Beschluss vom 25.11.2021 -
BVerwG 1 WB 28.20ECLI:DE:BVerwG:2021:251121B1WB28.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.11.2021 - 1 WB 28.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:251121B1WB28.20.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 28.20

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Kuhlmann und
den ehrenamtlichen Richter Hauptmann Saalmüller
am 25. November 2021 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Rechtsstreit betrifft die Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung.

2 Der 1978 geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 30. September 2034. Zuletzt wurde er 2014 zum Hauptmann befördert. Seit 2013 wurde er bei der ... verwendet.

3 Unter dem 30. August 2019 beantragte der Antragsteller Teilzeitbeschäftigung in Höhe von 72,5 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ab 1. Dezember 2019. Zur Begründung führte er aus, dass er künftig anstelle seiner Partnerin verstärkt die Betreuung und Fürsorge für seinen fünfjährigen Sohn übernehmen wolle. Der nächste und der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte des Antragstellers befürworteten den Antrag nicht. Der Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung stünden zwingende dienstliche Gründe entgegen, weil die Vollzeitanwesenheit des Antragstellers zur Durchführung der Ausbildung erforderlich und eine interne Kompensation aufgrund der Personallage nicht möglich sei.

4 Mit Bescheid vom 20. November 2019 lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr den Antrag auf Teilzeitbeschäftigung im Wesentlichen unter Berufung auf die Stellungnahmen des nächsten und nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten ab.

5 Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 5. Dezember 2019 Beschwerde ein. Zur Begründung schilderte er die Probleme bei der Betreuung des Sohnes und legte ausführlich dar, inwiefern seiner Auffassung nach eine Teilzeitbeschäftigung im beantragten Umfang in seiner Dienststelle möglich sei. Ferner rügte er die fehlende Beteiligung der militärischen Gleichstellungsbeauftragten und des zuständigen Beteiligungsorgans.

6 Mit Bescheid vom 27. Mai 2020, zugegangen am 5. Juni 2020, wies das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde zurück. Zur Begründung führte es aus, dass zwingende dienstliche Gründe der Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung entgegenstünden. Die ... sei aktuell nur zu 68 % besetzt. Jede weitere Reduzierung der Arbeitszeit der dort eingesetzten Soldaten beeinträchtige die Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben und führe zu einem Bedarf an Gastlehrern. Die vom Antragsteller gewünschte Teilzeitbeschäftigung erfordere den Einsatz von mindestens einem Gastlehrer, der jedoch nicht gestellt werden könne, weil die Besetzungsquote in allen Einsatzführungsbereichen bei unter 70 % liege. Die Teilzeitbeschäftigung ohne Ersatz gefährde die Durchführung der für das Jahr 2020 geplanten Lehrgänge, weil der Antragsteller für alle Lehrgänge eingeplant sei. Die militärische Gleichstellungsbeauftragte sei bereits im Antragsverfahren beteiligt und die Anhörung des zuständigen Vertretungsorgans im Beschwerdeverfahren nachgeholt worden.

7 Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 3. Juli 2020 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 1. Oktober 2020 dem Senat vorgelegt.

8 Zur Begründung äußert sich der Antragsteller nochmals zu seiner familiären Situation und den Möglichkeiten, die das Dienstrecht zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Dienst vorsehe. Außerdem legt er ausführlich dar, inwiefern sich ein Lehrbetrieb in seiner Dienststelle auch bei Bewilligung der beantragten Teilzeitbeschäftigung organisieren ließe.

9 Mit Verfügung vom 14. Dezember 2020 versetzte das Bundesamt für das Personalmanagement den Antragsteller zum 1. April 2021 unter vorangehender Kommandierung vom 11. Januar bis 31. März 2021 zum ... Der Antragsteller ist dort in Vollzeit beschäftigt und verfügt seit 1. April 2021 zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf über einen genehmigten Telearbeitsplatz.

10 Zum weiteren Verfahren erklärt der Antragsteller, dass er, auch wenn sich die Hauptsache erledigt habe, auf die Pflicht des Vorgesetzten verweise, im Rahmen seiner Dienstaufsicht Mängel abzustellen. Er beantragt,
sein Vorbringen auf Rechtsverletzungen zu überprüfen, die zur Ablehnung des Antrags auf Teilzeitbeschäftigung geführt haben, sowie
die Untersuchung darauf zu erstrecken, ob mangelnde Dienstaufsicht oder sonstige Mängel im dienstlichen Bereich vorgelegen haben bzw. bis heute vorliegen.

11 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

12 Es verweist im Wesentlichen auf die Gründe seines Beschwerdebescheids.

13 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

14 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist insgesamt unzulässig.

15 1. Das ursprüngliche (Verpflichtungs-)Begehren des Antragstellers, das auf die Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung in Höhe von 72,5 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit gerichtet war, hat sich mit der Wegversetzung von seiner bisherigen Dienststelle zum ... erledigt.

16 Soweit der Antragsteller weiterhin begehrt, dass das Gericht den von ihm geltend gemachten Rechtsverletzungen nachgeht, ist dies sinngemäß als Fortsetzungsfeststellungsantrag zu verstehen (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 86 Abs. 3 VwGO). Dieser ist zwar grundsätzlich statthaft, jedoch vorliegend unzulässig, weil es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse des Antragstellers fehlt (§ 19 Abs. 1 Satz 3 WBO, hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO).

17 Hat sich eine truppendienstliche Maßnahme, die - wie hier die Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung - keinen Befehl im Sinne von § 2 Nr. 2 WStG darstellt, vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt, so entscheidet das Wehrdienstgericht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO, ob die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann sich das berechtigte Interesse aus einem Rehabilitierungsinteresse, aus einer Wiederholungsgefahr oder aus der Absicht ergeben, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint; ein Feststellungsinteresse kommt auch in Betracht, wenn die erledigte Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Januar 2013 - 1 WB 60.11 - NVwZ 2013, 1227 Rn. 26 und vom 11. Dezember 2014 - 1 WB 6.13 - Buchholz 449.7 § 51 SBG Nr. 1 Rn. 24).

18 Ein derartiges berechtigtes Interesse hat der Antragsteller weder vorgetragen noch ist dieses sonst ersichtlich. Soweit sich der Antragsteller auf die Pflicht des Vorgesetzten beruft, im Rahmen seiner Dienstaufsicht Mängel abzustellen (§ 8 Abs. 2, § 14 WBO), dient diese Pflicht aus den nachfolgenden Gründen nicht dem Schutz rechtlicher Interessen des Antragstellers.

19 2. Der weitere Antrag, mit dem der Antragsteller eine dienstaufsichtliche Überprüfung seiner Angelegenheit bzw. eine Überprüfung der ordnungsgemäßen Ausübung der Dienstaufsicht begehrt, ist ebenfalls unzulässig, weil die Dienstaufsicht allein im öffentlichen Interesse des Dienstherrn erfolgt (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 26. November 2020 - 1 WB 75.19 - juris Rn. 26). Das Ergebnis oder die Durchführung einer dienstaufsichtlichen Prüfung ist deshalb grundsätzlich einer wehrdienstgerichtlichen Nachprüfung entzogen. Die Dienstaufsicht obliegt dem zuständigen Vorgesetzten nicht gegenüber dem Untergebenen und dient damit nicht der Wahrung der individuellen Rechte eines Soldaten im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO. Der einzelne Soldat hat deshalb auch keinen Anspruch darauf, dass bestimmte Maßnahmen im Wege der Dienstaufsicht getroffen werden oder dass eine dienstaufsichtliche Prüfung eingeleitet wird (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. August 2007 - 1 WB 51.06 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 62 Rn. 20 und vom 23. Mai 2019 - 1 WB 8.19 - juris Rn. 19 m.w.N.).