Beschluss vom 09.06.2023 -
BVerwG 10 B 8.22ECLI:DE:BVerwG:2023:090623B10B8.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 09.06.2023 - 10 B 8.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:090623B10B8.22.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 8.22

  • VG Berlin - 13.11.2020 - AZ: 27 K 34.17
  • OVG Berlin-Brandenburg - 08.06.2022 - AZ: 6 B 1/21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Juni 2023
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Löffelbein und Dr. Wöckel
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Juni 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Kläger, Redakteur einer Tageszeitung, macht gegenüber dem Bundeskanzleramt presserechtliche Auskunftsansprüche geltend. Er begehrt unter anderem Auskunft darüber, welche Hintergrundgespräche für Journalisten das Bundeskanzleramt im Jahr 2016 veranstaltet habe, wo diese stattgefunden hätten und welche Themen behandelt worden seien.

2 Die Klage auf Auskunftserteilung hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen.

3 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

4 Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

5 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

6 Es kann dahinstehen, ob der Rechtssache die ihr vom Kläger beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die von ihm aufgeworfenen Fragen zukommt,
welche Anforderungen/Voraussetzungen an die Pflicht, die Durchführung und den Umfang zu einer "Abfrage präsenten dienstlichen Wissens" im Rahmen der Geltendmachung eines verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs zu stellen sind,
welcher Zeitpunkt maßgeblich dafür ist, ob einer Behörde eine nach dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch begehrte Information vorliegt
und inwieweit dafür jeweils von Bedeutung ist,
unter welchen tatsächlichen Bedingungen und in welchem prozessualen Umfeld der Kläger sein presserechtliches Auskunftsersuchen gestellt, rechtshängig gemacht und weiterverfolgt hat.

7 Selbst wenn und soweit es sich hierbei um klärungsfähige und -bedürftige Fragen des revisiblen Rechts handelte, wäre die Revision nicht zuzulassen.

8 Das Oberverwaltungsgericht hat sein Urteil selbständig tragend auf Erwägungen gestützt, mit denen sich die Beschwerde nicht auseinandersetzt. Dem Antrag zu 3 des Klägers fehlt es nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts bereits am erforderlichen Bezug zu einem vom Kläger zu benennenden Tatsachenkomplex. Für den auf den Antrag zu 3 bezogenen ersten Hilfsantrag des Klägers gilt dies ebenfalls. Den Anträgen zu 1 und 2 sowie dem zweiten Hilfsantrag des Klägers stehen nach dem Berufungsurteil auch private Interessen Dritter entgegen, soweit damit die Benennung von teilnehmenden Medien und deren Vertretern erstrebt wird.

9 Ist die vorinstanzliche Entscheidung - wie hier - auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 20. März 2023 - 10 B 1.23 - juris Rn. 6 m. w. N.). Das ist vorliegend nicht der Fall.

10 Auch soweit die Anträge zu 1 und 2 auf Auskunft über die äußeren Rahmenbedingungen der Hintergrundgespräche gerichtet sind, legt der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache entgegen § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht dar. Dafür genügt es nicht, darauf hinzuweisen, dass sich das Bundesverwaltungsgericht zu einer Frage noch nicht geäußert hat. Vielmehr ist darzulegen, dass die Antwort, die die Vorinstanz gegeben hat, mindestens zu Bedenken Anlass gibt und es deshalb im Interesse der Rechtssicherheit oder Weiterentwicklung des Rechts einer revisionsgerichtlichen Klärung der Frage bedarf. Das nötigt zu einer Auseinandersetzung mit der Lösung und der Argumentation im angefochtenen Urteil (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. März 2017 - 4 B 8.17 - BRS 85 <2017> Nr. 202 Rn. 2 m. w. N.). Dies lässt die Beschwerdebegründung insoweit vermissen.

11 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Grenze des Auskunftsanspruchs überschritten ist, wenn aus dem Informationsanspruch ein Informationsverschaffungsanspruch wird, die Behörde also die begehrten Informationen erst beschaffen muss, weil sie nicht tatsächlich über die Informationen verfügt (BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2021 - 6 A 10.20 - BVerwGE 173, 118 Rn. 22). Zu den bei der Behörde vorhandenen Informationen gehören auch auf dienstliche Vorgänge und Wahrnehmungen bezogene Informationen, die nicht verschriftlicht bzw. nicht aktenkundig gemacht wurden (BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2021 - 6 A 10.20 - BVerwGE 173, 118 Rn. 22 unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 26. April 2021 - 10 C 1.20 - BVerwGE 172, 222 Rn. 25 <zum Auskunftsanspruch nach § 5 Abs. 1 Satz 1 MStV>). Zur Erteilung von Auskünften hinsichtlich nicht aufgezeichneter Informationen bedarf es gegebenenfalls der Abfrage präsenten dienstlichen Wissens bei der nach der internen Geschäftsverteilung sachlich zuständigen Stelle oder bei einem für den abgefragten Sachverhalt sachlich zuständigen Mitarbeiter; Letzteres gilt auch dann, wenn sich die zuständige Stelle oder der Aufgabenbereich von Mitarbeitern innerhalb der informationspflichtigen Stelle zwischenzeitlich geändert hat (BVerwG, Urteil vom 26. April 2021 - 10 C 1.20 - BVerwGE 172, 222 Rn. 25).

12 Von diesen Maßstäben ist das Oberverwaltungsgericht ausgegangen. Es hat sich auf den Standpunkt gestellt, wegen der Praxis der dezentralen Organisation von Hintergrundgesprächen durch unterschiedliche Stellen sei hier kein nach der (damaligen) Geschäftsverteilung des Bundeskanzleramts bestimmbarer Personenkreis ersichtlich, dessen dienstliches Wissen abzufragen wäre. Bei der Vielzahl der in Betracht kommenden Personen würde es sich nicht mehr um eine gebotene Offenlegung vorhandener Informationen im Wege der Wissensabfrage handeln, sondern um den Versuch einer nachträglichen Generierung von Informationen, die der Kläger aufgrund des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs nicht verlangen könne. Mit diesen Erwägungen des Berufungsgerichts setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Dementsprechend zeigt der Kläger auch nicht auf, dass die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, mangels eines bestimmbaren zuständigen Personenkreises fehle es an einem präsenten dienstlichen Wissen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, zu Bedenken Anlass geben würde.

13 2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

14 Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung (unter anderem) des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 20. März 2023 - 10 B 1.23 - juris Rn. 8 m. w. N.). Daran fehlt es hier.

15 Die Beschwerde rügt lediglich die defizitäre Anwendung von Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts. Eine Divergenz ist damit nicht dargetan. Der Kläger legt nicht dar, das Oberverwaltungsgericht habe einen Rechtssatz aufgestellt, der von einem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts abweiche.

16 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.