Beschluss vom 15.09.2005 -
BVerwG 4 BN 37.05ECLI:DE:BVerwG:2005:150905B4BN37.05.0

Beschluss

BVerwG 4 BN 37.05

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 12.05.2005 - AZ: OVG 7 D 104/03.NE

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. September 2005
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a , Dr. J a n n a s c h und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. P h i l i p p
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

3 a) Die Beschwerde möchte in dem erstrebten Revisionsverfahren den Begriff "Außenbereich im Innenbereich" geklärt wissen. Dieser Begriff bedarf schon deshalb nicht der revisionsgerichtlichen Klärung, weil er kein eigenständiger Rechtsbegriff ist. Das BauGB unterscheidet im Hinblick auf die nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegenden Bereiche nur zwischen den im Zusammenhang bebauten Ortsteilen (§ 34 BauGB) und dem Außenbereich (§ 35 BauGB). Die für diese Abgrenzung maßgeblichen Kriterien sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Ausschlaggebend für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs im Sinne des § 34 BauGB ist, inwieweit die aufeinander folgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 1997 - BVerwG 4 B 238.96 - BRS 59 Nr. 78 m.w.N.). Eine ringsum von Bebauung umgebene Freifläche, die so groß ist, dass sich ihre Bebauung nicht mehr als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung aufdrängt und die deshalb nicht als Baulücke erscheint, liegt nicht innerhalb eines Bebauungszusammenhangs im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB; sie ist damit bebauungsrechtlich Außenbereich (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Februar 1984 - BVerwG 4 C 55.81 - BRS 42 Nr. 94, vom 1. Dezember 1972 - BVerwG 4 C 6.71 - BRS 25 Nr. 36). Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich noch als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Bewertung des im Einzelfall vorliegenden konkreten Sachverhalts zu entscheiden (BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 1997, a.a.O.). Dass diese Maßstäbe, die auch das Oberverwaltungsgericht angewandt hat, konkretisierungs- oder fortentwicklungsbedürftig sein könnten, zeigt die Beschwerde nicht auf.

4 b) Auch die Frage, ob bei Grundstücken, die in Bereichen mit starken Höhenunterschieden liegen, die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich erst nach Einnahme eines Augenscheins erfolgen kann, bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, dass sich dem Tatsachengericht bei der Prüfung, ob eine aufeinander folgende Bebauung trotz dazwischen liegender unbebauter Flächen den Eindruck der Geschlossenheit oder Zusammengehörigkeit vermittelt und ob das zur Bebauung anstehende Grundstück an diesem Bebauungszusammenhang teilhat, häufig das Beweismittel der Ortsbesichtigung zur sachgerechten und umfassenden Tatsachenfeststellung anbieten wird; dies bedeutet freilich nicht, dass über die Frage der Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Innen- oder Außenbereich verfahrensfehlerfrei stets nur auf der Grundlage eines Augenscheins entschieden werden darf (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 1991 - BVerwG 4 C 1.91 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 236). Auch insoweit gilt der allgemeine Grundsatz, dass das Gericht Umfang und Art der Tatsachenermittlung nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt. Im Einzelfall kann es auch ausreichend sein, die Überzeugungsbildung auf Kartenmaterial, Fotos, Luftbilder oder auch auf Schilderungen ortskundiger Verfahrensbeteiligter zu stützen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 1991, a.a.O.; Beschluss vom 19. April 1994 - BVerwG 4 B 77.94 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 169 = BRS 56 Nr. 60). Ob das Tatsachengericht von einer Ortsbesichtigung auch dann absehen darf, wenn das betreffende Grundstück in einem Bereich mit starken Höhenunterschieden liegt, hängt ebenfalls von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab.

5 c) Die Frage, ob eine Verpflichtung seitens der Verwaltung besteht, ein als Bauland ausgezeichnet geeignetes, wertvolles Grundstück mit Ausgleichsfläche zu verschonen und die Ausgleichsfläche statt dessen auf ein anderes, in der Nähe befindliches und zum Teil einer Bebauung entzogenes Grundstück derselben Eigentümer zu platzieren, ist auf die Umstände des konkreten Einzelfalles zugeschnitten. Worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll, zeigt die Beschwerde nicht auf.

6 d) Die Frage, ob eine Verpflichtung seitens der Gemeinde besteht, bei der Platzierung eines Baufensters auf einem Grundstück von mehreren Möglichkeiten diejenige zu wählen, die eine optimale wirtschaftliche, sinnvolle und dem Erholungsbedürfnis der Menschen am besten entsprechende Nutzung des Grundstücks gewährleistet, kann auf der Grundlage des Gesetzes ohne weiteres verneint werden. Gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne auch die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu berücksichtigen. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts war entscheidend für die Wahl der Antragsgegnerin, das Baufenster zur Hüllbergstraße auszurichten, der Umstand, dass die von den Antragstellerinnen geforderte Lage des Baufensters zu einer Ausweisung von Bauflächen auf einem unter ökologischen Gesichtspunkten besonders schützenswerten Abschnitt des Hüllbergsiepens geführt hätte (vgl. UA S. 22).

7 2. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz hat die Beschwerde nicht in der gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise bezeichnet. Hierfür ist es erforderlich, einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu benennen, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat; das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz- noch denen einer Grundsatzrüge (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Sie benennt keine abstrakten Rechtssätze, mit denen sich das Oberverwaltungsgericht zu den in der Beschwerde genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch gesetzt haben könnte.

8 3. Auch ein Verfahrensmangel ist nicht in der gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise bezeichnet. Die Beschwerde meint, das Oberverwaltungsgericht habe gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen, weil es über die Zugehörigkeit des Grundstücks der Antragstellerinnen zum Innen- oder Außenbereich ohne Einnahme eines Augenscheins entschieden habe. Sie legt jedoch nicht - wie dies für eine substantiierte Darlegung eines Aufklärungsmangels erforderlich wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997, a.a.O.) - dar, aufgrund welcher Umstände sich dem Gericht die Erforderlichkeit eines Ortstermins hätte aufdrängen müssen. Sie meint, dass das vom Oberverwaltungsgericht herangezogene Kartenwerk "obsolet" gewesen sei. Insoweit hätte sie aufzeigen müssen, in welcher Hinsicht die herangezogenen Karten fehlerhaft oder unzulänglich waren und woran das Oberverwaltungsgericht dies trotz fehlenden Hinweises der Antragstellerinnen hätte erkennen sollen. Auch bezüglich der behaupteten starken Höhenunterschiede im Plangebiet legt die Beschwerde nicht dar, in welcher Weise diese für die Zuordnung des Grundstücks der Antragstellerinnen zum Innen- oder Außenbereich von Bedeutung sein sollen, dass diese Bedeutung den Karten- und Lichtbildern, die dem Oberverwaltungsgericht vorgelegen haben, nicht zu entnehmen war und aufgrund welcher Umstände sich dies dem Oberverwaltungsgericht hätte aufdrängen müssen.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO, die Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.