. auch noch nach dem Vorkommnis sehr gute, möglicherweise sogar die besten Trefferergebnisse erreicht habe. Erst nach seiner Versetzung habe er während eines zwanglosen Gesprächs im Juli 2008 von dem Geschehen berichtet. Da Dienstaufsicht nicht nur eine gewisse Form der Kontrolle umfasse, sondern vor allem Hilfe in Form von Erklärung, Anleitung und Unterstützung, und auf Vorgesetztenebene bekannt gewesen sei, dass von einer Verwendung des Soldaten als Ausbilder in einer Grundausbildung aus ärztlicher Sicht abgeraten werde, begründe die Fortsetzung einer solchen dienstlichen Verwendung ein gewisses „Mitverschulden“, das zugunsten des Soldaten Berücksichtigung finden müsse. Es möge sein, dass das am Tattag eröffnete Ergebnis einer Begutachtung, nur eingeschränkt dienstlich verwendbar zu sein, und auch die Ablehnung des Antrags auf Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des Militärfachlichen Dienstes sowie auf Umwandlung des Dienstverhältnisses in das eines Berufssoldaten eine mildere Betrachtung erlaubten. Das könne aber genauso wie die Frage nach der Uhrzeit der Eröffnungen dahingestellt bleiben, weil der Soldat ausdrücklich und mehrmals betont habe, diese Umstände hätten sein Verhalten nicht bestimmt. Unwiderlegbar stehe aber fest, dass im 1. Quartal des Jahres 2008, jedenfalls aber vor dem Tag der Verfehlung am 13. Mai 2008, die Großmutter des Soldaten verstorben sei, zu der er ein inniges Verhältnis gehabt habe. Bereits der Jäger L. habe in der nichtrichterlichen Anhörung zu Protokoll gegeben, der Soldat sei nach seinem Urlaub wie umgewandelt gewesen. Die von der Kammer zur Tatzeit unterstellte Trauer um den Tod seiner Großmutter sei genauso zugunsten des Soldaten zu berücksichtigen wie der von ihm geschilderte Vorfall während des Besuchs seines Feldwebellehrgangs im Jahre 2003/2004. Damals hätte ein Lehrgangskamerad „durchgedreht“, weil er Zeuge eines Schießunfalls gewesen sei, bei dem zwei Personen zu Tode gekommen seien. Der Soldat selbst begründe seine Prägung durch dieses Erlebnis damit, dass er seinerzeit als Zeuge in dem damit zusammenhängenden gerichtlichen Verfahren ausgesagt habe.

22 Auch aus dem Persönlichkeitsbild des Soldaten ergäben sich Milderungsgesichtspunkte: Er könne nicht nur überdurchschnittliche Beurteilungen vorweisen, sondern auch einen mit der Abschlussnote „gut“ bestandenen Feldwebellehrgang. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass sich der Soldat bislang tadelfrei geführt habe. Trotz dieser entlastenden Umstände sei wegen der Art der Tat die Verhängung ausschließlich eines Beförderungsverbots nicht ausreichend, vielmehr sei es unumgänglich, den Soldaten zwanzig Monate spürbar daran zu erinnern, dass die Verletzung von Sicherheitsbestimmungen über den Umgang mit Schusswaffen kein Kavaliersdelikt sei.

23 Die Kostenentscheidung beruhe auf §§ 138 Abs. 1 Satz 1 2. HS, 140 Abs. 2 Satz 1 WDO, wonach es billig erscheine, den Soldaten nicht mit den durch die Hauptverhandlung entstandenen Kosten zu belasten, sondern sie dem Bund aufzuerlegen; dies gelte auch für die durch die Hauptverhandlung dem Soldaten entstandenen notwendigen Auslagen.

24 5. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich der ... …divison hat gegen das am 8. Dezember 2009 zugestellte Urteil am 29. Dezember 2009 zuungunsten des Soldaten unbeschränkt Berufung eingelegt mit dem Ziel der Herabsetzung des Soldaten in den Dienstgrad eines Feldwebels. In der Berufungshauptverhandlung hat der Bundeswehrdisziplinaranwalt beantragt, gegen den Soldaten ein Beförderungsverbot von 48 Monaten, verbunden mit einer Kürzung der Dienstbezüge um ein Zwanzigstel für die Dauer von 30 Monaten, zu verhängen.

25 Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Wehrdisziplinaranwaltschaft im Wesentlichen vor, das Truppendienstgericht habe zu Unrecht festgestellt, dass der Soldat „aus einer Entfernung von 20 bis zu einem Meter auf dessen Körper“, gezielt habe. Gegenstand des Verfahrens sei das Zielen auf den Kopf des Jägers L. aus einer Entfernung von zwanzig Zentimetern bis zu einem Meter gewesen. Keiner der Zeugen und auch nicht der Rekrut selbst hätte angegeben, dass die Entfernung mehr als einen Meter betragen habe. Dieses Detail der Tatausführung sei für den Unrechtsgehalt der Tat und damit für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme von ausschlaggebender Bedeutung. Dem hätte die Kammer im Wege der unmittelbaren Beweiserhebung nachgehen müssen. Unzutreffend sei auch die Feststellung der Kammer, dem Soldaten sei nicht zu widerlegen, dass er irrtümlicherweise von einer gefährlichen Situation ausgegangen sei, weil er nicht hätte beobachten können, ob das Magazin in die von dem Jäger L. verwendete Waffe eingeführt gewesen sei. Rechtlich unzutreffend sei zudem die Auffassung, mit dem Verhalten habe der Soldat nicht auch die Pflicht zum treuen Dienen verletzt. Das Fehlverhalten des Soldaten sei auch zu milde geahndet worden. Die vom Truppendienstgericht angenommenen Milderungsgründe seien jedenfalls nicht von Gewicht.

III

26 Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft hat zum Teil Erfolg.

27 Das Rechtsmittel ist in vollem Umfang eingelegt worden. Der Senat hat daher im Rahmen der Anschuldigung eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen (1.), diese rechtlich zu würdigen und die sich daraus ergebenden Folgerungen zu ziehen (2.) sowie über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden (3.).

28 1. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts in tatsächlicher Hinsicht fest:

29 Der Soldat ist am Vormittag des 13. Mai 2008 auf der Schießanlage des Standortübungsplatzes in B. anlässlich eines Gewehrschießens von Soldaten, die sich in der Grundausbildung befanden und erstmals mit scharfer Munition schossen, auf den Jäger L. (Schießbahn 1) zugerannt und hat vorsätzlich auf ihn mit dem zuvor aus der Stellung des Soldaten (auf Schießbahn 4) geholten, entladenen, entspannten und gesicherten Gewehr G 36 in einer Entfernung von etwa einem Meter gezielt, wobei er den Jäger L. schreiend fragte, ob es ihm gefiele, wenn jemand auf ihn zielen würde bzw. ob es ihm gefiele, auf jemanden zu zielen. Dabei ging der Soldat beim Zielen auf den Körper des Jägers L. nicht in Anschlag; er hielt die Waffe in Hüfthöhe.

30 Der als Aufsicht beim Schützen für den Jäger L. eingeteilte Oberfeldwebel M. stand während dieses Geschehens etwa fünf bis zehn Meter entfernt vom Jäger L. und unterhielt sich mit dem Hauptfeldwebel H., der Leitender des Schießens war und den Befehl erteilt hatte, keinen Probeanschlag durchzuführen, solange sich noch Personen auf den Schießbahnen befänden. Erst auf Intervention des Leitenden des Schießens stellte der Soldat sein Verhalten ein. Der Jäger L. musste nach dem Vorfall beruhigt werden, zitterte und war geschockt, konnte später jedoch erfolgreich an weiteren Schießübungen teilnehmen. Der Soldat hat den Jäger L. später auf die Möglichkeit hingewiesen, sich über ihn zu beschweren; der Wehrpflichtige hat davon keinen Gebrauch gemacht.

31 Anlass für das Verhalten des Soldaten war, dass er sich durch den Jäger L. gefährdet gefühlt hatte. Der Jäger L. hatte auf Befehl des Oberfeldwebels M. und entgegen der allgemein geltenden Befehlslage mit einem entladenen, entspannten und gesicherten Gewehr G 36, dessen Magazin sich beim Oberfeldwebel Müller befand, einen Probeanschlag in Richtung Zielbereich der Schießbahn durchgeführt, wovon der Soldat in etwa 25 - 30 m Entfernung Kenntnis erlangte. Der Soldat hatte sich als Aufsicht beim Schützen mit einem anderen Wehrdienstleistenden auf einer anderen Schießbahn aufgehalten, um die Schießergebnisse des dortigen Schützen zu ermitteln. Zu diesem Zeitpunkt war die Schießbahn, auf der der Jäger L. zu schießen hatte, grün beflaggt, und Oberfeldwebel M. stand beim Hauptfeldwebel H., also nicht unmittelbar neben dem Schützen.

32 Grundlage der richterlichen Überzeugung sind die Aussagen des Soldaten, der in der Berufungshauptverhandlung insbesondere ausgesagt hat, das Gewehr in etwa nur einem Meter Entfernung vorsätzlich auf den Jäger L. gerichtet zu haben. Der Vernehmung der von der Wehrdisziplinaranwaltschaft benannten Zeugen bedurfte es daher nicht. Darüber hinaus hat er seine Aussagen vor dem Truppendienstgericht bestätigt, dass grün geflaggt gewesen sei. Zwar würden dienstlich negative Entscheidungen ihn möglicherweise unbewusst bewegt haben; psychische Belastungen jenseits des konkreten Geschehens könne er indes nicht benennen, insbesondere sei sein gesundheitlicher Zustand für sein Verhalten nicht ursächlich gewesen. Allerdings hätte bei ihm die fehlende Aufsicht beim Jäger L. in Verbindung mit dessen Probeanschlag die ansonsten zugestandenerweise eher theoretischen Befürchtungen über einen unkorrekten und damit für ihn gefährlichen Ablauf des Schießens so erheblich verstärkt, dass es zu der von ihm später auch nicht mehr erklärbaren Kurzschlussreaktion gekommen sei. Er sehe sein Fehlverhalten ein und bereue es aufrichtig.

33 2. Der Soldat hat mit seinem Fehlverhalten vorsätzlich gegen die Fürsorge- (a) und die Kameradschaftspflicht (b), die Pflicht zum treuen Dienen (c) sowie gegen die dienstliche Wohlverhaltenspflicht verstoßen (d).

34 a) Ein Verstoß des Soldaten gegen seine Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG) liegt vor, weil sie die Pflicht eines jeden militärischen Vorgesetzten beinhaltet, Untergebene nach Recht und Gesetz zu behandeln. Der Untergebene muss das - berechtigte - Gefühl haben, dass er vom Vorgesetzten nicht nur als Befehlsempfänger betrachtet wird, sondern dass dieser sich bei allen Handlungen und Maßnahmen vom Wohlwollen gegenüber dem jeweiligen Soldaten leiten lässt und dass er stets bemüht ist, ihn vor Schäden und unzumutbaren Nachteilen zu bewahren. Insbesondere muss der Vorgesetzte die körperliche Integrität sowie die Ehre und Würde des Untergebenen strikt achten (Urteil vom 22. April 2009 – BVerwG 2 WD 12.08 – Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 28 – juris Rn. 31). Eine Schusswaffe auf einen anderen Kameraden zu richten, ist damit unvereinbar. Dabei ist ohne rechtlichen Belang und bedurfte deshalb auch vorliegend keiner weiteren Aufklärung durch Zeugenvernehmung, ob die Schusswaffe auf den Kopf oder auf den sonstigen Körper gerichtet wurde und wie gering die Entfernung war. Schusswaffen sind gerade darauf angelegt, auch über größere Distanzen, von denen hier nicht gesprochen werden kann, tödliche oder jedenfalls erhebliche Verletzungen herbeizuführen.

35 b) Ferner hat der Soldat damit auch gegen seine Kameradschaftspflicht verstoßen (§ 12 SG). Sie verpflichtet alle Soldaten, die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten. Inhalt und bestimmende Faktoren der Pflicht zur Kameradschaft sind das gegenseitige Vertrauen der Soldaten der Bundeswehr, das Bewusstsein, sich jederzeit, vor allem in Krisen- und Notzeiten, aufeinander verlassen zu können, sowie die Verpflichtung zu gegenseitiger Achtung, Fairness und Toleranz. Ein Vorgesetzter, der die Rechte, die Ehre oder die Würde seiner Kameraden verletzt, untergräbt den dienstlichen Zusammenhalt, stört den Dienstbetrieb und beeinträchtigt damit letztlich auch die Einsatzbereitschaft der Truppe; zugleich disqualifiziert er sich in seiner Vorgesetztenstellung (Urteil vom 22. April 2009 a.a.O. - juris Rn. 32).

36 Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar; sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dieses Verfassungsgebot gilt innerhalb wie außerhalb der Streitkräfte. Es liegt der Wehrverfassung der Bundesrepublik Deutschland zugrunde und bedarf gerade auch im militärischen Bereich strikter Beachtung, wie der Senat in gefestigter Rechtsprechung hervorgehoben hat. Dies kommt auch in § 6 SG und in den entsprechenden Prinzipien der Inneren Führung der Bundeswehr ("Staatsbürger in Uniform") unmissverständlich zum Ausdruck. Gleiches gilt im Ergebnis hinsichtlich des in § 12 Satz 2 SG enthaltenen Anspruchs auf Achtung der persönlichen Ehre jedes Soldaten. Eine ehrverletzende Behandlung eines Untergebenen, erst recht eine die Menschenwürde missachtende Verhaltensweise, hat nichts mit der Erfüllung eines militärischen Auftrags oder eines sonstigen dienstlichen Zwecks zu tun. Sie zerstört im Gegenteil die Autorität eines Vorgesetzten und untergräbt das gegenseitige Vertrauen sowie die Bereitschaft von Soldaten, füreinander einzustehen. Deshalb muss nach der ständigen Rechtsprechung des Senats strikt dafür Sorge getragen werden, dass die der militärischen Gewalt unterworfenen Soldaten nicht unter Übergriffen von Vorgesetzten zu leiden haben (Urteil vom 19.September 2001 – 2 WD 9.01 - Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 48).

37 c) Anders als vom Truppendienstgericht angenommen, liegt auch ein Verstoß gegen die Pflicht zum treuen Dienen vor (§ 7 SG). Die Pflicht zum treuen Dienen gebietet dem Soldaten, seine dienstlichen Aufgaben und Pflichten gewissenhaft, sorgfältig und loyal zu erfüllen; auch durch eine Schlechterfüllung kann gegen sie verstoßen werden (Urteil vom 21. Dezember 2010 - BVerwG 2 WD 13.09 -). Sie setzt sich zusammen aus einer Vielzahl von soldatischen Einzelpflichten, unter anderem der Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung, vor allem der Beachtung der Strafgesetze (Urteil vom 22. April 2009 a.a.O. - juris Rn. 26).

38 Ein Verstoß gegen die Rechtsordnung liegt zum einen deshalb vor, weil der Soldat als Vorgesetzter durch sein Fehlverhalten bewusst und gewollt, d.h. vorsätzlich den Zeugen L. entwürdigend behandelt und damit gegen § 31 Abs. 1 WStG verstoßen hat, der einen Straftatbestand bildet (Urteil vom 22. April 2009 a.a.O - juris Rn. 28). Daran ändert nichts, dass das Strafverfahren gemäß § 153a StPO nach Zahlung eines Geldbetrags in Höhe von 500 € eingestellt wurde

39 Zum anderen hat der Soldat auch deshalb gegen § 7 SG verstoßen, weil er entgegen den in der Anschuldigungsschrift zitierten Nrn. 205 und 601 der ZDv 3/136 das Gewehr G 36 auf den Jäger L. gerichtet hat. Nach diesen Regelungen ist jedoch das Zielen auf Personen (außer in Ausbildung und Einsatz) verboten. Die Pflicht zum treuen Dienen schließt ein, Weisungen des Dienstherrn auch in Form von Verwaltungsvorschriften zu beachten.

40 Ein Verstoß gegen die Gehorsampflicht nach § 11 Abs. 1 SG ging damit allerdings nicht einher, weil die ZDv 3/136 nicht vom Bundesverteidigungsminister oder durch dessen Vertreter, sondern vom Amtschef des Heeresamtes unterzeichnet worden ist (vgl. Urteil vom 26.September 2006 - BVerwG 2 WD 2.06 - BVerwGE 127, 1 <23 f.> = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 55 S. 18 f.).

41 d) Schließlich liegt ein Verstoß gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im Dienst (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) vor. Diese Pflicht ist kein Selbstzweck, sondern hat eindeutig funktionalen Bezug zur Erfüllung des Auftrages der Streitkräfte nach dem Grundgesetz und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob gegebenenfalls eine ernsthafte Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das angeschuldigte Verhalten dazu geeignet ist (Urteil vom 22. April 2009 a.a.O. - juris Rn. 33).

42 Der Soldat hat durch sein Verhalten dem inneren Gefüge der Truppe - insbesondere im Verhältnis der Vorgesetzten zu Wehrpflichtigen - und zugleich seiner eigenen Autorität und seinem Ansehen sowohl bei dem Betroffenen als auch bei den Zeugen des Vorfalls schwer geschadet. Autorität und Ansehen des Vorgesetzten - vor allem als Vorbild für Untergebene und in seiner Verantwortung gegenüber den besonders schutzwürdigen Wehrpflichtigen - leben von dem Vertrauen, das ihm aufgrund pflichtgemäßen Verhaltens entgegengebracht werden kann. Der Soldat tat als Ausbilder in der Grundausbildung genau das Gegenteil dessen, was allen Soldaten als korrekter Umgang mit der Waffe vermittelt wird. Er legte eine Verhaltensweise an den Tag, die geeignet ist, Untergebene - insbesondere Rekruten - in ihrem Vertrauen in eine korrekte Anwendung dienstlicher Vorschriften nachhaltig zu beeinträchtigen.

43 3. Die vom Truppendienstgericht verhängte Disziplinarmaßnahme wird dem Unrechtsgehalt des Dienstvergehens trotz erheblicher Milderungsgründe nicht in vollem Umfang gerecht.

44 Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten. Bei der Bestimmung der Art und des Maßes der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

45 a) Eigenart und Schwere des vom Senat festgestellten Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt der Verstoß des Soldaten gegen die Verpflichtung, mit Waffen den Vorschriften entsprechend umzugehen und die Würde von Kameraden zu achten, außerordentlich schwer. Dass das sachgleiche Strafverfahren nach § 153a StPO eingestellt worden ist, begründet keinen Fortfall des Interesses an einer disziplinarischen Ahndung (Urteil vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 49). Der Soldat hat mit seinem Verhalten vor Wehrdienstleistenden, die an den behutsamen Umgang mit Waffen herangeführt werden müssen und erstmals mit scharfer Munition schossen, ein kaum noch zu überbietendes Negativbeispiel dafür gesetzt, wie mit Kameraden und Waffen gerade nicht umgegangen werden darf.

46 b) Die Auswirkungen des Fehlverhaltens belasten den Soldaten jedoch. Dies gilt zunächst bezogen auf den Jäger L., der - unwidersprochen - erklärt hat, er sei durch den Vorfall geschockt gewesen, hätte heulen können und habe am ganzen Körper gezittert. An dieser psychischen Erschütterung ändert nichts, dass der Jäger L. zu einem späteren Zeitpunkt wieder an der Schießübung teilgenommen hat und dabei beachtliche Ergebnisse erzielt haben mag. Hinzu tritt, dass sich der Vorfall vor mehreren Soldaten ereignete und nicht nur Anlass war, den Soldaten seinerzeit öffentlich zu rügen, sondern auch, ihn anderweitig zu verwenden.

47 c) Für das Maß der Schuld fällt die bewusste und gewollte, d.h. vorsätzliche Begehensweise des Soldaten entscheidend ins Gewicht.

48 aa) Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass dieser zur Tatzeit im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähig gewesen sein könnte, sind nicht ersichtlich.

49 Anders als das Truppendienstgericht vermag der Senat auch keinen mildernden Umstände aus dem Tod der Großmutter des Soldaten abzuleiten; entsprechendes gilt für die Erwägung zu den Auswirkungen eines früheren Schießunfalls, an dem der Soldat überhaupt nicht unmittelbar beteiligt war. Soweit es die vom Truppendienstgericht zumindest thematisierte Ablehnung von dienstlichen Anträgen (Übernahme in die Offizierlaufbahn und als Berufssoldat) betrifft, gilt nichts anderes. Denn der Soldat hat in der Berufungshauptverhandlung - wie schon in der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht - ausdrücklich versichert, Umstände dieser Art hätten seinerzeit sein Verhalten nicht bewusst beeinflusst. Da der Soldat selbst nicht behauptet hat, dass der Jäger L. vorsätzlich auf ihn gezielt habe, bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Soldat sich durch eine Provokation zum Fehlverhalten hat hinreißen lassen (Urteil vom 25. September 1996 - BVerwG 2 WD 17.96 -). Bestätigt hat der Soldat zudem, dass seine generelle gesundheitliche Beeinträchtigung für sein Verhalten seinerzeit nicht ursächlich war; insoweit kann zugunsten des Soldaten auch keine mangelnde Dienstaufsicht schuldmildernd Berücksichtigung finden.

50 bb) Milderungsgründe in den Umständen der Tat liegen indes vor. Sie sind dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet gewesen ist, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Dazu hat der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung verschiedene - nicht abschließende - Fallgruppen entwickelt, z.B. ein Handeln unter schockartig ausgelöstem psychischen Zwang oder unter Umständen, die es als unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten erscheinen lassen, sowie ein Handeln in einer körperlichen oder seelischen Ausnahmesituation.

51 cc) Vorliegend waren die Tatumstände von der Besonderheit bestimmt, dass der für den Jäger L. als Aufsicht beim Schützen eingeteilte Oberfeldwebel M. nicht bei diesem, sondern mehrere Meter entfernt von ihm stand und sich mit Hauptfeldwebel H. als Leitender beim Schießen unterhielt. Dadurch war ein jederzeitiger Zugriff des Oberfeldwebels M. auf den im Umgang mit Waffen noch unerfahrenen Jäger L. nicht gewährleistet. Auch der als Leumundszeuge vernommene Hauptmann P. hat in der Berufungshauptverhandlung diesen Umstand als äußerst außergewöhnlich bezeichnet. Oberfeldwebel M. hatte zudem dem Jäger L. den Befehl erteilt, einen Probeanschlag durchzuführen, obwohl dies wiederum der allgemeinen Befehlslage widersprach. Damit wurde gegen Regelungen verstoßen, die der Sicherheit aller an der Schießübung mitwirkenden Soldaten, mithin auch der des Soldaten dienten, und der Soldat ohne eigenes Verschulden in eine psychische Überforderungssituation versetzt (Urteil vom 18. Februar 2004 - BVerwG 2 WD 11.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 15). Durch diese atypischen, sicherheitsrelevanten und dem Dienstherrn unter dem Gesichtspunkt einer nicht hinreichenden Wahrnehmung der (Dienst-)Aufsicht zurechenbaren Umstände wird nachvollziehbar, warum der Soldat sich nicht mehr sicher war, dass der Jäger L. vor dem Probeanschlag das Magazin tatsächlich an Oberfeldwebel M. abgegeben hatte und die Sicherheit der Schießübung gewährleistet war. Es kam dadurch zur persönlichkeitsfremden Augenblickstat des ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten.

52 Der Annahme einer persönlichkeitsfremden Augenblickstat steht auch nicht entgegen, dass der Soldat auf dem Weg zum Jäger L. noch einen Umweg machte, um sich das ihm zugewiesene Gewehr zu holen. Nach der Rechtsprechung des Senats beurteilt sich das Vorliegen einer Augenblickstat nicht in erster Linie nach der Frage, in welchen zeitlichen Grenzen der Handlungsablauf erfolgt ist. Sie ist vielmehr dann gegeben, wenn der Entschluss zum Tun oder Unterlassen nicht geplant oder wohl überlegt, sondern spontan und aus den Umständen eines Augenblickszustandes gekommen ist. Die jeweilige Zeitspanne der Verwirklichung eines Tatentschlusses ist von der Situation des Einzelfalles abhängig und lässt als solche noch keinen sicheren Rückschluss darauf zu, ob das Verhalten spontan oder geplant bzw. vorbereitet war. Entscheidend ist insoweit, ob der Soldat das Dienstvergehen in einem Zustand begangen hat, in dem er die rechtlichen und tatsächlichen Folgen seines Verhaltens nicht bedacht hat, wozu ein gewisses Maß an Spontaneität, Kopflosigkeit und Unüberlegtheit gehört (Urteil vom 19. September 2001 - 2 WD 9.01 - Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 48). Dass der Soldat kopflos und unüberlegt gehandelt hat („Kurzschlussreaktion“) ist ebenso offensichtlich wie das Persönlichkeitsfremde der Tat. Denn insbesondere der Leumundszeuge hat bestätigt, dass der Soldat unter seiner Dienstaufsicht bislang keine unkontrollierten Verhaltensweisen gezeigt hat. Soweit das Truppendienstgericht meint, die Aussagen in der - ohnehin nicht mehr aktuellen - Beurteilung vom 10. Mai 2005 würden dagegen sprechen, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen.

53 d) Die Beweggründe des Soldaten für sein pflichtwidriges Verhalten setzen sich zusammen aus dem Gefühl, bedroht zu sein und dem Bedürfnis, dem Zeugen L. seinerseits ein solches Gefühl dadurch vermitteln zu wollen, dass er ihn in eine (scheinbar) vergleichbare Situation versetzte. Auch wenn die Reaktion völlig unangemessen war, unterschied sie sich damit doch erheblich von den Fällen, in denen Soldaten aus Nachlässigkeit oder aus Aggressivität heraus mit geladenen Waffen hantieren. Vor diesem Hintergrund teilt der Senat die Feststellung der Staatsanwaltschaft, das Handeln des Soldaten sei von keiner böswilligen Gesinnung geprägt gewesen.

54 e) Die Persönlichkeit und die bisherige Führung des Soldaten geben zu Beanstandungen keinen Anlass.

55 Dessen Leistungen bleiben allerdings bemessungsneutral, weil nach der aktuellen Beurteilung ein Leistungsabfall vorliegt. Während er nach der aktuellen dienstlichen Beurteilung mit 3,7 beurteilt wurde, wurde er zuvor noch mit 4,6 beurteilt. In der aktuellen Beurteilung stellt der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte zudem fest, im Bereich des Bataillons liege der Soldat im hinteren Leistungsdrittel seiner Vergleichsgruppe, während er ihn in der Stellungnahme vom 3. November 2005 noch als „zur Mittelgruppe“ gehörend beurteilt hat.

56 Zugunsten des Soldaten fällt unter dem Gesichtspunkt einer reifen Persönlichkeit jedoch erheblich ins Gewicht, dass er den Jäger L. aus eigenem Antrieb auf die Möglichkeit hingewiesen hat, sich über sein Verhalten zu beschweren.

57 f) Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat von einem zweistufigen Prüfungsschema aus.

58 aa) Auf der ersten Stufe ist im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als „Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“ zu bestimmen. Dabei entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine Herabsetzung im Dienstgrad dann ist, wenn ein Ausbilder vorsätzlich gegen Dienstvorschriften im Umgang mit der Schusswaffe verstoßen hat, indem er eine Waffe auf einen Wehrpflichtigen richtet (Urteil vom 22. April 2009 a.a.O.).

59 bb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Verschärfung oder Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem anhand der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach „oben“ bzw. nach „unten“ zu modifizieren. Für die „Eigenart und Schwere des Dienstvergehens“ kann z.B. von Bedeutung sein, ob der Soldat eine herausgehobene Dienststellung hatte, einmalig oder wiederholt oder in einem besonders wichtigen Pflichtenbereich versagt hat. Bei den Auswirkungen des Fehlverhaltens sind die konkreten Folgen für den Dienstbetrieb sowie schädliche Weiterungen für das Außenbild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Zumessungskriteriums „Maß der Schuld“ hat der Senat neben der Schuldform und der Schuldfähigkeit das Vorliegen von Erschwerungs- und Milderungsgründen in den Tatumständen in Betracht zu ziehen.

60 cc) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist in Abweichung von der Regelmaßnahme ein leichterer Fall deshalb gegeben, weil sich der Soldat durch ein befehlswidriges Verhalten anderer Soldaten schuldlos in eine Situation gesetzt sah, die ihn zu einer persönlichkeitsfremden Augenblickstat veranlasst hat. Zudem hat der bislang weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getretene Soldat den Senat in der Berufungshauptverhandlung davon überzeugt, dass er sein Fehlverhalten aufrichtig bereut. Dabei ist ihm in besonderer Weise zugute zuhalten, dass er von sich aus den Jäger L. auf die Möglichkeit hingewiesen hat, sich über ihn beschweren zu können. Zu Recht hat das Truppendienstgericht deshalb keine Herabsetzung im Dienstgrad, sondern gegen den Soldaten als angemessene, weil mildere Maßnahmeart ein Beförderungsverbot verhängt (§§ 58 Abs. 1 Nr. 2, 60 Abs. 1 WDO).

61 Soweit es die Dauer des Beförderungsverbots betrifft, war jedoch der Schwere des Dienstvergehens trotz aller Milderungsgründe durch eine Erhöhung um achtzehn Monate Rechnung zu tragen. Denn ohne das Vorliegen mildernder Tatumstände wäre das Verhalten des Soldaten angesichts seiner Berufserfahrungen - namentlich bei Schießübungen - und der sonstigen Umstände - wie etwa grüne Beflaggung - unentschuldbar gewesen.

62 Rechnung zu tragen war ferner dem Umstand, dass der Soldat bereits im Juni 2012 aus dem aktiven Dienst ausscheidet, so dass das Beförderungsverbot auf seinen weiteren dienstlichen Werdegang erkennbar keine Auswirkungen mehr haben wird. Bei der deshalb gem. § 58 Abs. 4 Satz 2 WDO regelmäßig zusätzlich zu verhängenden Kürzung der Dienstbezüge war es ebenfalls geboten, wegen der Schwere des Dienstvergehens die Dauer der Kürzung um sechzehn Monate zu erhöhen.

63 4. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind zwischen Bund und dem Soldaten gem. § 139 Abs. 3 WDO zu teilen, weil der Bundeswehrdisziplinaranwalt das Rechtsmittel zunächst mit dem Ziel eingelegt hatte, den Soldaten im Dienstgrad herabzusetzen, und er daran gemessen trotz der Verschärfung der erstinstanzlich verhängten Disziplinarmaßnahme nur teilweise Erfolg hatte. Im Umfang seines Unterliegens hat der Bund insoweit auch die notwendigen Auslagen des Soldaten zu tragen, § 140 Abs. 5 Satz 1 WDO.

64 Soweit es die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens betrifft, sind sie dem Soldaten gem. § 138 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz WDO in vollem Umfang aufzuerlegen. Die davon abweichenden Erwägungen des Truppendienstgerichts können aus dem bereits im Urteil des Senats vom 25. November 2010 - BVerwG 2 WD 28.09 - dargelegten Gründen keinen Bestand haben.