Verfahrensinformation

Der Kläger, der Landesverband Hessen des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, begehrt die Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den Bau und den Betrieb einer Verbrennungsanlage für Ersatzbrennstoffe/Sekundärbrennstoffe (zum Großteil konditionierter Hausmüll), die die Beigeladene im Industriepark Höchst - nördlich des Flughafens Frankfurt/M. und südwestlich des Stadtgebiets - zwischenzeitlich mit einem Kostenaufwand von mehr als 250 Mio. € errichtet hat. Die Anlage dient der Erzeugung von Strom und Dampf zur Versorgung des Industrieparks und hat eine Durchsatzmenge von jährlich 700 000 t; östlich des Industrieparks liegt das FFH-Gebiet Schwanheimer Düne, südlich davon das FFH-Gebiet Schwanheimer Wald. Der Kläger befürchtet die Schädigung der beiden Natura 2000-Gebiete durch zusätzliche Stickstoffdepositionen aus dem Betrieb der Verbrennungsanlage.


Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Der Kläger könne nach den Bestimmungen des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes nur Rechtsverstöße rügen, die auch dem Schutz privater Dritter dienten. Ein Recht, Verstöße gegen objektives Recht geltend zu machen - wozu insbesondere die normativen Regelungen zum Naturschutz zählen -, bestehe nicht. Zudem sei der Kläger mit zahlreichem Vorbringen im gerichtlichen Verfahren präkludiert, weil er im Verwaltungsverfahren nicht in ausreichendem Maße Einwendungen erhoben hat.


Im Revisionsverfahren wird das Bundesverwaltungsgericht die Reichweite des Verbandsklagerechts auf nationaler Ebene abklären müssen, wobei der Europäische Gerichtshof hierzu Gemeinschaftsrecht betreffend bereits Vorgaben gemacht hat. Sollte der Kläger aus der Aarhus-Konvention - ein völkerrechtliches Abkommen - und der gemeinschaftsrechtlichen Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie herleiten können, dass er im gerichtlichen Verfahren auch Verstöße gegen objektives Recht rügen kann, wird u.a. insbesondere der Umfang der Präklusionswirkung und der Maßstab der naturschutzrechtlichen FFH-Verträglichkeitsprüfung zum Schutz der beiden Natura 2000-Gebiete abzuklären sein.


Pressemitteilung Nr. 79/2011 vom 29.09.2011

Streit um Verbrennungsanlage im Industriepark Frankfurt/Höchst weiter offen

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat den Rechtsstreit über die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für den Bau und den Betrieb einer Verbrennungsanlage für Ersatzbrennstoffe/Sekundärbrennstoffe im Industriepark Frankfurt/Höchst heute an den Verwaltungsgerichtshof Kassel zurückverwiesen.


Die im Streit stehende Verbrennungsanlage dient der Erzeugung von Strom und Dampf zur Versorgung des Industrieparks. Die Durchsatzmenge beträgt 700 000 t/Jahr. Der Kläger, der hessische Landesverband des BUND, befürchtet u.a. eine Schädigung der in der Nähe des Industrieparks liegenden FFH-Gebiete Schwanheimer Düne und Schwanheimer Wald.


Der Verwaltungsgerichtshof hat die vom Kläger geltend gemachten Verstöße gegen objektive Normen des Umweltrechts, insbesondere die naturschutzrechtlichen Bestimmungen zur FFH-Verträglichkeit, nicht untersucht, weil er der Auffassung war, dass die Rügebefugnis der Umweltverbände nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz sich nur auf drittschützende Vorschriften des Umweltrechts erstreckt.


Diese Annahme verstößt gegen revisibles Recht. Eine solche Einschränkung der Rügebefugnis von Umweltverbänden ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 12. Mai 2011, C-115/09 "Trianel") mit Unionsrecht, namentlich Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG, nicht vereinbar.


Das Bundesverwaltungsgericht kann, weil der Verwaltungsgerichtshof zu den geltend gemachten Verstößen gegen nicht drittschützende Vorschriften des Umweltrechts von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig keine Tatsachenfeststellungen getroffen hat, keine abschließende Entscheidung treffen. Dies nötigt zur Zurückverweisung, damit der Verwaltungsgerichtshof die unterbliebene Rechtsprüfung nachholen kann.


BVerwG 7 C 21.09 - Urteil vom 29.09.2011

Vorinstanz:

VGH Kassel, VGH 6 C 1005/08.T - Urteil vom 16.09.2009 -


Beschluss vom 22.03.2010 -
BVerwG 7 VR 1.10ECLI:DE:BVerwG:2010:220310B7VR1.10.0

Beschluss

BVerwG 7 VR 1.10

  • Hessischer VGH - 16.09.2009 - AZ: VGH 6 C 1005/08.T

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. März 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Guttenberger und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper
beschlossen:

  1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 29. Februar 2008 wird abgelehnt.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes für das Antragsverfahren wird auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller, ein in Hessen anerkannter Naturschutzverein, wendet sich gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Verbrennungsanlage für Ersatzbrennstoffe/Sekundärbrennstoffe mit Ausnahme gefährlicher Abfälle auf dem Gelände des Industrieparks Höchst nördlich der Bundesautobahn A 3 und des Verkehrsflughafens Frankfurt/Main (dessen Gelände in einer Entfernung von ca. 2 km beginnt). Im Industriepark Höchst werden in weiteren Anlagen Abfälle (u.a. Klärschlamm) verbrannt. Östlich an das Gelände des Industrieparks angrenzend liegt das FFH-Gebiet „Schwanheimer Düne“, südlich davon das FFH-Gebiet „Schwanheimer Wald“. Für April 2010 ist die Inbetriebnahme der drei Verbrennungslinien der Anlage (beginnend mit einem gestuften Probebetrieb) vorgesehen.

2 Der Antragsteller erhob gegen die im Dezember 2006 ausgelegten Pläne zur Errichtung und zum Betrieb der Verbrennungsanlage Einwendungen zu den Themenbereichen Naturschutz, Luftverschmutzung, UVU/UVP, Städtebau/Landschaftsbild/Bauplanungsrecht; Abfallrecht/Planungsrecht, Grundwasser und Sonstiges.

3 Mit Bescheiden von 4. Mai und 21. November 2007 gestattete der Antragsgegner unter Anordnung der sofortigen Vollziehung den vorzeitigen Baubeginn der Anlage gemäß § 8a BImSchG. Der Antragsteller erhob hiergegen nach Beginn der Bauarbeiten weder Klage noch suchte er um vorläufigen Rechtsschutz nach.

4 Gegen den für sofort vollziehbar erklärten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid vom 29. Februar 2008 hat der Antragsteller Klage erhoben mit dem Antrag, den Genehmigungsbescheid für den Bau und den Betrieb der Verbrennungsanlage aufzuheben, hilfsweise diesen bis zur Behebung der vom Gericht festgestellten Mängel außer Vollzug zu setzen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage abgewiesen und folgendes ausgeführt: Die Rügebefugnis anerkannter Umweltverbände sei auf solche Rechtsvorschriften beschränkt, die auch Rechte Einzelner begründen. Diese Schutznormakzessorietät ergebe sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 Nr. 1 und 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG). Verstöße gegen den gebotenen Schutz angrenzender FFH-Gebiete - insbesondere der Einwand einer fehlenden FFH-Verträglichkeitsprüfung -, gegen die IVU-Richtlinie und gegen den Abfallwirtschaftsplan Hessen könnten daher nicht gerügt werden, weil es sich insoweit um objektive Rechtssätze des Umweltrechts handle. Dasselbe gelte für auf den Vorsorgegrundsatz des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zielende Einwendungen. Aus gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben und der Aarhus-Konvention ergebe sich nichts anderes. Die Genehmigung sei auch nicht wegen Unterlassens einer Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG aufzuheben; bloße Mängel der Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. der Vorprüfung reichten hierfür nicht aus. Dem Schutze Dritter dienende Immissionswerte bzw. Vorsorgewerte würden eingehalten. Das der überarbeiteten zweiten Immissionsprognose zugrunde liegende Rechenprogramm AUSTAL2000 sei ausreichend validiert. Die zusätzliche Stickstoffbelastung durch den Betrieb der Anlage sei für das Beurteilungsgebiet irrelevant; der für NO2 geltende (Jahres-)Irrelevanzwert der TA Luft werde deutlich unterschritten. Eine Überschreitung des für Stickstoffdioxid in § 3 Abs. 4 der 22. BImSchV festgelegten Immissionsgrenzwertes von 40 µg/m3 zur Erhaltung der Luftqualität habe auf die Genehmigung keine Auswirkung. Auch bei Fehlen eines Aktionsplanes bestehe keine Verpflichtung der Genehmigungsbehörde, die Einhaltung der Luftreinhaltegrenzwerte durch die Ablehnung einer vorhabenbezogenen Genehmigung sicherzustellen. Die EG-Luftreinhalterichtlinien zielten zudem nur auf signifikante Luftverunreinigungen, die Irrelevanzgrenze der TA Luft unterschreitende Zusatzbelastungen würden hiervon nicht erfasst. Ebenso sei die Nichteinhaltung des quellenunabhängigen Zielwertes für Benzo(a)pyren nicht Gegenstand des Genehmigungsverfahrens; einzuhalten seien insoweit die Grenzwerte der 17. BImSchV, die auch den Umfang der Schutzpflicht des Betreibers der Anlage nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG konkretisierten. In Bezug auf den Abfallinput entspreche die Genehmigung den Anforderungen der 9. BImSchV. Das Vorbringen des Antragstellers zur fehlenden Berücksichtigung der Emissionen des zusätzlichen LKW-Verkehrs zur Verbrennungsanlage lasse nicht erkennen, für welche Immissionswerte dies zu einer Überschreitung der Irrelevanzschwelle führen könnte. Zudem sei der Antragsteller mit seinem Vorbringen zur Immissionsprognose, zum Eintrag von Stickstoffdioxid, zur Nichteinhaltung des Benzo(a)pyren-Zielwertes, zur Sonderfallprüfung für Chrom VI sowie weitgehend auch zur ausreichenden Kontrolle des Abfallinputs präkludiert, da diese Rügen in seinen ursprünglichen Einwendungen gegen das Vorhaben keinen ausreichenden Niederschlag gefunden hätten. Insbesondere habe die Genehmigungsbehörde nicht im erforderlichen Maße erkennen können, in welcher Weise sie bestimmte, vom Antragsteller benannte Belange einer näheren Betrachtung hätte unterziehen müssen.

5 Der Antragsteller hat hiergegen Ende Oktober 2009 die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision eingelegt und im Januar 2010 beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid für die Errichtung und den Betrieb der Verbrennungsanlage wiederherzustellen.

6 Zur Begründung dieses Antrags trägt er vor: Sowohl die Aarhus-Konvention wie auch Art. 10a der UVP-Richtlinie 85/337/EWG und der wortgleiche Art. 15a bzw. Art. 16 der IVU-Richtlinie 96/61/EG ergäben einen umfassenden gerichtlichen Prüfungsrahmen für das Vorbringen nicht staatlicher Vereinigungen, die vorwiegend Ziele des Umweltschutzes fördern. Gemeinschaftsrechtswidrig verknüpfe das Gesetz in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwRG das Klagerecht eines Umweltverbandes im Sinne einer schutznormakzessorischen Verbandsklage mit den Anforderungen an den Individualrechtsschutz. Das Verbandsklagerecht werde damit von dem notwendigen Schutz bisher nicht einklagbarer Interessen der Allgemeinheit abgeschnitten. Die angegriffene Genehmigung ermögliche eine Schädigung der beiden FFH-Gebiete durch zusätzliche NOx-Luftbelastungen und NOX-Depositionen. Das Unterschreiten der Irrelevanzschwelle nach der TA Luft rechtfertige es nicht, von einer Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. einer Vorprüfung abzusehen, die grundsätzlich für jedes UVP-pflichtige Vorhaben gelte. Der Kläger sei mit seinem Vorbringen, das den Mindestanforderungen an die Substantiierung von Einwendungen im Anhörungsverfahren genüge, nicht präkludiert. Das Gemeinschaftsrecht fordere als Voraussetzung einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle keine vorherige Beteiligung am Verwaltungsverfahren. § 2 Abs. 3 UmwRG sei mit Art. 10a der UVP-Richtlinie und Art. 16 IVU-Richtlinie nicht zu vereinbaren. Die Luftreinhalterichtlinie 96/62/EG setze für die Mitgliedstaaten über die Tochterrichtlinien einen verbindlichen Rahmen fest, der bezüglich der einzelnen Schadstoffe eingehalten werden müsse. Behördliche Genehmigungen dürften nicht zu Grenzwertüberschreitungen führen. Eine Bezugnahme auf die Irrelevanzschwelle der TA Luft sei in diesem Zusammenhang europarechtswidrig; diese diene dem Schutz des Menschen, nicht aber dem der Natur. Die für die Anordnung des Sofortvollzugs angeführten Gründe seien nicht tragfähig. Das Vollzugsinteresse der Beigeladenen überwiege nicht das Aussetzungsinteresse des Antragstellers als Sachwalter sowohl des Gesundheitsinteresses der Anlieger als auch des Naturschutzinteresses an den FFH-Gebieten.

7 Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen, den Antrag abzulehnen.

8 Mit ausführlichen Begründungen treten sie dem Begehren des Antragstellers entgegen. Auf den Inhalt der Schriftsätze vom 29. Januar und 1. Februar 2010 wird Bezug genommen.

II

9 Der Antrag bleibt ohne Erfolg.

10 1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig. Das Bundesverwaltungsgericht ist nach Einlegung der Revision das Gericht der Hauptsache i.S.v. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Prüfungsmaßstab für die Nachprüfung des angegriffenen Urteils ist somit sowohl für die Hauptsache wie auch für das vorläufige Rechtsschutzbegehren das revisible Recht i.S.v. § 137 VwGO.

11 2. Der Antrag ist aber nicht begründet.

12 a) Dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist nicht bereits wegen eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zu entsprechen. Die Genehmigungsbehörde hat unter Ziffer 10 des Genehmigungsbescheides die Anordnung der sofortigen Vollziehung mit dem überwiegenden Interesse der Beigeladenen begründet. Dabei hat sie insbesondere auf die Erforderlichkeit einer terminplangerechten Projektrealisierung sowohl im Hinblick auf bereits bestehende vertragliche Verpflichtungen der Beigeladenen wie auch hinsichtlich einer gesicherten und kontinuierlichen Versorgung des Industrieparks Höchst mit Dampf verwiesen. Mit diesen auf den Einzelfall bezogenen, nachvollziehbaren Erwägungen ist das Vollzugsinteresse der Beigeladenen in ausreichendem Maße begründet worden.

13 b) Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nimmt das Gericht eine eigene Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Aufschubinteressen der Beteiligten vor. Dem Charakter des Eilverfahrens nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO entsprechend kann das Gericht seine vorläufige Entscheidung im Regelfall nur auf der Grundlage einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als wesentliches Element der Interessensabwägung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angeordneten Sofortvollzugs treffen (stRspr; vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. September 1995 - 2 BvR 1179.95 - NVwZ 1996, 58 <60>). Kann - wegen der besonderen Dringlichkeit oder der Komplexität der Rechtsfragen - keine Abschätzung über die Erfolgsaussichten der Revision i.S. einer Evidenzkontrolle getroffen werden, sind allein die einander gegenüber stehenden Interessen zu gewichten.

14 Bei einem im Revisionsverfahren gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist zu prüfen, ob entgegen der vorinstanziellen Klageabweisung gleichwohl die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs geboten ist, weil die vorausgegangene Entscheidung offensichtlich gegen revisibles Recht verstößt (Beschluss vom 21. Juli 1994 - BVerwG 4 VR 1.94 - BVerwGE 96, 239 <243 f.> m.w.N.).

15 c) Nach dem jetzigen Erkenntnisstand ist der Ausgang des Revisionsverfahrens offen. Im Revisionsverfahren ist voraussichtlich eine Vielzahl zum Teil schwieriger Rechtsfragen zu klären, die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auch nicht im Wege einer summarischen Prüfung geklärt werden können. Dazu gehören etwa die Fragen, ob die schutznormakzessorische Ausgestaltung des Rügerechts anerkannter Naturschutzverbände durch nationales Recht europarechtskonform ist und damit auch den Prüfungsumfang des Gerichts beschränkt, ob die Präklusionsregelungen des nationalen Rechts auch für die Verbandsklage nach § 1 Abs. 1 UmwRG Geltung haben, ob eine hinter den Anforderungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeit zurückbleibende und damit rechtswidrige Vorprüfung des Einzelfalls eine Aufhebung der Genehmigung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG zur Folge hat sowie die Frage, ob das Überschreiten von Immissionsgrenz- oder Zielwerten der 22. BImSchV einer Genehmigungserteilung entgegen steht.

16 Im Rahmen der damit gebotenen bloßen Interessensabwägung überwiegt das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Genehmigungsbescheides das Interesse des Antragstellers, die Schaffung vollendeter Tatsachen durch Inbetriebnahme der Verbrennungsanlage vor einer endgültigen Entscheidung in der Hauptsache zu verhindern. Dabei ist von Bedeutung, dass der Antragsteller zur Begründung des erst im Revisionsverfahren gestellten Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Gründe geltend macht, die er bereits bei einer möglichen Anfechtung der Bescheide über die Zulassung des vorzeitigen Baubeginns im Jahre 2007 hätte geltend machen können, und er bereits damals die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hätte beantragen und damit einen Baustopp herbeiführen können. Denn die Zulassung des vorzeitigen Baubeginns setzt gemäß § 8a Abs. 1 Nr. 1 BImSchG voraus, dass die Behörde die Erteilung einer endgültigen Genehmigung bereits überwiegend für wahrscheinlich hält. Die dieser Prüfung zu Grunde liegenden Pläne für das Vorhaben waren dem Antragsteller ebenso bekannt wie der Beginn der Bauarbeiten. Der Antragsteller hatte auch Gelegenheit, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den streitgegenständlichen Genehmigungsbescheid zeitnah nach dessen Erlass beim Verwaltungsgerichtshof zu beantragen. Auch dies hat er unterlassen und statt dessen zugewartet, bis die Verbrennungsanlage im Jahr 2010 vor der Inbetriebnahme steht und der Beigeladene seine Investitionen im großen Umfang bereits getätigt hat.

17 Da das Vorhaben der Beigeladenen bereits unmittelbar vor der baulichen Vollendung steht, beschränkt sich das Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine Verhinderung der Inbetriebnahme der Anlage. Dieses Interesse ist vergleichsweise gering zu werten. Denn unabhängig von der Rechtsfrage, ob das Unterschreiten von Irrelevanzschwellen nach Nr. 4.4.3 TA Luft die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. einer Vorprüfung in Frage stellen kann oder ungeeignet ist, eine erhebliche Beeinträchtigung von Erhaltungszielen auszuschließen, hat der Antragsteller nicht substantiiert dargetan, dass die zusätzlichen Schadstoffeintragungen und insbesondere auch die zusätzliche Belastung der beiden FFH-Gebiete mit eutrophierenden Stickstoffoxiden so gravierend sein werden, dass bis zur Entscheidung in der Hauptsache erhebliche und irreversible Nachteile für die Umwelt eintreten. Sollte das Hauptsacheverfahren zu Lasten der Beigeladenen enden, hätte dies eine unmittelbare Betriebseinstellung und damit eine Beendigung der Umweltbelastung zur Folge.

18 Bei dieser Ausgangslage überwiegt das Vollzugsinteresse der Beigeladenen. Die Beigeladene hat nachvollziehbar und unwidersprochen dargelegt, dass sie bei ausbleibender Inbetriebnahme der Anlage schweren Schaden erleiden und existenzbedrohend betroffen würde. Bei Anordnung der aufschiebenden Wirkung würde der Vertrag vom Generalunternehmer vermutlich gekündigt, ohne dass noch Vertragsstrafenansprüche geltend gemacht werden könnten. Die Anlage müsste in Teilbereichen konserviert, eingestelltes Bedienpersonal ggf. entlassen und später wieder rekrutiert werden. Auch die Verträge über die Abnahme von Ersatzbrennstoffen mit 13 Lieferanten stünden zur Disposition, auf die im Falle eines erfolgreich bestrittenen Revisionsverfahrens nicht oder nur schwerlich wieder zurück gegriffen werden könnte. Bei einem Bau- bzw. Betriebsstopp zum jetzigen späten Zeitpunkt würde auch die Begleichung noch offener Handwerkerrechnungen gefährdet, da die für die Anlagenerrichtung zur Verfügung stehenden Kredite von den Banken wohl nicht mehr weiter ausgereicht würden. Dies alles spricht angesichts des relativ geringen Suspensivinter-esses des Antragstellers für eine Beibehaltung der Vollzugsanordnung bis zum Abschluss des Revisionsverfahrens.

19 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Billigem Ermessen entspricht es, dem Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, die sich durch Antragsstellung und einer damit möglichen Kostenbelastung (§ 154 Abs. 3 VwGO) am Verfahren beteiligt hat. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG
(1/2 des vorläufig festgesetzten Streitwerts für das Revisionsverfahren, Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Urteil vom 29.09.2011 -
BVerwG 7 C 21.09ECLI:DE:BVerwG:2011:290911U7C21.09.0

Leitsätze:

1. Die Beschränkung der Rügebefugnis anerkannter Umweltschutzvereinigungen auf „drittschützende“ Umweltvorschriften in § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UmwRG verstößt gegen Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG. Bis zur erforderlichen Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes können anerkannte Umweltschutzvereinigungen Verstöße gegen Umweltvorschriften, die aus Unionsrecht hervorgegangen sind, unmittelbar auf der Grundlage des Art. 10a Richtlinie 85/337/EWG rügen (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - Rs. C-115/09 - Rn. 56 bis 59, DVBl 2011, 757).

2. Die Unionsrechtskonformität der Präklusionsregelung in § 2 Abs. 3 UmwRG begegnet keinen eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 3 AEUV erfordernden vernünftigen Zweifeln (Bestätigung der stRspr des Bundesverwaltungsgerichts).

3. Die (erhöhten) Anforderungen an die Substantiierung von Einwendungen durch Naturschutzverbände (vgl. Beschluss vom 9. August 2010 - BVerwG 9 B 10.10 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 12) gelten entsprechend für Umweltschutzverbände nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz. Sie sind auch mit Blick auf die kurz bemessene Einwendungsfrist nicht überspannt.

4. Ob nach dem Ergebnis der Vorprüfung erhebliche Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele von FFH-Gebieten durch Stickstoffeinträge ernstlich zu besorgen sind und deshalb eine FFH-Verträglichkeitsprüfung erforderlich ist (vgl. Beschluss vom 26. November 2007 - BVerwG 4 BN 46.07 - Buchholz 451.91 EuropUmweltR Nr. 29 Rn. 11), beantwortet sich nicht nach den Luftkonzentrationswerten der TA Luft oder der 22. BImSchV; vielmehr ist hierfür das Konzept der Critical Loads heranzuziehen (im Anschluss an Urteile vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 = Buchholz 451.91 EuropUmweltR Nr. 30 und vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 = Buchholz 451.91 EuropUmweltR Nr. 45).

  • Rechtsquellen
    Richtlinie 85/337/EWG Art. 10a, 2008/1/EG Art. 9 Abs. 4
    UmwRG § 2 Abs. 3 und 5 Satz 1 Nr. 1
    BImSchG § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 10 Abs. 3 und 4
    BNatSchG 2002 §§ 34, 36
    HeNatG §§ 32, 34
    22. BImSchV § 3 Abs. 4 und 6
    TA Luft Nr. 4.2.1, Nr. 4.4.1, Nr. 4.4.3

  • Hessischer VGH - 16.09.2009 - AZ: VGH 6 C 1005/08.T

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 29.09.2011 - 7 C 21.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:290911U7C21.09.0]

Urteil

BVerwG 7 C 21.09

  • Hessischer VGH - 16.09.2009 - AZ: VGH 6 C 1005/08.T

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Guttenberger,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. September 2009 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger, ein in Hessen anerkannter Naturschutzverein, wendet sich gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Verbrennungsanlage für Ersatzbrennstoffe/Sekundärbrennstoffe mit Ausnahme gefährlicher Abfälle in der Gemarkung S. Die zwischenzeitlich errichtete und in Betrieb gegangene Anlage liegt im Industriepark H. nördlich der Bundesautobahn A 3, an die sich unmittelbar nach Süden das Gelände des Flughafens Frankfurt/Main anschließt; von Süden bzw. Südwesten grenzen an den Industriepark die Stadtgebiete von Kelsterbach und Hattersheim/M., nordöstlich gelegen sind Stadtteile von Frankfurt/Main. Östlich an das Gelände des Industrieparks angrenzend liegt das FFH-Gebiet „Schwanheimer Düne“, südlich davon das FFH-Gebiet „Schwanheimer Wald“.

2 Die Beigeladene beantragte am 31. Januar 2006 beim Regierungspräsidium D. die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der EBS-Verbrennungsanlage. Die Anlage ist ausgelegt auf eine Durchsatzmenge von 700 000 t/a; mit ihrem Betrieb werden ca. 68 MWel elektrischer Energie und ca. 173 MWtherm Dampf zur Versorgung des Industriegebiets bereit gestellt. Die Abgasreinigung wird in einem quasi-trockenen Verfahren durchgeführt; die Entstickung der Abgase, somit der Abbau von NOx, erfolgt mittels eines selektiven nicht katalytischen Reduktionsverfahrens (SNCR-Verfahren).

3 Die öffentliche Bekanntmachung des Vorhabens erfolgte am 27. November 2006 u.a. im Staatsanzeiger für das Land Hessen, in mehreren örtlichen Tageszeitungen und im Internet. Antrag und Planunterlagen waren in der Zeit vom 4. Dezember 2006 bis 4. Januar 2007 ausgelegt; die Einwendungsfrist endete am 18. Januar 2007. Die ausgelegten Planunterlagen enthalten im Abschnitt 20 eine Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU). Zur Verträglichkeitsprüfung nach § 34 BNatSchG enthält die UVU den Hinweis, dass nach Nr. 4.4.3 TA Luft von irrelevanten Zusatzbelastungswerten auszugehen sei und eine Beeinträchtigung der Vegetation der FFH-Gebiete durch zusätzliche Immissionen aus der Nutzung von Ersatzbrennstoffen damit ausscheide.

4 Der Kläger erhob mit Schreiben vom 18. Januar 2007 Einwendungen u.a. zum Naturschutz, zur Luftverschmutzung, zur UVU/UVP, zum Städtebau/Landschaftsbild/Bauplanungsrecht, zum Abfallrecht/Planungsrecht sowie zur Grundwasserbelastung. Im Einzelnen führte er näher aus: Die Schadstoffimmissionen der geplanten Anlage hätten Schäden an Flora und Fauna in den Naturschutz- und Bannwaldgebieten zur Folge. Hinsichtlich der Stickstoffimmissionen seien die Grenzwerte der 22. BImSchV für das Jahr 2007 - nämlich 46 µg/m3 - zu beachten. Die Grenzwerte der 17. BImSchV entsprächen nicht mehr dem Stand der Technik. Für die Schadstoffbelastung durch die täglichen Brennstoffanlieferungen mit 200 Lastkraftwagen fehle jede Immissionsbetrachtung. Die öffentlich ausgelegte Umweltverträglichkeitsuntersuchung bleibe hinter den Anforderungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung zurück.

5 Das Regierungspräsidium genehmigte das Vorhaben mit Bescheid vom 29. Februar 2008. Dieser befasst sich mit den Ergebnissen der Umweltverträglichkeitsuntersuchung über die Vor- und Zusatzbelastung der Umgebung der Anlage und folgert daraus deren FFH-Verträglichkeit (S. 126 ff. und 185 ff. des Bescheides - sowie die „Zusammenfassende Darstellung“ S. 81 ff. des Bescheides), da die Irrelevanzgrenze für Stickstoffoxide nicht überschritten werde.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat die gegen den Genehmigungsbescheid erhobene Klage abgewiesen. Er geht im Wesentlichen von Folgendem aus:

7 Die Klage sei zulässig; die erforderliche Klagebefugnis ergebe sich für das gesamte Klagevorbringen aus § 2 Abs. 1 UmwRG.

8 Die Klage sei jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UmwRG lägen nicht vor. Denn die Genehmigung erweise sich als rechtmäßig, soweit sie Rechte Dritter betreffe. Im Übrigen scheitere das Aufhebungsbegehren des Klägers daran, dass er im Rahmen der Verbandsklage sein Vorbringen nicht auf Verstöße gegen nicht drittschützende Bestimmungen des Umweltrechts stützen könne. Die Verbandsklage nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz sei schutznormakzessorisch. Selbst wenn man § 2 Abs. 5 UmwRG aber für nicht unionsrechtskonform erachten wolle, könne ein Rügerecht des Klägers auch nicht unmittelbar aus Unionsrecht hergeleitet werden. Die Regelungen in Art. 10a UVP-Richtlinie und Art. 15a IVU-Richtlinie seien nicht hinreichend unbedingt, klar und präzise, um unmittelbare Rechtswirkungen zu entfalten. Mit den geltend gemachten Verstößen gegen Vorschriften zum Schutz angrenzender FFH-Gebiete - insbesondere mit dem Vorwurf einer insoweit fehlenden FFH-Verträglichkeitsprüfung -, gegen das Gebot der Rücksichtnahme, gegen die IVU-Richtlinie und gegen den Abfallwirtschaftsplan Hessen könne der Kläger daher nicht gehört werden.

9 Der Genehmigungsbescheid sei formell rechtmäßig ergangen. Ob die Umweltverträglichkeitsprüfung fehlerbehaftet sei, könne dahinstehen. Eine Aufhebung des Bescheides nach § 4 Abs. 1 UmwRG komme nur in Frage, wenn eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine erforderliche Vorprüfung nicht durchgeführt worden seien.

10 Der Genehmigungsbescheid sei materiell rechtmäßig, soweit er sich auf drittschützende Vorschriften beziehe. Mit den Einwänden gegen die Richtigkeit der Immissionsprognose sei der Kläger bereits präkludiert. Auch mit dem Vorbringen, die Zusatzbelastung mit Stickstoffdioxid im Einwirkungsbereich der Anlage sei unzulässig hoch, sei der Kläger präkludiert, da er sich hierzu in seinem Schreiben vom 18. Januar 2007 nur pauschal geäußert habe. Insbesondere die nunmehr im Klageverfahren erhobene Rüge, dass die mit dem Ausstoß von Stickstoffdioxid durch die Anlage verbundene dauerhafte Überschreitung des in § 3 Abs. 4 der 22. BImSchV enthaltenen Immissionsgrenzwertes von 40 μg/m3 unzulässig sei, lasse sich den Ausführungen im Einwendungsschreiben nicht ansatzweise entnehmen; das Gleiche gelte für die Überschreitung des NO2-Immissionswertes nach Nr. 4.2.1 der TA Luft. Davon abgesehen entspreche die Genehmigung insoweit den Vorgaben der TA Luft. Die für das gesamte Beurteilungsgebiet zum Schutz der menschlichen Gesundheit geltenden Irrelevanzgrenzen der Nr. 4.2.2 Satz 1 Buchst. a) TA Luft für Zusatzbelastungen würden unterschritten, wobei zur Ermittlung der zusätzlichen NO2-Immissionen lediglich auf den bis zu 20%igen Anteil von NO2 an den Gesamtemissionen von NOx an der Schornsteinmündung abzustellen sei. Somit könne davon ausgegangen werden, dass von der Anlage kein relevanter Beitrag zur Immissionsbelastung mit Stickstoffdioxid geleistet werde. Partielle Überschreitungen des im Zeitpunkt der Anlagengenehmigung gemäß § 3 Abs. 4 der 22. BImSchV verbindlichen Immissionsgrenzwertes von 44 μg/m3 seien für die Rechtmäßigkeit der erteilten Genehmigung irrelevant. Denn die Luftqualitätsrichtlinien der EU und die 22. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes richteten sich nicht an den Anlagenbetreiber, sondern lediglich an die Mitgliedstaaten und deren Behörden und begründeten nur für diese die Verpflichtung, Luftreinhalte- und Aktionspläne aufzustellen. Eine Verpflichtung der Behörde, die Einhaltung der Grenzwerte vorhabenbezogen zu garantieren, bestehe nicht.

11 Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision eingelegt.

12 Zur Begründung der Revision, in deren Verlauf u.a. eine „Zusammenfassende Darstellung der FFH-Vorprüfung“ der Oberen Naturschutzbehörde vom 22. Januar 2010 vorgelegt worden ist, trägt er vor: Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 12. Mai 2011 in der Rechtssache C-115/09 stehe fest, dass § 2 Abs. 5 UmwRG mit den zwingenden Vorgaben des Unionsrechts unvereinbar sei und er sein Rügerecht bis zu einer Novellierung dieser Norm unmittelbar auf die unionsrechtlichen Richtlinienbestimmungen stützen könne. Es komme nicht mehr darauf an, inwiefern der angegriffene Bescheid gegen Rechtsvorschriften verstoße, die Rechte Dritter begründeten. Der Genehmigungsbescheid müsse daher auch auf seine naturschutzrechtliche Rechtmäßigkeit hin überprüft werden. Darüber hinaus habe das Gericht den Genehmigungsbescheid verfahrens- und materiellrechtlich vollumfänglich anhand des geltenden Umweltrechts zu prüfen, ohne dass es darauf ankomme, ob das maßgebliche Umweltrecht sich auf unionsrechtliche oder auf nationale Vorgaben stütze. Er könne sich daher auch auf die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen der unterlassenen FFH-Verträglichkeitsprüfung berufen. Dieser Fehler sei - da ein zentraler Verfahrensfehler - im Gerichtsverfahren nicht heilbar. Ebenso hätte geprüft werden müssen, ob das Vorsorgeprinzip aus § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG gewahrt sei. Die genehmigte Anlagentechnik entspreche nicht dem besten verfügbaren Stand der Technik.

13 Der Genehmigungsbescheid der Beklagten erlaube zu Unrecht eine Schädigung der FFH-Gebiete „Schwanheimer Düne“ und „Schwanheimer Wald“ durch zusätzliche NOx-Luftbelastungen und NOx-Depositionen. Der Bescheid verweise hierzu lediglich auf die Einhaltung der Irrelevanzgrenze nach der TA Luft. Es komme aber auf die tatsächlichen Auswirkungen der Stickstoffeinträge in Bezug auf die Einhaltung der Erhaltungsziele der FFH-Gebiete an. Der Beklagte habe dies nicht geprüft und es insbesondere unterlassen, die nach § 34 BNatSchG erforderliche FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführen. Das Abstellen auf die Irrelevanzschwelle nach Nr. 4.4.3 TA Luft sei grundsätzlich nicht geeignet, erhebliche Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele auszuschließen. Dies bestätige auch die „Vollzugshilfe“ des Landesumweltamtes Brandenburg. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei wegen der flächendeckend verteilten Schadstoffeinträge in den FFH-Gebieten eine FFH-Verträglichkeitsprüfung unverzichtbar. Hierfür streite insbesondere, dass Stickstoffimmissionen aus der EBS-Verbrennungsanlage auf der gesamten Fläche der Habitatgebiete eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensraumtypen und der Arten nach Anhang I und II der FFH-Richtlinie bewirken könnten.

14 Auch die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, der Kläger sei mit verschiedenen sonstigen Einwendungen nach § 2 Abs. 3 UmwRG präkludiert, verstoße gegen revisibles Recht. Die Präklusionsregelung in § 2 Abs. 3 UmwRG sei unionsrechtswidrig und dürfe daher keine Anwendung finden. Im Übrigen habe der Verwaltungsgerichtshof die Anforderungen an die Substantiierung von Einwendungen überspannt. Die geforderte Einzelbenennung von Schadstoffen gehe über das Ziel hinaus. Insbesondere der die menschliche Gesundheit betreffende Vortrag zur NO2-Problematik sei ausreichend.

15 Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs, die Einhaltung der Grenzwerte der 22. BImSchV sei keine Voraussetzung für die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, verstoße gegen Bundes- und Unionsrecht. Auf die Einhaltung der Irrelevanzwerte der TA Luft für Stickstoffdioxid komme es insoweit nicht an, da der maximale Jahresmittelwert von 40 µg/m3 dem Schutz der menschlichen Gesundheit diene. Die Luftreinhalterichtlinien der EU verpflichteten die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die maximalen Immissionswerte nicht überschritten würden. Die dem entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lasse dies außer Acht, wogegen sich auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen wende. Selbst wenn man der Rechtsprechung aber folge, erweise sich der angegriffene Genehmigungsbescheid als rechtswidrig, da der verfestigte Verstoß gegen die Grenzwerte der 22. BImSchV mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung nicht beseitigt werden könne. Es seien keine konkreten Maßnahmen ersichtlich, die diese Immissionsgrenzwertüberschreitungen sicher und dauerhaft verhindern könnten.

16 Der Beklagte tritt der Revision entgegen:

17 Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, der Kläger könne eine Verletzung der nicht drittschützenden naturschutzrechtlichen Vorschriften nicht rügen, sei durch das Urteil des EuGH überholt. Danach sei die Beschränkung der Rügebefugnis des Klägers durch § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG mit Unionsrecht insoweit nicht vereinbar, als sie Vorschriften betreffe, die aus dem Unionsrecht hervorgegangen seien und die den Umweltschutz bezweckten. Insoweit könne der Kläger die Verletzung von nicht drittschützenden Vorschriften rügen.

18 Die Präklusionsregelung des § 2 Abs. 3 UmwRG sei mit Unionsrecht vereinbar. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Anforderungen an die Substantiierung auch nicht überspannt. Das Vorbringen müsse so konkret sein, dass die Behörde erkennen könne, unter welchen Aspekten sie bestimmte Belange einer näheren Betrachtung unterziehen solle. Die notwendige Substantiierung ergebe sich aus der Funktion der Präklusionsvorschriften. Diese sollten der Rechtssicherheit dienen, nämlich dem gesteigerten Bedürfnis des Vorhabenträgers nach Schutz und Beständigkeit der unter einer Drittbeteiligung zustande gekommenen Zulassungsentscheidung. Maßstab für die notwendige Substantiierung seien die ausgelegten Planunterlagen. Der Kläger sei damit mit Einwendungen zur Einhaltung der Immissionswerte für Stickstoffdioxid ebenso präkludiert wie mit seinem Vorbringen zur Immissionsprognose, zum Benzo(a)pyren-Zielwert, zur Sonderfallprüfung für Chrom VI und zum Abfallinput.

19 Entgegen der Auffassung des Klägers habe der Beklagte eine ordnungsgemäße FFH-Verträglichkeitsvorprüfung durchgeführt. Bereits im Scoping-Verfahren sei eine verbale Abschätzung der Erheblichkeit etwaiger Einwirkungen auf die FFH-Gebiete eingefordert worden, und zwar insbesondere auch hinsichtlich der Stickstoffverbindungen. Die Umweltverträglichkeitsuntersuchung komme zu dem Ergebnis, dass eine Beeinträchtigung der Vegetation durch die nach Maßgabe der TA Luft irrelevante Zusatzbelastung auszuschließen sei. Von weiteren erheblichen Auswirkungen auf die FFH-Gebiete sei nicht auszugehen. Die Obere Naturschutzbehörde habe der Bewertung der UVU zugestimmt. Die Irrelevanzschwelle für Stickstoffoxide nach Nr. 4.4.3 TA Luft von 3 µg/m3 werde deutlich unterschritten. Die höchste Zusatzbelastung trete zudem nach der Immissionsprognose außerhalb der FFH-Gebiete auf, nämlich nordöstlich der Anlage. Der Genehmigungsbescheid behandle diese Thematik und verweise darauf, dass die Immissionswerte für Schadstoffdepositionen nach Nr. 4.5.1 TA Luft eingehalten seien. Auch die in der „Vollzugshilfe“ des Landesumweltamtes Brandenburg genannten Irrelevanzschwellen seien nicht überschritten. Die Abschätzung des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie (HLUG) ergebe für Stickstoffe eine zusätzliche Deposition von 0,19 kg/haa. Die Irrelevanzschwelle liege nach der Vollzugshilfe bei 0,5 bis 1,0 kg/haa. Die Tatsache, dass sich die Lebensraumtypen in den FFH-Gebieten trotz langjährig hoher Stickstoffbelastung bzw. langjähriger Überschreitung der Critical Loads überwiegend in einem guten Erhaltungszustand befänden, spreche gegen die vom Kläger geforderte Beurteilung der Schadstoffeintragungen nach der Methode der Critical Loads. Soweit sich Lebensraumtypen im ungünstigen Erhaltungszustand befänden, gehe diese Einstufung nachweislich oder mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf den Eintrag von Stickstoffoxiden zurück. Ein Gutachten des Kieler Instituts für Landschaftsökologie bestätige dies.

20 Vor dem Verwaltungsgerichtshof habe der Beklagte in der Klageerwiderung ausführlich zur FFH-Verträglichkeitsvorprüfung vorgetragen, was im Revisionsverfahren zu berücksichtigen sei. Die zusammenfassende Darstellung der FFH-Verträglichkeitsvorprüfung der Oberen Naturschutzbehörde vom 22. Januar 2010 enthalte die Prüfschritte des Beklagten. Sie lege wiederum dar, dass die Stickstoffoxid-Zusatzbelastung nach der Vollzugshilfe irrelevant sei. Die Zusatzbelastungen in den FFH-Gebieten lägen weit unter der Irrelevanzschwelle, die Erheblichkeitsschwelle für eine FFH-Verträglichkeitsprüfung werde nicht erreicht. Naturschutzfachlich irrelevante Zusatzbelastungen seien kein Anlass für die Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung. Die Erfüllung der Vorgaben des § 34 BNatSchG sei eine objektive Zulassungsvoraussetzung. Liege sie im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vor, sei die Klage unbegründet. Das Revisionsgericht habe dem nach § 144 Abs. 4 VwGO nachzugehen.

21 Auch die Beigeladene tritt der Revision entgegen und trägt zusätzlich vor: Auf der Grundlage der Entscheidung des EuGH könne der Kläger zwar grundsätzlich beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof eine Verletzung des § 34 BNatSchG nicht geprüft habe. Diese naturschutzrechtliche Bestimmung sei aber nicht verletzt, was sich aus der „Zusammenfassenden Darstellung der FFH-Vorprüfung“ vom 22. Januar 2010 ergebe. Die NOx-Zusatzbelastung für die angrenzenden FFH-Gebiete sei demnach irrelevant. Selbst nach den vom Kieler Institut für Landschaftsökologie erarbeiteten CL-Kriterien lägen die von der EBS-Verbrennungsanlage ausgehenden Schadstoffbelastungen im Bagatellbereich. Weil es sich bei der angegriffenen Genehmigung um eine gebundene Entscheidung nach § 4 BImSchG handle, hätte der Beklagte keine andere Entscheidung treffen können, was im Revisionsverfahren zu beachten sei.

22 Die Planfeststellung zum Ausbau des Frankfurter Flughafens habe für das FFH-Gebiet „Schwanheimer Düne“ aufgrund einer Verträglichkeitsprognose von der Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung abgesehen; hinsichtlich des FFH-Gebiets „Schwanheimer Wald“ sei eine solche durchgeführt worden. Sie habe ergeben, dass die mittelbaren Einwirkungen durch Schadstoffimmissionen, insbesondere auch der Schadstoffgruppe NOx, als irrelevant zu bewerten seien und sich auch mittel- bis langfristig nicht auf den Erhaltungszustand der Lebensraumtypen sowie auf Potentiale zu ihrer Verbesserung auswirken würden. Für die geringeren Belastungen durch die EBS-Verbrennungsanlage gelte dies umso mehr.

23 Von einem Verstoß gegen den Vorsorgegrundsatz könne nicht ausgegangen werden. Die EBS-Verbrennungsanlage entspreche sowohl technik- wie auch grenzwertbezogen den Anforderungen der 17. BImSchV.

24 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren beteiligt.

II

25 Die zulässige Revision des Klägers ist mit dem Ergebnis der Zurückverweisung der Sache an den Verwaltungsgerichtshof begründet. Das angefochtene Urteil verstößt gegen revisibles Recht. Der Verwaltungsgerichtshof ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich das Rügerecht des Klägers im Rahmen der Umweltverbandsklage nach § 2 UmwRG auf Verstöße des Genehmigungsbescheides gegen drittschützende Normen des Natur- und Umweltschutzrechts beschränkt (1). Die insoweit zu Unrecht unterlassene Prüfung der Verletzung objektivrechtlicher Normen nötigt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an den Verwaltungsgerichtshof (2). Die Zurückverweisung ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil schon jetzt für das Revisionsgericht feststünde, dass Verstöße gegen drittschützende Normen des Umweltrechts vorliegen und die Aufhebung der Genehmigung rechtfertigen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO) (3).

26 1. Das angegriffene Urteil verletzt revisibles Recht (Art. 10a UVP-RL), soweit es dem Kläger gestützt auf § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UmwRG die Befugnis abgesprochen hat, Verstöße gegen objektive Normen des Umweltrechts, sofern sie ihren Ursprung in unionsrechtlichen Regelungen haben, zu rügen.

27 Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UmwRG sind Rechtsbehelfe von Umweltschutzvereinigungen nach Absatz 1 begründet, soweit die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 oder deren Unterlassen gegen Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen, Rechte Einzelner begründen und für die Entscheidung von Bedeutung sind, verstößt und der Verstoß Belange des Umweltschutzes berührt, die zu den von der Vereinigung nach ihrer Satzung zu fördernden Zielen gehören. Die Rügebefugnis der Umweltschutzvereinigungen nach dem UmwRG ist nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 5 UmwRG, der Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Norm offensichtlich schutznormakzessorisch ausgestaltet, d.h. die als verletzt gerügte Norm muss (auch) dem Schutz Dritter dienen. Diese Beschränkung der Rügebefugnis verstößt gegen Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG. Dies folgt aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 12. Mai 2011 in der Rechtssache C-115/09 (Trianel, <DVBl 2001, 757>). Danach steht Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG Rechtsvorschriften entgegen, die einer Nichtregierungsorganisation im Sinne von Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie, die sich für den Umweltschutz einsetzt, nicht die Möglichkeit zuerkennen, im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, mit der Projekte, die im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 85/337/EWG „möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben“, genehmigt werden, vor Gericht die Verletzung einer Vorschrift geltend zu machen, die aus dem Unionsrecht hervorgegangen ist und den Umweltschutz bezweckt, weil diese Vorschrift nur die Interessen der Allgemeinheit und nicht die Rechtsgüter Einzelner schützt.

28 Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UmwRG scheidet mit Blick auf den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, der auch im eindeutigen Wortlaut der Norm zum Ausdruck kommt, aus. Bis zur erforderlichen Anpassung des UmwRG an die unionsrechtliche Rechtslage ist diese Vorschrift daher nicht anzuwenden und können sich anerkannte Umweltschutzvereinigungen bei der Rüge von Rechtsverletzungen - soweit es um Umweltvorschriften geht, die aus dem Unionsrecht hervorgegangen sind - unmittelbar auf Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG i.d.F. der Richtlinie 2003/35/EG stützen (EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011, - Rs. C-115/09, Rn. 56 bis 59 - a.a.O.).

29 Ob, wie der Kläger meint, das EuGH-Urteil vom 12. Mai 2011 so zu verstehen ist, dass nur für die Zulässigkeit von Verbandsklagen nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz die Rüge einer Verletzung aus dem Unionsrecht hervorgegangener umweltrechtlicher Vorschriften erforderlich ist, im Rahmen der Begründetheit dagegen die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Entscheidung anhand des geltenden Umweltrechts vollumfänglich zu prüfen ist, ohne dass es noch darauf ankäme, ob das maßgebliche Umweltrecht sich auf unionsrechtliche oder auf nationale Vorgaben stützt, kann dahinstehen. Abgesehen davon, dass dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für eine solche Differenzierung nichts entnommen werden kann, kommt es hierauf vorliegend nicht an. Die vom Kläger im Revisionsverfahren (nur) noch geltend gemachten Verstöße gegen § 34 BNatSchG/§ 34 HeNatG und gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. Art. 9 Abs. 4 IVU-Richtlinie betreffen unstreitig Rechtsvorschriften, die ihren Ursprung im Unionsrecht haben.

30 2. Mit der vom Verwaltungsgerichtshof - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - in der Sache nicht behandelten Rüge, die angefochtene Genehmigung sei wegen unterlassener FFH-Verträglichkeitsprüfung bzw. wegen unzureichender FFH-Vorprüfung rechtswidrig, ist der Kläger nicht schon nach § 2 Abs. 3 UmwRG präkludiert. Zwar begegnet die Präklusionsregelung des § 2 Abs. 3 UmwRG entgegen der Auffassung des Klägers keinen unionsrechtlichen Bedenken (a). Die vom Kläger im Genehmigungsverfahren erhobene Einwendung einer unzulänglichen FFH-(Vor-)Prüfung genügt aber noch den Anforderungen, die an die Substantiierung von Einwendungen durch Umweltverbände zu stellen sind. Ob diese Einwendung auch begründet ist, kann der Senat mangels Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilen (b). Mit der weiter erhobenen objektiv-rechtlichen Rüge eines Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. Art. 9 Abs. 4 IVU-Richtlinie ist der Kläger präkludiert (c).

31 a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begegnet die Unionsrechtskonformität des § 2 Abs. 3 UmwRG keinen vernünftigen Zweifeln. Die vom Kläger angeregte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 3 AEUV scheidet daher aus (vgl. Beschluss vom 11. November 2009 - BVerwG 4 B 57.09 - Buchholz 406.254 URG Nr. 1 Rn. 2 bis 8; Urteil vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 <Rn. 107 f.> = Buchholz 451.91 EuropUmweltR Nr. 4; Beschlüsse vom 14. September 2010 - BVerwG 7 B 15.10  - Buchholz 406.254 URG Nr. 2 und vom 17. Juni 2011 - BVerwG 7 B 79.10 - juris Rn. 10 bis 21; Urteil vom 14. Juli 2011 - BVerwG 9 A 14.10 - juris Rn. 21 bis 26).

32 Zu einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof besteht auch nicht deshalb Veranlassung, weil dieser zur Zulässigkeit nationaler Präklusionsvorschriften noch nicht Stellung genommen hat. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist anerkannt, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen dem Effektivitätsprinzip grundsätzlich genügt, weil sie ein Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit ist (Urteil vom 16. Mai 2000 - Rs. C-78/98 - Slg. 2000, S. I-3201 Rn. 31). Diese Aussage kann ohne Weiteres auf das nationale Rechtsinstitut der Einwendungspräklusion übertragen werden. Es dient ebenfalls der Rechtssicherheit, insbesondere dem gesteigerten Bedürfnis des Vorhabenträgers nach Schutz und Beständigkeit der unter Drittbeteiligung zustande gekommenen Zulassungsentscheidung. Dass der Einwendungsausschluss im Unterschied zu Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Rechtsbehelfen bereits vor Erlass eines gerichtlich anfechtbaren Rechtsakts eintritt, ist ohne Bedeutung, weil das Einwendungsrecht als Anknüpfungspunkt für die Präklusion einem vorgezogenen Rechtsschutz gleichkommt. Dieser vorgezogene Rechtsschutz, der den gerichtlichen Rechtsschutz nicht ersetzt, sondern nur ergänzt, liegt im wohlverstandenen Interesse der Einwendungsberechtigten, denn sie können durch ihr Vorbringen die Chance der Einflussnahme wahren, bevor eine Art von planerischer Verfestigung des Vorhabens eingetreten ist. Diese Auffassung steht, wie das Bundesverwaltungsgericht mehrfach entschieden hat (zuletzt Urteil vom 14. Juli 2011 - BVerwG 9 A 14.10 - a.a.O. Rn. 23), auch nicht im Widerspruch zu den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Dezember 1995 - Rs. C-312/93, Peterbroeck - (Slg. 1995, S. I-4599) sowie vom 15. Oktober 2009 - Rs. C-263/08 - (Slg. 2009, S. I-9967).

33 Ebenso wie das Rechtsinstitut der Einwendungspräklusion als solches stellt auch die Ausgestaltung dieses Instituts in § 10 Abs. 3 und 4 BImSchG (alte wie neue Fassung) einen effektiven Zugang zu Gericht im Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie nicht infrage. Nach § 10 Abs. 3 und 4 BImSchG setzt der Einwendungsausschluss Erkundigungs-/Äußerungsfristen, die als angemessen anzusehen sind, sowie eine ausreichende Belehrung über die Folgen verspäteten Vorbringens voraus. Die Rechtsverfolgung wird damit nicht mehr als aus Gründen der Rechtssicherheit geboten erschwert (vgl. zu § 17a Nr. 7 FStrG Urteil vom 14. Juli 2011 - BVerwG 9 A 14.10 - a.a.O. Rn. 26).

34 b) Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen ist der Kläger mit der Rüge, die Genehmigung sei wegen unzulänglicher FFH-Vorprüfung bzw. fehlender FFH-Verträglichkeitsprüfung unter Verstoß gegen § 34 BNatSchG/§ 34 HeNatG erteilt worden, im gerichtlichen Verfahren nicht ausgeschlossen. Einwendungen sind sachliches, auf die Verhinderung oder Modifizierung des Planvorhabens zielendes Gegenvorbringen (Urteil vom 17. Juli 1980 - BVerwG 7 C 101.78 - BVerwGE 60, 297 <300> = Buchholz 451.171 AtG Nr. 6). Welche Anforderungen an ihre Substantiierung zu stellen sind, hat das Bundesverwaltungsgericht für Einwendungen Privater und Einwendungen von Verbänden in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Funktionen der Betroffenen- und der Verbändebeteiligung differenzierend bestimmt. Während die Anhörung Planbetroffener diesen Gelegenheit bieten soll, ihre individuellen Betroffenheiten zu artikulieren, dient die Beteiligung der Vereinigungen der Mobilisierung natur- oder umweltschutzfachlichen Sachverstandes. Mit der Präklusionsregelung sollen die Vereinigungen angehalten werden, bereits im Verwaltungsverfahren ihre Sachkunde einzubringen und mit dem Ziel nutzbar zu machen, dass für Konflikte zwischen Infrastrukturplanung bzw. industriellen Großvorhaben einerseits und Natur- und Umweltschutz andererseits eine Problembewältigung erzielt wird, bei der die Belange des Natur- und Umweltschutzes nicht vernachlässigt werden. Der damit angestrebte Abbau von Vollzugsdefiziten (vgl. BTDrucks 14/6378 S. 61) setzt voraus, dass die Vereinigungen ihren Sachverstand so in das Verfahren einbringen, dass dadurch die der Planfeststellungs- bzw. Genehmigungsbehörde aufgetragene Problembewältigung gefördert wird. Den Natur- und Umweltschutzverbänden obliegt insoweit eine Mitwirkungslast. Durch diese Mitwirkung sollen zugleich von der Verwaltungsentscheidung Begünstigte vor einem überraschenden Prozessvortrag der Verbände geschützt werden (Urteile vom 27. Februar 2003 - BVerwG 4 A 59.01 - BVerwGE 118, 15 <17 f.> = Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 1 und vom 22. Januar 2004 - BVerwG 4 A 4.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 4 S. 27 f.; Beschluss vom 23. November 2007 - BVerwG 9 B 38.07 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 7 Rn. 31; Urteil vom 9. Juli 2009 - BVerwG 4 C 12.07 - juris Rn. 46 in BVerwGE 134, 166 insoweit nicht abgedruckt).

35 Ausgehend von diesen Funktionen der für Natur- und Umweltschutzvereinigungen maßgeblichen Beteiligungs- und Präklusionsregelungen muss eine solche Vereinigung in ihren Einwendungen zumindest Angaben dazu machen, welches Schutzgut durch ein Vorhaben betroffen wird und welche Beeinträchtigungen ihm drohen. Auch die räumliche Zuordnung eines Vorkommens oder einer Beeinträchtigung ist zu spezifizieren, wenn sie sich nicht ohne Weiteres von selbst versteht. Je umfangreicher und intensiver die vom Vorhabenträger bereits geleistete Begutachtung und fachliche Bewertung in den Planunterlagen ausgearbeitet ist, desto intensiver muss - jedenfalls grundsätzlich - auch die Auseinandersetzung mit dem vorhandenen Material ausfallen (vgl. Beschlüsse vom 12. April 2005 - BVerwG 9 VR 41.04 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 16 = juris Rn. 28 ff. und vom 9. August 2010 - BVerwG 9 B 10.10 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 12 = juris Rn. 8). Dabei geht es allerdings nicht um die zutreffende rechtliche Einordnung nach Landes-, Bundes- oder europäischem Recht. Erforderlich ist aber eine kritische Auseinandersetzung mit dem vorhandenen Material unter natur- und umweltschutzfachlichen Gesichtspunkten (Urteil vom 22. Januar 2004 a.a.O. S. 28; Beschlüsse vom 12. April 2005 a.a.O. juris Rn. 31 und vom 23. November 2007 a.a.O. Rn. 31).

36 Diese Anforderungen an die Substantiierung von Einwendungen durch Naturschutz-/Umweltverbände sind auch nicht deshalb überspannt, weil - wie der Kläger meint - die Auslegungs- und Einwendungsfrist zu kurz ist. Die Einwendungsfrist von zwei Wochen (§ 10 Abs. 3 BImSchG) ist für sich genommen zwar knapp, mit Blick auf die großzügigere Frist zur Einsichtnahme aber noch ausreichend bemessen, um eine den genannten Substantiierungsanforderungen entsprechende Stellungnahme zu ermöglichen. Von den Vereinigungen, die ausweislich der gesetzlichen Anerkennungsvoraussetzungen nach Mitgliederkreis und eigener Leistungsfähigkeit die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bieten müssen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG), kann erwartet werden, dass sie über ihre regionalen oder örtlichen Untergliederungen sicherstellen, die immerhin einmonatige Auslegungsfrist zur Sichtung und Auswertung der Planunterlagen effektiv auszuschöpfen. Insoweit sind auch die Routine, die sich bei dieser zu den typischen Vereinsaufgaben zählenden Tätigkeit einstellt, und die in zurückliegenden Verfahren bereits erworbenen technischen Kenntnisse in Rechnung zu stellen. Dabei ist zudem daran zu erinnern, dass enteignend betroffene Private, die sich die Möglichkeit einer gerichtlichen Vollprüfung erhalten wollen, zwar einerseits geringeren Substantiierungsanforderungen unterliegen, andererseits aber mit ihren Einwendungen innerhalb der gleichen Frist ein weit größeres Spektrum von Problempunkten abzudecken haben als die auf natur- und umweltschutzfachliche Einwendungen beschränkten Vereinigungen. Im Interesse einer zügigen Verfahrensgestaltung hält sich diese Verfahrenserschwernis noch in vertretbaren Grenzen und ist von den Verfahrensbeteiligten hinzunehmen (vgl. Urteil vom 14. Juli 2011 - BVerwG 9 A 12.10 - UA S. 11).

37 Die zur Präklusionsregelung des § 61 Abs. 3 BNatSchG entwickelten Grundsätze sind auf die Regelungen in § 2 Abs. 3 UmwRG, § 10 BImSchG uneingeschränkt übertragbar. Legt man sie vorliegend an, reichen die Darlegungen des Klägers in seinem Einwendungsschreiben vom 18. Januar 2007 noch aus, um die Rüge einer unzulänglichen FFH-Vorprüfung bzw. fehlerhaft unterbliebenen FFH-Verträglichkeitsprüfung als rechtzeitig erhoben zu betrachten. Zwar wird darin nicht explizit gerügt, dass eine FFH-Verträglichkeitsprüfung hätte durchgeführt werden müssen. Unter „A. Naturschutz“ Ziffer 1 und 3 finden sich aber Ausführungen dazu, dass die Problematik von Schäden an Flora und Fauna der Gebiete „Schwanheimer Düne“ und „Schwanheimer Wald“ durch Schadstoffemissionen der beantragten Verbrennungsanlage sowie die Folgen der zu erwartenden Schadstoffanreicherungen (Summationsschäden) für Flora und Fauna im Rahmen des Antrags nicht untersucht bzw. abgearbeitet worden seien. Zudem wird unter „C. UVU/UVP“ Ziffer 3 beanstandet, dass die konkreten Auswirkungen des Vorhabens auf Flora und Fauna sowie die im Umfeld liegenden FFH-Gebiete in der UVU nicht betrachtet worden seien. Dies reicht angesichts der Dürftigkeit der in die ausgelegte UVU vom 16. Oktober 2006 integrierten FFH-Vorprüfung, in der die Frage, ob die Erhaltungsziele der angrenzenden FFH-Gebiete durch das Vorhaben erheblich beeinträchtigt werden können, auf einer halben Seite abgehandelt und verneint wird (S. 49), im Sinne des „Je-desto“-Grundsatzes aus.

38 Die in die Umweltverträglichkeitsuntersuchung vom 26. Juni 2007 integrierte FFH-Vorprüfung genügt nicht den Anforderungen, die nach der im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung maßgeblichen Rahmenvorschrift des § 34 BNatSchG bzw. der diese ausfüllenden landesrechtlichen Regelung in § 34 HeNatG zu stellen waren; § 36 BNatSchG 2002 ist wegen Unvereinbarkeit mit Unionsrecht unanwendbar (EuGH, Urteil vom 10. Januar 2006 - Rs C-98/03 - Rn. 49 bis 52, Slg. 2006, S. I-00053). Sie verkennt den maßgeblichen rechtlichen Maßstab, indem sie ausschließlich auf Luftkonzentrationswerte der TA Luft abstellt.

39 Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 HeNatG in der seinerzeit geltenden Fassung sind Projekte vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura-2000-Gebiets zu prüfen. Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt insbesondere nach Maßgabe der Kriterien des Anhangs 1 der Richtlinie 2004/35/EG zu erheblichen Beeinträchtigungen eines Natura-2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig (§ 34 Abs. 2 HeNatG).

40 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine FFH-Verträglichkeitsprüfung erforderlich, wenn und soweit derartige Beeinträchtigungen nicht offensichtlich ausgeschlossen werden können, also zumindest vernünftige Zweifel am Ausbleiben von erheblichen Beeinträchtigungen bestehen (Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 ff. <Rn. 60> = Buchholz 451.91 EuropUmweltR Nr. 26). Der eigentlichen Verträglichkeitsprüfung ist eine Vorprüfung bzw. Erheblichkeitseinschätzung vorgeschaltet. Die bei der Vorprüfung (sog. Screening) anzulegenden Maßstäbe sind nicht identisch mit den Maßstäben für die Verträglichkeitsprüfung selbst. Bei der Vorprüfung ist nur zu untersuchen, ob erhebliche Beeinträchtigungen des Schutzgebiets ernstlich zu besorgen sind. Erst wenn das zu bejahen ist, schließt sich die Verträglichkeitsprüfung mit ihren Anforderungen an den diese Besorgnis ausräumenden naturschutzfachlichen Gegenbeweis an (Beschluss vom 26. November 2007 - BVerwG 4 BN 46.07 - Buchholz 451.91 EuropUmweltR Nr. 29).

41 Ob erhebliche Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele von FFH-Gebieten durch Stickstoffdepositionen ernstlich zu besorgen sind, beantwortet sich nicht nach pauschalen oder nur auf den Menschen abstellenden Luftkonzentrationswerten der TA Luft oder der 22. (bzw. 39.) BImSchV. Nach der Rechtsprechung des 9. Senats des Bundesverwaltungsgerichts, der der erkennende Senat folgt, reicht für die Verträglichkeitsprüfung und ebenso für die Vorprüfung der allgemein zum Schutz der Vegetation dienende Luftkonzentrationsgrenzwert für Stickstoffoxide in § 3 Abs. 6 der 22. BImSchV (jetzt § 3 der 39. BImSchV) als verlässlicher Beurteilungsmaßstab für die je spezielle Empfindlichkeiten aufweisenden FFH-Lebensraumtypen nicht aus. Größere Aussagekraft für die Beurteilung hat das Konzept der Critical Loads, das im Rahmen der UN-ECE-Luftreinhaltekonvention entwickelt worden ist. Critical Loads sollen naturwissenschaftlich begründete Belastungsgrenzen für Vegetationstypen oder andere Schutzgüter umschreiben, bei deren Einhaltung eine Luftschadstoffdeposition auch langfristig keine signifikant schädlichen Effekte erwarten lässt (Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 ff. <Rn. 108> = Buchholz 451.91 EuropUmweltR Nr. 30). In Anbetracht der Unsicherheiten, denen die Beurteilung der durch ein Projekt für habitatrechtlich geschützte Lebensräume hervorgerufenen Stickstoffbelastungen unterliegt, ist gegen die Verwendung dieses Konzepts nichts einzuwenden (Urteil vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 ff. <Rn. 87> = Buchholz 451.91 EuropUmweltR Nr. 45).

42 Dabei ist nicht allein die Zusatzbelastung an den Critical Loads zu messen. Vielmehr ist für eine am Erhaltungsziel orientierte Beurteilung der projektbedingten Zusatzbelastung die Berücksichtigung der Vorbelastung unverzichtbar. Allerdings ist jedenfalls in Fallgestaltungen, in denen die Vorbelastung den maßgeblichen Critical-Load-Wert um mehr als das Doppelte übersteigt, eine Irrelevanzschwelle von 3 % des jeweiligen CL-Wertes anzuerkennen. Eine so bemessene Schwelle findet unter Berücksichtigung einschlägiger naturschutzfachlicher Erkenntnisse ihre Rechtfertigung in dem Bagatellvorbehalt, unter dem jede Unverträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines FFH-Gebiets steht (Urteil vom 14. April 2010 a.a.O. Rn. 88; Beschluss vom 10. November 2009 - BVerwG 9 B 28.09 - DVBl 2010, 176 <Rn. 3 und 6>). Die Irrelevanzschwelle markiert insoweit zugleich die Erheblichkeitsschwelle für die Erforderlichkeit einer FFH-Verträglichkeitsprüfung.

43 Ob die im Laufe des (revisions)gerichtlichen Verfahrens nachgereichte „Gutachterliche Stellungnahme zur FFH-Verträglichkeit der EBS-Verbrennungsanlage im Industriepark Höchst“ vom 20. Januar 2010 sowie die „Zusammenfassende Darstellung der FFH-Vorprüfung“ vom 22. Januar 2010 den gesetzlichen Anforderungen genügen und zu tragfähigen fachlichen Ergebnissen gelangen, hängt, zumal der Kläger schon die den vorgenannten Stellungnahmen zugrunde gelegte Vorbelastung als fehlerhaft angreift, weitgehend von tatsächlichen Würdigungen und Feststellungen ab. Diese Prüfung ist Aufgabe des Tatsachengerichts und einer abschließenden Beurteilung durch das Revisionsgericht derzeit entzogen.

44 Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich in beiden FFH-Gebieten möglicherweise Lebensraumtypen aufgrund der Vorbelastung in einem ungünstigen Erhaltungszustand befinden. Entgegen der Auffassung des Klägers führt auch dieser Befund nicht zwangsläufig dazu, dass diese Gebiete nunmehr für jede Zusatzbelastung ohne Weiteres gesperrt wären und die angefochtene Genehmigung schon deshalb rechtswidrig wäre. Denn auch in solchen Fällen können nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 14. April 2010 a.a.O. Rn. 94) Irrelevanzschwellen zur Anwendung kommen.

45 Die Sache muss deshalb an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen werden.

46 c) Mit der Einwendung, die Genehmigung verstoße gegen die Vorsorgepflicht aus § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. Art. 9 Abs. 4 IVU-Richtlinie, weil die genehmigte Entstickungstechnik nach dem SNCR-Verfahren deutlich schlechtere Reinigungswerte mit sich bringe als das im BvT-Merkblatt für Abfallverbrennungsanlagen präferierte SCR-Verfahren, ist der Kläger präkludiert.

47 Abgesehen davon, dass die 17. BImSchV mit ihren baulichen und betrieblichen Anforderungen an eine Abfallverbrennungsanlage sowie mit der Festlegung der Emissionsgrenzwerte insoweit die Vorsorgepflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG abschließend konkretisiert (Urteil vom 26. April 2007 - BVerwG 7 C 15.06 - Buchholz 406.25 § 48a BImSchG Nr. 2) und es dem Betreiber freigestellt ist, welches Rauchgasreinigungsverfahren zur Einhaltung der Grenzwerte er einsetzt (Beschluss vom 9. April 2008 - BVerwG 7 B 2.08 - Buchholz 406.25 § 16 BImSchG Nr. 1 = juris Rn. 7), werden in dem Einwendungsschreiben des Klägers vom 18. Januar 2007 diesbezügliche Defizite unter Buchst. B. Ziffer 7 weder ausdrücklich noch sinngemäß thematisiert. Das dortige Vorbringen, die Grenzwerte der 17. BImSchV seien durch die Praxis und den Stand der Technik bei den Anlagenherstellern längst überholt und der Genehmigungsantrag sei dementsprechend nachzubessern, lässt weder erkennen, auf welchen der zahlreichen Parameter der Verordnung über die Verbrennung und Mitverbrennung von Abfällen der Kläger sich bezieht noch wird die Anlagentechnik, die verbessert werden soll, konkret benannt. Hierzu bestand aber Gelegenheit und Anlass, denn die Antragsunterlagen vom November 2006/Juni 2007 enthalten eine detaillierte Beschreibung des Vorhabens und der zum Einsatz kommenden Abgasreinigungstechnik. Zudem wird in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung (S. 5 und 8 ff.) die Abgasführung und Abgasreinigung nochmals behandelt. Der Kläger konnte sich daher in umfassender Weise Kenntnis über die technische Ausstattung der EBS-Verbrennungsanlage verschaffen, die ihn in den Stand versetzt hätte, Defizite der Technik zu benennen und Abhilfe einzufordern. Seine pauschale Rüge musste jedoch der Genehmigungsbehörde keine Veranlassung geben, eine Verbesserung der Anlagentechnik in Betracht zu ziehen.

48 3. Die angefochtene Genehmigung ist auch nicht wegen einer Verletzung „drittschützender“ Normen des Umweltrechts rechtswidrig und deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs aufzuheben (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

49 Mit der insoweit im (revisions)gerichtlichen Verfahren nur noch erhobenen Rüge, die genehmigte Anlage überschreite dauerhaft die zum Schutz der menschlichen Gesundheit in § 3 Abs. 4 der 22. BImSchV und Nr. 4.2.1 der TA Luft festgelegten Grenzwerte für NO2-Immissionen, ist der Kläger ebenfalls präkludiert. Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof darauf verwiesen, dass sich hierauf gerichtetes Vorbringen dem Einwendungsschreiben vom 18. Januar 2007 nicht einmal andeutungsweise entnehmen lässt.

50 Gerügt wird darin unter Buchst. A. Ziffer 2 lediglich eine mögliche Überschreitung des in § 3 Abs. 6 der 22. BImSchV festgelegten Grenzwertes für NOx zum Schutz der Vegetation in Höhe von 30 µg/m3, unter Buchst. B. Ziffer 2 der fehlende Bezug zwischen den beantragten Schadstofffrachten und der menschlichen Gesundheit sowie unter Buchst. B. Ziffer 3 die Heranziehung des NO2-Grenzwertes der Verordnung für 2006 (48 µg/m3) anstatt für 2007 (46 µg/m3). Mit diesem Vorbringen wird offensichtlich keine Überschreitung eines maßgeblichen NO2-Immissionsgrenzwertes von 40 µg/m3 in Bezug auf das Schutzgut Mensch geltend gemacht. Das Einwendungsschreiben lässt sich insoweit vielmehr nur dahingehend verstehen, dass der Kläger hinsichtlich der Luftschadstoffbelastung mit Stickstoffdioxid einen Grenzwert von 46 µg/m3 anstatt des in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung (S. 38 Tabelle 10, rechte Spalte) eingetragenen Grenzwertes inklusive Toleranzmarge von 48 µg/m3 für maßgeblich hält. Darüber Hinausgehendes kann ihm nicht entnommen werden, obwohl die Antragsunterlagen zum Problem Stickstoffdioxidbelastung im Zusammenhang mit der menschlichen Gesundheit durchaus aussagekräftig waren. So ist in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung auf Seite 37 ausdrücklich ausgeführt, dass die Verordnung für Stickstoffdioxid ab dem 1. Januar 2010 einen Grenzwert von 40 µg/m3 festlege. Für das Jahr 2006 ergebe sich mit der Toleranzmarge der Verordnung ein Grenzwert von 48 µg/m3, der durch die Vorbelastung unterschritten werde. Ziel der Maßnahmen des Luftreinhalteplans und des Aktionsplans sei die Senkung der Immissionsbelastung zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte. Entsprechend der Maßnahmenansätze zur Senkung der verkehrsbedingten Emissionen des Aktionsplans Frankfurt am Main 2006 sei davon auszugehen, dass auch an der Messstation Frankfurt-Höchst die Vorbelastung durch Stickstoffdioxid weiter sinken und 2010 der Immissionsgrenzwert von 40 µg/m3 eingehalten werde. Auf Seite 38 der Umweltverträglichkeitsuntersuchung ist ausgeführt, dass die Gesamtbelastung für Stickstoffdioxid sowohl den Immissionswert der TA Luft Nr. 4.5.1 Tabelle 6 (zum Schutz der menschlichen Gesundheit richtig: Nr. 4.2.1 Tabelle 1) als auch den Grenzwert der Verordnung inklusive der Toleranzmarge unterschreiten werde. Diese Aussage hätte schon angesichts der in der vorstehenden Tabelle angegebenen Zahlenwerte, in der als Gesamtbelastung 46,8 µg/m3 und als Immissionswerte der TA Luft 40 µg/m3 angegeben sind, als zweifelhaft auffallen müssen. Überdies ergab sich aus den Immissionsprognosen, dass der ursprünglich errechnete, und vom Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie erst später nach unten korrigierte Maximalwert der Zusatzbelastung mit 1,8 bzw. 1,9 µg/m³ deutlich über der dort ebenfalls genannten Irrelevanzschwelle von 1,2 µg/m3 lag. Dieser Umstand ist auch unter der Rubrik „Diskussion der Ergebnisse“ am Ende der Immissionsprognose explizit angesprochen worden. Das Problem der Stickstoffdioxidbelastung hätte danach sogar einem Laien auffallen können. Der Kläger hätte den Einwand einer drohenden Überschreitung des Grenzwertes von 40 µg/m3 für Stickstoffdioxid und einer damit einhergehenden Gefährdung der menschlichen Gesundheit daher schon im Einwendungsverfahren erheben können und müssen.