Verfahrensinformation

Zugang zu Unterlagen von Altbundeskanzler Helmut Kohl


Die Klägerin - Journalistin, Historikerin und Publizistin - begehrt vom Bundeskanzleramt Zugang zu Unterlagen aus der Zeit der Kanzlerschaft von Helmut Kohl sowie zu den zugehörigen Findmitteln. Das Bundeskanzleramt gewährte Einsicht in insgesamt 45 Unterlagen. Im Übrigen lehnte es den Antrag ab, weil sich ohne weitere Benennung von Recherchebegriffen keine weiteren Dokumente auffinden ließen. Eine manuelle Suche könne aufgrund des großen Aktenbestandes aus 16 Jahren Kanzlerschaft nicht beansprucht werden. Dem Kanzleramt sei darüber hinaus nicht bekannt, dass sich amtliche Unterlagen des verstorbenen Bundeskanzlers bei Dritten befänden.


Die Klage auf Bereitstellung weiterer Unterlagen hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Hinsichtlich von Unterlagen, die sich beim Bundeskanzleramt befinden sollten, sei der Anspruch vollständig erfüllt. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Zugang zu sich unter Umständen im Besitz von Frau Kohl-Richter befindlichen Unterlagen. Weder das Informationsfreiheitsgesetz noch das Bundesarchivgesetz gewährten einen Anspruch auf Wiederbeschaffung amtlicher Unterlagen. Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision der Klägerin.


Pressemitteilung Nr. 29/2023 vom 29.03.2023

Kein Anspruch auf Wiederbeschaffung von Unterlagen Helmut Kohls

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass weder das Informationsfreiheitsgesetz noch das Bundesarchivgesetz einen Anspruch auf die Wiederbeschaffung bei einer Behörde im Antragszeitpunkt nicht mehr vorhandener Unterlagen gewähren. Zudem darf die Suche nach begehrten Informationen in äußerst umfangreichen Aktenbeständen ausnahmsweise unterbleiben, wenn sie die Wahrnehmung vorrangiger Sachaufgaben erheblich behindern würde.


Die Klägerin, eine Journalistin, begehrt vom Bundeskanzleramt unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz und das Bundesarchivgesetz Zugang zu sämtlichen amtlichen Unterlagen des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, die beim Bundeskanzleramt oder bei der Witwe Helmut Kohls vorhanden seien. Hilfsweise begehrt sie Zugang zu derartigen Unterlagen aus dem Zeitraum 1982 bis Juni 1987, höchst hilfsweise zu derartigen Unterlagen zu den Themen deutsch-südamerikanische Beziehungen, Südamerika, Chile, Argentinien und Paraguay. Das Bundeskanzleramt gewährte Einsicht in insgesamt 45 bei ihm vorhandene Unterlagen und lehnte den Antrag im Übrigen ab.


Die hierauf erhobene Klage auf Zugang zu sämtlichen begehrten Unterlagen wies das Verwaltungsgericht ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die nicht thematisch eingegrenzten Anträge seien nicht hinreichend bestimmt, weil sie nicht sinnvoll bearbeitet werden könnten. Hinsichtlich der Unterlagen zu Südamerika sei der Anspruch nach erfolgter Stichwortsuche in sämtlichen Registraturen vollständig erfüllt. Die Beklagte habe hinreichend dargelegt, dass eine händische Suche unzumutbar sei, weil dies die Durchsicht von über 9000 Aktenbänden voraussetze. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Wiederbeschaffung weiterer Unterlagen, falls sich solche - was ungeklärt geblieben ist - im Besitz der Witwe Helmut Kohls befinden sollten.


Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Zwar steht die Annahme, die Anträge der Klägerin seien zu unbestimmt, nicht mit Bundesrecht in Einklang. Ein Informationszugangsantrag muss erkennen lassen, auf welche Informationen er gerichtet ist. Das war hier der Fall. Insoweit erweist sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aber aus anderen Gründen als richtig. Eine Behörde darf die Suche nach Informationen in einem äußerst umfangreichen Aktenbestand ausnahmsweise verweigern, wenn mit ihr ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand verbunden wäre. Dies ist zu bejahen, wenn die informationspflichtige Behörde bei der Wahrnehmung ihrer vorrangigen Sachaufgaben erheblich behindert würde. So liegt es, wenn Akten im Umfang mehrerer tausend Bände oder der gesamte über mehrere Jahre entstandene Aktenbestand händisch durchsucht werden müssten. Im Einklang mit Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht einen Anspruch auf Wiederbeschaffung bei der Behörde im Antragszeitpunkt nicht mehr vorhandener Unterlagen abgelehnt. Das Informationsfreiheitsgesetz und das Bundesarchivgesetz gewähren lediglich einen Anspruch auf Zugang zu Unterlagen, die bei Antragstellung bei der informationspflichtigen Stelle vorhanden sind.


BVerwG 10 C 2.22 - Urteil vom 29. März 2023

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 17/20 - Urteil vom 03. Juni 2022 -

VG Berlin, VG 2 K 218.17 - Urteil vom 26. Mai 2020 -


Urteil vom 29.03.2023 -
BVerwG 10 C 2.22ECLI:DE:BVerwG:2023:290323U10C2.22.0

Zugang zu Akten von Helmut Kohl

Leitsätze:

1. In entsprechender Anwendung von § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG ist ein Informationszugangsanspruch ausgeschlossen, soweit schon das Auffinden der von einem Antragsteller begehrten Informationen im Aktenbestand der Behörde in Anbetracht der Größe dieses Bestandes und der Notwendigkeit händischer Suche mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden wäre.

2. Weder das Informationsfreiheitsgesetz noch das Bundesarchivgesetz gewähren einen Anspruch auf Wiederbeschaffung amtlicher Informationen, die zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der informationspflichtigen Behörde nicht mehr vorhanden sind.

  • Rechtsquellen
    BArchG § 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 11 Abs. 6, § 13 Abs. 2 Nr. 2
    IFG § 1 Abs. 1 Satz 1, Satz 3, Abs. 3, § 7 Abs. 2 Satz 1
    GG Art. 3, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, Abs. 3 Satz 1
    EMRK Art. 10 Abs. 1 Satz 2

  • VG Berlin - 26.05.2020 - AZ: 2 K 218.17
    OVG Berlin-Brandenburg - 03.06.2022 - AZ: 12 B 17/20

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 29.03.2023 - 10 C 2.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:290323U10C2.22.0]

Urteil

BVerwG 10 C 2.22

  • VG Berlin - 26.05.2020 - AZ: 2 K 218.17
  • OVG Berlin-Brandenburg - 03.06.2022 - AZ: 12 B 17/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2023
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Löffelbein,
Dr. Wöckel und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
für Recht erkannt:

  1. Die Revision wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Die Klägerin ist Journalistin, Historikerin und Publizistin. Sie begehrt vom Bundeskanzleramt Zugang zu Unterlagen aus der Zeit der Kanzlerschaft Dr. Helmut Kohls (1982 bis 1998).

2 Die Klägerin beantragte Einsicht in sämtliche beim Bundeskanzleramt sowie bei privaten Dritten vorhandene amtliche Unterlagen des ehemaligen Bundeskanzlers Kohl, hilfsweise aus dem Zeitraum 1982 bis Juni 1987, sowie Zugang zu den Findmitteln zu diesen Akten. Höchst hilfsweise beantragte sie Einsicht in die amtlichen Unterlagen des ehemaligen Bundeskanzlers Kohl im Hinblick auf die Themen deutsch-südamerikanische Beziehungen, Südamerika, Chile, Argentinien und Paraguay. Das Bundeskanzleramt gewährte ihr Einsicht in insgesamt 45 Unterlagen und lehnte den Antrag im Übrigen ab.

3 Ihre Klage auf Gewährung des Zugangs im beantragten Umfang wies das Verwaltungsgericht ab. Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Dem begehrten Zugang zu Findmitteln der Verschlusssachen-Registratur des Bundeskanzleramts stehe mit Blick auf ein laufendes gerichtliches Verfahren der Einwand der doppelten Rechtshängigkeit entgegen. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Die thematisch nicht eingeschränkten Anträge seien nicht hinreichend bestimmt und könnten nicht sinnvoll bearbeitet werden. Hinsichtlich des Zugangs zu Unterlagen, die sich beim Bundeskanzleramt befinden, sei der Anspruch der Klägerin vollständig erfüllt. Das Bundeskanzleramt habe mit den genannten Stichworten in sämtlichen Registraturen recherchiert, die Recherchemöglichkeiten insoweit ausgeschöpft und aufgefundene Dokumente zur Verfügung gestellt. Die Beklagte habe hinreichend dargelegt, dass eine händische Suche unzumutbar sei, da eine solche die Durchsicht von 9 200 Aktenbänden mit jeweils 20 bis 400 Seiten in der Verschlusssachen-Registratur sowie ca. 80 Akten mit rund 100 Bänden in der Hauptregistratur voraussetze. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Zugang oder Nutzung sich unter Umständen im Besitz der Witwe Helmut Kohls befindlicher Unterlagen. Eine Wiederbeschaffungspflicht bestehe nicht. Die Klägerin habe zudem keinen Anspruch auf Zugang zu Findmitteln.

4 Zur Begründung ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die Anträge seien hinreichend bestimmt, da über Art und Inhalt der begehrten Informationen keine Zweifel bestünden. Die Forderung nach einer thematischen Eingrenzung und einer Orientierung an der behördeninternen Systematik der Archivierung sei allenfalls eine Frage der Verhältnismäßigkeit des Verwaltungsaufwands. Der Anspruch auf Informationszugang sei nicht erfüllt. Das Bundeskanzleramt habe nicht plausibel dargelegt, dass keine weiteren Unterlagen vorhanden seien, und eine händische Suche sei nicht erfolgt. Einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand habe die Beklagte nicht hinreichend dargelegt. Der tatsächliche Aufwand an Kosten und Personal sei unklar. Ein etwaiger hoher Verwaltungsaufwand sei darauf zurückzuführen, dass das Bundeskanzleramt seiner Pflicht, ältere Aktenbestände so zu organisieren, dass Informationszugangsanträge effektiv erfüllt werden könnten, nicht nachgekommen sei. Bei einem - wie hier zu konstatierenden - Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abgabe von Unterlagen an das Bundesarchiv habe der archivrechtliche Nutzungsanspruch Sanktionscharakter und eine Anreizfunktion. Andere öffentliche Stellen müssten dieselben Anstrengungen wie das Bundesarchiv unternehmen, um Archivgut nutzbar zu machen. Es bestehe auch ein Anspruch auf Wiederbeschaffung von sich im Besitz privater Dritter befindlichen amtlichen Unterlagen sowie auf Zugang zu Findmitteln.

5 Die Klägerin beantragt,
1. unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. Mai 2020 und des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Juni 2022 die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundeskanzleramtes vom 26. Juni 2018
a) zu verpflichten, ihr die Unterlagen, die Helmut Kohl in seiner Funktion als Bundeskanzler unterschrieben oder mit seinem Namen versehen hat und die sich im Bundeskanzleramt oder im Besitz von Frau Maike Kohl-Richter befinden, bereitzustellen und ihr die Erlaubnis zur Einsichtnahme zu erteilen,
b) hilfsweise zu verpflichten, ihr die Unterlagen aus dem Zeitraum 1. Oktober 1982 bis 30. Juni 1987, die Helmut Kohl in seiner Funktion als Bundeskanzler unterschrieben oder mit seinem Namen versehen hat und die sich im Bundeskanzleramt oder im Besitz von Frau Maike Kohl-Richter befinden, bereitzustellen und ihr die Erlaubnis zur Einsichtnahme zu erteilen,
c) äußerst hilfsweise zu verpflichten, ihr die Unterlagen, die Helmut Kohl in seiner Funktion als Bundeskanzler unterschrieben oder mit seinem Namen versehen hat und die sich im Bundeskanzleramt oder im Besitz von Frau Maike Kohl-Richter befinden und die sich auf die Themen deutsch-südamerikanische Beziehungen und/oder Südamerika und/oder Chile und/oder Argentinien und/oder Paraguay beziehen, bereitzustellen und ihr die Erlaubnis zur Einsichtnahme zu erteilen,
und
2. die Beklagte zu verpflichten, ihr Zugang zu den Findmitteln hinsichtlich der in Ziffer 1 Buchst. a, hilfsweise in Ziffer 1 Buchst. b, äußerst hilfsweise in Ziffer 1 Buchst. c bezeichneten Akten zu verschaffen.

6 Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7 Sie verteidigt das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts.

II

8 Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Zwar steht die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die thematisch unbeschränkten Anträge der Klägerin auf Informationszugang (Hauptantrag und erster Hilfsantrag) seien zu unbestimmt, nicht mit Bundesrecht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Entscheidung stellt sich insoweit aber aus anderen Gründen, die auch den thematisch beschränkten zweiten Hilfsantrag der Klägerin betreffen, als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Im Einklang mit Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Wiederbeschaffung beim Bundeskanzleramt im Antragszeitpunkt nicht mehr vorhandener amtlicher Unterlagen sowie auf Zugang zu den dort vorhandenen Findmitteln abgelehnt.

9 1. Soweit die Klägerin Zugang zu den Findmitteln auch der Verschlusssachen-Registratur des Bundeskanzleramts begehrt, ist die Klage unzulässig. Ihr steht die Rechtskraft der zwischen den Beteiligten zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2022 (BVerwG 10 C 3.21 ) entgegen (§ 121 VwGO). Der Senat hat mit diesem Urteil geklärt, dass die Klägerin keinen Zugang zu jenen Findmitteln beanspruchen kann.

10 2. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zugang zu weiteren amtlichen Unterlagen sowie zu Findmitteln des Bundeskanzleramts hat.

11 a) Rechtsgrundlage für das Zugangsbegehren der Klägerin ist hinsichtlich von bis zu 30 Jahren alten Unterlagen § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328), hinsichtlich von älteren Unterlagen § 11 Abs. 6 i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Nutzung und Sicherung von Archivgut des Bundes (Bundesarchivgesetz - BArchG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 6. September 2021 (BGBl. I S. 4122), geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2759). Mit Bezug auf Unterlagen, die älter als 30 Jahre sind und noch der Verfügungsgewalt der öffentlichen Stellen des Bundes - hier des Bundeskanzleramts - unterliegen, bei denen sie entstanden sind, haben die sonst für die Nutzung von Archivgut beim Bundesarchiv geltenden Vorschriften in entsprechender Anwendung (§ 11 Abs. 6 BArchG) gegenüber den Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes als speziellere Anspruchsgrundlage nach § 1 Abs. 3 IFG Vorrang (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2022 - 10 C 3.21 - NVwZ 2022, 1904 Rn. 13 m. w. N.).

12 b) Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts sind die thematisch unbeschränkten Anträge der Klägerin auf Zugang zu Unterlagen (Hauptantrag und erster Hilfsantrag) nicht zu unbestimmt. Insoweit steht das Berufungsurteil mit Bundesrecht nicht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

13 Sowohl der Informationszugangsanspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG als auch der archivrechtliche Nutzungsanspruch nach § 11 Abs. 6 i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG sind antragsgebunden (§ 7 Abs. 1 Satz 1 IFG, § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG). Diese Antragserfordernisse betreffen nicht nur die Einleitung des behördlichen Verfahrens (vgl. § 22 Satz 2 VwVfG), sondern fordern zugleich eine inhaltliche Begrenzung der zu nutzenden Unterlagen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. November 2016 - 6 A 1.15 - juris Rn. 13 zu § 5 Abs. 1 Satz 1 BArchG a. F.). Der Antrag muss hinreichend bestimmt sein und insbesondere erkennen lassen, auf welche Unterlagen und Informationen er gerichtet ist. Dies wird zwar - anders als in § 4 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation (Verbraucherinformationsgesetz - VIG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 17. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2166), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Juli 2021 (BGBl. I S. 3146), und § 4 Abs. 2 Satz 1 des Umweltinformationsgesetzes i. d. F. der Bekanntmachung vom 27. Oktober 2014 (BGBl. I S. 1643), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Februar 2021 (BGBl. I S. 306) – weder im Bundesarchivgesetz noch im Informationsfreiheitsgesetz ausdrücklich vorausgesetzt, folgt aber auch unabhängig davon aus dem Antragserfordernis selbst. Mit seinem Antrag bezeichnet der Antragsteller sein Begehren und damit den Gegenstand des Verwaltungsverfahrens. Nur ein hinreichend bestimmter Antrag, der die begehrten Informationen identifizierbar macht, setzt die Behörde in die Lage zu prüfen, ob diese Informationen vorhanden sind, die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs erfüllt sind und dem Anspruch keine Ablehnungsgründe entgegenstehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Juni 2019 - 6 A 2.17 - Buchholz 406.252 § 3 UIG Nr. 4 Rn. 7 ff. zu § 4 Abs. 2 Satz 1 UIG).

14 Demgegenüber kann unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit des Antrags keine thematisch-inhaltliche Eingrenzung des Informationszugangsbegehrens gefordert werden. Weder ergeben sich hierfür gesetzliche Anhaltspunkte - etwa aus dem Begriff der amtlichen Information (vgl. § 2 Nr. 1 IFG) – noch entspräche dies dem Leitbild voraussetzungslosen Zugangs zu amtlichen Informationen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 IFG) bzw. zu Archivgut des Bundes (§ 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG). Auch ist es einem Antragsteller weder möglich noch zumutbar, Gegenstand und Reichweite seines Antrags an dem - ganz wesentlich von Faktoren im Binnenbereich der informationspflichtigen Behörde abhängigen - Verwaltungsaufwand der Antragsbearbeitung oder den Recherchemöglichkeiten der Behörde auszurichten. Deshalb überzeugt es auch nicht, wenn das Oberverwaltungsgericht solchen Anträgen eine hinreichende Bestimmtheit absprechen will, die "an den Möglichkeiten der Recherche bei einer ordnungsgemäßen Aktenführung der Behörde deutlich vorbeigehen".

15 Den hiernach zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen wird das Begehren der Klägerin auch hinsichtlich ihrer thematisch nicht beschränkten Anträge auf Informationszugang gerecht. Es ist zwar potenziell auf eine große Vielzahl amtlicher Unterlagen gerichtet. Diese sind aber anhand der von der Klägerin genannten Kriterien bestimmbar. Begehrt werden Unterlagen, die Helmut Kohl - insoweit erfolgt eine personelle Eingrenzung - unterschrieben oder mit seinem Namen versehen, also unter Setzung eines Namenszeichens eigenhändig abgezeichnet hat; aus Letzterem folgt auch eine formal-sachliche Begrenzung. Auf dieser Grundlage ist es der Beklagten prinzipiell möglich, ihre Aktenbestände nach solchen Unterlagen - erforderlichenfalls händisch - zu durchsuchen und sodann jeweils über das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen und etwaige Versagungsgründe zu befinden.

16 c) Der Erfüllung des ausweislich des Hauptantrags wie auch beider Hilfsanträge von der Klägerin verfolgten Begehrens kann die Beklagte jedoch sowohl hinsichtlich von Unterlagen, die älter als 30 Jahre sind, als auch hinsichtlich jüngerer Unterlagen den Versagungsgrund unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands entgegenhalten. Insoweit erweist sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).

17 aa) Die Nutzung von Unterlagen, die älter als 30 Jahre sind und seitens des Bundeskanzleramts noch nicht dem Bundesarchiv übergeben wurden, kann nach § 11 Abs. 6 i. V. m. § 13 Abs. 2 Nr. 2 BArchG eingeschränkt oder versagt werden, wenn durch sie ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand entstünde. Maßstäbe dafür, wann von einer Unverhältnismäßigkeit des Verwaltungsaufwands im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 BArchG auszugehen ist, lassen sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG entnehmen. Diese eng auszulegende Vorschrift soll die informationspflichtige Stelle vor institutioneller Überforderung und einer Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit schützen. Informationspflichtige Behörden müssen Vorsorge dafür treffen, dass durch die Aufbereitung und Sichtung von Akten sowie die Zusammenstellung der Unterlagen aus Anlass von Informationszugangsbegehren die ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer sonstigen Aufgaben nicht erheblich beeinträchtigt wird. Sie sind daher grundsätzlich gehalten, sich in ihrer Arbeitsorganisation und Aktenführung auf die mit der Erfüllung von Informationsanträgen verbundenen (Zusatz-)Aufgaben einzustellen. Der Verwaltungsaufwand ist zudem nicht schon dann unverhältnismäßig, wenn er eine Verlängerung der Bearbeitungszeit erfordert oder selbst mit höheren Gebühren nicht angemessen abgebildet werden kann. Von einer Unverhältnismäßigkeit des Verwaltungsaufwands ist aber dann auszugehen, wenn der Aufwand an Kosten oder Personal im Verhältnis zum Erkenntnisgewinn des Anspruchstellers und der Allgemeinheit unvertretbar wäre oder die Wahrnehmung der vorrangigen Sachaufgaben der Behörde - auch bei zumutbarer Personal- und Sachmittelausstattung sowie unter Ausschöpfung aller organisatorischen Möglichkeiten - erheblich behindert würde (BVerwG, Urteile vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 24 und vom 23. Juni 2022 - 10 C 3.21 - NVwZ 2022, 1904 Rn. 37). Die allgemeinen Grundsätze ordnungsgemäßer Aktenführung und einschlägige besondere rechtliche Vorgaben, hier nach der Registraturrichtlinie für das Bearbeiten und Verwalten von Schriftgut in Bundesministerien vom 11. Juli 2001, sind zu wahren. Unbeschadet dessen besteht jedoch keine Verpflichtung der Behörden, ältere Aktenbestände im Nachhinein in einer bestimmten Art und Weise (neu) zu organisieren oder digital aufzubereiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 44).

18 Abweichendes gilt hinsichtlich mehr als 30 Jahre alter Unterlagen auch dann nicht, wenn die betroffene öffentliche Stelle ihrer Anbietungspflicht nach § 5 Abs. 1 BArchG nicht nachgekommen ist. Es gibt weder einen gesetzlichen Ansatzpunkt dafür, dass der informationspflichtigen Stelle die Aufbereitung der eigenen Akten als Archivgut obliegt, noch für eine strikte Sanktionierung der Anbietungspflicht. Der Nutzungsanspruch nach § 11 Abs. 6 BArchG gegen die anbietungspflichtige Stelle hat insoweit lediglich eine Anreizfunktion (BVerwG, Beschluss vom 25. September 2017 - 6 A 4.15 - juris Rn. 5 und Urteil vom 23. Juni 2022 - 10 C 3.21 - NVwZ 2022, 1904 Rn. 40 f.).

19 Andere Maßstäbe ergeben sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. In der von der Klägerin insoweit aufgegriffenen Entscheidung zu Art. 10 EMRK hält der Gerichtshof die völlige Verweigerung des Zugangs zu Entscheidungen einer Behörde und das sich hieraus ergebende Informationsmonopol für unverhältnismäßig. Eine derartige völlige Verweigerung hinsichtlich des Zugangs zu amtlichen Informationen steht vorliegend nicht in Rede (vgl. EGMR, Urteil der Ersten Sektion vom 28. November 2013 - Nr. 39534/07 Österreichische Vereinigung zur Erhaltung, Stärkung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes gegen Österreich -).

20 bb) Für bis zu 30 Jahre alte Unterlagen, hinsichtlich derer sich der Informationszugangsanspruch auf § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG gründet, fehlt es an einer § 13 Abs. 2 Nr. 2 BArchG entsprechenden allgemeinen Regelung zur Verhältnismäßigkeit des Verwaltungsaufwands bei der Informationszugangsgewährung. § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG trifft lediglich eine Teilregelung für den Fall, dass ein Anspruch auf Informationszugang nach den materiell-rechtlichen Vorgaben des Gesetzes, namentlich wegen der in §§ 3 bis 6 IFG geregelten Ausschlussgründe, nur zum Teil besteht und eine teilweise Zugangsgewährung mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden ist. Die Vorschrift erfasst hierbei nicht nur die Konstellation, dass die Separierung der als solche identifizierten geheimhaltungsbedürftigen von den nicht geheimhaltungsbedürftigen Informationen nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist, sondern gilt auch dann, wenn schon die konkrete Identifizierung der schutzwürdigen Angaben und damit die genaue Bestimmung des Umfangs des Teilanspruchs auf Informationszugang mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 19). § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG ist auch anzuwenden, wenn ein Informationszugangsantrag zwar auf Unterlagen beschränkt bleibt, hinsichtlich derer keine Versagungsgründe bestehen, der Aufwand für das Identifizieren schutzwürdiger und deshalb von dem Antrag nicht umfasster Angaben sich aber als unverhältnismäßig erweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 7 C 23.18 - juris Rn. 36 ff.). Demgegenüber erfasst § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG nicht den Fall, dass schon die Suche nach und die Zusammenstellung der Informationen, zu denen der Antragsteller Zugang begehrt, einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand erforderte.

21 Das Informationsfreiheitsgesetz weist insoweit eine planwidrige Lücke auf, die im Zuge einer analogen Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG zu schließen ist. In § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG anerkennt der Gesetzgeber - wie dargelegt - für den Fall eines nur teilweise bestehenden Zugangsanspruchs zu amtlichen Informationen, dass ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand der Zugangsgewährung entgegenstehen kann. Die Regelung zielt nach der Begründung des Gesetzentwurfs auf die Gewährleistung der Transparenz und Verhältnismäßigkeit (BT-Drs. 15/4493 S. 15). Sie hat mithin eine doppelte Zielsetzung: Soweit sie die Behörde zu einer teilweisen Stattgabe des Antrags verpflichtet, dient sie dem Schutz des Antragstellers. Soweit sie die Ablehnung des Antrags wegen eines ansonsten erforderlichen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands ermöglicht, zielt sie auf den Schutz der informationspflichtigen Stelle vor institutioneller Überforderung und einer Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 24; Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 7 Rn. 100). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der ausdrücklichen Regelung zum teilweisen Informationszugang (durch nur teilweise Ablehnung des Zugangsantrags; BT-Drs. 15/4493 S. 15) in § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG zugleich festlegen wollte, dass im Übrigen - abgesehen von der in § 1 Abs. 2 Satz 3 IFG behandelten Frage der Art der Zugangsgewährung - das Ausmaß des zur Bearbeitung eines Zugangsantrags notwendigen Verwaltungsaufwands generell und somit selbst dann unberücksichtigt zu bleiben hat, wenn sich die Interessenlage im Wesentlichen nicht anders darstellt als in der von § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG direkt erfassten Konstellation, bestehen nicht. Ein solcher im Wesentlichen vergleichbarer Fall liegt vor, wenn schon das Auffinden der von einem Antragsteller begehrten Informationen im Aktenbestand der Behörde in Anbetracht der Größe dieses Bestandes und der Notwendigkeit händischer Suche mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden wäre. Nicht anders als in dem von § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG behandelten Fall der Notwendigkeit einer aufwändigen Abtrennung geheimhaltungsbedürftiger von nicht geheimhaltungsbedürftigen Informationen kann im Einzelfall auch eine aufwändige Suche nach bestimmten Informationen zur institutionellen Überforderung der Behörde und einer Beeinträchtigung ihrer Handlungs- und Funktionsfähigkeit führen. Eben hiervor will der Gesetzgeber die Behörde um der Erfüllung ihrer sonstigen Aufgaben willen schützen. Das Fehlen einer dem § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG entsprechenden Vorschrift für diese Konstellation erweist sich vor diesem Hintergrund als planwidrige Regelungslücke, die durch eine analoge Anwendung der gesetzlichen Regelung zu schließen ist (ebenso VGH Kassel, Urteil vom 28. Februar 2019 - 6 A 1805/16 - juris Rn. 115 m. w. N.).

22 Die Maßstäbe dafür, wann in diesem Zusammenhang von einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand auszugehen ist, sind nicht anders zu bestimmen als im direkten Anwendungsbereich des § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG sowie im Rahmen von § 13 Abs. 2 Nr. 2 BArchG.

23 cc) Legt man diese Maßstäbe dem vorliegenden Fall zugrunde, sind die Voraussetzungen des Nutzungsversagungsgrundes des § 13 Abs. 2 Nr. 2 BArchG für die begehrten über 30 Jahre alten Unterlagen und des Ausschlussgrundes unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands entsprechend § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG hinsichtlich der begehrten bis zu 30 Jahre alten amtlichen Unterlagen gegeben. Die Befriedigung des Informationszugangsbegehrens der Klägerin würde das Bundeskanzleramt - auch bei zumutbarer Personal- und Sachmittelausstattung sowie unter Ausschöpfung aller organisatorischen Möglichkeiten - bei der Wahrnehmung seiner vorrangigen Sachaufgaben erheblich behindern und wäre mithin mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verbunden. Die Beklagte hat nach den Feststellungen der Vorinstanz unwidersprochen vorgetragen, dass allein mit Blick auf den thematisch begrenzten zweiten Hilfsantrag der Klägerin insgesamt 9 200 Aktenbände mit jeweils 20 bis 400 Seiten in der Verschlusssachen-Registratur sowie ca. 80 Akten mit rund 100 Bänden in der Hauptregistratur im Rahmen einer händischen Suche durchzusehen sein würden. Hieran anknüpfend ergibt sich auch hinsichtlich des thematisch unbeschränkten Hauptantrags und des auf den Zeitraum vom 1. Oktober 1982 bis 30. Juni 1987 begrenzten, gleichfalls thematisch unbeschränkten ersten Hilfsantrags der Klägerin eine Unverhältnismäßigkeit des Verwaltungsaufwands. Die auch hinsichtlich dieser Anträge erforderliche händische Suche in einem äußerst umfangreichen, jedenfalls über nahezu fünf Jahre hinweg (erster Hilfsantrag) entstandenen Aktenbestand einer informationsintensiven Regierungsstelle behinderte das Bundeskanzleramt bei der Wahrnehmung seiner vorrangigen Sachaufgaben erheblich (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2022 - 10 C 3.21 - NVwZ 2022, 1904 Rn. 38). Anhaltspunkte dafür, dass der zu bewältigende Verwaltungsaufwand maßgeblich in einer nicht ordnungsgemäßen Aktenführung begründet wäre oder das Bundeskanzleramt sonstige Obliegenheiten bei der Aktenführung verletzt hätte, bestehen nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass sich der im Zuge händischer Suche entstehende Verwaltungsaufwand durch sachgerechte organisatorische Maßnahmen oder durch die Art und Weise der Verfahrensgestaltung auf ein verhältnismäßiges Maß begrenzen ließe. Eine Neuorganisation oder digitale Aufbereitung älterer Aktenbestände ist - wie dargelegt - nicht geschuldet.

24 d) Das Oberverwaltungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht einen Anspruch der Klägerin auf Wiederbeschaffung beim Bundeskanzleramt im Antragszeitpunkt nicht mehr vorhandener, gegebenenfalls im Besitz eines privaten Dritten befindlicher Unterlagen verneint. Ein Anspruch auf die Wiederbeschaffung amtlicher Informationen, die vor Eingang des Antrags auf Informationszugang bei einer informationspflichtigen Behörde in den Besitz privater Dritter gelangt sind, besteht nicht. Er ergibt sich weder aus dem Informationsfreiheitsgesetz für bis zu 30 Jahre alte Unterlagen noch aus dem Bundesarchivgesetz für mehr als 30 Jahre alte Unterlagen. Auch Verfassungsrecht und die Europäische Menschenrechtskonvention gebieten die Annahme eines solchen Anspruchs nicht.

25 aa) Der durch § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG gewährte Informationszugangsanspruch beschränkt sich - auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Wortlaut der Vorschrift - im Regelfall auf Informationen, die im Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Informationszugang bei der informationspflichtigen Stelle vorhanden sind. Eine Informationsbeschaffungspflicht besteht grundsätzlich nicht. Die Gewährung eines Zugangs zu Informationen setzt vielmehr voraus, dass der Anspruchsverpflichtete selbst tatsächlich Zugriff auf die begehrten Informationen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2013 - 7 B 43.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 11 Rn. 11; Urteile vom 27. November 2014 - 7 C 20.12 - BVerwGE 151, 1 Rn. 37, vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 41 und vom 10. April 2019 - 7 C 22.18 - Buchholz 404 IFG Nr. 32 Rn. 15). Folgerichtig enthält das Informationsfreiheitsgesetz - wie auch das Archivrecht - keine Rechtsgrundlage, um gegenüber Behörden und Privaten, die im Besitz amtlicher Informationen sind, ein Herausgabeverlangen durchsetzen zu können (vgl. schon BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2013 - 7 B 43.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 11 Rn. 11).

26 Abweichend von diesem Grundsatz hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Pflicht zur Wiederbeschaffung amtlicher Informationen - jedenfalls für den Fall, dass die Wiederbeschaffung im Rahmen der Inanspruchnahme von Amtshilfe möglich ist - lediglich hinsichtlich solcher Unterlagen bejaht, die erst nach Eingang eines Informationszugangsantrags - also gleichsam "sehenden Auges" – weggegeben worden sind (BVerwG, Urteile vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 41 und vom 10. April 2019 - 7 C 22.18 - Buchholz 404 IFG Nr. 32 Rn. 15).

27 Keinen Fall der Wiederbeschaffung bei der informationspflichtigen Behörde nicht mehr vorhandener amtlicher Informationen betreffen die Regelungen in § 1 Abs. 1 Satz 3, § 7 Abs. 1 Satz 2 IFG. Nach ihnen richtet sich der Informationszugangsantrag bezüglich amtlicher Informationen, die sich bei einem privaten Dritten befinden, dessen sich eine Behörde zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient, gegen die Behörde. Geregelt wird mithin der besondere Fall, dass ein insoweit einer Behörde gleichgestellter Dritter selbst materiell informationspflichtige Stelle ist und sich lediglich in verfahrensmäßiger Hinsicht - als Vereinfachung zugunsten des Antragstellers - der Informationszugangsantrag an die Behörde zu richten hat, die sich des Dritten bedient. Diese Konstellation unterscheidet sich grundlegend von derjenigen einer Wiederbeschaffung von Unterlagen im Besitz sonstiger Dritter, derer sich die Behörde nicht zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben bedient. Insoweit kommt auch keine entsprechende Anwendung von § 1 Abs. 1 Satz 3 IFG zur Begründung einer (allgemeinen) Wiederbeschaffungspflicht in Betracht.

28 bb) Eine Verpflichtung zur Wiederbeschaffung von zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der informationspflichtigen Behörde nicht mehr vorhandenen Unterlagen lässt sich auch weder aus dem Sinn und Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes noch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention oder dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz ableiten (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2017 - 1 BvR 1978/13 - BVerfGE 145, 365 Rn. 25 ff.).

29 Die Begründung zum Entwurf des Informationsfreiheitsgesetzes (BT-Drs. 15/4493) ist für die Frage einer Pflicht zur Wiederbeschaffung amtlicher Informationen unergiebig. Danach zielen der Zugang zu Informationen und eine größere Transparenz behördlicher Entscheidungen darauf, die Voraussetzungen für die Wahrnehmung individueller Bürgerrechte zu befördern und die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu unterstützen. Der Gesetzgeber wollte die Information über und die Partizipation an gegenwärtigen staatlichen Entscheidungen sowie die gleichgewichtige Informationsverteilung zwischen Staat und Bürger als Voraussetzung kooperativen Verwaltungshandelns stärken (BT-Drs. 15/4493 S. 6). Dass davon auch der Zugang zu amtlichen Informationen umfasst sein soll, die dem öffentlichen Akteur selbst nicht mehr zur Verfügung stehen und erst wiederbeschafft werden müssten, ist nicht erkennbar.

30 Auch eine Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG im Lichte der Europäischen Menschenrechtskonvention und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte weist nicht auf eine Verpflichtung zur Wiederbeschaffung bei der in Anspruch genommenen Behörde nicht mehr vorhandener Unterlagen. Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK schließt das Recht auf freie Meinungsäußerung die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann die Versagung des Zugangs zu Informationen einen Eingriff in das aus Art. 10 Abs. 1 EMRK abgeleitete Recht, Informationen zu empfangen, darstellen. Anhaltspunkte für eine aus Art. 10 EMRK folgende Verpflichtung staatlicher Stellen zur Wiederbeschaffung von dort vor der Beantragung eines Informationszugangs abhandengekommenen Informationen sind der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs jedoch nicht zu entnehmen. Die Entscheidung der Zweiten Sektion vom 14. April 2009 - Nr. 37374/05 Társaság a Szabadságjogokért gegen Ungarn - bezieht sich auf den Zugang zu gerichtlichen Entscheidungen beim handelnden Gericht. Das Urteil der Ersten Sektion vom 28. November 2013 Nr. 39534/07 - Österreichische Vereinigung zur Erhaltung, Stärkung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes gegen Österreich - betrifft - wie bereits dargelegt - die völlige Verweigerung des Zugangs zu eigenen Entscheidungen einer Behörde. In beiden Fällen sind Anhaltspunkte dafür, dass die begehrten Informationen beim angegangenen Gericht bzw. der in Anspruch genommenen Behörde nicht (mehr) vorhanden gewesen sein könnten, nicht ersichtlich. In der Entscheidung der Dritten Sektion vom 7. Februar 2017 - Nr. 63898/09 Bubon gegen Russland - wurde eine Verletzung des Art. 10 EMRK verneint. Sie betraf die Bereitstellung statistischer Daten durch eine Polizeidienststelle, die in der vom Antragsteller begehrten Form dort (noch) nicht vorlagen. Der Gerichtshof verneinte entscheidungstragend, dass die begehrte Information bereit und verfügbar ("ready and available") war. Auf dieses Kriterium stellen auch das Urteil der Großen Kammer des Gerichtshofs vom 8. November 2016 - Nr. 18030/11 Magyar Helsinki Bizottság gegen Ungarn - (NVwZ 2017, 1843 Rn. 169 f.: "ohne weiteres verfügbar" bzw. "bereits verfügbar") und die Entscheidung der Dritten Sektion vom 19. Oktober 2021 - Nr. 6106/16 Saure gegen Deutschland - (NVwZ 2022, 533 Rn. 34 ff.: "aufbereitet und verfügbar") ab. Müssten Unterlagen durch die informationspflichtige Behörde erst wiederbeschafft werden, sind die in ihnen enthaltenen Informationen gleichfalls nicht - im Sinne dieser Rechtsprechung - bereit und verfügbar.

31 Aus der Bindung der informationspflichtigen Behörde an den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) folgt hier ebenfalls keine Wiederbeschaffungspflicht der Beklagten. Weder ist eine Ungleichbehandlung verschiedener am Informationszugang Interessierter untereinander noch eine solche von Zugangsinteressierten und Dritten erkennbar, an die amtliche Informationen gegebenenfalls gelangt sind (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2017 - 1 BvR 1978/13 - BVerfGE 145, 365 Rn. 30). Eine Ungleichbehandlung verschiedener Antragsteller auf einen Informationszugang nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG oder § 11 Abs. 6 i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG durch das Bundeskanzleramt als informationspflichtige Behörde ist schon im Ansatz nicht ersichtlich. Zugangsinteressierte und Dritte, an die abhandengekommene amtliche Informationen möglicherweise gelangt sind, werden ebenfalls nicht ungleich behandelt. Selbst wenn sich - was tatrichterlich ungeklärt geblieben ist - amtliche Unterlagen im Besitz der Witwe Helmut Kohls befänden, macht auch die Klägerin nicht geltend, dass das Bundeskanzleramt ihr den Zugang zu ihnen bewusst und gewollt gewährt hätte.

32 cc) Auch die weiteren von der Klägerin angeführten Gesichtspunkte begründen keine Verpflichtung der Beklagten zur Wiederbeschaffung von im Bundeskanzleramt nicht mehr vorhandenen amtlichen Unterlagen. Auf Rechtsgrundlagen im Zivilrecht und im sonstigen öffentlichen Recht, auf die eine Rückforderung amtlicher Unterlagen gegebenenfalls gestützt werden könnte, lässt sich allenfalls eine rechtliche Möglichkeit zur Rückforderung, aber noch keine Verpflichtung hierzu oder gar eine diesbezügliche Anspruchsposition der Klägerin stützen.

33 Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG gebietet ebenfalls nicht die Annahme einer Wiederbeschaffungspflicht zugunsten der Klägerin. Der Schutzbereich der Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG bemisst sich, soweit es um den Zugang zu amtlichen Informationen geht, nach der Auslegung einfachen Rechts. Das Grundrecht gewährleistet insoweit grundsätzlich nur das Recht, sich ungehindert aus einer für die allgemeine Zugänglichkeit bestimmten Quelle zu unterrichten. Fehlt es an dieser Bestimmung, ist die Informationsbeschaffung in der Regel nicht vom Grundrecht der Informationsfreiheit geschützt (BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2017 - 1 BvR 1978/13 - BVerfGE 145, 365 Rn. 19 f. m. w. N.; vgl. zum Ganzen auch BVerwG, Urteil vom 22. März 2018 - 7 C 30.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 26 Rn. 32 m. w. N.). Wie dargelegt, ergibt sich aus einfachem Recht - auch im Lichte der Europäischen Menschenrechtskonvention - keine Verpflichtung zur Wiederbeschaffung sich zum Zeitpunkt des Informationszugangsantrags (möglicherweise) im Gewahrsam Dritter befindlicher amtlicher Unterlagen. Insoweit handelt es sich bei Unterlagen, die im Zeitpunkt der Antragstellung nicht (mehr) bei der informationspflichtigen Behörde vorhanden sind, nicht um für die allgemeine Zugänglichkeit bestimmte Quellen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG. Soweit Verfassungsrecht in Rede steht, vermag die Klägerin auch nicht deutlich zu machen, inwieweit sich aus der Auslegung des Art. 1 Abs. 1 IFG im Lichte des Demokratieprinzips ein Anspruch auf Wiederbeschaffung von Unterlagen ergeben könnte.

34 dd) Für über 30 Jahre alte amtliche Unterlagen, die sich nicht im Bundesarchiv, sondern noch bei der Behörde befinden, bei der sie entstanden sind, gilt im Ergebnis nichts Anderes. Auch auf das hinsichtlich solcher Unterlagen nach § 11 Abs. 6 BArchG anwendbare Archivrecht des Bundes lässt sich kein Anspruch auf Wiederbeschaffung gründen. § 11 Abs. 6 BArchG unterwirft öffentliche Stellen des Bundes, die mehr als 30 Jahre alte Unterlagen noch nicht an das Bundesarchiv abgegeben haben, dem Nutzungsanspruch nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG. Bei unmittelbarer Anwendung des Bundesarchivgesetzes ergibt sich schon aus dem Begriff des "Archivguts" als der vom Bundesarchiv übernommenen Unterlagen (§ 1 Nr. 2 BArchG), dass Gegenstand des archivrechtlichen Anspruchs (nur) im Bundesarchiv vorhandene Unterlagen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu bereits entschieden, dass das Bundesarchiv Einsicht nur in solche Unterlagen gewähren kann, die ihm vorliegen (BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2013 - 7 B 43.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 11 Rn. 8 und Urteil vom 27. November 2013 - 6 A 5.13 - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 3 Rn. 14). Weitergehende Pflichten treffen die Behörde, bei der die Unterlagen entstanden sind, nicht. Der gegen sie gerichtete archivrechtliche Nutzungsanspruch reicht nicht weiter, als wenn er gegenüber dem Bundesarchiv geltend gemacht wird. Aus dem in § 11 Abs. 6 BArchG benutzten Begriff der "Verfügungsgewalt" kann sich deshalb kein Anspruch auf Verschaffung von bei der informationspflichtigen Behörde nicht vorhandenen Unterlagen ergeben (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2022 - 10 C 3.21 - NVwZ 2022, 1904 Rn. 14).

35 Aus Verfassungsrecht und Europäischer Menschenrechtskonvention ergeben sich auch hier keine weitergehenden Anforderungen als beim Informationszugangsanspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG (s. o.). Soweit die Klägerin im Zusammenhang mit dem archivrechtlichen Nutzungsanspruch ergänzend die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) anführt und eine "Verweigerung des Archivzugangs" für einen Eingriff in die Forschungsfreiheit hält, überzeugt auch dieser Einwand nicht. Abgesehen davon, dass es bei der Frage der Wiederbeschaffungspflicht um keine Zugangsverweigerung geht, erweitert Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht die der Forschung zugrunde gelegten Quellen über den Umkreis der allgemein zugänglichen Informationen hinaus (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2004 - 3 C 41.03 - BVerwGE 121, 115 <130> m. w. N.).

36 e) Ebenfalls in Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Zugang zu den außerhalb der Verschlusssachen-Registratur vorhandenen weiteren Findmitteln des Bundeskanzleramts verneint. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus dem Bundesarchivgesetz noch aus dem Informationsfreiheitsgesetz. Hierzu hat der Senat in einem vorhergehenden Verfahren der Klägerin - mit Bezug auf die Findmittel der Verschlusssachen-Registratur des Bundeskanzleramts - bereits ausgeführt (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2022 - 10 C 3.21 - NVwZ 2022, 1904 Rn. 42 ff.):
"Ebenfalls ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht erkannt, dass die Klägerin keinen Zugang zu den Find- und Recherchemitteln des Bundeskanzleramts nach dem Bundesarchivgesetz und nach dem Informationsfreiheitsgesetz beanspruchen kann.
(...) Der archivrechtliche Nutzungsanspruch aus § 11 Abs. 6 i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG verleiht entgegen der Ansicht der Klägerin keinen derartigen Zugangsanspruch. Zwar ist der Begriff der Unterlagen, die, wenn ihnen ein bleibender Wert zukommt, gemäß § 1 Nr. 2 BArchG zu Archivgut des Bundes werden und nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG genutzt werden können sowie zuvor gegebenenfalls einem Anspruch aus § 11 Abs. 6 i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 BArchG unterliegen, sehr weit. Denn nach § 1 Nr. 10 BArchG sind Unterlagen Aufzeichnungen jeder Art, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Der Gesetzgeber wollte mit dem Begriff der Aufzeichnung die unterschiedlichen Informationsträger und Speicherungsformen und damit das potentielle Archivgut möglichst umfassend erfassen (BT-Drs. 18/9633 S. 44 f.; BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2019 - 6 C 21.18 - BVerwGE 167, 173 Rn. 19). Find- und Recherchemittel sind, solange sie in Gebrauch sind, gleichwohl keine Unterlagen in diesem Sinne. Sie dienen vielmehr der Auffindung solcher Unterlagen. Vor diesem Hintergrund geht es jedenfalls in den durch § 11 Abs. 6 BArchG erfassten Fällen nicht an, behördliche Find- und Recherchemittel dem archivrechtlichen Nutzungsanspruch zwecks Effektuierung dieses Anspruchs zu unterstellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2022 - 6 A 7.20 u. a. - NVwZ 2022, 877 Rn. 61).
(...) Ohne Verstoß gegen materielles Bundesrecht hat das Berufungsgericht im Hinblick auf die Find- und Recherchemittel des Bundeskanzleramtes auch einen Anspruch der Klägerin auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz verneint. Außerhalb der im Bundesarchivgesetz geregelten Tatbestände gelten die Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes ergänzend (vgl. BT-Drs. 18/9633 S. 71).
Die Mittel der Schriftgutverwaltung sind zwar, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, amtliche Informationen.
Mit Recht weist das Berufungsgericht indes darauf hin, dass es der Klägerin nicht um den Zugang zu Informationen in diesem Sinn geht, sondern dass sie die behördlichen Mittel der Schriftgutverwaltung zu nutzen beabsichtigt, um damit selbst in dem vorhandenen Schriftgut zu recherchieren. Ein solcher Anspruch ergibt sich aus dem Informationsfreiheitsgesetz nicht."

37 Darauf kann auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auch vorliegend verwiesen werden.

38 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss vom 30.08.2023 -
BVerwG 10 C 10.23ECLI:DE:BVerwG:2023:300823B10C10.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.08.2023 - 10 C 10.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:300823B10C10.23.0]

Beschluss

BVerwG 10 C 10.23

  • VG Berlin - 26.05.2020 - AZ: 2 K 218.17
  • OVG Berlin-Brandenburg - 03.06.2022 - AZ: 12 B 17/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. August 2023
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Löffelbein und Dr. Wöckel
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. März 2023 - BVerwG 10 C 2.22 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.

Gründe

1 Die zulässige Anhörungsrüge der Klägerin ist unbegründet. Das Rügevorbringen lässt nicht erkennen, dass der Senat ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

2 Das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verpflichtet das Gericht, aus seiner Sicht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch dazu, sich deren Rechtsauffassung anzuschließen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2022 - 10 C 6.22 - juris Rn. 2 m. w. N.).

3 Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs umfasst auch die Gelegenheit, sich zu allen Tatsachen und Rechtsfragen zu äußern, die für die Entscheidung erheblich sein können. Zwar korrespondiert mit diesem Äußerungsrecht keine umfassende Hinweispflicht des Gerichts, vielmehr kann regelmäßig erwartet werden, dass die Beteiligten von sich aus erkennen, welche rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte Bedeutung für den Fortgang des Verfahrens und die abschließende Sachentscheidung des Gerichts erlangen können, und entsprechend vortragen. Der Schutz vor einer Überraschungsentscheidung verbietet es aber, dass das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens und unter Berücksichtigung der Vielfalt der vertretenen Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <144 f.> und vom 8. November 2022 - 2 BvR 2480/10 u. a. - GRUR 2023, 549 Rn. 156; BVerwG, Beschlüsse vom 18. Juli 2019 - 2 B 7.19 - Buchholz 303 § 295 ZPO Nr. 18 Rn. 17 und vom 27. Januar 2022 - 9 A 20.21 - juris Rn. 3).

4 Danach liegt ein Gehörsverstoß nicht vor. Weder hat der Senat eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen, noch entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen.

5 Soweit die Klägerin beanstandet, ein kundiger Prozessbeteiligter habe nicht davon ausgehen müssen, dass der Senat glaube, aus dem Verwaltungsaufwand des thematisch beschränkten und zeitlich unbeschränkten zweiten Hilfsantrags darauf schließen zu können, dass der Verwaltungsaufwand für den thematisch unbeschränkten und zeitlich beschränkten ersten Hilfsantrag identisch oder größer wäre, geht die Klägerin von einer unzutreffenden Annahme aus. Der Senat hat nicht aus dem von der Vorinstanz zum zweiten Hilfsantrag festgestellten Verwaltungsaufwand auf denjenigen hinsichtlich des ersten Hilfsantrags geschlossen. Entscheidend für den Senat war - in sachlicher Anknüpfung an die Feststellungen zum zweiten Hilfsantrag - vielmehr, dass hinsichtlich des ersten Hilfsantrags eine händische Suche in einem äußerst umfangreichen, jedenfalls über nahezu fünf Jahre hinweg entstandenen Aktenbestand einer informationsintensiven Regierungsstelle erforderlich wäre (UA Rn. 23).

6 Auch die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge, das Gericht setze sich nicht mit dem Argument der Klägerin auseinander, zum konkreten Verwaltungsaufwand sei nichts vorgetragen und seien keine Feststellungen getroffen worden, führt nicht auf einen Gehörsverstoß. Der Senat hat dargelegt, dass die Maßstäbe dafür, wann von einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand auszugehen ist, im Rahmen entsprechender Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 1 IFG nicht anders zu bestimmen sind als in dessen direktem Anwendungsbereich sowie im Rahmen von § 13 Abs. 2 Nr. 2 BArchG (UA Rn. 22). Von einer Unverhältnismäßigkeit des Verwaltungsaufwands ist hiernach jedenfalls dann auszugehen, wenn die Wahrnehmung der vorrangigen Sachaufgaben der Behörde - auch bei zumutbarer Personal- und Sachmittelausstattung sowie unter Ausschöpfung aller organisatorischen Möglichkeiten - erheblich behindert würde (UA Rn. 17). Auf dieser Grundlage ist der Senat davon ausgegangen, dass die erforderliche händische Suche in einem äußerst umfangreichen, jedenfalls über nahezu fünf Jahre hinweg entstandenen Aktenbestand einer informationsintensiven Regierungsstelle das Bundeskanzleramt bei der Wahrnehmung seiner vorrangigen Sachaufgaben erheblich behindern würde (UA Rn. 23). Näherer Feststellungen zur Höhe der Kosten und des Personalaufwandes für die händische Suche, wie sie die Klägerin für erforderlich erachtet, bedurfte es für die nach der Rechtsauffassung des Senats maßgebliche erhebliche Behinderung des Bundeskanzleramts bei der Wahrnehmung vorrangiger Sachaufgaben nicht.

7 Auch soweit sich der Senat mit dem Schutzbereich der Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG befasst, hat er den entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Wie im Urteil ausgeführt, bemisst sich die Eröffnung des Schutzbereichs nach der Auslegung einfachen Rechts (UA Rn. 33), mit der sich der Senat im dortigen Zusammenhang unter Würdigung des Vorbringens der Klägerin ausführlich auseinandersetzt (UA Rn. 25 ff.). Ergibt sich aus der Auslegung einfachen Rechts keine Verpflichtung zur Wiederbeschaffung sich zum Zeitpunkt des Informationszugangsantrags (möglicherweise) im Gewahrsam Dritter befindlicher amtlicher Unterlagen, stellt sich die von der Klägerin aufgeworfene Frage einer Erweiterung des verfassungsrechtlichen Schutzbereichs bei gesetzeswidriger Weggabe amtlicher Informationen nach der Rechtsauffassung des Senats nicht.

8 Ein Gehörsverstoß ist auch hinsichtlich der von der Klägerin in Bezug genommenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht ersichtlich. Der Senat hat maßgeblich darauf abgestellt, dass der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs Anhaltspunkte für eine aus Art. 10 EMRK folgende Verpflichtung staatlicher Stellen zur Wiederbeschaffung von dort vor der Beantragung eines Informationszugangs abhandengekommenen Informationen nicht zu entnehmen sind (UA Rn. 30). Diesbezügliche Anhaltspunkte ergeben sich auch aus den Ausführungen der Klägerin zur Entscheidung der Fünften Sektion des Gerichtshofs vom 10. Juli 2006 - Nr. 19101/03 - SDRUŽENÍ JIHOČESKÉ MATKY gegen Tschechien - nicht.

9 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.