Verfahrensinformation

Auskünfte über Hintergrundgespräche beim Bundesnachrichtendienst


Der Kläger ist Journalist in der Redaktion einer Tageszeitung. Er begehrt vom Bundesnachrichtendienst Auskünfte darüber, welche fünf Medien im Jahr 2019 und im Jahr 2020 jeweils an den meisten sog. Einzelhintergrundgesprächen teilgenommen haben, wie viele Gespräche mit diesen Medien jeweils geführt wurden und wie groß in beiden Jahren jeweils der Anteil der Gespräche war, die mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk stattgefunden haben. Die Auskünfte wurden dem Kläger unter Berufung auf nicht vorliegende statistische Auswertungen sowie - im Klageverfahren - entgegenstehende überwiegende öffentliche Interessen und private Belange der teilnehmenden Medien nur teilweise erteilt.


Zugleich verlangt der Kläger vom Bundesnachrichtendienst in einem weiteren Klageverfahren, es künftig zu unterlassen, Medien die Recherche-Anfragen des Klägers offenzulegen. Dies sei im Zusammenhang mit Rechercheanfragen des Klägers im Jahr 2021 geschehen, um die Einschätzung der Medienhäuser zu ihrer Betroffenheit von solchen Anfragen zu erfragen.


Für Klagen, denen Vorgänge im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes zugrunde liegen, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz.


Pressemitteilung Nr. 86/2023 vom 09.11.2023

Kein vorbeugender Rechtsschutz eines Journalisten auf Unterlassungen des BND bei künftigen Anfragen

Ein Journalist, der zu Pressekontakten einer Behörde mit anderen Medienvertretern recherchiert, kann im Hinblick auf seine erst künftigen Auskunftsbegehren nicht verlangen, dass die Behörde auf die Anhörung Betroffener verzichtet. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Der Kläger ist Journalist bei einer Tageszeitung. Er hatte verschiedene Auskünfte des Bundesnachrichtendienstes (BND) zu dessen Einzelhintergrundgesprächen mit Vertretern anderer Medien verlangt (vgl. hierzu die Presseinformation Nr. 85/2023 vom heutigen Tage im Verfahren BVerwG 10 A 2.23). Vor Erteilung einer Antwort hatte sich der BND in anonymisierter und abstrahierter Form an die betroffenen Medien gewandt, um zu erfragen, ob dort Einwände gegen entsprechende Auskünfte bestünden. Der Kläger verlangte vom BND die Abgabe einer Erklärung, es bei künftigen Rechercheanfragen zu unterlassen, die betroffenen Medien anzuhören. Der BND lehnte die Abgabe einer entsprechenden Erklärung ab.


Die Unterlassungsklage hat keinen Erfolg; sie ist bereits unzulässig. Sie bezieht sich auf künftige Rechercheanfragen des Klägers zu Hintergrundgesprächen mit Medien mit nicht näher bekanntem Inhalt. Vorbeugender verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz setzt voraus, dass der Kläger das von der Behörde erwartete Verhalten konkret bezeichnet, um dem Gericht eine Rechtmäßigkeitsprüfung zu ermöglichen. Nach dem Vortrag des BND wird es jedoch bei zukünftigen Rechercheanfragen betreffend Hintergrundgespräche nicht in jedem Falle erneut zu einer Anhörung der betroffenen Medien kommen. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer etwaigen Anhörung betroffener Medienvertreter kommt es außerdem einzelfallbezogen auf die betroffenen Belange auf Seiten des Klägers wie auch auf Seiten der anderen Medienvertreter an, im Besonderen auf den Schutz ihres Grundrechts der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in Gestalt des Recherchegeheimnisses. Ihre Abwägung ist ohne Kenntnis des näheren Inhalts einer künftigen Rechercheanfrage des Klägers nicht möglich.


BVerwG 10 A 3.23 - Urteil vom 09. November 2023


Urteil vom 09.11.2023 -
BVerwG 10 A 3.23ECLI:DE:BVerwG:2023:091123U10A3.23.0

Vorbeugende Unterlassungsklage im Hinblick auf die künftige Anhörung Dritter, deren Verhalten den Gegenstand eines presserechtlichen Auskunftsanspruchs bildet.

Leitsatz:

Die vorbeugende Unterlassungsklage ist nur statthaft, wenn sich das drohende Verwaltungshandeln hinreichend konkret abzeichnet und insbesondere die für eine Rechtmäßigkeitsprüfung erforderliche Bestimmtheit aufweist (wie BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2017 - 6 A 6.16 - BVerwGE 161, 76 Rn. 12).

  • Rechtsquellen

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 09.11.2023 - 10 A 3.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:091123U10A3.23.0]

Urteil

BVerwG 10 A 3.23

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2023
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Günther, Dr. Löffelbein,
Dr. Wöckel und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
für Recht erkannt:

  1. Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.
  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I

1 Der Kläger ist Journalist bei einer großen Tageszeitung. Er recherchiert u. a. zu sogenannten Einzelhintergrundgesprächen, die der Bundesnachrichtendienst (BND) mit (anderen) Medien führt. Diesbezüglich hatte er verschiedene Anfragen an den BND gerichtet und um Benennung derjenigen Medien gebeten, mit denen in den Jahren 2019 und 2020 am häufigsten solche Gespräche geführt wurden. Der BND beantwortete die an ihn gerichteten Fragen nur teilweise. Hiergegen erhob der Kläger erfolgreich Klage (BVerwG, Urteil vom 9. November 2023 - 10 A 2.23 -).

2 Im Rahmen dieser Auskunftsersuchen hörte der BND die betroffenen Medien unter hypothetischer Darstellung eines abstrakten, der Anfrage des Klägers ähnlichen Szenarios und ohne Angaben zur Person des Klägers an. Der Kläger richtete daraufhin weitere Auskunftsersuchen an den BND, nunmehr betreffend die Anhörungen, und widersprach diesen.

3 Mit E-Mail vom 13. Januar 2022 forderte der Kläger den BND zur Abgabe einer Erklärung des Inhalts auf,
"es künftig zu unterlassen, Medien - insbesondere den von meinen Recherche-Anfragen betroffenen Medien - meine an den BND gerichteten Recherche-Anfragen in Form von aus meinen Recherche-Anfragen abgeleiteten/abstrahierten 'hypothetischen Szenarien' ohne meine vorherige Einwilligung offenzulegen, wenn dies geschieht wie im Dezember 2021 gegenüber Vertretern einiger von meiner Anfrage betroffenen Medien, um die Einschätzung der Medienhäuser zur Betroffenheit des im Rahmen der Pressefreiheit geschützten Recherchegeheimnisses zu erfragen."

4 Er sehe sich in seinen Rechten als Journalist und in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Den betroffenen Medienhäusern sei positiv bekannt, wer diese Anfragen gestellt habe. Hier würde den konkurrierenden Verlagen seine Recherche offengelegt.

5 Der BND lehnte die Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung ab.

6 Der Kläger hat am 17. Februar 2022 Klage erhoben. Die Klage sei als vorbeugende Unterlassungsklage statthaft. Das drohende Verwaltungshandeln bestehe darin, dass die Beklagte Medien mit "Anfrageszenarien" befasse und damit faktisch die Recherche des Klägers offenlege. Dies verletze ihn in seinem Recht auf Pressefreiheit. Es bestehe ein besonderes Interesse an vorbeugendem Rechtsschutz, weil der nachgelagerte Rechtsschutz mit unzumutbaren Nachteilen für ihn verbunden wäre.

7 Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Medien die an die Beklagte gerichteten Recherche-Anfragen des Klägers zu Hintergrundgesprächen mit Medien in Form von aus den Recherche-Anfragen abgeleiteten/abstrahierten hypothetischen Szenarien ohne vorherige Einwilligung des Klägers offenzulegen, wenn dies geschieht wie im Dezember 2021 gegenüber Vertretern von einigen von der Anfrage des Klägers betroffenen Medien, um die Einschätzung der Medienhäuser zur Betroffenheit des im Rahmen der Pressefreiheit geschützten Recherchegeheimnisses zu erfragen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Medien die an die Beklagte gerichteten Recherche-Anfragen des Klägers zu Hintergrundgesprächen mit Medien in Form von aus den Recherche-Anfragen abgeleiteten/abstrahierten hypothetischen Szenarien ohne vorherige Mitteilung an den Kläger offenzulegen, wenn dies geschieht wie im Dezember 2021 gegenüber Vertretern von einigen von der Anfrage des Klägers betroffenen Medien, um die Einschätzung der Medienhäuser zur Betroffenheit des im Rahmen der Pressefreiheit geschützten Recherchegeheimnisses zu erfragen.

8 Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

9 Die Klage sei unzulässig und unbegründet. Die Voraussetzungen einer vorbeugenden Unterlassungsklage lägen nicht vor. Es sei schon kein hinreichend konkretes künftiges Handeln der Beklagten dargelegt. Die Entscheidung, einige der betroffenen Medien abstrahiert anzuhören, sei eine Verfahrensentscheidung im Einzelfall gewesen. Ob auch in Zukunft so verfahren werde, hänge jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab. Der BND habe zu keinem Zeitpunkt angekündigt, auch in künftigen Verfahren entsprechend zu verfahren. Vielmehr wisse er bereits aus den anonymisiert und abstrahiert durchgeführten Anhörungen, dass sich die befragten Medien bei vergleichbaren Anfragen als in ihrem Recherchegeheimnis betroffen ansehen würden, sodass es keiner erneuten Nachfrage bei ihnen bedürfe.

10 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

II

11 Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung durch Hinzufügung des Zusatzes "zu Hintergrundgesprächen mit Medien" seinen angekündigten Antrag konkretisiert und zugleich eingeschränkt hat, ist hierin eine teilweise Klagerücknahme zu sehen. Denn der ursprünglich angekündigte Antrag bezog sich auf sämtliche Rechercheanfragen des Klägers, nicht nur auf solche zu Hintergrundgesprächen mit Medien. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat der teilweisen Klagerücknahme in der mündlichen Verhandlung zugestimmt (§ 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Insoweit ist das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

12 Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg; sie ist mit Haupt- und Hilfsantrag unzulässig.

13 Die vorbeugende Unterlassungsklage als Unterfall der allgemeinen Leistungsklage ist als einzig in Betracht kommende Klageart vorliegend nicht statthaft. Mit der allgemeinen Leistungsklage wird von der Verwaltung ein Tun, Dulden oder Unterlassen verlangt, dem keine Verwaltungsaktqualität zukommt. Das Unterlassungsverlangen bildet dabei typischerweise den Gegenstand vorbeugenden Rechtsschutzes, weil bzw. soweit es sich gegen eine erst künftig erwartete Rechtsverletzung richtet (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 42 Rn. 66). Insoweit unterscheidet sich die vorbeugende Unterlassungsklage von den Grundstrukturen des Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung, die in aller Regel nachgelagerten Rechtsschutz vorsieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 - 3 C 35.07 - BVerwGE 132, 64 Rn. 26). Eine vorbeugende Unterlassungsklage, mit der ein drohendes tatsächliches Verwaltungshandeln abgewendet werden soll, ist nur statthaft, wenn sich dieses Handeln hinreichend konkret abzeichnet, insbesondere die für eine Rechtmäßigkeitsprüfung erforderliche Bestimmtheit aufweist (BVerwG, Urteile vom 19. März 1974 - 1 C 7.73 - BVerwGE 45, 99 <105> und vom 13. Dezember 2017 - 6 A 6.16 - BVerwGE 161, 76 Rn. 12; Pietzcker/Marsch, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand März 2023, § 42 Abs. 1 VwGO Rn. 163). Nur wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, ist eine rechtliche Überprüfung durch das Gericht möglich.

14 An der erforderlichen Bestimmtheit fehlt es hier. Der Kläger hat zwar in der mündlichen Verhandlung seinen ursprünglich angekündigten Antrag, der sich auf sämtliche seiner Rechercheanfragen bezog, dahingehend konkretisiert und eingeschränkt, dass er nunmehr nur noch Rechercheanfragen "zu Hintergrundgesprächen mit Medien" umfasst. Auch diesbezüglich ist der nähere Inhalt dieser Rechercheanfragen aber unbekannt. Für die gerichtliche Rechtmäßigkeitsprüfung einer künftigen Anhörung betroffener Medien durch den BND aus Anlass von Rechercheanfragen des Klägers ist die genaue Kenntnis des Inhalts der jeweiligen Anfrage jedoch erforderlich. Denn eine Anhörung ist zwar nicht in jedem Fall einer Rechercheanfrage, die andere Medien betrifft, erforderlich (BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2021 - 6 A 10.20 - BVerwGE 173, 118 Rn. 23 ff.). Sie bleibt aber ein zulässiges und im Einzelfall womöglich auch erforderliches Mittel der Sachverhaltsermittlung durch die Behörde. Diese kann hierzu insbesondere zur Wahrung der Grundrechte betroffener Dritter verpflichtet sein. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Beantwortung der inhaltlich nicht näher bekannten, künftigen Rechercheanfragen des Klägers einen Eingriff in die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Recherchefreiheit bzw. das Recherchegeheimnis (vgl. hierzu BVerfG, Urteile vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94, 1 BvR 2420/95, 2437/95 - BVerfGE 100, 313 <365> und vom 12. März 2003 - 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99 - BVerfGE 107, 299 <331>; BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2021 - 6 A 10.20 - BVerwGE 173, 118 Rn. 30; Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Stand Mai 2023, Art. 5 Abs. 1 Rn. 277 f.) der betroffenen Medien darstellt. Deren konkrete Recherchetätigkeit könnte dem Kläger hierdurch offenbart werden. Jedenfalls in einem solchen Fall wäre die Behörde wohl zu einer Anhörung der betroffenen Medien verpflichtet, während in anderen Fällen, bei denen die Beantwortung der Anfrage keinen solchen Eingriff darstellt, die Anhörung womöglich unterbleiben könnte. Auch hat die Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass in Fällen gleichartiger Anfragen eine erneute Anhörung unterbleiben könne, wenn der Standpunkt betroffener Dritter bereits bekannt sei. All dies zeigt, dass ohne Kenntnis des Inhalts der einzelnen Rechercheanfrage eine gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit künftiger Anhörungen nicht möglich und die vorbeugende Unterlassungsklage somit nicht statthaft ist.

15 Insoweit macht es auch keinen Unterschied, dass sich die Klage mit ihrem Hauptantrag auf Anhörungen "ohne vorherige Einwilligung des Klägers" und mit ihrem Hilfsantrag auf Anhörungen "ohne vorherige Mitteilung an den Kläger" bezieht. In beiden Fällen fehlt es an der hinreichenden Bestimmtheit mit Bezug auf den Inhalt der Rechercheanfrage.

16 Die Klage wäre auch dann unzulässig, wenn der Senat den Klageantrag unter Einengung seines Wortlauts so verstünde, dass sich künftige Rechercheanfragen in einer Wiederholung der Rechercheanfragen, welche den Gegenstand des Verfahrens BVerwG 10 A 2.23 bildeten, bezogen auf andere Jahre erschöpften. Denn insoweit hat die Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass es nicht zu einer erneuten Anhörung der betroffenen Medien käme (s. o.). Es drohte damit kein künftiges Verwaltungshandeln, das den Gegenstand einer vorbeugenden Unterlassungsklage bilden könnte.

17 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO.