Verfahrensinformation

Die Gemeinde Kleinmachnow, eine Wohnungsbaugesellschaft und mehrere Anwohner aus Kleinmachnow, Rangsdorf, Berlin-Lichtenrade und Mahlow klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 „Ausbau Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld“ und beantragen Wiedereinsetzung in die Klagefrist (BVerwG 4 A 5000.10 ‑ 5002.10, 4 A 7000.11). Sie machen geltend, erst jetzt sei ihnen bekannt geworden, dass das beklagte Land Brandenburg (Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft) und die beigeladene Flughafen Berlin Brandenburg GmbH die Auswirkungen des Flugbetriebs im Planfeststellungsverfahren wider besseres Wissen ausgehend von geradlinigen und nicht von abknickenden Abflugrouten dargestellt hätten. Dadurch seien sie davon abgehalten worden, fristgerecht Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zu erheben. Anwohner aus Königs Wusterhausen, Zeuthen, Berlin-Bohnsdorf und Blankenfelde, die bereits im Jahr 2004 Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss erhoben hatten, begehren aus diesem Grund die Wiederaufnahme ihrer rechtskräftig abgeschlossenen Klageverfahren (BVerwG 4 A 6001.11 und 6002.11).


Verfahrensinformation

Anwohner aus Zeuthen und aus Mahlow klagen auf Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses „Ausbau Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld“ vom 13. August 2004, hilfsweise auf Untersagung des unabhängigen Parallelbetriebs auf den beiden Start- und Landebahnen. Sie machen geltend, dass der Planfeststellungsbeschluss an einem grundlegenden Fehler leide, weil das beklagte Land Brandenburg (Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft) und die beigeladene Flughafen Berlin Brandenburg GmbH die Auswirkungen des Flugbetriebs wider besseres Wissen ausgehend von geradlinigen und nicht ‑ wie für den unabhängigen Bahnbetrieb geboten ‑ von um mindestens 15° divergierenden Abflugstrecken ermittelt und in die Abwägung eingestellt hätten.


 


Pressemitteilung Nr. 77/2012 vom 31.07.2012

Flughafen Berlin Brandenburg: Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Flughafens hat Bestand - Klagen wegen behaupteter Täuschung über Flugrouten abgewiesen

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute die Klagen der Gemeinde Kleinmachnow, einer Wohnungsbaugesellschaft und von insgesamt 21 Anwohnern gegen den Planfeststellungsbeschluss „Ausbau Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld“ vom 13. August 2004 abgewiesen.


Die erste Gruppe von Klägern hat im Dezember 2010 bzw. März 2011 Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss erhoben und Wiedereinsetzung in die Klagefrist beantragt. Zur Begründung haben sie geltend gemacht, das beklagte Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg und die beigeladene Flughafen Berlin Brandenburg GmbH seien im Planfeststellungsverfahren wider besseres Wissen von nicht realistischen Abflugrouten ausgegangen und hätten sie dadurch vorsätzlich über die Auswirkungen des Fluglärms getäuscht.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung abgelehnt und die Klagen als verfristet abgewiesen. Ist - wie hier - seit dem Ende der Klagefrist mehr als ein Jahr verstrichen, ist der Wiedereinsetzungsantrag nur zulässig, wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war (§ 60 Abs. 3 VwGO). Ein Fall höherer Gewalt wäre hier allenfalls dann gegeben, wenn der Beklagte bei den Klägern einen Irrtum über die Möglichkeit der eigenen Betroffenheit oder die hinreichenden Erfolgsaussichten einer Klage erregt oder arglistig über einen für den Erfolg der Klage relevanten Umstand getäuscht hätte.


Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Kläger hätten jedenfalls innerhalb der Jahresfrist zulässige Klagen erheben können. Da die Flugrouten nicht im Planfeststellungsverfahren zusammen mit der Entscheidung über den Ausbau des Flughafens, sondern vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung durch Rechtsverordnung festgelegt werden, kann unabhängig von der für das Planfeststellungsverfahren erstellten Flugroutenprognose jeder Klage gegen die Anlegung oder den Ausbau eines Flughafens erheben, der durch Fluglärm abwägungserheblich betroffen werden kann. Das ist der Fall, wenn sein Grundstück innerhalb des Einwirkungsbereichs des Flughafens liegt und weder aus tatsächlichen noch rechtlichen Gründen auszuschließen ist, dass ein zu seiner Betroffenheit führendes Flugverfahren festgelegt wird. Über die Möglichkeit einer solchen Betroffenheit hat der Beklagte bei den Klägern keinen Irrtum erregt. Er hat zwar nicht offen gelegt, dass die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) für einen unabhängigen Bahnbetrieb nicht parallele, sondern aus Sicherheitsgründen um mindestens 15° divergierende Abflugrouten planen würde; die Festlegung divergierender Abflugrouten war aber unabhängig hiervon nicht ausgeschlossen. Dies war auch nicht nur eine theoretische Möglichkeit.


Die Kläger durften auch nicht annehmen, dass eine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss in der Sache keine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben würde. Wie die fristgerecht erhobenen Klagen gezeigt haben, war die Standortentscheidung unabhängig von dem 15°-Erfordernis einer Vielzahl grundsätzlicher Einwendungen ausgesetzt.


Der Beklagte hat die Kläger auch nicht arglistig über einen für den Erfolg der Klage relevanten Umstand getäuscht. Der Planfeststellungsbeschluss leidet wegen der Nichtberücksichtigung der 15°-Divergenz nicht an einem Abwägungsfehler, der zu seiner Aufhebung geführt hätte. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 13. Oktober 2011 zum Nachtflugbetrieb (BVerwG 4 A 4001.10 Rn. 159) dargelegt hat, war die für den abhängigen Bahnbetrieb erstellte Grobplanung der Flugrouten ausreichend, um die Lärmbetroffenheiten auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen.


Die von den Klägern vorgelegten Urkunden, insbesondere das sogenannte Herberg-Schreiben und das zuletzt vorgelegte Protokoll einer Koordinierungssitzung der Beigeladenen, führen nicht zu einer anderen Beurteilung des Planfeststellungsbeschlusses. Da die Grobplanung mit geradlinigen Abflugrouten für die Abwägung ausreichend war, durften bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit einer neuen Grobplanung auch verfahrensökonomische Erwägungen berücksichtigt werden. Der Behauptung der Kläger, man habe der Abwägung die geraden Abflugrouten zugrunde gelegt, weil man befürchtete, dass sich der Standort Schönefeld bei Zugrundelegung abknickender Abflugrouten nicht mehr durchsetzen lassen würde, musste der Senat nicht nachgehen. Die Motive und Vorstellungen der Entscheidungsträger hätten nach den gesetzlichen Regelungen angesichts des in der Sache vertretbaren Ergebnisses allenfalls dann zu einem Erfolg der Klagen führen können, wenn sie offensichtlich wären, d.h. sich aus den vorliegenden Verwaltungsvorgängen, der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses oder sonstigen Unterlagen ergäben. Für die Behauptung der Kläger gibt es jedoch weder in den Verwaltungsvorgängen noch in den von ihnen vorgelegten Urkunden Anhaltspunkte. Die behaupteten Motive lagen in der damaligen Planungssituation - noch vor Stellung des Planfeststellungsantrags - im Übrigen auch nicht nahe.


Eine zweite Gruppe von Klägern hatte bereits 2004 Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss erhoben. Mit ihren im Januar 2011 erhobenen Restitutionsklagen haben sie beantragt, das rechtskräftige Urteil des Senats vom 16. März 2006 aufzuheben und ihr damaliges Klageverfahren wiederaufzunehmen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klagen als zulässig angesehen, aber das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes verneint. Ein solcher läge hier nur vor, wenn die von den Klägern vorgelegten Urkunden eine ihnen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden. Das ist nicht der Fall. Dass die DFS für den unabhängigen Bahnbetrieb nicht an den parallelen Abflugrouten festhalten, sondern divergierende Abflugrouten planen würde, war nicht neu; dies ergab sich bereits aus den in den damaligen Verwaltungsvorgängen vorhandenen Schreiben der DFS. Die sich aus den Urkunden ergebenden neuen Tatsachen, insbesondere die Existenz des Herberg-Schreibens, führen nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung des Planfeststellungsbeschlusses. 


Die dritte und letzte Gruppe von Klägern hat beantragt, den bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss zurückzunehmen, hilfsweise den unabhängigen Parallelbetrieb der beiden Start- und Landebahnen zu untersagen. Diese Klagen hat das Bundesverwaltungsgericht als unbegründet abgewiesen. Der Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an einem Rechtsfehler, der zu einem Rücknahmeanspruch führen könnte. Der Beklagte hat die Planunterlagen allerdings nicht in allen Gemeinden ausgelegt, in denen dies erforderlich gewesen wäre. Im Planfeststellungsverfahren muss jeder beteiligt werden, der nach den zur Klagebefugnis dargelegten Kriterien abwägungserheblich betroffen werden kann. Die Planunterlagen hätten jedenfalls in Teltow, ausgehend von der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Schwelle zur Abwägungserheblichkeit vermutlich auch in Kleinmachnow, möglicherweise darüber hinaus in einzelnen weiteren Gemeinden ausgelegt werden müssen. Die genaue Abgrenzung des Auslegungsgebiets kann offen bleiben, denn der Fehler bei der Auslegung ist für die Zulassung des Vorhabens nicht kausal geworden. Gleiches gilt für einen weiteren Fehler der Umweltverträglichkeitsprüfung. Der Untersuchungsraum „Mensch“ hätte ebenfalls nicht auf der Grundlage der prognostizierten Flugrouten abgegrenzt werden dürfen; er hätte den gesamten Einwirkungsbereich des Flughafens umfassen müssen. Die Berücksichtigung der fehlenden Kausalität begegnet keinen unionsrechtlichen Bedenken. Der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie, die einer Kausalitätsprüfung möglicherweise entgegenstehen könnte, sind Vorgaben für ein nach nationalem Recht zusätzlich zur Anfechtung eröffnetes Rücknahmeverfahren nicht zu entnehmen.


Im Übrigen ist die Zulassung des Vorhabens am Standort Schönefeld - wie dargelegt - rechtmäßig. Ein etwaiger Abwägungsmangel bei der Auswahl der Bahnkonfiguration würde die Kläger nicht in eigenen Rechten verletzen. Als maßgeblich hat der Beklagte nur Betroffenheiten bis hinab zu einem Dauerschallpegel von 62 dB(A) angesehen. Dieser Wert wird bei den Klägern nicht erreicht. Eine Untersagung des unabhängigen Parallelbetriebs können die Kläger ebenfalls nicht verlangen; die Zulassung des Vorhabens mit dem Ziel, einen unabhängigen Parallelbetrieb beider Bahnen zu ermöglichen, ist rechtmäßig.


BVerwG 4 A 5000.10 - Urteil vom 31. Juli 2012

BVerwG 4 A 5001.10 - Urteil vom 31. Juli 2012

BVerwG 4 A 5002.10 - Urteil vom 31. Juli 2012

BVerwG 4 A 7000.11 - Urteil vom 31. Juli 2012

BVerwG 4 A 6001.11 - Urteil vom 31. Juli 2012

BVerwG 4 A 6002.11 - Urteil vom 31. Juli 2012

BVerwG 4 A 7001.11 - Urteil vom 31. Juli 2012

BVerwG 4 A 7002.11 - Urteil vom 31. Juli 2012

BVerwG 4 A 7003.11 - Urteil vom 31. Juli 2012


Beschluss vom 28.03.2011 -
BVerwG 4 A 6001.11ECLI:DE:BVerwG:2011:280311B4A6001.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.03.2011 - 4 A 6001.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:280311B4A6001.11.0]

Beschluss

BVerwG 4 A 6001.11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. März 2011
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
als Berichterstatterin gemäß § 87a Abs. 1 und 3 VwGO
beschlossen:

  1. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren vorläufig auf 30 000 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 GKG), wobei sich der vorläufige Gesamtstreitwert aus folgenden Einzelstreitwerten zusammensetzt:
  2. Kläger zu 1 : 15 000 €
  3. Klägerin zu 2 : 15 000 €

Beschluss vom 28.03.2011 -
BVerwG 4 A 6002.11ECLI:DE:BVerwG:2011:280311B4A6002.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 28.03.2011 - 4 A 6002.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:280311B4A6002.11.0]

Beschluss

BVerwG 4 A 6002.11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. März 2011
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
als Berichterstatterin gemäß § 87a Abs. 1 und 3 VwGO
beschlossen:

  1. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren vorläufig auf 30 000 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 GKG), wobei sich der vorläufige Gesamtstreitwert aus folgenden Einzelstreitwerten zusammensetzt:
  2. Kläger zu 1 und 2 : 15 000 €
  3. Klägerin zu 3 : 15 000 €

Beschluss vom 29.03.2011 -
BVerwG 4 A 7000.11ECLI:DE:BVerwG:2011:290311B4A7000.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.03.2011 - 4 A 7000.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:290311B4A7000.11.0]

Beschluss

BVerwG 4 A 7000.11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. März 2011
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
als Berichterstatterin gemäß § 87a Abs. 1 und 3 VwGO
beschlossen:

  1. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren vorläufig auf 60 000 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 GKG), wobei sich der vorläufige Gesamtstreitwert aus folgenden Einzelstreitwerten zusammensetzt:
  2. Kläger zu 1 und 2 : 15 000 €
  3. Kläger zu 3 und 4 : 15 000 €
  4. Kläger zu 5 : 15 000 €
  5. Klägerin zu 6 : 15 000 €

Beschluss vom 29.03.2011 -
BVerwG 4 A 7001.11ECLI:DE:BVerwG:2011:290311B4A7001.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.03.2011 - 4 A 7001.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:290311B4A7001.11.0]

Beschluss

BVerwG 4 A 7001.11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. März 2011
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
als Berichterstatterin gemäß § 87a Abs. 1 und 3 VwGO
beschlossen:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren vorläufig auf 15 000 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 GKG).

Beschluss vom 29.03.2011 -
BVerwG 4 A 7002.11ECLI:DE:BVerwG:2011:290311B4A7002.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.03.2011 - 4 A 7002.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:290311B4A7002.11.0]

Beschluss

BVerwG 4 A 7002.11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. März 2011
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
als Berichterstatterin gemäß § 87a Abs. 1 und 3 VwGO
beschlossen:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren vorläufig auf 15 000 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 GKG).

Beschluss vom 29.03.2011 -
BVerwG 4 A 7003.11ECLI:DE:BVerwG:2011:290311B4A7003.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.03.2011 - 4 A 7003.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:290311B4A7003.11.0]

Beschluss

BVerwG 4 A 7003.11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. März 2011
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
als Berichterstatterin gemäß § 87a Abs. 1 und 3 VwGO
beschlossen:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren vorläufig auf 15 000 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 GKG).

Urteil vom 31.07.2012 -
BVerwG 4 A 5000.10ECLI:DE:BVerwG:2012:310712U4A5000.10.0

Leitsätze:

1. Die für die Zustellfiktion des § 75 Abs. 5 Satz 3 VwVfG maßgebende Anstoßwirkung geht von der Bekanntmachung des verfügenden Teils des Planfeststellungsbeschlusses aus.

2. Das Recht auf fehlerfreie Abwägung der eigenen Belange steht nicht nur demjenigen zu, dessen Belange ausgehend von der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Flugroutenprognose abwägungserheblich betroffen wären, sondern jedem, der abwägungserheblich betroffen werden kann, weil sein Grundstück innerhalb des Einwirkungsbereichs des Flughafens liegt und weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen auszuschließen ist, dass ein zu seiner Betroffenheit führendes Flugverfahren festgelegt wird.

3. Die prognostische Flugroutenplanung muss Art und Ausmaß der zu erwartenden Betroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung realistisch abbilden.

4. Lässt sich die Zulassung des Flughafenausbaus nach dem Abwägungskonzept der Planfeststellungsbehörde nur rechtfertigen, wenn bestimmte Gebiete von erheblichen Beeinträchtigungen durch Fluglärm verschont bleiben, kann die Planfeststellungsbehörde klarstellen, dass der Schutz dieser Gebiete zu den tragenden Erwägungen des Planfeststellungsbeschlusses gehört, zu denen sich das BAF bei der nachfolgenden Festlegung der Flugverfahren nicht in Widerspruch setzen darf.

  • Rechtsquellen
    VwVfG § 45 Abs. 3, § 73 Abs. 2 und 3, § 74 Abs. 4 und 5, § 75 Abs. 2 Satz 2
    VwGO § 42 Abs. 2, § 60 Abs. 1, 2 und 3
    LuftVG § 8 Abs. 1, § 32 Abs. 4 Nr. 8, Abs. 4c, § 32b Abs. 2 und 3
    LuftVO § 27a Abs. 2
    Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung (LEP FS 2003)

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 31.07.2012 - 4 A 5000.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:310712U4A5000.10.0]

Urteil

BVerwG 4 A 5000.10

In den Verwaltungsstreitsachen hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch,
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Dr. Bumke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz
für Recht erkannt:

  1. Soweit die Beteiligten des Verfahrens BVerwG 4 A 7000.11 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
  2. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
  3. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 tragen die Kläger zu 3 und 4 des Verfahrens BVerwG 4 A 5000.10 , die Klägerin des Verfahrens BVerwG 4 A 5001.10 , der Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 5002.10 und die Kläger zu 5 und 6 sowie - jeweils gesamtschuldnerisch - die Kläger zu 1 und 2, 3 und 4 des Verfahrens BVerwG 4 A 7000.11 je 1/32, die Klägerin zu 1 des Verfahrens BVerwG 4 A 5000.10  1/8 und die Klägerin zu 2 des Verfahrens BVerwG 4 A 5000.10  5/8. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 und 3 sind nicht erstattungsfähig.

Gründe

I

1 Die Kläger begehren die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses „Ausbau Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld“ vom 13. August 2004 (PFB) i.d.F. des Planergänzungsbeschlusses „Lärmschutzkonzept BBI“ vom 20. Oktober 2009 (PEB) und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Klagefrist.

2 Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss sieht den Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld zum Großflughafen Berlin Brandenburg mit zwei parallelen Start- und Landebahnen vor. Im Verfahren BVerwG 4 A 5000.10 ist die Klägerin zu 1 eine Gemeinde, deren südöstliche Grenze rund 18 km nordwestlich der Mitte der Nordbahn des neuen Flughafens liegt. Die Klägerin zu 1, die übrigen Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 5000.10 sowie die Klägerin des Verfahrens BVerwG 4 A 5001.10 sind Eigentümer von Wohngrundstücken im Gemeindegebiet; der Klägerin zu 2 im Verfahren BVerwG 4 A 5000.10 gehören zusätzlich Wohnungen in der südlichen Nachbargemeinde Stahnsdorf. Der Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 5002.10 ist Eigentümer eines selbstgenutzten Wohngrundstücks in der Gemeinde Rangsdorf. Das Grundstück liegt ca. 8 km südwestlich der Mitte der südlichen Start- und Landebahn des ausgebauten Flughafens (ca. 6 km ab Startbahnende). Die Kläger zu 1 bis 5 des Verfahrens BVerwG 4 A 7000.11 sind Eigentümer von selbstgenutzten Wohngrundstücken in Berlin-Lichtenrade, die Klägerin zu 6 ist Miteigentümerin eines selbstgenutzten Wohngrundstücks in Mahlow - Siedlung ... . Ihre Grundstücke liegen etwa 6 km nordwestlich der Nordbahnmitte (ca. 4 - 5 km ab Startbahnende).

3 Im Rahmen der Vorbereitungen zur Stellung des Planfeststellungsantrags für den Flughafenausbau richtete der Beklagte eine Arbeitsgruppe „An- und Abflugverfahren“ ein, an der u.a. die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) und die Projektplanungsgesellschaft (PPS) als Rechtsvorgängerin der Vorhabenträgerin, der Beigeladenen zu 1, beteiligt waren. Die Arbeitsgruppe sollte die Flughafenplanung - beginnend mit der Erstellung der Antragsunterlagen - mit der erst kurz vor Inbetriebnahme des Flugplatzes erfolgenden Festlegung der An- und Abflugverfahren koordinieren. In dieser Arbeitsgruppe legte die DFS in der Sitzung vom 30. März 1998 eine Grobplanung der Abflugrouten vor. Danach sollten die Abflugrouten in beiden Betriebsrichtungen zunächst mehrere Kilometer parallel in gerader Verlängerung der Bahnen verlaufen. Die DFS ging bei dieser Grobplanung, ohne hierauf ausdrücklich hinzuweisen, davon aus, dass die beiden Bahnen nicht unabhängig voneinander genutzt werden sollten. In der Folgezeit berechnete die PPS auf der Grundlage der vorgelegten Grobplanung die Streckengeometrie für das Datenerfassungssystem (DES). Mit Schreiben vom 20. August 1998 kam die DFS auf eine Prüfbitte der Arbeitsgruppe zurück und erklärte, dass der vorgesehene Achsabstand und Schwellenversatz keine nachteiligen Auswirkungen auf die gleichzeitige unabhängige Durchführung des Flugverkehrs hätten. Weiter heißt es:
„In diesem Zusammenhang möchte ich jedoch auch deutlich darauf hinweisen, dass die gleichzeitige unabhängige Durchführung von IFR-Abflügen von beiden Pisten unmittelbar nach dem Start eine Divergenz der Abflugkurse von mindestens 15° erfordert. Ebenso müssen die Abflugkurse um mindestens 30° von den Fehlanflugkursen der jeweils anderen Piste abweichen. Da derartige Präzisierungen in der übergebenen Grobplanung für die künftigen IFR-Abflugverfahren nicht berücksichtigt wurden, ist bei der weiteren Verwendung dieser Unterlagen ein entsprechender Toleranzbereich zu berücksichtigen.“

4 Mit Schreiben vom 26. August 1998 bestätigte die DFS, dass die von der PPS übermittelten Streckengeometriedaten mit ihrer Grobplanung übereinstimmten. Der Beklagte übermittelte beide DFS-Schreiben der PPS und bat, die Vorgaben der DFS bei den weiteren Planungen zu berücksichtigen. Die PPS erwiderte mit Schreiben vom 10. September 1998, dass sie die Forderung der DFS bei der Konstruktion der Standard Instrument Departures (SID) nicht berücksichtigt habe. Sie gehe davon aus, dass die Hinweise der DFS nicht zu einer Veränderung der Streckengeometrie führten; anderenfalls müsste kurzfristig ein Klärungsgespräch mit der DFS herbeigeführt werden. Ein solches Gespräch fand am 29. September 1998 bei der DFS in Offenbach statt. Ein Ergebnisprotokoll liegt nicht vor. Es gibt allerdings das Protokoll einer Koordinierungssitzung der PPS vom 5. Oktober 1998, in der ein Mitarbeiter - Herr Sch. - über die Besprechung vom 29. September berichtet. In dem Protokoll heißt es:
„Sollte dies (gemeint ist eine Divergenz der Abflugkurse um mindestens 15°) nicht erfolgen, ist mit Kapazitätseinschränkungen in Spitzenzeiten zu rechnen. Diese Einschränkungen konnten jedoch nicht quantifiziert werden. Deshalb ist auf eine grundsätzliche Vorgabe für alle Abflüge hinzuwirken und in die Grobplanung aufzunehmen. ... Die DFS erarbeitet innerhalb von 14 Tagen eine neue Grobplanung. Man konnte sich dem Wunsch nach ausschließlicher Plausibilitätsaussage nicht anschließen. Festlegung: Es ist ein entsprechendes Schreiben an Hr. E., BMV, zu richten mit der Bitte um Unterstützung und Einflussnahme im Sinne der PPS-Zielstellung auf die DFS.“ (Klammerzusatz nicht im Original)

5 Unter dem 7. Oktober 1998 richtete der Geschäftsführer der PPS, Herr Dr. H., ein Schreiben an den Unterabteilungsleiter Herrn E. im Bundesverkehrsministerium (im Folgenden: H.-Schreiben). Er berichtete über die Forderung der DFS nach einer grundsätzlichen Vorgabe der Divergenz von 15° für alle Abflüge. Weiter heißt es:
„Als Konsequenz ergibt sich die Notwendigkeit der generellen Überarbeitung des DES, insbesondere durch die geänderten Streckengeometrien. Ein geändertes DES macht die Überarbeitung aller bisher im Vertrauen auf die Verbindlichkeit der Grobplanung der DFS erarbeiteten lärmphysikalischen, lärmmedizinischen und humantoxikologischen Gutachten erforderlich. Es muss mit erheblichen finanziellen Mehraufwendungen und einer zeitlichen Verzögerung im Planungsablauf von ca. 3 Monaten gerechnet werden. ... Das BMV wird gebeten, Einfluss auf die DFS dahingehend zu nehmen, dass die DFS ihre Stellungnahme zum vorliegenden DES modifiziert. Die Stellungnahme der DFS ist für das Planfeststellungsverfahren wichtig. Sie sollte zum Ausdruck bringen, dass die dargestellte Streckengeometrie grundsätzlich akzeptiert wird. Es kann durchaus dargestellt werden, dass es zu einem zusätzlichen Koordinierungserfordernis von Abflügen seitens der DFS führt, was wiederum bei unterstellten unveränderten technischen und technologischen Bedingungen bei Erreichen der Kapazitätsgrenzen des Pistensystems zu Bewegungsbeschränkungen in Spitzenzeiten führen kann. Diese Situation würde der des Flughafens München entsprechen und könnte vom Antragsteller akzeptiert werden. Zu beachten ist auch, dass die endgültige Festlegung der Flugrouten durch die DFS erst bei Inbetriebnahme des Bahnsystems erfolgt und die dann geltenden technischen und technologischen Voraussetzungen berücksichtigt werden.“

6 In einer E-Mail vom 9. Oktober 1998 schrieb der Mitarbeiter der DFS, Herr S., an einen Kollegen:
„Möglicherweise haben Sie schon das Fax von Herrn Dr. H. an Herrn E. gelesen. ... Auch Herr B. hat zwischenzeitlich in einem Telefonat mit Herrn O. um eine im Sinne der PPS liegende Bearbeitung gebeten. Entgegen unserer Vereinbarung vom 29.09.1998 und den darauf von uns bereits eingeleiteten Schritten ist in einem Telefonat zwischen Herrn O. und Herrn St. ... mit diesen Hintergründen folgendes vereinbart worden:
Es soll kein neues Verfahrenskonzept vorgelegt werden, aber in einem Schreiben an Herrn B. müssen einige Punkte deutlich zum Ausdruck gebracht werden ..., wie z.B.: - Hinweis auf mögliche Kapazitätsengpässe, - Hinweis auf mögliche Änderungen aufgrund neuer Navigations- und Verfahrensgrundlagen - deutlicher Hinweis, dass es sich hierbei nur um Grobplanung handelt und mit Inbetriebnahme Verfahrensänderungen, insbesondere die Divergenz-SIDs möglich sind.
Diese Punkte sollen dann auch in der Planfeststellung festgeschrieben werden! ... Ich persönlich denke, dass wir vor dem zugespitzten politischen Hintergrund mit dieser Lösung leben können, unsere Bedenken sind dann festgeschrieben und die neuen Verfahren behalten wir in der Hinterhand.“

7 Mit Schreiben vom 26. Oktober 1998 teilte die DFS dem Beklagten unter Bezugnahme auf die Besprechungen vom 30. März und 29. September 1998 Folgendes mit:
„Die dort (von der PPS) dargestellte Streckengeometrie entspricht grundsätzlich den derzeitigen Planungen der DFS (Klammerzusatz nicht im Original).
In o. Besprechung kündigte die DFS eine zusätzliche Prüfung im Hinblick auf eine gleichzeitige unabhängige Durchführung von IFR-Flugverkehr auf beiden Pisten an.
Als Ergebnis dieser Prüfung ergab sich, dass bei dem geplanten Bahnabstand IFR-Anflüge unabhängig voneinander auf beide Pisten durchgeführt werden können. Um allerdings auch parallele IFR-Abflüge gleichzeitig von beiden Pisten gewährleisten zu können, wäre generell eine Divergenz der Abflugwege von 15° erforderlich. Dies bedeutet, dass es bei den vorliegenden Abflugverfahren während Verkehrsspitzenzeiten zu Abflugverzögerungen kommen könnte.
Es wird darauf hingewiesen, dass die nach § 27a LuftVO vom LBA per Rechtsverordnung festzulegenden Flugverfahren nicht Gegenstand einer Planfeststellung oder Flugplatzgenehmigung sein können. ...
Die Festlegung der für die Inbetriebnahme des neuen Bahnsystems notwendigen Flugverfahren wird demzufolge erst kurz vor Betriebsaufnahme unter Berücksichtigung obiger Gesichtspunkte und in enger Zusammenarbeit mit allen Betroffenen erfolgen.“

8 In der Folgezeit erstellte die PPS die Planunterlagen auf der Grundlage der von der DFS erstellten Grobplanung der Flugrouten; den Gutachten zu den flugroutenabhängigen Auswirkungen des Flugbetriebs liegt ebenfalls diese Grobplanung zugrunde.

9 Im Anhörungsverfahren gab die DFS am 3. Juli 2000 eine Stellungnahme als Trägerin öffentlicher Belange ab. Sie wiederholte fast wortgleich den Inhalt ihrer Stellungnahme vom 26. Oktober 1998.

10 Im Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 legte der Beklagte dar, dass die Herstellung eines unabhängig benutzbaren Parallelbahnsystems ein wesentlicher Grund für den Ausbau des Flughafens sei. Um das den Planungen zugrunde liegende Verkehrsaufkommen von 360 000 Flugbewegungen bewältigen zu können, sei es erforderlich, dass die beiden Bahnen unabhängig voneinander betrieben werden könnten (PFB S. 336 Abs. 1, 409 Abs. 5). Er wies darauf hin, dass die Flugrouten in einem separaten Verfahren festgelegt würden. Die dem DES zugrunde gelegten Flugrouten bezeichnete er als „durchaus plausible und auch hinreichend konkrete Grundlage für die Ermittlung der Auswirkungen des Ausbauvorhabens“ (PFB S. 414). Auch die Schutz- und Entschädigungsgebiete legte er auf der Grundlage dieser Flugrouten fest. Bei geänderten An- und Abflugverfahren behielt er sich vor, die festgelegten Schutz- und Entschädigungsgebiete neu auszuweisen, wenn sich der Dauerschallpegel an der äußeren Grenze des Schutzgebiets an den Schnittpunkten mit den An- und Abflugstrecken um mehr als 2 dB(A) ändert (A II 5.1.9 Nr. 1 PFB).

11 Am 6. September 2010 stellte die DFS der Fluglärmkommission eine neue Flugroutenplanung vor; danach sollten die von der Nordbahn startenden Flugzeuge in Betriebsrichtung Westen um erheblich mehr als 15° abknicken und Teltow, Stahnsdorf und Kleinmachnow überfliegen. Die Abflüge von der Südbahn sollten in beiden Betriebsrichtungen um etwa 15° nach Süden abknicken.

12 Am 10. Dezember 2010 wurde das H.-Schreiben in der Presse veröffentlicht. Am 16. Dezember 2010 gab der Staatssekretär des Beklagten Herr Br. ein Radiointerview, in dem er u.a. erklärte, der Beklagte habe „natürlich von den abknickenden Flugrouten gewusst.“ Allerdings habe man die Prognosen nicht anpassen können, da man nicht gewusst habe, in welche Richtung die endgültigen Flugrouten später abknicken würden.

13 Im Verfahren BVerwG 4 A 7000.11 beantragten die Kläger mit Schreiben vom 6. Dezember 2010 beim Beklagten, das Planfeststellungsverfahren wiederaufzugreifen. Zur Begründung führten sie aus, der am 6. September 2010 vorgestellten Planung der DFS sei zu entnehmen, dass ihre Grundstücke entgegen den im Planfeststellungs- und im Planergänzungsbeschluss aufgezeichneten Flugrouten von Flugzeugen des künftigen Verkehrsflughafens überflogen würden. Dies sei im Rahmen des damaligen Verfahrens für sie nicht erkennbar gewesen. Das Verfahren sei wieder aufzugreifen und in diesem Rahmen seien Unterlagen auszulegen, die die tatsächliche Planung der DFS mit abknickenden Flugrouten berücksichtigten. Nur dadurch würden sie in die Lage versetzt, Einwendungen zu erheben. Der Beklagte lehnte die Anträge mit Bescheid vom 21. Februar 2011 ab.

14 Die Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 5000.10 und 5001.10 haben am 23. Dezember 2010, der Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 5002.10 am 24. Dezember 2010 und die Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 7000.11 am 9. März 2011 Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss i.d.F. des Planergänzungsbeschlusses erhoben. Alle Kläger haben zugleich Wiedereinsetzung in die Klagefrist beantragt.

15 In den Verfahren BVerwG 4 A 5000.10 bis 5002.10 machen die Kläger zur Begründung ihrer Wiedereinsetzungsanträge geltend: Sie seien schuldlos an einer rechtzeitigen Klageerhebung gehindert gewesen, da sie ihre mögliche Betroffenheit durch den Planfeststellungsbeschluss und den Planergänzungsbeschluss nicht hätten erkennen können. Die einjährige Ausschlussfrist des § 60 Abs. 3 VwGO stehe der Wiedereinsetzung nicht entgegen, denn es liege ein Fall höherer Gewalt vor. Sie seien vom Beklagten vorsätzlich über die Auswirkungen von Fluglärm auf ihr Grundstück getäuscht worden. Ausgehend von den der Planung zugrunde gelegten geradlinigen Abflugrouten habe es keinen Hinweis dafür gegeben, dass sie abwägungsrelevant von Fluglärm betroffen sein würden. Die geradlinigen Abflugstrecken hätten nicht den Anforderungen an den unabhängigen Parallelbetrieb beider Bahnen entsprochen; dieser erfordere um mindestens 15° divergierende Abflugrouten. Der Beklagte habe wider besseres Wissen an den geradlinigen Abflugrouten festgehalten und sie dadurch absichtlich und bewusst von der Geltendmachung ihrer Rechte abgehalten. Die Kenntnis des 15°-Erfordernisses habe der damalige Leiter der Planfeststellungsbehörde, Herr Staatssekretär Br., erstmals in seinem Radiointerview vom 16. Dezember 2010 eingeräumt. Dass die PPS sachwidrig auf die Flugroutenplanung eingewirkt habe, hätten sie erst durch die Veröffentlichung des H.-Schreibens am 10. Dezember 2010 in der Presse erfahren. Der Grund, der sie gehindert habe, Klage zu erheben, sei nicht nach Kenntnis der Flugroutenplanung der DFS vom 6. September 2010 entfallen, sondern erst nachdem sie Kenntnis der vorsätzlichen Täuschung erlangt hätten. Hilfsweise stützen die Kläger ihr Wiedereinsetzungsbegehren auf die ihnen am 18. April 2011 aus der Presse bekannt gewordene E-Mail des Mitarbeiters der DFS, Herrn S., vom 9. Oktober 1998. Aus ihr gehe hervor, dass die DFS stets abknickende Flugrouten gewollt und Herr B. in Kenntnis dieses Umstandes auf die Abgabe einer gezielt irreführenden Stellungnahme hingewirkt habe. Aus Vermerken des Beklagten vom 28. Februar 1995, 21. August 1995 und 4. September 1995 und einer DFS-Präsentation, so die Kläger in den Verfahren BVerwG 4 A 5001.10 und 5002.10, gehe im Zusammenhang mit den Verwaltungsvorgängen des Planfeststellungsverfahrens zudem hervor, dass der Beklagte bereits 1995 das Erfordernis einer Flugroutengrobplanung durch die DFS gesehen, aber nicht gewollt und daher in gemeinsamen Wirken mit der Beigeladenen hinausgezögert habe, weil er ansonsten das Erfordernis einer neuen Standortwahl befürchtete.

16 Die Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 7000.11 machen zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags geltend, die Versäumung der Klagefrist sei gemäß § 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 45 Abs. 3 VwVfG nicht verschuldet, weil sie vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses nicht in der erforderlichen Weise angehört worden seien. Da ordnungsgemäße Planunterlagen noch immer nicht ausgelegt worden seien, sei die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist gemäß § 45 Abs. 3 Satz 2 VwVfG bislang nicht in Lauf gesetzt worden. Vorsorglich stützen auch sie den Antrag auf die E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn S. und weitere E-Mails und Berichte, von denen sie durch Akteneinsicht bei der DFS Kenntnis erlangt haben (E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn K. vom 3. Februar 2006; undatierte Stellungnahme der DFS aus dem Jahr 2010; AirTOp27 - Ergebnispräsentation vom 23. September 2010; Ideen-Papier über neue An-/Abflugverfahren und Luftraumstrukturen der DFS vom 11. Dezember 2007; Realzeitsimulation BBI der DFS vom 12. November 2009; Schnellzeitsimulation der DFS vom 7. Dezember 2009; NIROS Simulation - Bericht EDDB 1 der DFS vom 28. August 2009). Die Klagen seien auch im Übrigen zulässig. Auch angesichts der inzwischen vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) festgelegten Flugrouten bestehe für alle Kläger noch die Möglichkeit, dass sie von abwägungserheblichem Fluglärm betroffen sein könnten.

17 Die Klagen seien auch begründet. Der Planfeststellungsbeschluss und der Planergänzungsbeschluss seien wegen der fehlerhaften bzw. unterbliebenen Anhörung der Kläger verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Die vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses ausgelegten Antragsunterlagen hätten ihnen gegenüber keine Anstoßfunktion entfaltet. Aus den Planunterlagen sei eine rechtlich erhebliche Belastung ihrer Grundstücke mit Fluglärm nicht zu erkennen gewesen.

18 Der Planfeststellungsbeschluss sei auch materiell rechtswidrig. Die Zugrundelegung der erkannt unrealistischen Flugroutenplanung bei der Ermittlung der Lärmbetroffenheiten begründe ein Abwägungsdefizit. Dies habe das Abwägungsergebnis beeinflusst, denn abknickende Flugrouten würden über dicht besiedelte Gebiete unmittelbar an der Südgrenze Berlins führen. Wären die hierdurch hervorgerufenen zusätzlichen Lärmbetroffenheiten berücksichtigt worden, so wäre eine Entscheidung für einen stadtnahen Flughafen und gegen den Standort Sperenberg nicht mehr vertretbar gewesen, jedenfalls bestehe die konkrete Möglichkeit einer anderen Standortentscheidung. Auch die Auswahl der Bahnkonfiguration und das Flugsicherheitsgutachten beruhten auf der rechtswidrigen Flugroutenprognose. Selbst wenn man von einer ungefähr gleichbleibenden Zahl Lärmbetroffener ausgehe, sei die Abwägung fehlerhaft; die tatsächlich Lärmbetroffenen durch eine vergleichbare Zahl hypothetisch - unter unrealistischen Flugrouten - Lärmbetroffener zu „ersetzen“, degradiere den Einzelnen zu einer reinen Zählgröße in der Abwägung und verletze die Menschenwürdegarantie in Art. 1 Abs. 1 GG, zumal den tatsächlich Betroffenen hierdurch Rechtsschutzmöglichkeiten genommen würden.

19 Die Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 5000.10 beantragen,
den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2009 aufzuheben.

20 Die Kläger der Verfahren BVerwG 4 A 5001.10 und 5002.10 beantragen,
den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2009 aufzuheben,
hilfsweise
die Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses auszusetzen und den Beklagten zu verpflichten, ein ergebnisoffenes Fehlerbehebungsverfahren durchzuführen.

21 Die Kläger im Verfahren BVerwG 4 A 7000.11 beantragen,
den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 in der derzeit gültigen Fassung aufzuheben,
hilfsweise hierzu
1. den Beklagten zu verpflichten, über eine weitergehende Einschränkung des Nachtflugbetriebs in Teil A II Ziff. 5.1.1 Abs. 1, Abs. 3 c), Abs. 4 bis 6 und Abs. 9 des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,
weiter hilfsweise hierzu
den Beklagten zu verpflichten, über weitergehende Einschränkungen des Nachtflugbetriebs in der Zeit zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr Ortszeit in Teil A II Ziff. 5.1.1 Abs. 1, Abs. 3 c), Abs. 4 bis 6 und Abs. 9 des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

22 Soweit die Klagen im Verfahren BVerwG 4 A 7000.11 ursprünglich auch auf weitergehenden passiven Schallschutz gerichtet waren, haben die Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die übrigen Beteiligten haben sich dieser Erklärung angeschlossen.

23 Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 beantragen jeweils,
die Klagen abzuweisen.

24 Die Beigeladenen zu 2 und 3 stellen keine Anträge.

25 Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 halten die Klagen für unzulässig. Die Klagefrist sei für alle Kläger verstrichen, da der Planfeststellungsbeschluss ihnen gegenüber gemäß § 74 Abs. 4 und 5 VwVfG mit Ablauf der Auslegungsfrist wirksam bekannt gemacht worden sei. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren. Die Kläger hätten die Forderung der DFS nach Einhaltung einer 15°-Divergenz aus den Verwaltungsakten entnehmen können; sie sei auch im Erörterungstermin zur Sprache gekommen. Auf die Vorläufigkeit und Unverbindlichkeit der Flugroutenprognose sei im Planfeststellungsbeschluss hingewiesen worden. Erst recht liege kein Fall höherer Gewalt vor. Der Beklagte habe über das 15°-Erfordernis nicht getäuscht. Zudem habe ein etwaiger Irrtum hierüber die Kläger nicht an der Klageerhebung gehindert, da das 15°-Erfordernis die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses nicht berühre. Jedenfalls sei der Wiedereinsetzungsantrag verspätet gestellt worden; ein unterstelltes unverschuldetes bzw. auf höherer Gewalt beruhendes Klagehindernis sei nicht erst mit Kenntnis vom H.-Schreiben oder vom Br.-Interview, sondern bereits nach den Presseberichten über die Flugroutenplanungen im September/Oktober 2010 entfallen.

26 Die Klagen seien auch unbegründet. Eine Auslegung in Kleinmachnow sei nicht erforderlich gewesen, da eine Betroffenheit auf Grundlage der eingereichten, auf der zur Abschätzung der Betroffenheiten ausreichenden Grobplanung beruhenden Unterlagen nicht erkennbar gewesen sei. Es sei zudem nichts für die Kausalität zwischen einem unterstellten Auslegungsfehler und dem Abwägungsergebnis ersichtlich. Die Ausführungen des Senats zur Unerheblichkeit des 15°-Erfordernisses für das Nachtbetriebskonzept gälten erst recht für die Standortentscheidung. Die fehlende Realisierungschance der Grobplanung sei auch ohne Auswirkungen auf die Konfigurationsanalyse und das Flugsicherheitsgutachten gewesen.

II

27 Soweit die Beteiligten des Verfahrens BVerwG 4 A 7000.11 den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Im Übrigen sind die Klagen unzulässig. Die Kläger haben die Klagefrist versäumt. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann ihnen nicht gewährt werden.

28 A. Klagefrist

29 Ist - wie hier (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, § 70 VwVfGBbg i.d.F. der Bekanntmachung vom 9. März 2004, im Folgenden: VwVfGBbg a.F.) - ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, muss die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO).

30 Der Planfeststellungsbeschluss wurde gemäß § 74 Abs. 5 VwVfGBbg a.F. mit Wirkung gegenüber allen Klägern öffentlich bekannt gemacht. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Planfeststellungsbeschlusses, die Rechtsbehelfsbelehrung und ein Hinweis auf die Auslegung nach § 74 Abs. 4 Satz 2 VwVfG im amtlichen Veröffentlichungsblatt der zuständigen Behörde und außerdem in örtlichen Tageszeitungen bekannt gemacht werden, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich das Vorhaben voraussichtlich auswirken wird; auf Auflagen ist hinzuweisen (§ 74 Abs. 5 Satz 2 VwVfGBbg a.F.); mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Beschluss den Betroffenen und denjenigen gegenüber, die Einwendungen erhoben haben, als zugestellt; hierauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen (§ 74 Abs. 5 Satz 3 VwVfGBbg a.F.).

31 Der verfügende Teil des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 wurde im Amtlichen Anzeiger vom 18. August 2004 - Beilage zum Amtsblatt für Brandenburg Nr. 32 (S. 1517) - bekannt gemacht. Die Bekanntmachung enthielt den Hinweis darauf, dass Ausfertigungen des Planfeststellungsbeschlusses einschließlich aller ausgefertigten Pläne vom 6. bis 20. September 2004 für das Land Brandenburg in einzeln genannten amtsfreien Gemeinden, Städten und Ämtern und für das Land Berlin in den Bezirksämtern Neukölln, Tempelhof-Schöneberg und Treptow-Köpenick ausgelegt würden, den Hinweis auf die Zustellfiktion und die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung. Dieser Text wurde auch in den örtlichen, im Einwirkungsbereich des Flughafens verbreiteten Tageszeitungen B.Z., Märkische Allgemeine Zeitung, Märkische Oderzeitung, Potsdamer Neueste Nachrichten, jeweils vom 14./15. August 2004, und Tagesspiegel, Berliner Morgenpost und Berliner Zeitung, jeweils vom 20. August 2004, bekannt gemacht.

32 Die Zustellfiktion gemäß § 75 Abs. 5 Satz 3 VwVfGBbg a.F. ist auch gegenüber den Klägern aus Kleinmachnow eingetreten. Dass der Planfeststellungsbeschluss dort nicht ausgelegt war, steht der Zustellfiktion nicht entgegen. Die öffentliche Bekanntmachung des verfügenden Teils des Planfeststellungsbeschlusses ersetzt zwar nicht die öffentliche Auslegung in den Gemeinden, in denen sich das Vorhaben auswirkt (Allesch/Häußler, in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl. 1999, § 74 Rn. 140; Dürr, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 74 Rn. 46, 50); die maßgebende Anstoßwirkung geht jedoch von der Bekanntmachung des verfügenden Teils des Planfeststellungsbeschlusses aus (Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, Stand Juli 2012, § 10 Rn. 102; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 74 Rn. 152; vgl. Urteil vom 27. Mai 1983 - BVerwG 4 C 40.81 u.a. - BVerwGE 67, 206 <214>). Insoweit unterscheidet sich die öffentliche Bekanntmachung nach § 74 Abs. 5 VwVfG von der ortsüblichen, je nach Landes- und Ortsrecht nicht notwendigerweise in den örtlichen Tageszeitungen erfolgenden Bekanntmachung nach § 74 Abs. 4 VwVfG. Bei dieser werden nur Ort und Zeit der Auslegung bekannt gemacht. Bei der öffentlichen Bekanntmachung müssen darüber hinaus das Vorhaben mit seinen wesentlichen Maßnahmen und den hierzu getroffenen Regelungen inhaltlich so bezeichnet werden, dass die möglicherweise in ihren Rechten Betroffenen die Möglichkeit ihrer Betroffenheit erkennen können und veranlasst werden, weitere Informationen einzuholen (Urteil vom 27. Mai 1983 a.a.O. <213 ff.>; Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 74 Rn. 217). Der Hinweis auf die Auslegung nach § 74 Abs. 4 Satz 2 VwVfG gibt lediglich Auskunft, wo die Adressaten der öffentlichen Bekanntmachung die weiteren Informationen einholen können.

33 Im vorliegenden Fall musste die Anstoßwirkung der öffentlichen Bekanntmachung auch die Kleinmachnower Kläger erreichen. Jedenfalls die Potsdamer Neuesten Nachrichten und die Märkische Allgemeine Zeitung sind in Kleinmachnow verbreitet; sie haben Lokalteile für die Region. Der Bekanntmachungstext enthielt eine Aufzählung der Baumaßnahmen an den Start- und Landebahnen, Rollbahnen und Vorfeldern, den Hinweis auf die Ausweisung von Flächen für Flughafenbauten und Angaben zur Anbindung des Flughafens an das Straßen- und Schienennetz sowie zur Anlegung eines Flughafenbahnhofs; er ließ keinen Zweifel daran, dass der Flughafen Berlin-Schönefeld zu einem neuen Großflughafen ausgebaut werden sollte. Angesichts der Größe des Vorhabens und der Entfernung ihrer Grundstücke zum Flughafen mussten die Kleinmachnower Kläger die Möglichkeit in Betracht ziehen, durch den zu erwartenden Flugbetrieb betroffen zu werden. Da die An- und Abflugverfahren nicht Gegenstand der Planfeststellung sind, mussten die Kläger insbesondere in Betracht ziehen, dass die Flugrouten anders festgelegt werden als für die Planfeststellung angenommen. Insoweit gilt für die Kleinmachnower Kläger nichts anderes als für die Betroffenen, in deren Gemeinde der Planfeststellungsbeschluss ausgelegt war. Wegen der relativ großen Entfernung vom Flughafen konnten die Kleinmachnower Kläger zwar nicht sicher davon ausgehen, dass ihre mögliche Betroffenheit noch als erheblich bewertet werden würde; auch sie konnten der Bekanntmachung jedoch entnehmen, dass sie eine Klage jedenfalls nur innerhalb eines Monats nach dem Ende der Auslegungsfrist erheben konnten.

34 Dass bereits die Planunterlagen in Kleinmachnow nicht ausgelegt worden waren, steht der Anstoßwirkung ebenfalls nicht entgegen. Die öffentliche Bekanntmachung eines Planfeststellungsbeschlusses für den Ausbau eines Flughafens zu einem neuen Großflughafen trifft auf ein vorinformiertes aufmerksames Publikum. Planfeststellungsbedürftige Großvorhaben werden stets über einen längeren Zeitraum vorbereitet, währenddessen ihr Bekanntheitsgrad auch ohne amtliche Publikation auf mannigfache Weise (z.B. durch Presseveröffentlichungen, Rundfunk, Fernsehen und zumeist auch durch Verlautbarungen von Bürgerinitiativen) zunimmt (Urteil vom 27. Mai 1983 a.a.O. <211>). So war es auch hier. Aufgrund dieser Vorinformationen wurden die Kleinmachnower Kläger von der öffentlichen Bekanntmachung des Planfeststellungsbeschlusses nicht unvorbereitet getroffen. Sollte die Auslegung der Planunterlagen in Kleinmachnow zu Unrecht unterblieben sein, hätte dies möglicherweise gemäß § 60 Abs. 2 VwGO, § 1 Abs. 1 VwVfGBbg in der für die Beurteilung des Wiedereinsetzungsantrags maßgeblichen Fassung vom 7. Juli 2009 i.V.m. § 45 Abs. 3 VwVfG eine Wiedereinsetzung in die Klagefrist rechtfertigen können; das ist indes eine Frage der Begründetheit des Wiedereinsetzungsantrags. Weitergehende Rechtsfolgen für den Lauf der Frist ergeben sich hieraus nicht.

35 Die Klagefrist wurde mithin durch die gemäß § 74 Abs. 5 Satz 3 VwVfGBbg a.F. eingetretene Zustellfiktion mit Ende des 20. September 2004 in Lauf gesetzt. Sie endete am 20. Oktober 2004 (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 2 Satz 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die am 23. Dezember 2010 (BVerwG 4 A 5000.10 und 5001.10), 24. Dezember 2010 (BVerwG 4 A 5002.10 ) bzw. 8. März 2011 (BVerwG 4 A 7000.11 ) erhobenen Klagen sind verspätet.

36 B. Wiedereinsetzung

37 Die beantragte Wiedereinsetzung in die Klagefrist kann den Klägern nicht gewährt werden.

38 I. Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung

39 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten (§ 60 Abs. 1 VwGO). Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war (§ 60 Abs. 3 VwGO).

40 Hier ist seit dem Ende der Klagefrist mehr als ein Jahr verstrichen. Eine Wiedereinsetzung ist mithin nur unter den erschwerten Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 VwGO möglich. Bereits deshalb kann § 1 VwVfGBbg i.V.m. § 45 Abs. 3 VwVfG dem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen. Nach dieser Vorschrift gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsakts unterblieben und dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsakts versäumt worden ist. § 45 Abs. 3 VwVfG fingiert nur das mangelnde Verschulden, nicht die Unmöglichkeit der Fristwahrung infolge höherer Gewalt (Ziekow, VwVfG, 2. Aufl. 2010, § 45 Rn. 24; Kopp/Ramsauer, a.a.O. § 45 Rn. 48; Meyer, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 45 Rn. 52). Das ist nach dem Wortlaut der Vorschrift eindeutig. Eine erweiternde Auslegung des § 45 Abs. 3 VwVfG kommt nicht in Betracht; abgesehen von dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber die Folgen von Verfahrensfehlern begrenzt (vgl. § 45 Abs. 2 und 3, § 46, § 75 Abs. 1a VwVfG; § 10 Abs. 8 Satz 2 LuftVG).

41 Unter höhere Gewalt fallen nicht nur Naturereignisse und vergleichbare der menschlichen Steuerung entzogene Umstände. Nach ständiger Rechtsprechung ist unter höherer Gewalt ein Ereignis zu verstehen, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte, nach den Umständen des konkreten Falles vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe - namentlich unter Berücksichtigung seiner Lage, Bildung und Erfahrung - zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (Urteile vom 13. Januar 1987 - BVerwG 9 C 259.86 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 6 - juris Rn. 15, vom 18. April 1997 - BVerwG 8 C 38.95 - Buchholz 454.71 § 27 2. WoGG Nr. 2 - juris Rn. 16 und vom 30. Oktober 1997 - BVerwG 3 C 35.96 - BVerwGE 105, 288 <300>; BVerfG, Beschluss vom 16. Oktober 2007 - 2 BvR 51/05 - juris Rn. 11). Dies ist aus Gründen der Rechtssicherheit eine hohe Hürde. Ist die rechtzeitige Vornahme einer fristgebundenen Handlung unzumutbar, ist dies aus verfassungsrechtlichen Gründen allerdings immer ein Ereignis aus dem Bereich der höheren Gewalt (BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 1985 - 2 BvR 1167/84 u.a. - BVerfGE 71, 305 <348>). Auch ein rechts- oder treuwidriges Verhalten der Behörde kann einen Fall höherer Gewalt begründen (BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 a.a.O.). Hierfür genügt jedoch nicht jede Irreführung durch eine Behörde. Bei einer Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss ist ein Fall höherer Gewalt allenfalls dann gegeben, wenn der Beklagte bei den Klägern einen Irrtum über die Möglichkeit der eigenen Betroffenheit und damit ihre Klagebefugnis (II.) oder die hinreichenden Erfolgsaussichten einer Klage (III.) erregt oder arglistig über einen für den Erfolg der Klage relevanten Umstand getäuscht hat (IV.). Die Erregung von Irrtümern über Umstände, die für den Erfolg der Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss nicht relevant sind, kann einen Fall höherer Gewalt nicht begründen.

42 Gemessen hieran waren die Kläger nicht infolge höherer Gewalt gehindert, jedenfalls innerhalb eines Jahres seit dem Ende der Klagefrist Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 zu erheben.

43 II. Keine Irrtumserregung über die Klagebefugnis

44 Einen Irrtum über ihre Klagebefugnis hat der Beklagte bei den Klägern nicht erregt. Zur Begründung ihrer Klagebefugnis hätten die Kläger - nicht anders als mit den vorliegenden Klagen - geltend machen können, durch den Planfeststellungsbeschluss in ihrem Recht auf fehlerfreie Abwägung ihrer eigenen Belange (§ 8 Abs. 1 LuftVG) verletzt zu sein. Die Möglichkeit einer Verletzung dieses Rechts i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO bestand unabhängig davon, ob die Auswirkungen des Flugbetriebs im Planfeststellungsverfahren ausgehend von divergierenden Abflugrouten hätten ermittelt werden müssen oder nicht.

45 1. Rechtliche Voraussetzungen der Klagebefugnis

46 Das Recht auf fehlerfreie Abwägung der eigenen Belange steht nicht nur demjenigen zu, dessen Belange ausgehend von der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Flugroutenprognose abwägungserheblich betroffen wären, sondern jedem, der abwägungserheblich betroffen werden kann, weil sein Grundstück innerhalb des Einwirkungsbereichs des Flughafens liegt und weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen auszuschließen ist, dass ein zu seiner Betroffenheit führendes Flugverfahren festgelegt wird. Das gilt unabhängig davon, ob die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegende Flugroutenprognose rechtmäßig oder rechtswidrig ist.

47 Die Flugverfahren werden nicht zusammen mit der Entscheidung über die Anlegung oder den Ausbau des Flughafens im Planfeststellungsverfahren, sondern in einem gesonderten Verfahren vom BAF auf der Grundlage von Vorarbeiten der DFS durch Rechtsverordnung festgelegt (§ 32 Abs. 4 Nr. 8, Abs. 4c LuftVG, § 27a Abs. 2 Satz 1 LuftVO). Müssen die Flugverfahren für ein neues Bahnsystem festgelegt werden, kann dies erst nach der Planfeststellung der neuen Bahnen geschehen; auch nach Inbetriebnahme des Bahnsystems können die Flugverfahren geändert werden. Die Ermittlung der Lärmbetroffenheiten und anderer Auswirkungen des Flugbetriebs im Planfeststellungsverfahren ist deshalb systemimmanent mit der Unsicherheit behaftet, dass die Flugrouten für die An- und Abflüge nicht feststehen (Urteil vom 13. Oktober 2011 - BVerwG 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 147). In einer solchen Situation muss jeder Klage gegen die Anlegung oder den Ausbau eines Flughafens erheben können, der durch Fluglärm abwägungserheblich betroffen werden kann.

48 Effektiver Rechtsschutz gegen die Anlegung oder den Ausbau eines Flughafens und die damit verbundenen Beeinträchtigungen durch den Flugbetrieb kann nur im Planfeststellungsverfahren gewährleistet werden. Die Festlegung der Flugrouten unterliegt zwar ebenfalls gerichtlicher Überprüfung; die eigentliche Störquelle - die Anlegung oder der Ausbau des Flughafens - lässt sich in diesem Verfahren jedoch nicht mehr beseitigen (Urteile vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 <283>, vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152 <157> und vom 4. Mai 2005 - BVerwG 4 C 6.04 - BVerwGE 123, 322 <329>). Das BAF ist bei der Festlegung der Flugrouten auch nicht an die der Planfeststellung zugrunde gelegte Grobplanung der Flugrouten gebunden, selbst wenn diese mit der DFS abgestimmt war. Es muss unter Beteiligung der Fluglärmkommission (§ 32b Abs. 2 und 3 LuftVG; vgl. Urteil vom 24. Juni 2004 a.a.O. <169>) und gegebenenfalls des Umweltbundesamtes (§ 32 Abs. 4c Satz 2 LuftVG) in Betracht kommende Routenalternativen prüfen und sodann eine eigene Abwägungsentscheidung treffen. Die in der Planfeststellung und der luftrechtlichen Genehmigung getroffenen Entscheidungen hat es hierbei zu beachten; deren Ausnutzung darf es nicht vereiteln (Urteil vom 4. Mai 2005 a.a.O. <330 f.>). Auch tragende Erwägungen des Planfeststellungsbeschlusses können bei der Festlegung der Flugrouten zu beachten sein. Wenn es - wie hier - Planungsziel ist, durch die Schließung der innerstädtischen Flughäfen Tegel und Tempelhof und den Ausbau des Flughafens Schönefeld zum einzigen Verkehrsflughafen der Metropolregion Berlin Brandenburg die Zahl der schwer Lärmbetroffenen wesentlich zu senken, darf dieses Ziel nicht konterkariert werden, indem stark belegte Abflugverfahren über dicht besiedeltes Stadtgebiet geführt werden. Die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Weise die Erwartung der Anwohner und Gemeinden, die Festlegung der Flugrouten werde von der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Grobplanung jedenfalls nicht wesentlich abweichen, bei der Entscheidung des BAF in die Abwägung einzustellen ist, braucht im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden. Jedenfalls wäre dieser Belang in der Abwägung nicht unüberwindbar. Die Entstehung anderer als der prognostizierten Betroffenheiten kann im Verfahren zur Festlegung der Flugrouten nicht ausgeschlossen werden.

49 Die Klagebefugnis eines nicht sicher, sondern nur möglicherweise Betroffenen ergibt sich aus seiner materiellen Rechtsposition in der fachplanerischen Abwägung; er hat in der Abwägung nicht - wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung gemeint hat - eine bloße „Null-Position“. Wird der Standort des Flughafens - wie hier - durch die Landesplanung zielförmig festgelegt, sind auf der Ebene der Landesplanung die weiträumigen Auswirkungen der Standortwahl auf die Siedlungs- und Freiraumstruktur des Planungsraums in den Blick zu nehmen (vgl. Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 72). Bereits der Träger der Landesplanung muss berücksichtigen, dass die Flugverfahren nicht feststehen. Die Standortwahl muss grundsätzlich auch dann abgewogen sein, wenn andere als die prognostizierten Flugrouten festgelegt werden (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 150). Der Träger der Landesplanung muss prüfen, ob dies in den nachfolgenden Verfahren gewährleistet werden kann oder ob die Umsetzung seiner Standortentscheidung im nachfolgenden Planfeststellungsverfahren i.V.m. dem Verfahren zur Festlegung der Flugverfahren aus Gründen des Lärmschutzes auf unüberwindbare tatsächliche oder rechtliche Hindernisse stoßen würde (vgl. Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 154). Die Anforderungen an die insoweit erforderliche Ermittlungstiefe und Abwägungsdichte werden durch die Aufgabenstellung der Raumordnung, den Detaillierungsgrad der Zielaussage und die planerische Konzeption des Trägers der Landesplanung bestimmt (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 74, 153). Im Planfeststellungsverfahren können die von der landesplanerischen Standortfestlegung betroffenen Anwohner ihre privaten Belange verteidigen; fechten sie den Planfeststellungsbeschluss an, unterliegt die zielförmige Standortentscheidung der Landesplanung der gerichtlichen Inzidentkontrolle (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 82 f.).

50 Bei der Entscheidung über die Zulassung des konkreten Vorhabens an dem landesplanerisch festgelegten Standort muss die Planfeststellungsbehörde nach der Rechtsprechung des Senats nicht alle realistischerweise in Betracht kommenden Flugrouten auf die zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen untersuchen; sie kann sich auf die Betrachtung bestimmter Flugrouten beschränken (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 147). Der Planfeststellungsbeschluss muss aber die von dem Planvorhaben in seiner räumlichen Umgebung aufgeworfenen Probleme bewältigen (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 151 m.w.N.). Hierzu ist er nur in der Lage, wenn die prognostische Flugroutenplanung Art und Ausmaß der zu erwartenden Betroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung realistisch abbildet. Die ausgehend von solchen exemplarischen Flugrouten ermittelten Betroffenheiten stehen in der Abwägung stellvertretend für vergleichbare Betroffenheiten, die bei anderen Flugverfahren an ihre Stelle treten würden. Werden andere als die prognostizierten Flugrouten festgelegt, bleiben die Betroffenheiten aber nach Art und Umfang im Wesentlichen unverändert, genügt es zur Bewältigung der sich daraus ergebenden Konflikte in der Regel, die Schutz- und Entschädigungsgebiete neu auszuweisen. Soweit es um das subjektive Recht auf fehlerfreie Abwägung der eigenen Belange geht, ist eine Repräsentation durch exemplarisch ermittelte andere Betroffene hingegen nicht möglich. Das subjektive Recht steht jedem Einzelnen zu, dessen schutzwürdige Belange mehr als geringfügig betroffen werden können. Der Einwand der Kläger, dass der Einzelne zu einer reinen Zählgröße in der Abwägung degradiert und dadurch in seiner Menschenwürde verletzt werde, geht schon aus diesem Grund fehl.

51 Durch später von der Grobplanung abweichende Flugverfahren können jedoch auch Lärmbetroffenheiten entstehen, die nach Art und Umfang durch die prognostizierten Flugverfahren nicht abgebildet werden. Der Planfeststellungsbeschluss muss auch die sich daraus ergebenden Konflikte vorab bewältigen, soweit dies nicht bereits auf der Ebene der Landesplanung geschehen ist. Hierfür ist es erforderlich, die gesamte Umgebung des Flughafens, die von abwägungserheblichem Lärm betroffen werden könnte, in den Blick zu nehmen. Eine von bestimmten Flugrouten ausgehende Ermittlung der Lärmbetroffenheiten ist allerdings in aller Regel nicht erforderlich. Denn für die Konfliktbewältigung genügt es sicherzustellen, dass die Festlegung der An- und Abflugverfahren die Zulassung des Vorhabens an dem vorgegebenen Standort mit der festgelegten Bahnkonfiguration nicht nachträglich als unabgewogen erscheinen lässt. Wenn die Prognose der An- und Abflugverfahren mit dem BAF oder der DFS abgestimmt ist (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 151), darf die Planfeststellungsbehörde grundsätzlich davon ausgehen, dass das BAF Flugverfahren festlegen wird, die Art und Ausmaß der im Planfeststellungsverfahren ermittelten Betroffenheiten nicht wesentlich übersteigen. Vorkehrungen für den Fall, dass das BAF das Planungsziel durch Festlegung von Abflugverfahren über dicht besiedeltes Stadtgebiet konterkariert, braucht sie nicht zu treffen; eine solche Flugroutenplanung wäre evident rechtswidrig. Ist nach dem planerischen Konzept der Planfeststellungsbehörde Grundlage für die Zulassung des Vorhabens an dem gewählten Standort, dass bestimmte Gebiete, die wegen ihrer dichten Besiedlung oder aus anderen Gründen besonders schutzwürdig sind, von einer Verlärmung durch stark belegte Abflugrouten verschont bleiben, kann sie auch dies im Planfeststellungsbeschluss feststellen. Das BAF hat bei der Festlegung der Flugverfahren dann auch diese Vorgabe zu beachten. Die Benutzung des Luftraums kann im Planfeststellungsverfahren zwar nicht geregelt werden (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 147). Das Planfeststellungsverfahren für die Anlegung oder den Ausbau des Flughafens und das Verfahren zur Festlegung der Flugrouten stehen jedoch in einer Wechselbeziehung. Lässt sich die Zulassung des Flughafenausbaus nach dem Abwägungskonzept der Planfeststellungsbehörde nur rechtfertigen, wenn bestimmte Gebiete von erheblichen Beeinträchtigungen durch Fluglärm verschont bleiben, kann die Planfeststellungsbehörde klarstellen, dass der Schutz dieser Gebiete zu den tragenden Erwägungen des Planfeststellungsbeschlusses gehört, zu denen sich das BAF bei der nachfolgenden Festlegung der Flugverfahren nicht in Widerspruch setzen darf. Ist der Schutz bestimmter Gebiete Voraussetzung bereits für die zielförmige Festlegung des Flughafenstandorts in der Landesplanung, kann auch der Träger der Landesplanung die ihm zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um den Schutz dieser Gebiete in den nachfolgenden Verfahren zu sichern (vgl. Urteil vom 4. April 2012 - BVerwG 4 C 8.09 u.a. - NVwZ 2012, 1314 Rn. 301 - 308). Die Planfeststellungsbehörde kann sich zudem vorbehalten, die Regelungen über den Flugbetrieb zu ändern, wenn nur so mit dem Abwägungsgebot und dem Schutz der Nachtruhe unvereinbare Beeinträchtigungen verhindert werden können. Mit einer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss können die Anwohner geltend machen, dass die im Planfeststellungsbeschluss vorgesehenen Maßnahmen nicht ausreichend seien, um die Abgewogenheit der Standortentscheidung für den Fall ihrer Betroffenheit durch von der Grobplanung abweichende Flugverfahren sicherzustellen.

52 Veränderungen der Betroffenheiten, die sich ergeben, wenn das BAF Flugverfahren festlegt, die von der für das Planfeststellungsverfahren erstellten Grobplanung abweichen, sind hiernach keine „nicht voraussehbare Wirkungen“ des Vorhabens i.S.v. § 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG (vgl. hierzu Urteil vom 7. März 2007 - BVerwG 9 C 2.06 - BVerwGE 128, 177 Rn. 19). Sie sind den von dieser Vorschrift erfassten Prognoserisiken - wie etwa einem stärkeren Wachstum der Verkehrsmenge als vorhergesehen (vgl. Urteil vom 26. Mai 2011 - BVerwG 7 A 10.10 - juris Rn. 40) - auch nicht vergleichbar. Die Unsicherheiten bei der Ermittlung der Auswirkungen des Flugbetriebs, die sich aus den unterschiedlichen Verfahren für die Anlegung oder den Ausbau des Flughafens einerseits und die Festlegung der Flugverfahren andererseits ergeben, sind vielmehr in der Rechtsordnung begründet; ihnen muss durch eine rechtliche Koordinierung der beiden Verfahren Rechnung getragen werden.

53 Dass das Bundesverwaltungsgericht die Klagebefugnis unabhängig von der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Flugroutenprognose bejahen würde, war nicht unvorhersehbar. Einen gegenteiligen Rechtsstandpunkt hatte es in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht eingenommen. Dass der Erfolg einer Klage wegen einer ungeklärten Rechtsfrage ungewiss ist, stellt keinen Hinderungsgrund im Sinne der Wiedereinsetzungsvorschriften dar; Sinn einer Klage ist es auch, eine ungewisse Rechtslage klären zu lassen (Beschlüsse vom 18. Juli 1988 - BVerwG 3 B 33.88 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 157 und vom 15. März 1989 - BVerwG 7 B 40.89 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 162). Eine Vielzahl anderer Kläger hat sich durch diese Ungewissheit im Übrigen nicht abhalten lassen, fristgerecht Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zu erheben. Auch Anwohner, die ausgehend von der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Grobplanung der Flugrouten nicht abwägungserheblich betroffen wären, haben in großer Zahl Klage erhoben. Die in Königs Wusterhausen, Ortsteil Wernsdorf und Zeuthen wohnhaften Restitutionskläger des Verfahrens BVerwG 4 A 6001.11 bestätigen dies. Alle fristgerecht erhobenen Klagen hatten, soweit es um die Regelung des Nachtflugbetriebs und die Anordnung passiver Schallschutzmaßnahmen ging, teilweise Erfolg (vgl. Urteile vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1001.04 , 1073.04, 1075.05 und 1078.04 <Musterverfahren nach § 93a VwGO>). Das Bundesverwaltungsgericht hat keinem der etwa 4 000 Kläger die Klagebefugnis abgesprochen.

54 2. Keine Irrtumserregung

55 Einen Irrtum über die Möglichkeit der eigenen Betroffenheit hat der Beklagte bei den Klägern nicht erregt. Er hat zwar im Planfeststellungsbeschluss nicht offengelegt, dass die DFS für einen unabhängigen Bahnbetrieb nicht parallele, sondern aus Sicherheitsgründen um mindestens 15° divergierende Abflugrouten planen würde. Ohne einen solchen Hinweis konnten und mussten die Kläger dieses Erfordernis nicht erkennen. Sie mussten auch nicht „ins Blaue hinein“ Klage erheben, um in die Verwaltungsvorgänge mit den darin enthaltenen Stellungnahmen der DFS zur Grobplanung der Flugrouten Einsicht nehmen zu können. Die Festlegung anderer als der prognostizierten geradlinigen Abflugrouten war aber unabhängig von dem 15°-Erfordernis bereits wegen der dargelegten Trennung von Flughafenplanung einerseits und Flugroutenfestlegung andererseits möglich. Abknickende Abflugrouten waren auch ohne dieses Erfordernis nicht nur eine theoretische Möglichkeit. Das 15°-Erfordernis war für die Zulässigkeit einer Klage mithin nicht relevant. Die Rechtslage hat der Beklagte im Planfeststellungsbeschluss zutreffend dargestellt. Er hat darauf hingewiesen, dass die An- und Abflugverfahren nicht Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens seien und erst unmittelbar vor der Inbetriebnahme des ausgebauten Flughafens durch Rechtsverordnung festgelegt würden (PFB S. 414 f., 584, 631, 995). Für den Fall geänderter An- und Abflugverfahren hat er sich die nachträgliche Festsetzung, Änderung und Ergänzung von Auflagen zum Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm vorbehalten (A II 5.1.9 Nr. 1 PFB). Ausgehend hiervon mussten die Kläger erkennen, dass andere, für sie ungünstigere Flugrouten festgelegt werden konnten.

56 Die Kläger konnten auch das Ausmaß der möglichen Betroffenheit ihrer Grundstücke hinreichend abschätzen. Die aus dem Orientierungsplan A III 4-1 (Beiakte 385) ersichtliche Lage ihrer Grundstücke im Verhältnis zu den Start- und Landebahnen und die für die Grobplanung der Flugrouten dargestellten Lärmkonturen bis hinab zu einem Leq(3), Tag = 55 dB(A) (Beiakte 422, Plan M 4.1-7) waren hierfür ausreichend. Der Einwirkungsbereich des Flughafens ließ sich durch eine Verschwenkung der Lärmkonturen ohne Weiteres abschätzen. Ob auch Kleinmachnow innerhalb dieses Bereichs liegt, weil der Fluglärm bei Festlegung einer für diese Gemeinde ungünstigen Abflugroute die Schwelle zur Abwägungserheblichkeit übersteigen würde, hängt davon ab, wo die Schwelle zur Abwägungserheblichkeit zu ziehen ist. Das wäre bei einer fristgerecht erhobenen Klage nicht ungewisser gewesen als bei den jetzt anhängigen Wiedereinsetzungsklagen. Dass der Beklagte im Planfeststellungsverfahren für Kleinmachnow eine abwägungserhebliche Betroffenheit ausschloss und deshalb die Planunterlagen dort nicht ausgelegt hatte, hätte die Wiedereinsetzung zwar möglicherweise innerhalb der Jahresfrist rechtfertigen können; eine Hinderung durch höhere Gewalt ergibt sich aber auch daraus nicht. Die Kläger der Verfahren BVerwG 4 A 5000.10 und 5001.10 hätten das Ausmaß ihrer Betroffenheit nicht anders als andere möglicherweise Betroffene durch Einsichtnahme in den Planfeststellungsbeschluss abschätzen können.

57 III. Keine Irrtumserregung über hinreichende Erfolgsaussichten einer Klage

58 Eine Klage wäre auch in der Sache nicht ohne hinreichende Aussicht auf Erfolg gewesen. Davon mussten die Kläger auch ohne Kenntnis des 15°-Erfordernisses ausgehen. Wie die fristgerecht erhobenen Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss gezeigt haben, war die Entscheidung, den Ausbau des Flughafens am Standort Schönefeld zuzulassen, im Hinblick auf die Abwägung der Lärmbetroffenheiten unabhängig von dem 15°-Erfordernis einer Vielzahl grundsätzlicher Einwendungen ausgesetzt (vgl. Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116). Diese Einwendungen hätten - wie dargelegt - auch die Kläger erheben können.

59 IV. Keine Täuschung über einen für den Erfolg der Klage relevanten Umstand

60 Der Beklagte hat die Kläger nicht arglistig über einen für den Erfolg der Klage relevanten Umstand getäuscht. Der Planfeststellungsbeschluss leidet wegen der Nichtberücksichtigung des 15°-Erfordernisses nicht an einem Abwägungsfehler, der zu einem Aufhebungsanspruch der Kläger geführt hätte, wenn sie diesen Umstand gekannt hätten. Unter Berufung auf das 15°-Erfordernis hätten sie auch bei rechtzeitiger Klageerhebung eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses weder hinsichtlich der Zulassung des Vorhabens am Standort Schönefeld (1.) noch hinsichtlich der Bahnkonfiguration (2.) erreichen können. Die Verfahrensfehler, an denen der Planfeststellungsbeschluss leidet, beruhen nicht auf der Nichtberücksichtigung des 15°-Erfordernisses (3.).

61 1. Zulassung des Vorhabens am Standort Schönefeld

62 Die für den abhängigen Bahnbetrieb erstellte Grobplanung der Flugverfahren war sowohl für die Wahl des Flughafenstandorts auf der Ebene der Landesplanung (1.1) als auch für die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde über die Zulassung des Vorhabens am Standort Schönefeld (1.2) ausreichend, um die Lärmbetroffenheiten auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen. Das Festhalten an dieser Grobplanung beruhte auch nicht auf sachfremden Erwägungen (1.3).

63 1.1 LEP FS 2003

64 Die Wahl des Flughafenstandorts Berlin-Schönefeld war eine raumordnerische Entscheidung, die auf der Ebene der Landesplanung im Ziel Z 1 des Landesentwicklungsplans Flughafenstandortentwicklung (LEP FS) vom 28. Oktober 2003 (GVBl Bbg II S. 593) gefallen war. Die Planfeststellungsbehörde war an das Ergebnis des landesplanerischen Standortvergleichs gebunden (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 54). Aus Rechtsschutzgründen unterlag die zielförmige Standortentscheidung der Landesplanung bei Anfechtung des Planfeststellungsbeschlusses jedoch der gerichtlichen Inzidentkontrolle (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 83).

65 Der Träger der Landesplanung musste sich zumindest Klarheit über die flächen- und zahlenmäßige Größenordnung der Lärmbetroffenheiten an den in die Vergleichsbetrachtung einbezogenen Standorten verschaffen. Bereits auf der Grundlage einer Grobanalyse der Siedlungsstrukturen ins Auge fallende gravierende Unterschiede im Ausmaß der Lärmbetroffenheit mussten in die Abwägung eingestellt werden. Der Träger der Landesplanung durfte jedoch von einer genauen numerisch-präzisen Ermittlung der Anzahl der jeweils von Fluglärm voraussichtlich betroffenen Anwohner absehen, wenn offenkundige Disparitäten im Ausmaß der Lärmbelastung nach seiner planerischen Konzeption in der Abwägung kein ausschlaggebendes Gewicht besaßen (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 152 f.).

66 Ausgehend hiervon ist die Abwägung des Trägers der Landesplanung nicht zu beanstanden. Er hat für die Abwägung zwischen einer Beibehaltung des bestehenden Flughafensystems und dem Ausbau des Flughafens Schönefeld zum Single-Airport die Anzahl der Lärmbetroffenen innerhalb der 62 dB(A)-Kontur ermittelt (Nr. 1 und Nr. 5.4.4.3 zu Z 1 LEP FS 2003), und zwar ausgehend von geradlinigen An- und Abflugrouten und berechnet nach den Berechnungsvorschriften des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm i.d.F. der Bekanntmachung vom 30. März 1971 (BGBl I S. 282 mit späteren Änderungen, im Folgenden: FluglärmG a.F.; vgl. Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 110), d.h. mit einem Halbierungsparameter q = 4 und einer Gewichtung für Tag- und Nachtflüge. In der Begründung des LEP FS 2003 wird dargelegt, dass über die drei bestehenden Flughäfen in 2001 insgesamt 12,59 Mio. Passagiere befördert worden seien; durch die damit verbundenen Lärmbelastungen seien in den gegenwärtig vorhandenen Lärmkonturen bis 62 dB(A) insgesamt ca. 136 000 Anwohner betroffen (Nr. 1 zu Z 1 LEP FS 2003). Bei Ausbau des Flughafens Schönefeld für 30 Mio. Passagiere würden 31 000 Anwohner innerhalb der 62 dB(A)-Kontur betroffen (Tabelle in 5.4.4.3 zu Z 1 LEP FS 2003). Für den Gesamtraum ergebe sich durch Um- und Ausbau des Flughafens Schönefeld eine „deutliche Verringerung der Lärmbetroffenheit gemessen an der Anzahl der Anwohner“. Das Ausbauvorhaben führe zu einer „Reduzierung der durch Fluglärm betroffenen Anwohner auf weniger als 30 % gegenüber der gegenwärtigen Situation - verglichen mit heute noch deutlich geringerem Gesamtflugverkehr“ (Nr. 5.4.4.3 zu Z 1 LEP FS 2003). Ihre Zahl verringere sich um „rund 100 000“ (Nr. 6 zu Z 1 LEP FS 2003).

67 Der Träger der Landesplanung hat mithin bei dem Vergleich der Lärmbetroffenheiten nicht auf die konkrete Anzahl, sondern auf die Größenordnung der innerhalb der 62 dB(A)-Kontur Betroffenen abgestellt. Er hat hierbei mit erheblichen Toleranzen gearbeitet. Insbesondere hat er darauf verzichtet, die im Jahr 2001 durch die drei bestehenden Flughäfen bei 12,59 Mio. Passagieren Betroffenen auf einen Prognoseverkehr von 30 Mio. Passagieren hochzurechnen. Er hat die Zahl der im Jahr 2001 durch das bestehende Flughafensystem tatsächlich Betroffenen mit der Zahl der Betroffenen am „Single-Airport“ Schönefeld im Prognosejahr 20XX (30 Mio. Passagiere, 360 000 Flugbewegungen) verglichen. Bei einer Hochrechnung hätte sich die Bilanz wegen der dichteren Besiedlung in der Umgebung der Flughäfen Tegel und Tempelhof noch deutlicher zu Gunsten des Standorts Schönefeld verschoben.

68 Bei einer so groben Abschätzung der Betroffenheiten brauchte der Träger der Landesplanung den unabhängigen Bahnbetrieb mit um bis zu 15° nach Norden oder nach Süden abknickenden Abflugrouten nicht gesondert zu betrachten. Abflugrouten in diesem Korridor würden zwar teilweise andere Gebiete betreffen als die der Berechnung zugrunde gelegten parallelen Abflugwege; diese Gebiete wären jedoch nicht oder jedenfalls nicht erheblich dichter besiedelt als diejenigen, die von parallelen Abflugrouten betroffen wären. Das ergibt sich bereits aus einer Grobanalyse der Siedlungsstruktur der Flughafenumgebung. Betroffen wäre im einen wie im anderen Fall der Randbereich der Metropole Berlin; die dichter besiedelte Metropole selbst wäre nicht betroffen. Für den Nachtflugbetrieb und das insoweit maßgebende Nachtschutzgebiet hat der Senat hierzu in seinem Urteil vom 13. Oktober 2011 (BVerwG 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 159) dargelegt:
Abflüge in Richtung Westen - das sind etwa 2/3 aller Abflüge -, die um bis zu 15° nach Norden oder Süden abknicken, ändern den Umfang der Betroffenheiten in dem für den passiven Schallschutz relevanten Bereich gegenüber geraden Abflügen allenfalls unerheblich. Bei nach Norden abknickenden Abflügen von der Nordbahn würde Blankenfelde-Mahlow etwas weiter nördlich überflogen. Stärker als bei geraden Abflügen wäre Großbeeren betroffen; im Gegenzug würde Diedersdorf entlastet. Um 15° nach Süden abknickende Abflüge von der Südbahn würden Blankenfelde-Mahlow eher entlasten. Auch eine Berechnung der DFS für die Fluglärmkommission mit dem NIROS-Programm hat ergeben, dass eine abknickende Route unter Lärmschutzgesichtspunkten sogar günstiger wäre als gerade Abflüge (Präsentation „Flugverfahrensvorschläge der Fluglärmkommission für BBI“ vom 14. Februar 2011, http://www.mil.brandenburg.de/sixcms/de-tail.php/484669, Folien 25 ff.). Für Abflüge in Richtung Osten ist die Situation allerdings nicht in gleicher Weise eindeutig. Die Gebiete, die bei um 15° nach Süden abknickenden Abflügen von der Südbahn auf passiven Schallschutz angewiesen wären, dürften etwas dichter besiedelt sein als die von geraden Abflugstrecken betroffenen Gebiete. Der Norden von Eichwalde und Schulzendorf würde entlastet; die Mitte von Schulzendorf, der Süden von Eichwalde und der Nordrand von Zeuthen wären neu auf passiven Schallschutz angewiesen; eine andere Größenordnung der Betroffenheiten insgesamt würde aber hierdurch nicht erreicht. Ein Abknicken von der Nordbahn nach Nordosten würde zu Direktüberflügen von Bohnsdorf in geringer Höhe und damit zu einer nicht unerheblichen Zunahme der besonders starken Betroffenheiten führen. Dass diese unter Lärmschutzgesichtspunkten ungünstigste Variante zur Umsetzung der 15°-Divergenz gewählt werden würde, war jedoch von vornherein unwahrscheinlich. Diese Variante musste deshalb nicht betrachtet werden. Insgesamt bleiben damit die durch die Berücksichtigung der 15°-Toleranz möglichen Veränderungen der Lärmbetroffenheiten in einem Unsicherheitsbereich, der bei der prognostischen Flugroutenplanung für die Regelung des nächtlichen Flugbetriebs ohnehin mitgedacht werden muss.

69 Diese Erwägungen gelten für die Abwägung der Standortalternativen im Hinblick auf die Lärmbetroffenheiten innerhalb der 62 dB(A)-Kontur entsprechend. Die von dieser Kontur umschlossene Fläche ist zwar kleiner als die Fläche des im Planergänzungsbeschluss (Anlage 2 „Schutzgebiete“) festgelegten Nachtschutzgebiets. Die 62 dB(A)-Kontur (Beiakte 421, Plan M 3-4) hat eine Längsausdehnung von etwa 27 km je Bahn, das Nachtschutzgebiet von etwa 34 km. Die genannten Veränderungen der Überflugsituation sind aber bei Betrachtung der 62 dB(A)-Kontur in vergleichbarer Weise relevant.

70 Der Träger der Landesplanung war nicht verpflichtet, für um mehr als 15° abknickende Abflugrouten die Zahl der von einem Leq(4) = 62 dB(A) oder mehr Betroffenen zu ermitteln. Ob die Schreiben der DFS vom 20. August und 26. Oktober 1998 an die Planfeststellungsbehörde, in denen die DFS an der bisherigen Grobplanung festgehalten und lediglich die Berücksichtigung eines Toleranzbereichs gefordert hatte (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 161), dem Träger der Landesplanung bekannt waren oder bekannt sein mussten, kann offen bleiben. Da Abflugrouten, die um bis zu 15° nach Norden oder nach Süden abknicken, einen unabhängigen Parallelbetrieb ermöglichen, ohne Lärmbetroffenheiten auszulösen, die nach dem Abwägungskonzept des LEP FS 2003 die Wahl des Standorts in Frage stellen würden, durfte der Träger der Landesplanung jedenfalls davon ausgehen, dass die Umsetzung seiner Standortentscheidung in dem nachfolgenden Planfeststellungsverfahren und dem Verfahren zur Festlegung der Flugverfahren nicht auf unüberwindbare tatsächliche oder rechtliche Hindernisse stoßen würde (vgl. Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 154 f.).

71 Für den Vergleich zwischen dem Standort Schönefeld und den metropolenferneren Alternativstandorten Sperenberg und Jüterbog hat der Träger der Landesplanung darauf abgestellt, dass ein solcher Neubaustandort aufgrund der geringeren Besiedlungsdichte des äußeren Entwicklungsraums zu einer deutlich geringeren Anzahl der von Fluglärm betroffenen Anwohner würde führen können als ein Standort im dichter besiedelten engeren Verflechtungsraum (Nr. 5.2 zu Z 1 LEP FS 2003). Beziffert hat er diese Unterschiede nicht. Der Senat hat dies - anders als zuvor das Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg im Normenkontrollverfahren gegen den LEP FS 2003 (Urteil vom 10. Februar 2005 - OVG 3 D 104/03.NE) - nicht beanstandet (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 156 ff.). Für diesen Vergleich war die Frage, ob die Abflugrouten geradlinig verlaufen oder um bis zu 15° abknicken, ohne Relevanz. Auch bei abknickenden Abflugrouten wäre nur der engere Verflechtungsraum, nämlich der Randbereich der Metropole, betroffen; der Verdichtungsbereich, also die dichter besiedelte Metropole selbst, wäre nicht betroffen (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 159).

72 Die Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 7000.11 (Schriftsatz vom 8. März 2011 S. 28 f.) meinen, dass auf der Grundlage der Planung der DFS vom 6. September 2010 grob geschätzt 80 000 bis 100 000 zusätzliche Lärmbetroffene zu verzeichnen seien. Im Rahmen der Standortentscheidung habe der Träger der Landesplanung berücksichtigen müssen, dass tatsächlich ca. 150 000 Menschen und damit - wegen der größeren Verkehrsmenge - annähernd gleich viele Anwohner wie am Standort Tegel betroffen seien. Abgesehen davon, dass die Kläger insoweit von der um mehr als 15° nach Norden abknickenden Abflugroute über Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow ausgehen, für die der Träger der Landesplanung - wie soeben dargelegt - die Lärmbetroffenheiten nicht ermitteln musste, sind diese Zahlen für die der Abwägung des Trägers der Landesplanung zugrunde liegende 62 dB(A)-Kontur nicht plausibel. Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf lägen selbst dann nicht innerhalb der 62 dB(A)-Kontur, wenn sie direkt überflogen würden. Dass die Betroffenheiten im Übrigen wesentlich geringer wären als von den Klägern angenommen, ergibt sich bereits aus den Einwohnerzahlen der durch abknickende Routen betroffenen Gemeinden. Die Einwohnerzahlen wurden für die Umweltverträglichkeitsstudie ausgehend vom Stand Dezember 1997 zzgl. des Potentials in genehmigten Bebauungsplangebieten ermittelt (Beiakte 429, N 5 Tabellenanhang, Tabelle 5.4.1-2). Am stärksten wären die Veränderungen bei nach Süden abknickenden Abflügen von der Südbahn in Richtung Osten in den Gemeinden Schulzendorf (ca. 7 750 Einwohner), Eichwalde (ca. 5 410 Einwohner) und Zeuthen (ca. 8 170 Einwohner). Neu betroffen wären nicht die gesamten besiedelten Gebiete dieser Gemeinden, sondern bei großzügiger Schätzung in Schulzendorf 30 %, in Eichwalde 50 % und in Zeuthen 20 %, insgesamt also ungefähr 6 500 bis 7 000 Einwohner. Entlastet würde die Nordhälfte von Eichwalde, also ca. 2 500 bis 3 000 Einwohner und im Köpenicker Ortsteil Schmöckwitz (ca. 2 850 Einwohner) der Süden der größten Siedlungsfläche Karolinenhof, also ca. 500 bis 1 000 Einwohner. Diese Gebiete blieben zwar wegen der Belastung durch die Anflüge bei Betriebsrichtung Westen voraussichtlich innerhalb der 62 dB(A)-Kontur; das Ausmaß ihrer Betroffenheit würde sich aber nicht nur rechnerisch, sondern bei Betriebsrichtung Osten auch spürbar verringern. Ungünstiger als gerade Abflugrouten wären auch abknickende Abflugrouten von der Nordbahn bei Starts in Richtung Westen. Neu belastet würden der Norden von Mahlow und Teile von Großbeeren; diese zusätzlichen Belastungen würden durch die Entlastung des Südens von Mahlow und von Diedersdorf nur zum Teil aufgewogen. Sie lassen sich jedoch durch von der Südbahn abknickende Abflugrouten, die unter Lärmgesichtspunkten eher günstiger als gerade Abflugrouten sind, vermeiden. Insgesamt sind die von den Klägern genannten Zahlen weit überhöht; ihre Einschätzung, dass das Abwägungsgefüge des LEP FS 2003 durch das 15°-Erfordernis aus dem Lot gerate, entbehrt einer tatsächlichen Grundlage.

73 Den Beweisanträgen zur Zahl der Lärmbetroffenen bei um bis zu 15° abknickenden Abflugrouten brauchte der Senat nicht nachzugehen. Die unter Beweis gestellte Tatsache, dass es sich bei dem Flugverfahren mit Betriebsrichtung Westen, welches von der Nordbahn gleich nach dem Abheben um 15° nach Norden abknickt und danach gerade in Richtung auf Caputh zuläuft, nicht um ein realistisches Verfahren handelt, weil in diesem Fall der Ortsteil von Mahlow zentral überflogen werde (Beweisantrag Anlage 5 der Sitzungsniederschrift), ist nicht entscheidungserheblich. Für die Abwägung genügt es, wenn es innerhalb des hier bei den Abflugrouten zu berücksichtigenden Toleranzbereichs von bis zu 15° Abknickung nach Norden und Süden eine realistische Kombination von um mindestens 15° divergierenden Abflugrouten oder mehrere solcher Kombinationen gibt; auf die Realisierbarkeit einer einzelnen Flugroute kommt es nicht an.

74 Die unter Beweis gestellte Tatsache, dass sich - bei Betrachtung von zum planfestgestellten Flugbetrieb, insbesondere zum unabhängigen Parallelbetrieb beider Bahnen passenden und realistischen Flugverfahren - die Anzahl der lärmbetroffenen Einwohner gegenüber den Erwägungen und der Abwägung im angegriffenen Planfeststellungsbeschluss und den dem LEP FS 2003 zugrunde gelegten Zahlen signifikant erhöht (Beweisantrag Anlage 6 der Sitzungsniederschrift), ist für eine Beweiserhebung zu unbestimmt, weil sie einen nicht näher erläuterten rechtlichen Maßstab voraussetzt. Unterhalb der gravierenden, sich aus einer Grobanalyse der Siedlungsstrukturen ergebenden Unterschiede hängt die Frage, ob eine Erhöhung der Zahl der Lärmbetroffenen für die Abwägung erheblich ist, maßgebend von den betrachteten Pegelwerten und von dem jeweiligen Abwägungskonzept des Planungsträgers ab.

75 Im Übrigen fehlt dem Beweisantrag nach Anlage 6 der Sitzungsniederschrift eine hinreichende Grundlage. Unter formalem Beweisantritt aufgestellten Behauptungen, deren Wahrheitsgehalt nicht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben könnte, braucht ein Gericht nicht nachzugehen (Beschlüsse vom 5. Oktober 1990 - BVerwG 4 B 249.89 - Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 6 - juris Rn. 114 und vom 29. März 1995 - BVerwG 11 B 21.95 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 266 - juris Rn. 4; BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Juni 1993 - 2 BvR 1815/92 - NVwZ 1994, 60 - juris Rn. 40). Die Kläger berufen sich zur Begründung des Beweisantrags auf das „Gutachten zur Beurteilung der erhöhten Lärmbelastung der Einwohner von Berlin und Brandenburg durch die neuen Flugrouten der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH vom 06.09.2010 für den Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI)“ von L./R./Schl. vom 17. Januar 2011. Nach diesem Gutachten soll die Zahl der Anwohner innerhalb der Leq(3) = 55 dB(A)-Kontur gegenüber den im LEP FS i.d.F. vom 30. Mai 2006 (GVBl Bbg II S. 154) ermittelten 59 600 auf 102 000 (+72 %), die Zahl der nur abwägungserheblich Betroffenen (Leq(3) < 55 dB[A], Höhe eines Flugzeugs der Gruppe S 5.2 oder größer < 3 000 m) von 30 500 auf 247 500 (+709 %) steigen. Das Gutachten ist zur Begründung des Beweisantrags schon deshalb ungeeignet, weil es bei der Ermittlung der Gesamtzahlen der Betroffenen wiederum von der um mehr als 15° nach Norden abknickenden Abflugroute über Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow ausgeht, die nach der dargelegten Rechtsauffassung des Senats für die Abwägung nicht entscheidend ist. Unabhängig hiervon waren die von den Klägern betrachteten Betroffenheiten innerhalb der Leq(3) = 55 dB(A)-Kontur nicht Grundlage der Abwägung des Trägers der Landesplanung im für den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 maßgebenden LEP FS vom 28. Oktober 2003. Schließlich hat das Gutachten auch methodische Mängel, die seiner Verwertbarkeit entgegenstehen. Die Gutachter haben die Konturen für geradlinige Flugrouten schlicht um Konturen für abknickende Flugrouten erweitert, ohne die ersten zu verkleinern. Dies wäre erforderlich gewesen, weil die Kontur für geradlinige Routen, soweit sie nur noch von den Anflügen bestimmt wird, deutlich schmaler ist als die Kontur von An- und Abflügen. Ebenso wenig haben sie berücksichtigt, dass für die Betriebsrichtung Osten die durch die Abflüge bestimmte abknickende Kontur kürzer ist als die Kontur von An- und Abflügen (vgl. S. 5 und 7 des Gutachtens). Schließlich haben sie die Anzahl der neubetroffenen Einwohner sehr großzügig geschätzt. So gehen sie davon aus, dass in Eichwalde durch abknickende Flugrouten 50 % der Einwohner zusätzlich in die 55 dB(A)-Kontur fallen würden, obwohl die Kontur bereits bei geradlinigen Routen fast zwei Drittel der Siedlungsfläche der Gemeinde einschließt (vgl. Beiakte 422, Plan M 4.1-7). Auch die Annahme, dass 50 % der Zeuthener Einwohner bei abknickenden Flugrouten in die 55 dB(A)-Kontur fallen würden, ist angesichts der Siedlungsstruktur der Gemeinde, die im betroffenen Norden überwiegend unbebaute Flächen aufweist, nicht plausibel. Die Zahl der nur abwägungserheblich Betroffenen haben die Gutachter ausgehend von der Annahme ermittelt, dass unterhalb eines Leq(3) = 55 dB(A) jeder abwägungserheblich betroffen sei, dessen Grundstück von Flugzeugen der Gruppe S 5.2 (Airbus A 319/320/321, Boeing B 737) oder der Gruppe S 7 B (Airbus A 380, Boeing B 747) in einer Höhe unter 3 000 m überflogen wird (Gutachten S. 13 f.). Diese Kriterien legt weder der LEP FS 2003 noch der Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 zugrunde. Unabhängig hiervon dürften einzelne, durch den Überflug größerer Flugzeuge entstehende Spitzenpegel nicht geeignet sein, unabhängig vom erreichten Dauerschallpegel die Abwägungsrelevanz des Fluglärms zu begründen. Aus diesem Grund lässt sich eine Zunahme der Betroffenheiten auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass Flugzeugen, die an bestimmten Navigationspunkten eine bestimmte Höhe erreicht haben, möglicherweise generell gestattet wird, von der festgelegten Route abzuweichen, und dass dies - wie die von den Klägern für die Wannsee-Route vorgelegte, von der DFS erstellte Karte des sogenannten 3-Sigma-Gebiets zeigt (BVerwG 4 A 5001.10 , Anlage K 26 des Schriftsatzes vom 25. Juni 2012) - in größerer Entfernung vom Flughafen zu einer erheblichen Auffächerung des Flugverkehrs führen kann. Dies hätte zum einen auch für die parallelen Abflugrouten und die in der DFS-Grobplanung enthaltene Wannsee-Route gegolten. Zum anderen ändert sich durch diese Auffächerung nicht die Zahl der Flüge, sondern lediglich die Verteilung des Lärms. Für das einzelne Grundstück vermindert sich die Zahl der Überflüge und damit auch der für die Schwelle zur Abwägungserheblichkeit in erster Linie relevante Dauerschallpegel.

76 Aus den bereits dargelegten Gründen waren auch die als Anlage 9, 10, 12 und 13 der Sitzungsniederschrift gestellten Beweisanträge abzulehnen. Soweit mit der Behauptung, dass sich bei Betrachtung von dem ICAO-Erfordernis Rechnung tragenden Abflugverfahren mit mindestens 15° Divergenz die Anzahl der Lärmbetroffenen gegenüber den im angegriffenen Planfeststellungsbeschluss und den dem LEP FS 2003 zugrunde gelegten Zahlen erhöhe (Beweisanträge Anlage 9 und 10 der Sitzungsniederschrift), unter Beweis gestellt werden soll, dass sich die Betroffenheiten in einer für die Abwägung relevanten Größenordnung verändern, fehlt der Beweisbehauptung eine hinreichende tatsächliche Grundlage; eine diese Größenordnung nicht erreichende Erhöhung der Betroffenenzahl wäre rechtlich nicht erheblich. Das gilt auch, soweit die Kläger eine Erhöhung der Anzahl der Lärmbetroffenen ausgehend von einer Flugroute, wie sie sich aus Rn. 159 des Urteils des Senats vom 13. Oktober 2011 (BVerwG 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1) ergibt, nämlich unter Berücksichtigung eines Mindestabknickwinkels von der Nordbahn in Richtung Westen von 15° (Beweisantrag Anlage 12 der Sitzungsniederschrift), und soweit sie eine Erhöhung der lärmbetroffenen Einwohner um mindestens 64 000 (Beweisantrag Anlage 13 der Sitzungsniederschrift) unter Beweis stellen. Soweit sie in der Begründung darlegen, die Zahl von 64 000 Einwohnern entspreche überschlägig der Einwohnerzahl der überflogenen Gemeinden Großbeeren (7 000 Einwohner), Stahnsdorf (14 000 Einwohner), Teltow (23 000 Einwohner) und Kleinmachnow (20 000 Einwohner), legen sie wiederum die nach der Rechtsauffassung des Senats nicht relevante, um mehr als 15° nach Norden abknickende Abflugroute über Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow zugrunde. Unabhängig hiervon lassen sich Betroffenenzahlen nur bei gleichen Pegelwerten vergleichen. Die Kläger geben nicht an, bezogen auf welche Pegelwerte die Zahl der Betroffenen um 64 000 ansteigen soll.

77 Der Senat musste den Klägern auch keinen Schriftsatznachlass zur Darlegung von Anhaltspunkten dafür gewähren, dass sich die Lärmbetroffenheiten bei Berücksichtigung der Anforderungen der ICAO nach mindestens 15° Divergenz in einer abwägungserheblichen Größenordnung erhöhen. Das Urteil des Senats vom 13. Oktober 2011 - BVerwG 4 A 4001.10 - wurde ihnen bereits im Januar 2012 mit der Gelegenheit zur Stellungnahme übersandt. Dass der Senat seine dort dargelegte Rechtsauffassung auf die hier zu entscheidenden Fälle übertragen würde, konnte die Kläger nicht überraschen. Sie hatten hinreichend Gelegenheit, ausgehend von dieser Rechtsauffassung weitere Tatsachen vorzutragen.

78 1.2 Planfeststellungsbeschluss

79 Die Entscheidung des Beklagten über die Zulassung des Vorhabens am Standort Schönefeld im Planfeststellungsbeschluss leidet ebenfalls nicht deswegen an einem Abwägungsfehler, weil er an der Grobplanung mit geraden Abflugrouten festgehalten und das 15°-Erfordernis nicht berücksichtigt hat.

80 Die Planfeststellungsbehörde trifft keine Rechtspflicht zur Zulassung eines Flughafenvorhabens an dem von der Landesplanung zielförmig festgelegten Standort. Die schädlichen Immissionen eines Infrastrukturvorhabens können in der Regel erst abschließend ermittelt und eingeschätzt werden, wenn es im Planfeststellungsantrag des Vorhabenträgers konkretisiert worden ist. Die „raumordnungsexternen“ Belange können für sich betrachtet oder in ihrer Gesamtheit so gewichtig sein, dass sich die landesplanerische Standortwahl in der fachplanerischen Abwägung nicht durchsetzt. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die Zulassung des Vorhabens in unverhältnismäßiger Weise in private Schutzgüter, in den Bereich der kommunalen Selbstverwaltung oder in allgemeine öffentliche Belange eingreifen sollte (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 76 f.).

81 1.2.1 Lärmbetroffenheiten

82 Der Beklagte hat die Lärmschutzbelange auf der Grundlage der Ermittlungen der Beigeladenen zu 1 abgewogen. Diese hat für den Prognosehorizont 20XX - ausgehend von der Grobplanung der DFS vom März 1998 mit geradlinigen An- und Abflugrouten - die Fläche des von einer Leq(3) = 60 dB(A)-Kontur umschlossenen Tagschutzgebiets (71,6 km2) und die Zahl der in diesem Gebiet lebenden Anwohner (24 630) ermittelt (PFB S. 605). Für die Nacht hat sie die Betroffenheiten innerhalb der Leq(3) = 50 dB(A)-Kontur (117,68 km2, 38 246 Anwohner) und der 6 × 70 LMax-Kontur (120,19 km2, 41 836 Anwohner; PFB S. 613) ermittelt.

83 Der Beklagte durfte bei der Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens zwar nicht davon ausgehen, dass die DFS für den unabhängigen Bahnbetrieb parallele Abflugstrecken planen würde; er durfte auch nicht von einem abhängigen Bahnbetrieb ausgehen (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 155). Für die Frage, ob das Vorhaben am Standort Schönefeld zugelassen werden kann, war die für den abhängigen Bahnbetrieb erstellte Grobplanung der An- und Abflugrouten jedoch ausreichend, um die Lärmbetroffenheiten auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen. Die Darlegungen des Senats zur Regelung des Nachtflugbetriebs gelten insoweit entsprechend (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 159 - 161). Die von um bis zu 15° abknickenden Abflugrouten betroffenen Gebiete wären nicht oder jedenfalls nicht erheblich dichter besiedelt als diejenigen Gebiete, die von parallelen Abflugrouten betroffen wären. Innerhalb des Toleranzbereichs divergierende Abflugrouten lassen den Standort nicht in einem anderen Licht erscheinen als die der Abwägung der Standortalternativen im LEP FS 2003 zugrunde gelegten geradlinigen Abflugrouten. Die Verschiebung und auch die mögliche Ausweitung der Betroffenheiten in der für die 62 dB(A)-Kontur dargelegten Größenordnung bleiben vielmehr in einem Unsicherheitsbereich, der bei der landesplanerischen Festlegung des Standorts - wie dargelegt - mitgedacht worden ist und schon aus diesem Grund auch bei der Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens im Planfeststellungsverfahren mitgedacht werden muss. Unabhängig von diesen landesplanerischen Vorgaben muss die Zulassung des Vorhabens an dem gewählten Standort grundsätzlich auch dann Bestand haben können, wenn andere An- und Abflugrouten festgelegt werden als im Planfeststellungsverfahren angenommen wurde (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 150). Die Zulassungsentscheidung im Hinblick auf bestimmte Abflugrouten und ohne Rücksicht auf nicht auszuschließende Veränderungen der Betroffenheiten im Falle einer Änderung der Abflugrouten zu treffen, wäre nicht sachgerecht.

84 Dass um mehr als 15° abknickende Abflugrouten festgelegt werden, musste der Beklagte für die Ermittlung der Lärmbetroffenheiten auf der Grundlage der mit der DFS abgestimmten Grobplanung der Flugverfahren nicht in Erwägung ziehen. Dies hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 13. Oktober 2011 (a.a.O. Rn. 161) dargelegt. Hieran hält er fest.

85 Im Hinblick auf das Tagschutzgebiet und die nur abwägungserheblich Betroffenen ergeben sich gegenüber den Erwägungen des Senats zum Nachtflugbetrieb und dem insoweit maßgebenden Nachtschutzgebiet keine relevanten Abweichungen. Die Längsausdehnung des Tagschutzgebiets ist geringer als die des Nachtschutzgebiets; eine Verschwenkung der Abflugrouten wirkt sich weniger aus als bei den längeren Nachtkonturen. Ein Vergleich der von der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Auftrag des Beklagten für um 15° nach Süden abknickende Abflugrouten errechneten 60 dB(A)-Kontur (jeweils Anlage B 9 zu den Beklagtenschriftsätzen vom 15. August, 2. August, 29. Juli bzw. 8. August 2011) mit der Besiedlungskarte zeigt, dass durch die Divergenz im Osten keine neuen Teile von Eichwalde oder Zeuthen und allenfalls Randbereiche von Schulzendorf zusätzlich in das Tagschutzgebiet fielen und dass im Westen sogar Teile von Blankenfelde entlastet würden. Den mehr als geringfügig, aber auch ohne passiven Schallschutz nicht unzumutbar Betroffenen hat der Beklagte im Vergleich zu den schwereren Betroffenheiten innerhalb des Tag- und des Nachtschutzgebiets ein geringeres Gewicht beigemessen. Die Anzahl der nur abwägungserheblich Lärmbetroffenen und die Fläche des insoweit betroffenen Gebiets hat er nicht ermitteln lassen. Der Senat hat dies in seinem Urteil vom 16. März 2006 nicht beanstandet. Dass eine Berücksichtigung der 15°-Divergenz die Größenordnung der nur abwägungserheblich Lärmbetroffenen verändert haben könnte, kann ebenfalls ausgeschlossen werden. In Betriebsrichtung Westen ist das Gebiet unterhalb der abknickenden Abflugrouten auch in größerer Entfernung vom Flughafen eher weniger besiedelt als unter den geradlinigen Routen, die Ludwigsfelde überqueren. In Betriebsrichtung Osten quert die um 15° nach Süden abknickende Route zwar Schulzendorf und Eichwalde. Außerhalb des Nachtschutzgebiets ist das Gebiet unterhalb der abknickenden Route allenfalls unwesentlich dichter besiedelt (Wernsdorf) als das Gebiet unterhalb der nördlich von Eichwalde ebenfalls abknickenden und über Zwiebusch und Neu Zittau führenden Abflugroute vom März 1998.

86 Dass abknickende Abflugrouten nicht - wie die Kläger der Verfahren BVerwG 4 A 5001.10 und 5002.10 geltend machen - zu einer Verdoppelung der Lärmkorridore führen, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 13. Oktober 2011 (a.a.O. Rn. 160) dargelegt.

87 Die Kläger dieser Verfahren machen außerdem geltend, dass Landeanflüge bereits in Höhe von Werder/Havel in Höhe von nur mehr 1 000 m stattfinden sollten. Grund hierfür sei die Neuplanung der Abflugrouten, die zur Überkreuzung der An- und Abflüge nördlich des Flughafens führe (Schriftsatz vom 3. Februar 2011 S. 13 im Verfahren BVerwG 4 A 5001.10 ). Dieser Zusammenhang ist nicht plausibel. Wenn Flugzeuge in Richtung Osten, also über Ludwigsfelde, zur Landung anfliegen, wird auch in Richtung Osten gestartet. Wenn nach Osten startende Flugzeuge mit Zielen in Richtung Westen Werder/Havel erreichen, haben sie angesichts der zurückgelegten Flugstrecke bereits eine erhebliche Höhe erreicht. Die Flughöhe dürfte bei Flugzeugen, die nach Norden abgekurvt sind, jedenfalls nicht erheblich geringer sein als bei Flugzeugen, die - wie in der Grobplanung vorgesehen - nach Süden abgekurvt sind. Wo im Westen die Warteräume für landende Flugzeuge eingerichtet werden, dürfte ebenfalls nicht davon abhängen, ob in Richtung Osten startende Flugzeuge mit Zielen im Westen nördlich oder südlich des Flughafens geführt werden. Die Warteräume für landende Flugzeuge waren im Übrigen nicht Gegenstand der Grobplanung; einen solchen Detaillierungsgrad hat die Grobplanung nicht erreicht.

88 Den Beweisanträgen zur Zahl der Betroffenen bei abknickenden Flugrouten (Anlagen 5, 6, 9, 10, 12 und 13 der Sitzungsniederschrift) brauchte der Senat aus den bereits zur landesplanerischen Standortfestlegung dargelegten Gründen nicht zu entsprechen.

89 1.2.2 Flugsicherheitsgutachten

90 Zu den Auswirkungen des 15°-Erfordernisses machen die Kläger der Verfahren BVerwG 4 A 5001.10 und 5002.10 schließlich geltend, dass im Rahmen des Flugsicherheitsgutachtens M 21 bei Berücksichtigung der 15°-Divergenz das Risiko einer Gefährdung des Forschungsreaktors in Berlin-Wannsee in die Abwägung hätte einbezogen werden müssen (Schriftsatz vom 2. April 2012 S. 20 f. im Verfahren BVerwG 4 A 5001.10 ). Das trifft nicht zu. Das Risiko eines terroristischen Anschlags auf den Reaktor aus der Luft hängt nicht von den Flugrouten ab. Für das Risiko eines Flugzeugabsturzes bildet die Lage des Flughafens unabhängig von den Flugrouten keinen Zwangspunkt. Flugbeschränkungen zum Schutz des Reaktors können - soweit erforderlich - sowohl bei parallelen als auch bei divergierenden Abflugrouten vorgesehen werden.

91 1.3 Keine sachfremden Erwägungen

92 Das Festhalten des Beklagten an der Grobplanung der DFS vom März 1998 beruhte auch nicht auf sachfremden Erwägungen.

93 Zum damaligen Zeitpunkt barg das Festhalten an der bisherigen Grobplanung zwar ein rechtliches Risiko. Der Beklagte konnte nicht mit Sicherheit voraussehen, welche Anforderungen ein mit der Kontrolle des Planfeststellungsbeschlusses befasstes Gericht an die Genauigkeit einer Flugroutenprognose stellen würde. Zur Vermeidung dieses Risikos hätte es nahegelegen, die Grobplanung - wie von der DFS angeregt - unter Berücksichtigung der 15°-Divergenz zu überarbeiten. Dass andere Flugrouten als prognostiziert festgelegt werden, hätte sich allerdings auch dadurch nicht ausschließen lassen. Zudem hatte die Vorhabenträgerin ein berechtigtes Interesse daran, ihr DES und die darauf aufbauenden Gutachten im Laufe des Planungsverfahrens nicht ohne wichtigen Grund - möglicherweise sogar mehrfach - einer geänderten Flugroutenprognose anpassen zu müssen. Dass sich die Grundlagen der Abwägung bei gleichbleibenden Anflugrouten, aber um mindestens 15° divergierenden und bis zu 15° abknickenden Abflugrouten nicht wesentlich ändern würden, war aufgrund der Siedlungsstrukturen in der Umgebung des Flughafens bereits damals erkennbar. Ausgehend hiervon war es jedenfalls vertretbar, das Risiko einzugehen und an der bisherigen Grobplanung festzuhalten.

94 Die von den Klägern vorgelegten Urkunden führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Aus dem H.-Schreiben vom 7. Oktober 1998 und dem Protokoll der Koordinierungssitzung der PPS vom 5. Oktober 1998 geht hervor, dass die DFS in der Besprechung vom 29. September 1998 die Einhaltung der 15°-Divergenz für alle Abflüge im unabhängigen Parallelbetrieb gefordert und angekündigt hatte, ihre Grobplanung innerhalb von 14 Tagen zu überarbeiten. Die PPS wandte sich daraufhin - wie dargelegt - an das Bundesverkehrsministerium mit der Bitte, Einfluss auf die DFS dahingehend zu nehmen, dass diese ihre Stellungnahme zum DES modifiziere. Als Grund wurde genannt, dass anderenfalls alle im Vertrauen auf die Verbindlichkeit der DFS-Grobplanung erarbeiteten Gutachten überarbeitet werden müssten und mit erheblichen finanziellen Mehraufwendungen und einer zeitlichen Verzögerung im Planungsablauf um ca. 3 Monate zu rechnen sei.

95 Diese Gründe konnten zwar für sich betrachtet das Festhalten an der bisherigen Grobplanung nicht rechtfertigen; die Entscheidung war jedoch auch sachlich vertretbar. Wie bereits dargelegt, war die für den abhängigen Betrieb erstellte Grobplanung ausreichend, um die Lärmbetroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen. Unter diesen Umständen durften die genannten verfahrensökonomischen Erwägungen bei der Entscheidung über das weitere Vorgehen berücksichtigt werden. Ob die Planfeststellungsbehörde, namentlich Herr Staatssekretär Br. und Herr Ministerialrat B., Kenntnis von dem H.-Schreiben hatte und dieses Vorgehen billigte und ob Herr Ministerialrat B. nach Eingang des Schreibens bei der DFS und vor Abfassung der E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn S. bei der DFS angerufen und deutlich gemacht hat, dass die bisherige Grobplanung Bestand haben müsse und eine neue Grobplanung mit divergierenden Abflugrouten nicht erfolgen solle (Beweisanträge Nr. 4 und 5 der Anlage 4 der Sitzungsniederschrift), ist deshalb nicht entscheidungserheblich. Sollte der Beklagte seine Position im Laufe des Verfahrens geändert haben, würde auch dies an der Vertretbarkeit der Entscheidung, an der bisherigen Grobplanung festzuhalten, nichts ändern. Ob Herr Ministerialrat B. für die Planfeststellungsbehörde die DFS im Rahmen des Treffens vom 29. September 1998 gebeten hat, binnen 14 Tagen eine neue Grobplanung der An- und Abflugverfahren unter Berücksichtigung der 15°-Divergenz zu erarbeiten, ist deshalb ebenfalls nicht entscheidungserheblich (Beweisantrag Nr. 2 der Anlage 4 der Sitzungsniederschrift). Gleiches gilt für die weitere Behauptung, dass die Planfeststellungsbehörde und die PPS zwischen dem Treffen vom 29. September 1998 und dem Schreiben von Herrn Dr. H. vom 7. Oktober 1998 übereingekommen seien, dass trotz der Aussagen der DFS an der bisherigen Grobplanung festgehalten werden solle und Grund hierfür die befürchtete Verzögerung des gesamten Vorhabens infolge der dann erforderlichen Überarbeitung des DES und der darauf aufbauenden Gutachten gewesen sei (Beweisantrag Nr. 6 der Anlage 4 und Anlage 8 der Sitzungsniederschrift). Davon, dass der Planfeststellungsbehörde, namentlich Herrn Staatssekretär Br. und Herrn Ministerialrat B. bekannt war, dass das DES und alle darauf fußenden Untersuchungen über die Auswirkungen des geplanten Vorhabens von der Grobplanung der DFS abhingen, geht der Senat aus; diese Tatsache kann als wahr unterstellt werden (Beweisantrag Nr. 7 der Anlage 4 der Sitzungsniederschrift).

96 Sachfremde Gründe für das Festhalten an der bisherigen Grobplanung ergeben sich auch nicht aus der E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn S. vom 9. Oktober 1998, der E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn K. vom 3. Februar 2006 und den weiteren Unterlagen, die die Kläger bei der DFS aufgefunden haben. Der Mitarbeiter der DFS, Herr S., teilt in seiner nach Eingang des H.-Schreibens bei der DFS verfassten E-Mail mit, dass „entgegen unserer Vereinbarung vom 29.9.1998“ ein neues Verfahrenskonzept nicht vorgelegt werden solle. Ob der Beklagte in der Besprechung vom 29. September 1998 mit der DFS vereinbart hatte, dass die DFS eine neue Grobplanung unter Berücksichtigung des 15°-Erfordernisses erarbeiten solle, ist - wie bereits dargelegt - nicht entscheidungserheblich. Die in der E-Mail verwendete Formulierung, dass die DFS die neuen Verfahren „in der Hinterhand“ behalte, wiederholt der Sache nach lediglich die bereits dargelegte, auch dem Beklagten und der Beigeladenen zu 1 bekannte Tatsache, dass die DFS an der vorgelegten Grobplanung nur mit der Maßgabe festhielt, für den unabhängigen Parallelbetrieb um bis zu 15° abknickende Abflugrouten zu planen. Der Mitarbeiter der DFS, Herr K., berichtet in seiner kurz vor der ersten mündlichen Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 2006 verfassten E-Mail über einen Anruf von Herrn Ministerialrat B. zur Vorbereitung dieser Verhandlung. Zu der Frage, aus welchen Gründen im Herbst 1998 entschieden wurde, für das Planfeststellungsverfahren an der Grobplanung der DFS vom März 1998 festzuhalten, gibt diese E-Mail nichts her. Gleiches gilt für die von den Klägern des Verfahrens BVerwG 4 A 7000.11 vorgelegten DFS-Schriftstücke aus den Jahren 2007 bis 2010.

97 Ausgehend hiervon ist der Vorwurf der Kläger, der Beklagte habe „wider besseres Wissen“ und „in kollusivem Zusammenwirken“ mit der Beigeladenen zu 1 an den parallelen Abflugrouten festgehalten, unbegründet. Das Festhalten an der bisherigen Grobplanung war - wie dargelegt - rechtlich nicht zu beanstanden. Unter Berücksichtigung des von der DFS geforderten Toleranzbereichs von um bis zu 15° nach Norden oder Süden abknickenden Abflugrouten war die Grobplanung vom März 1998 realisierbar. Die parallelen Abflugrouten waren auch geeignet, die innerhalb des Toleranzbereichs möglichen Lärmbetroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung realistisch abzubilden. Da die Flugrouten im Planfeststellungsbeschluss nicht festgelegt wurden, sondern nur Grundlage für die Abschätzung der Auswirkungen des Flugbetriebs waren, kam es auf die Frage, ob der unabhängige Parallelbetrieb auf der Grundlage der DFS-Grobplanung auch ohne Berücksichtigung des Toleranzbereichs möglich wäre, nicht entscheidend an. Dass der geplante unabhängige Parallelbetrieb nur mit um mindestens 15° divergierenden Abflugrouten realisiert werden kann und dass dem Beklagten dies in der Zeit zwischen 1998 und dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses am 13. August 2004 bekannt war - die Kläger haben dies mit ihren als Anlage 4 (dort unter Nr. 1), 7, 8 und 11 der Sitzungsniederschrift gestellten Anträgen unter Beweis gestellt - kann deshalb als wahr unterstellt werden. Sollte die Beweisbehauptung dahingehend zu verstehen sein, dass der geplante unabhängige Parallelbetrieb nicht nur - wie von der ICAO (Dokument 4444 Nr. 6.7.2.2 Buchst. b und Dokument 9643 Nr. 3.2 Buchst. b) und der DFS in ihren Schreiben vom 20. August und 26. Oktober 1998 sowie ihrer Stellungnahme vom 3. Juli 2000 gefordert - um mindestens 15° divergierende, sondern von jeder Bahn um mindestens 15° abknickende, also um mindestens 30° divergierende Abflugrouten erfordert, würde dieser Behauptung jegliche Grundlage fehlen. Sollte die Behauptung, dass der Beklagte der Abwägung „unrealistische“ gerade Abflugrouten zugrunde gelegt hat (Beweisanträge Anlagen 7, 8 und 11 der Sitzungsniederschrift), darauf gerichtet sein, zu beweisen, dass die Grobplanung nicht geeignet war, die Auswirkungen des Flugbetriebs realistisch abzubilden, wäre dies eine dem Beweis nicht zugängliche Rechtsbehauptung. Dass die Vertreter der DFS auf dem Treffen am 29. September 1998 nicht bereit waren, die bis zu diesem Zeitpunkt vorliegende Grobplanung der Flugverfahren mit parallel verlaufenden An- und Abflugrouten als plausibel zu bezeichnen (Beweisantrag Nr. 3 der Anlage 4 der Sitzungsniederschrift), kann ebenfalls als wahr unterstellt werden.

98 Der unter Beweis gestellten Behauptung, man habe der Abwägung die geraden Abflugrouten zugrunde gelegt, weil man befürchtete, dass sich der Standort Schönefeld bei Zugrundelegung abknickender Abflugrouten nicht mehr durchsetzen lassen würde (Beweisantrag Anlage 7 der Sitzungsniederschrift), musste der Senat nicht nachgehen; sie ist nicht entscheidungserheblich. Gemäß § 10 Abs. 8 Satz 1 LuftVG sind Mängel bei der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen Belange nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Als „offensichtlich“ ist alles anzusehen, was zur „äußeren“ Seite des Abwägungsvorgangs derart gehört, dass es auf objektiv erfassbaren Sachumständen beruht, die sich etwa aus Akten, Protokollen, aus der Entwurfs- oder Planbegründung oder sonstigen Unterlagen ergeben. Offensichtlich ist dagegen nicht, was zur inneren Seite des Abwägungsvorgangs gehört und etwa die Motive oder Vorstellungen der Entscheidungsbeteiligten betrifft (Urteil vom 21. August 1981 - BVerwG 4 C 57.80 - BVerwGE 64, 33 <38>; Beschluss vom 26. August 1998 - BVerwG 11 VR 4.98 - Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 22 - juris Rn. 27; Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 75 Rn. 40).

99 Die von den Klägern unter Beweis gestellte Befürchtung beruht nicht auf objektiv erfassbaren Sachumständen. In den Verwaltungsvorgängen und in der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses können Hinweise auf sachfremde Gründe für eine bestimmte Verfahrensgestaltung zwar nicht erwartet werden; auch in den sonstigen von den Klägern vorgelegten Unterlagen finden sich für die behaupteten Erwägungen jedoch keine Anhaltspunkte. Das H.-Schreiben begründet das Festhalten an der Grobplanung damit, dass anderenfalls alle bereits erstellten Gutachten überarbeitet werden müssten und infolge dessen mit finanziellen Mehraufwendungen und einer zeitlichen Verzögerung im Planungsablauf gerechnet werden müsse. Auf die Befürchtung, dass divergierende Abflugrouten die Durchsetzbarkeit des Vorhabens am Standort Schönefeld erschweren könnten, lässt diese Begründung nicht schließen. Entsprechende Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus der E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn S. Dessen Äußerung, „vor dem zugespitzten politischen Hintergrund“ könne die DFS mit dem Verzicht auf ein neues Verfahrenskonzept leben, bezieht sich allein auf die Intervention der PPS beim Bundesverkehrsministerium und die in diesem Zusammenhang geführten Telefonate. Mit der Umsetzung der vom Träger der Landesplanung getroffenen Standortentscheidung war die DFS nicht befasst. Die behaupteten Motive lagen in der damaligen Planungssituation im Übrigen nicht nahe. Der Planfeststellungsantrag war noch nicht gestellt, die Planunterlagen waren noch nicht ausgelegt. Der Beklagte hätte im Verfahren jeder von der DFS vorgelegten Grobplanung Rechnung tragen können. Anhaltspunkte dafür, dass um mindestens 15° divergierende und bis zu 15° abknickende Abflugrouten zu einer wesentlichen Veränderung der Betroffenheiten führen würden, waren auch damals nicht ersichtlich. Am nächsten lag eine Planung mit geraden Abflügen von der Nordbahn und um 15° abknickenden Abflügen von der Südbahn. So sahen es im Übrigen auch die ersten Entwürfe der DFS für eine Überarbeitung der Grobplanung vom Oktober 1998 vor. Die sogenannte Wannsee-Route war bereits in der ursprünglichen Grobplanung enthalten. Eine stärkere Belegung der Route hätte die Betroffenheiten jedenfalls nicht wesentlich verändert; insbesondere hätte sie nach den dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegten Kriterien nicht zu einer abwägungserheblichen Betroffenheit von Kleinmachnow geführt. Die Müggelsee-Route ist keine zwingende Folge des 15°-Erfordernisses. Bei Abflügen in Richtung Osten von der Nordbahn kann auch nach längerem Geradeausflug - östlich von Erkner - nach Norden abgedreht werden. So war es im Entwurf der DFS für eine geänderte Grobplanung im Übrigen vorgesehen. Warum eine solche Planung aus damaliger Sicht die Durchsetzbarkeit des Vorhabens hätte in Frage stellen sollen, ist nicht ersichtlich. Angesichts dessen war der Beweisantrag auch abzulehnen, weil der Beweisbehauptung eine hinreichende tatsächliche Grundlage fehlte. Eine solche ergab sich auch nicht aus der Begründung des Beweisantrags. Die Kläger haben nicht vorgetragen, dass die Befürchtung, der Standort Schönefeld werde sich bei abknickenden Routen nicht durchsetzen lassen, von einem der benannten Zeugen oder von einem Entscheidungsträger in Gegenwart eines Zeugen geäußert worden sei.

100 Schließlich ergeben sich auch aus den Vermerken des Beklagten aus dem Jahr 1995 zur Beteiligung der DFS an der Planung der An- und Abflugverfahren (Anlage K 22 des Schriftsatzes der Kläger der Verfahren BVerwG 4 A 5001.10 und 5002.10 vom 2. April 2012) keine sachfremden Gründe für das Festhalten an der Grobplanung vom März 1998. Die Anforderungen an die Abflugverfahren bei unabhängigem Bahnbetrieb waren nicht Gegenstand dieser Vermerke. Unabhängig hiervon bezog sich die Kritik der DFS an den von der Vorhabenträgerin verwendeten Flugverfahren auf die neuen Standorte Sperenberg und Jüterbog, nicht auf den bestehenden Standort Schönefeld (Vermerk vom 28. Februar 1995 S. 1). Die Annahme der Kläger, der Beklagte habe sich bei der Standortentscheidung von der sachfremden Erwägung leiten lassen, eine Wiederholung des Raumordnungsverfahrens zu vermeiden, ist nicht plausibel. Nach dem sogenannten Konsens-Beschluss vom 28. Mai 1996, in dem sich der Bundesminister für Verkehr, der Regierende Bürgermeister von Berlin und der Ministerpräsident des Landes Brandenburg darauf verständigten, den Standort Schönefeld als „Single-Standort“ zu entwickeln (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - <insoweit nicht veröffentlicht in BVerwGE 125, 116> juris Rn. 5), wurden im Landesentwicklungsprogramm i.d.F. vom 1. November 2003 und LEP FS vom 28. Oktober 2003 neue Rechtsgrundlagen geschaffen, die die Durchführung eines neuen Raumordnungsverfahrens erübrigten (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 59 f.).

101 2. Bahnkonfiguration

102 Dass das Untersuchungsfenster für die Analyse der möglichen Bahnkonfigurationen (Achsabstand zwischen 1 600 und 2 300 m, Bahnversatz zwischen 800 und 1 800 m) bei Berücksichtigung des 15°-Erfordernisses auf Achsabstände so weit über 2 300 m hinaus erweitert worden wäre, dass ein unabhängiger Bahnbetrieb ohne Einhaltung des 15°-Erfordernisses möglich gewesen wäre, kann ausgeschlossen werden. Wie in der Konfigurationsanalyse (Beiakte 425, M 12 S. 12 - 14) und im Planfeststellungsbeschluss (PFB S. 637) dargelegt, würden sich bei einem größeren Achsabstand als 2 300 m die Rollwege unter flugbetrieblichen Gesichtspunkten wesentlich erhöhen; die Groß Kienitzer Berge würden sich zunehmend als flugbetrieblich bedenkliches topographisches Hindernis erweisen. Vor allem würde eine weitere Verschiebung der Südbahn nach Süden ihren Zweck auch unter fluglärmspezifischen Gesichtspunkten verfehlen. Die durch abknickende Abflüge stärker betroffene Gemeinde Eichwalde würde bei größeren Achsabständen als 2 300 m zunehmend in ihrer breitesten Ost-West-Ausdehnung überflogen und zwar, wenn der Achsabstand für parallele Abflüge ausreichend sein sollte, sowohl von An- als auch von Abflügen.

103 Ob die Konfigurationsanalyse innerhalb des Untersuchungsfensters wegen der Nichtberücksichtigung des 15°-Erfordernisses an einem ergebnisrelevanten Abwägungsfehler leidet, kann offen bleiben. Jedenfalls wären die Kläger durch einen etwaigen Abwägungsmangel nicht in eigenen Rechten verletzt worden. Die Grundstücke der Kläger der Verfahren BVerwG 4 A 5000.10 , 5001.10 und 7000.11 liegen nördlich der bereits vorhandenen Nordbahn. Eine Parallelverschiebung dieser Bahn war nicht Gegenstand der Konfigurationsanalyse. Von einer Verschiebung der Südbahn innerhalb des Untersuchungsfensters hätten sie nicht profitiert. Die Belange des in Rangsdorf und damit südlich der Südbahn wohnenden Klägers des Verfahrens BVerwG 4 A 5002.10 waren für die Konfigurationsanalyse ebenfalls nicht abwägungserheblich. Als abwägungserheblich wurden in der Konfigurationsanalyse nur Betroffenheiten bis hinab zu einem Dauerschallpegel von Leq(3), Tag = 62 dB(A) angesehen (PFB S. 635 f. und Beiakte 425, M 12 S. 19). Diese Werte werden bei um bis zu 15° abknickenden Abflugrouten bei dem Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 5002.10 nicht erreicht (vgl. Beiakte 425, Karte M 12-16). Die Bahnkonfiguration stellt für seine Betroffenheit keinen Zwangspunkt mehr dar.

104 3. Verfahren

105 Der Planfeststellungsbeschluss leidet allerdings an einem Fehler bei der Öffentlichkeitsbeteiligung und der Umweltverträglichkeitsprüfung. Wie der Senat im Urteil vom gleichen Tage in den Verfahren BVerwG 4 A 7001.11 bis 7003.11 dargelegt hat, hätte der Beklagte weder das Gebiet, in dem die Planunterlagen gemäß § 73 Abs. 2 und 3 VwVfG auszulegen sind, noch den Untersuchungsraum Mensch der Umweltverträglichkeitsprüfung auf der Grundlage der prognostischen Flugroutenplanung abgrenzen dürfen. Er hätte die Planunterlagen in allen Gemeinden auslegen müssen, die im Einwirkungsbereich des Flughafens liegen und bei denen jedenfalls für Teile des Gemeindegebiets weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen auszuschließen ist, dass ein zu ihrer Betroffenheit führendes Flugverfahren festgelegt wird. Gleiches gilt für die Abgrenzung des Untersuchungsraums Mensch im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung.

106 Diese Fehler beruhen jedoch nicht auf der Nichtberücksichtigung des 15°-Erfordernisses, sondern auf einem Irrtum des Beklagten über die Maßgeblichkeit der prognostischen Flugroutenplanung für die Abgrenzung des Auslegungsgebiets und den Untersuchungsumgriff der Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Kläger hätten diese Fehler auch ohne Kenntnis des 15°-Erfordernisses rügen können. Unabhängig hiervon hätten die Planunterlagen auch ausgehend von der damaligen Rechtsauffassung des Beklagten bei Berücksichtigung des 15°-Erfordernisses jedenfalls in Kleinmachnow nicht ausgelegt werden müssen. Der auf der Grundlage der DFS-Grobplanung vom März 1998 gebildete Untersuchungsraum Mensch, den der Beklagte als maßgebend für die Abgrenzung des Auslegungsgebiets angesehen hat, hätte auch bei einer um 15° nach Norden abknickenden Abflugroute nicht bis an die südliche Grenze der Gemeinde Kleinmachnow herangereicht (vgl. Beiakte 430, N 4.4-1).

107 Die von den Klägern aufgeworfene Frage zur Auslegung des Art. 6 der RL 85/337/EWG ist nicht entscheidungserheblich. Sie könnte sich nur stellen, wenn den Klägern Wiedereinsetzung in die Klagefrist zu gewähren wäre; das ist nicht der Fall. Die Frage musste deshalb auch nicht - dem Antrag der Kläger folgend (Anlage 3 der Sitzungsniederschrift) - gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt werden.

108 V. Planergänzungsbeschluss

109 Aus den dargelegten Gründen kann den Klägern des Verfahrens BVerwG 4 A 7000.11 auch nicht für ihre auf eine weitergehende Einschränkung des Nachtflugbetriebs gerichteten Hilfsanträge Wiedereinsetzung in die Frist für eine Klage gegen den Planergänzungsbeschluss vom 20. Oktober 2009 gewährt werden. Unabhängig hiervon fehlt den Klägern insoweit jedenfalls die Klagebefugnis, weil der Planfeststellungsbeschluss ihnen gegenüber bestandskräftig geworden ist und sie durch den Planergänzungsbeschluss nicht erstmals oder weitergehend als bisher betroffen werden (vgl. Urteil vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - BVerwGE 131, 316 Rn. 21). Im Übrigen wäre die Klage mit den Hilfsanträgen aus den im Urteil vom 13. Oktober 2011 (BVerwG 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1) dargelegten Gründen jedenfalls unbegründet.

110 C. Kosten

111 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 2, § 162 Abs. 3, § 159 Satz 1 und 2 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Hier entsprach es billigem Ermessen, den Klägern des Verfahrens BVerwG 4 A 7000.11 auch bezüglich des erledigten Antrags auf weitergehenden passiven Schallschutz die Kosten aufzuerlegen, weil ihnen voraussichtlich auch insoweit Wiedereinsetzung in die Klagefrist nicht zu gewähren gewesen wäre.

Urteil vom 31.07.2012 -
BVerwG 4 A 6001.11ECLI:DE:BVerwG:2012:310712U4A6001.11.0

Leitsatz:

Bestätigt die aufgefundene Urkunde lediglich Tatsachen, die sich bereits aus den im Vorprozess vorgelegten Verwaltungsvorgängen ergaben, liegt ein Restitutionsgrund i.S.v. § 580 Nr. 7b ZPO nicht vor.

  • Rechtsquellen
    VwGO § 100 Abs. 1, § 153 Abs. 1
    ZPO § 580 Nr. 7b, § 582, § 586 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2
    LuftVG § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 8 Satz 1
    Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung (LEP FS 2003)

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 31.07.2012 - 4 A 6001.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:310712U4A6001.11.0]

Urteil

BVerwG 4 A 6001.11

In den Verwaltungsstreitsachen hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch,
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp, Dr. Bumke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz
für Recht erkannt:

  1. Die Klagen werden abgewiesen.
  2. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 tragen die Kläger zu 1 und 2 des Verfahrens BVerwG 4 A 6001.11 , die Klägerin zu 3 sowie - gesamtschuldnerisch - die Kläger zu 1 und 2 des Verfahrens BVerwG 4 A 6002.11 jeweils 1/4. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 und 3 sind nicht erstattungsfähig.

Gründe

I

1 Die Kläger begehren die Aufhebung der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1073.04 bzw. 4 A 1075.04 - im Wege der Restitution und die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 „Ausbau Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld“ (PFB) i.d.F. des Planergänzungsbeschlusses „Lärmschutzkonzept BBI“ vom 20. Oktober 2009 (PEB).

2 Der Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 sieht den Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld zum Großflughafen Berlin Brandenburg mit zwei parallelen Start- und Landebahnen vor. Das Grundstück des Klägers zu 1 des Verfahrens BVerwG 4 A 6001.11 liegt in Königs Wusterhausen, Ortsteil Wernsdorf, ca.12 km östlich der Mitte der neuen Start- und Landebahn Süd des Flughafens, das Grundstück der Klägerin zu 2 dieses Verfahrens liegt in Zeuthen, ca. 8 km südöstlich der Startbahnmitte. Das Grundstück der Kläger zu 1 und 2 des Verfahrens BVerwG 4 A 6002.11 liegt ca. 4 km östlich der Mitte der Nordbahn am südwestlichen Rand des Ortsteils Bohnsdorf im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick. Das Grundstück der Klägerin zu 3 dieses Verfahrens liegt am südöstlichen Ortsrand von Blankenfelde ca. 5 km westlich der Mitte der Südbahn.

3 Im Rahmen der Vorbereitungen zur Stellung des Planfeststellungsantrags für den Flughafenausbau richtete der Beklagte eine Arbeitsgruppe „An- und Abflugverfahren“ ein, an der u.a. die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) und die Projektplanungsgesellschaft (PPS) als Rechtsvorgängerin der Vorhabenträgerin, der Beigeladenen zu 1, beteiligt waren. Die Arbeitsgruppe sollte die Flughafenplanung - beginnend mit der Erstellung der Antragsunterlagen - mit der erst kurz vor Inbetriebnahme des Flugplatzes erfolgenden Festlegung der An- und Abflugverfahren koordinieren. In dieser Arbeitsgruppe legte die DFS in der Sitzung vom 30. März 1998 eine Grobplanung der Abflugrouten vor. Die Abflugrouten sollten hiernach in beiden Betriebsrichtungen zunächst mehrere Kilometer parallel in gerader Verlängerung der Bahnen verlaufen. Die DFS ging bei dieser Grobplanung, ohne hierauf ausdrücklich hinzuweisen, davon aus, dass die beiden Bahnen nicht unabhängig voneinander genutzt werden sollten. In der Folgezeit berechnete die PPS auf der Grundlage der vorgelegten Grobplanung die Streckengeometrie für das Datenerfassungssystem (DES). Mit Schreiben vom 20. August 1998 kam die DFS auf eine Prüfbitte der Arbeitsgruppe zurück und erklärte, dass der vorgesehene Achsabstand und Schwellenversatz keine nachteiligen Auswirkungen auf die gleichzeitige unabhängige Durchführung des Flugverkehrs hätten. Weiter heißt es:
„In diesem Zusammenhang möchte ich jedoch auch deutlich darauf hinweisen, dass die gleichzeitige unabhängige Durchführung von IFR-Abflügen von beiden Pisten unmittelbar nach dem Start eine Divergenz der Abflugkurse von mindestens 15° erfordert. Ebenso müssen die Abflugkurse um mindestens 30° von den Fehlanflugkursen der jeweils anderen Piste abweichen. Da derartige Präzisierungen in der übergebenen Grobplanung für die künftigen IFR-Abflugverfahren nicht berücksichtigt wurden, ist bei der weiteren Verwendung dieser Unterlagen ein entsprechender Toleranzbereich zu berücksichtigen.“

4 Mit Schreiben vom 26. August 1998 bestätigte die DFS, dass die von der PPS übermittelten Streckengeometriedaten mit ihrer Grobplanung übereinstimmten. Der Beklagte übermittelte beide DFS-Schreiben der PPS und bat, die Vorgaben der DFS bei den weiteren Planungen zu berücksichtigen. Die PPS erwiderte mit Schreiben vom 10. September 1998, dass sie die Forderung der DFS bei der Konstruktion der Standard Instrument Departures (SID) nicht berücksichtigt habe. Sie gehe davon aus, dass die Hinweise der DFS nicht zu einer Veränderung der Streckengeometrie führten; anderenfalls müsste kurzfristig ein Klärungsgespräch mit der DFS herbeigeführt werden. Ein solches Gespräch fand am 29. September 1998 bei der DFS in Offenbach statt. Ein Ergebnisprotokoll liegt nicht vor. Es gibt allerdings das Protokoll einer Koordinierungssitzung der PPS vom 5. Oktober 1998, in der ein Mitarbeiter - Herr S. - über die Besprechung vom 29. September berichtet. In dem Protokoll heißt es:
„Sollte dies (gemeint ist eine Divergenz der Abflugkurse um mindestens 15°) nicht erfolgen, ist mit Kapazitätseinschränkungen in Spitzenzeiten zu rechnen. Diese Einschränkungen konnten jedoch nicht quantifiziert werden. Deshalb ist auf eine grundsätzliche Vorgabe für alle Abflüge hinzuwirken und in die Grobplanung aufzunehmen. ... Die DFS erarbeitet innerhalb von 14 Tagen eine neue Grobplanung. Man konnte sich dem Wunsch nach ausschließlicher Plausibilitätsaussage nicht anschließen. Festlegung: Es ist ein entsprechendes Schreiben an Hr. E., BMV, zu richten mit der Bitte um Unterstützung und Einflussnahme im Sinne der PPS-Zielstellung auf die DFS.“ (Klammerzusatz nicht im Original)

5 Unter dem 7. Oktober 1998 richtete der Geschäftsführer der PPS, Herr Dr. H., ein Schreiben an den Unterabteilungsleiter Herrn E. im Bundesverkehrsministerium (im Folgenden: H.-Schreiben). Er berichtete über die Forderung der DFS nach einer grundsätzlichen Vorgabe der Divergenz von 15° für alle Abflüge. Weiter heißt es:
„Als Konsequenz ergibt sich die Notwendigkeit der generellen Überarbeitung des DES, insbesondere durch die geänderten Streckengeometrien. Ein geändertes DES macht die Überarbeitung aller bisher im Vertrauen auf die Verbindlichkeit der Grobplanung der DFS erarbeiteten lärmphysikalischen, lärmmedizinischen und humantoxikologischen Gutachten erforderlich. Es muss mit erheblichen finanziellen Mehraufwendungen und einer zeitlichen Verzögerung im Planungsablauf von ca. 3 Monaten gerechnet werden. ... Das BMV wird gebeten, Einfluss auf die DFS dahingehend zu nehmen, dass die DFS ihre Stellungnahme zum vorliegenden DES modifiziert. Die Stellungnahme der DFS ist für das Planfeststellungsverfahren wichtig. Sie sollte zum Ausdruck bringen, dass die dargestellte Streckengeometrie grundsätzlich akzeptiert wird. Es kann durchaus dargestellt werden, dass es zu einem zusätzlichen Koordinierungserfordernis von Abflügen seitens der DFS führt, was wiederum bei unterstellten unveränderten technischen und technologischen Bedingungen bei Erreichen der Kapazitätsgrenzen des Pistensystems zu Bewegungsbeschränkungen in Spitzenzeiten führen kann. Diese Situation würde der des Flughafens München entsprechen und könnte vom Antragsteller akzeptiert werden. Zu beachten ist auch, dass die endgültige Festlegung der Flugrouten durch die DFS erst bei Inbetriebnahme des Bahnsystems erfolgt und die dann geltenden technischen und technologischen Voraussetzungen berücksichtigt werden.“

6 In einer E-Mail vom 9. Oktober 1998 schrieb der Mitarbeiter der DFS, Herr S., an einen Kollegen:
„Möglicherweise haben Sie schon das Fax von Herrn Dr. H. an Herrn E. gelesen. ... Auch Herr B. hat zwischenzeitlich in einem Telefonat mit Herrn O. um eine im Sinne der PPS liegende Bearbeitung gebeten. Entgegen unserer Vereinbarung vom 29.09.1998 und den darauf von uns bereits eingeleiteten Schritten ist in einem Telefonat zwischen Herrn O. und Herrn St. ... mit diesen Hintergründen folgendes vereinbart worden:
Es soll kein neues Verfahrenskonzept vorgelegt werden, aber in einem Schreiben an Herrn B. müssen einige Punkte deutlich zum Ausdruck gebracht werden ..., wie z.B.: - Hinweis auf mögliche Kapazitätsengpässe, - Hinweis auf mögliche Änderungen aufgrund neuer Navigations- und Verfahrensgrundlagen - deutlicher Hinweis, dass es sich hierbei nur um Grobplanung handelt und mit Inbetriebnahme Verfahrensänderungen, insbesondere die Divergenz-SIDs möglich sind.
Diese Punkte sollen dann auch in der Planfeststellung festgeschrieben werden! ... Ich persönlich denke, dass wir vor dem zugespitzten politischen Hintergrund mit dieser Lösung leben können, unsere Bedenken sind dann festgeschrieben und die neuen Verfahren behalten wir in der Hinterhand.“

7 Mit Schreiben vom 26. Oktober 1998 teilte die DFS dem Beklagten unter Bezugnahme auf die Besprechungen vom 30. März und 29. September 1998 Folgendes mit:
„Die dort (von der PPS) dargestellte Streckengeometrie entspricht grundsätzlich den derzeitigen Planungen der DFS (Klammerzusatz nicht im Original).
In o. Besprechung kündigte die DFS eine zusätzliche Prüfung im Hinblick auf eine gleichzeitige unabhängige Durchführung von IFR-Flugverkehr auf beiden Pisten an.
Als Ergebnis dieser Prüfung ergab sich, dass bei dem geplanten Bahnabstand IFR-Anflüge unabhängig voneinander auf beide Pisten durchgeführt werden können. Um allerdings auch parallele IFR-Abflüge gleichzeitig von beiden Pisten gewährleisten zu können, wäre generell eine Divergenz der Abflugwege von 15° erforderlich. Dies bedeutet, dass es bei den vorliegenden Abflugverfahren während Verkehrsspitzenzeiten zu Abflugverzögerungen kommen könnte.
Es wird darauf hingewiesen, dass die nach § 27a LuftVO vom LBA per Rechtsverordnung festzulegenden Flugverfahren nicht Gegenstand einer Planfeststellung oder Flugplatzgenehmigung sein können. ...
Die Festlegung der für die Inbetriebnahme des neuen Bahnsystems notwendigen Flugverfahren wird demzufolge erst kurz vor Betriebsaufnahme unter Berücksichtigung obiger Gesichtspunkte und in enger Zusammenarbeit mit allen Betroffenen erfolgen.“

8 In der Folgezeit erstellte die PPS die Planunterlagen auf der Grundlage der von der DFS erstellten Grobplanung der Flugrouten; den Gutachten zu den flugroutenabhängigen Auswirkungen des Flugbetriebs liegt ebenfalls diese Grobplanung zugrunde.

9 Im Anhörungsverfahren gab die DFS am 3. Juli 2000 eine Stellungnahme als Trägerin öffentlicher Belange ab. Sie wiederholte fast wortgleich den Inhalt ihrer Stellungnahme vom 26. Oktober 1998.

10 Im Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 legte der Beklagte dar, dass die Herstellung eines unabhängig benutzbaren Parallelbahnsystems ein wesentlicher Grund für den Ausbau des Flughafens sei. Um das den Planungen zugrunde liegende Verkehrsaufkommen von 360 000 Flugbewegungen bewältigen zu können, sei es erforderlich, dass die beiden Bahnen unabhängig voneinander betrieben werden könnten (PFB S. 336 Abs. 1, 409 Abs. 5). Er wies darauf hin, dass die Flugrouten in einem separaten Verfahren festgelegt würden. Die dem DES zugrunde gelegten Flugrouten bezeichnete er als „durchaus plausible und auch hinreichend konkrete Grundlage für die Ermittlung der Auswirkungen des Ausbauvorhabens“ (PFB S. 414). Auch die Schutz- und Entschädigungsgebiete legte er auf der Grundlage dieser Flugrouten fest. Bei geänderten An- und Abflugverfahren behielt er sich vor, die festgelegten Schutz- und Entschädigungsgebiete neu auszuweisen, wenn sich der Dauerschallpegel an der äußeren Grenze des Schutzgebiets an den Schnittpunkten mit den An- und Abflugstrecken um mehr als 2 dB(A) ändert (A II 5.1.9 PFB).

11 Die Kläger haben gegen den Planfeststellungsbeschluss geklagt. Die Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 6002.11 waren Kläger zu 15, 16 und 33 im Verfahren BVerwG 4 A 1075.04 . Der Kläger zu 1 des Verfahrens BVerwG 4 A 6001.11 war Kläger zu 12 im Verfahren BVerwG 4 A 1073.04 . Die auf Aufhebung, hilfsweise Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 gerichteten Hauptanträge der Kläger hat der Senat mit Urteilen vom 16. März 2006 abgewiesen. Die Klägerin zu 2 des Verfahrens BVerwG 4 A 6001.11 war Klägerin zu 194 im Verfahren BVerwG 4 A 1006.07 . Dieses haben die Beteiligten, nachdem der Beklagte erklärt hatte, die Kläger den Klägern der Musterverfahren gleichzustellen, übereinstimmend für erledigt erklärt. Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 3. Juli 2007 eingestellt.

12 Am 6. September 2010 stellte die DFS der Fluglärmkommission eine neue Flugroutenplanung vor; danach sollten die von der Nordbahn startenden Flugzeuge in Betriebsrichtung Westen um erheblich mehr als 15° abknicken und Teltow, Stahnsdorf und Kleinmachnow überfliegen. Die Abflüge von der Südbahn sollten in beiden Betriebsrichtungen um etwa 15° nach Süden abknicken.

13 Am 10. Dezember 2010 wurde das H.-Schreiben in der Presse veröffentlicht.

14 Am 10. Januar 2011 haben die Kläger die vorliegenden Restitutionsklagen erhoben, die sie zunächst auf das H.-Schreiben - die Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 6001.11 zusätzlich auf die DFS-Schreiben vom 20. August und 26. Oktober 1998 - gestützt haben. Mit Schriftsatz vom 31. März 2011 haben die Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 6002.11 das Restitutionsbegehren ergänzend auf die E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn S. vom 9. Oktober 1998, eine E-Mail des weiteren DFS-Mitarbeiters Herrn K. vom 3. Februar 2006 und ein undatiertes Argumentationspapier der DFS aus dem Jahr 2010 gestützt. Diese Urkunden seien ihnen im Rahmen einer Akteneinsicht bei der DFS nach dem Umweltinformationsgesetz am 17. März 2011 zur Kenntnis gelangt. Die Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 6001.11 haben ihr Restitutionsbegehren mit Schriftsatz vom 2. Mai 2011 ergänzend auf das Schreiben der PPS vom 10. September 1998, das Schreiben des Beklagten vom 16. September 1998, das Argumentationspapier der DFS aus dem Jahr 2010 und die E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn S. gestützt. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2011 haben sie sich zusätzlich auf Flugroutenentwürfe der DFS vom 1. Oktober 1998 und die E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn K. vom 3. Februar 2006 berufen. Mit Schriftsätzen vom 20. (BVerwG 4 A 6002.11 ) bzw. 25. Juni 2012 (BVerwG 4 A 6001.11 ) haben die Kläger schließlich das Protokoll der Koordinierungssitzung der PPS vom 5. Oktober 1998 in das Verfahren eingeführt.

15 Nach ihrer Auffassung würden diese Dokumente eine ihnen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben. Sie belegten, dass die DFS bei dem der Planfeststellung zugrunde liegenden unabhängigen Parallelbetrieb nicht bereit gewesen sei, geradlinige Abflugrouten zu planen, dass dies dem Beklagten und der Beigeladenen zu 1 auch bekannt gewesen sei und dass die DFS nur auf politischen Druck hin nach außen die Grobplanung vom März 1998 als plausibel bezeichnet habe. Unter dieser Voraussetzung hätte der Beklagte der Abwägung um mindestens 15° divergierende Flugrouten zugrunde legen müssen. Durch diese würden zahlreiche Wohngebiete im Südwesten Berlins, in Rangsdorf und in Zeuthen in erheblicher Weise von Fluglärm betroffen. Der Planfeststellungsbeschluss und der für die Standortentscheidung maßgebliche Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung (LEP FS 2003) seien von im wesentlichen Umfang unzutreffenden Betroffenheiten ausgegangen und wegen dieses Abwägungsfehlers rechtswidrig. Auch wenn man demgegenüber von einer ungefähr gleichbleibenden Zahl Lärmbetroffener ausgehe, sei die Abwägung fehlerhaft; die tatsächlich Lärmbetroffenen durch eine vergleichbare Zahl hypothetisch - unter unrealistischen Flugrouten - Lärmbetroffener zu „ersetzen“, degradiere den Einzelnen zu einer reinen Zählgröße in der Abwägung und verletze die Menschenwürdegarantie in Art. 1 Abs. 1 GG, zumal den tatsächlich Betroffenen hierdurch Rechtsschutzmöglichkeiten genommen würden. Zudem sei der Planfeststellungsbeschluss verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, da die Planunterlagen nicht in allen tatsächlich betroffenen Gemeinden ausgelegen hätten. Auf der Grundlage des Planfeststellungsantrags und der Verwaltungsvorgänge hätten weder die Kläger noch der Senat die fehlende Plausibilität der Grobplanung vom März 1998 erkennen können.

16 Die Kläger im Verfahren BVerwG 4 A 6001.11 beantragen,
1. das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1073.04 - aufzuheben, soweit der auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichtete Hauptantrag des Klägers zu 1 (dort Kläger zu 12) abgewiesen wurde, und den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 2007 - BVerwG 4 A 1006.07 - aufzuheben, soweit das Verfahren der Klägerin zu 2 (dort Klägerin zu 194) eingestellt wurde,
2. den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2009 aufzuheben,
hilfsweise
die Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses auszusetzen und den Beklagten zu verpflichten, ein ergebnisoffenes Fehlerbehebungsverfahren durchzuführen.

17 Die Kläger im Verfahren BVerwG 4 A 6002.11 beantragen,
1. das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - aufzuheben, soweit die Klage gemäß dem damaligen Klageantrag zu Ziffer 1, einschließlich dem damals zu Ziffer 1 gestellten Hilfsantrag abgewiesen worden ist,
2. den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2009 aufzuheben,
3. hilfsweise festzustellen, dass der vorbenannte Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist.

18 Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 beantragen,
die Klagen abzuweisen.

19 Die Beigeladenen zu 2 und 3 haben keine Anträge gestellt.

20 Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 machen geltend, die Frist des § 586 ZPO sei in Bezug auf einzelne Urkunden nicht gewahrt. Die Kläger seien zudem nicht unverschuldet außer Stande gewesen, den Restitutionsgrund bereits im Vorprozess geltend zu machen. Sie hätten bereits im damaligen Prozess erkennen können und müssen, dass die DFS im Planfeststellungsverfahren für den unabhängigen Parallelbetrieb eine Divergenz der Abflugrouten von 15° für erforderlich gehalten habe, und zwar unter Beibehaltung ihrer Grobplanung. Im Übrigen hätte der Senat auch bei Kenntnis der dem Restitutionsbegehren zugrunde liegenden Dokumente nicht anders entschieden; diese Schreiben enthielten gegenüber den Stellungnahmen der DFS nichts Neues. Selbst wenn die Restitutionsklage zulässig und ein Restitutionsgrund gegeben sein sollte, sei jedenfalls die Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluss zurückzuweisen. Die dem Planfeststellungsbeschluss und dem LEP FS 2003 zugrunde liegende Abwägung leide nicht an einem Defizit. Die Grobplanung der DFS vom 30. März 1998 sei damals realisierungsfähig gewesen und sei es auch heute noch. Lege man eine Divergenz von 15° zugrunde, ändere sich an den Lärmauswirkungen im Übrigen nichts Wesentliches.

II

21 Die Restitutionsklagen sind zulässig (A.). Ein Grund, die rechtskräftigen Urteile des Senats vom 16. März 2006 bzw. den Einstellungsbeschluss vom 3. Juli 2007 aufzuheben, liegt jedoch nicht vor (B.).

22 A. Zulässigkeit der Restitutionsklagen

23 Die Restitutionsklagen sind statthaft (§ 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 586 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Nach Ablauf von 5 Jahren, von dem Tag der Rechtskraft des Urteils an gerechnet, kann die Rechtskraft eines Urteils auch im Wege der Restitutionsklage nicht mehr durchbrochen werden. Diese Frist ist gewahrt. Die Urteile vom 16. März 2006 sind mit ihrer Verkündung am selben Tag rechtskräftig geworden. Die Frist endete am 16. März 2011 (§ 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Klagen sind am 10. Januar 2011 erhoben worden.

24 Der von der Klägerin zu 2 des Verfahrens BVerwG 4 A 6001.11 angegriffene Beschluss über die Einstellung des Vorprozesses nach übereinstimmender Erledigterklärung kann allerdings nicht Gegenstand einer Restitutionsklage sein, denn er beruht - anders als Endurteile und ihnen gleichgestellte Beschlüsse - nicht auf einer Entscheidung über die Zulässigkeit und Begründetheit der im Vorprozess erhobenen Klage. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass Prozesshandlungen - wie hier die Erledigterklärungen - unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen werden können. Ein Widerruf kommt insbesondere in Betracht, wenn ein Restitutionsgrund i.S.d. § 580 ZPO vorliegt (Beschlüsse vom 26. Januar 1971 - BVerwG 7 B 82.70 - Buchholz 310 § 92 VwGO Nr. 3 und vom 7. August 1998 - BVerwG 4 B 75.98 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 115). Der Widerruf der Erledigterklärung, den die Klägerin durch Erhebung der Restitutionsklage konkludent erklärt hat, wäre wirksam, wenn das Verfahren, wäre es durch rechtskräftiges Endurteil geschlossen worden, auf die Restitutionsklage wiederaufzunehmen wäre.

25 Die Klagefrist von einem Monat ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes (§ 586 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO) ist gewahrt. Als Restitutionsgrund i.S.d. § 580 Nr. 7b ZPO haben sich die Kläger bei Klageerhebung auf das H.-Schreiben gestützt. Von diesem Schreiben haben sie nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag erst durch die Veröffentlichung des Schreibens in der Presse am 10. Dezember 2010 Kenntnis erhalten.

26 Ob die Klagefrist für jede aufgefundene Urkunde neu zu laufen beginnt und ob die Zulässigkeit der Restitutionsklage auch in Bezug auf ihre Hilfsnatur (§ 582 ZPO) für jede Urkunde gesondert zu prüfen ist, kann offen bleiben. Denn ein Restitutionsgrund ergibt sich aus den von den Klägern in das Verfahren eingeführten Urkunden nicht.

27 B. Restitutionsgrund

28 Als Restitutionsgrund kommt hier allein § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 580 Nr. 7b ZPO in Betracht. Nach diesen Vorschriften findet die Restitutionsklage statt, wenn die Partei eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.

29 I. Auffinden

30 Soweit die Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 6001.11 die Schreiben der DFS vom 20. August und 26. Oktober 1998, das Schreiben der PPS vom 10. September 1998 und das Schreiben des Beklagten vom 16. September 1998 als Urkunden i.S.d. § 580 Nr. 7b ZPO bezeichnen, haben sie diese Urkunden weder im Sinne dieser Vorschrift aufgefunden noch sind sie in den Stand gesetzt worden, die Urkunden zu benutzen. Das Auffinden einer anderen Urkunde bedeutet, dass deren Existenz oder Verbleib dem Restitutionskläger in dem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren unverschuldet unbekannt war. Er wird in den Stand gesetzt, eine andere Urkunde zu benutzen, wenn er deren Existenz und Verbleib zwar kannte, sie aber unverschuldet nicht vorlegen konnte (Beschluss vom 15. Juni 1989 - BVerwG 9 CB 24.89 - Buchholz 303 § 580 ZPO Nr. 3). In beiden Fällen kann der Wiederaufnahmegrund nicht losgelöst vom Verschulden bestimmt werden (Beschluss vom 24. Februar 2009 - BVerwG 5 B 4.09 - Buchholz 428.41 § 4 EntschG Nr. 9).

31 Die genannten Schreiben sind den Klägern nicht unverschuldet unbekannt geblieben; die Kläger hätten sie bereits im Vorprozess benutzen können. Die Schreiben befanden sich in den Verwaltungsvorgängen, die der Beklagte dem Gericht im Vorprozess vorgelegt hatte (Beiakte 45, Bl. 45, 98 f., 100 f., 106 f.). Die Kläger konnten in die Verwaltungsvorgänge Einsicht nehmen (§ 100 Abs. 1 VwGO). Warum es ihnen nicht möglich oder zumutbar gewesen sein sollte, die Schreiben in den Verwaltungsvorgängen aufzufinden und sich auf sie zu berufen, legen sie nicht dar. Die Frage, ob und gegebenenfalls wie die dem DES zugrunde gelegte Grobplanung der An- und Abflugrouten mit dem Planungsziel vereinbar war, einen unabhängigen Bahnbetrieb zu ermöglichen, stellte sich unabhängig von den - den Klägern nicht bekannten - Ergebnissen der Besprechung vom 29. September 1998 in der DFS-Hauptverwaltung und dem H.-Schreiben.

32 II. Günstigere Entscheidung

33 Das H.-Schreiben, das Protokoll der Koordinierungssitzung der PPS vom 5. Oktober 1998, die Flugroutenentwürfe der DFS vom 1. Oktober 1998, die E-Mails der Mitarbeiter der DFS, Herren S. und K., vom 9. Oktober 1998 und 3. Februar 2006 und das Argumentationspapier der DFS aus dem Jahr 2010 waren nicht in den Verwaltungsvorgängen enthalten; insoweit handelt es sich um neue Urkunden. Sie würden aber - auch in der Zusammenschau mit den in den Verwaltungsvorgängen vorhandenen Schreiben - eine den Klägern günstigere Entscheidung über ihren Antrag auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004, hilfsweise Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit, nicht herbeigeführt haben.

34 1. Maßstab

35 Um eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu rechtfertigen, muss die aufgefundene Urkunde für die Herbeiführung einer dem Kläger günstigeren Entscheidung kausal sein. Das ist der Fall, wenn die Urkunde zu einem anderen Beweisergebnis führt und das neue Beweisergebnis nach der Rechtsauffassung des Restitutionsgerichts (Urteil vom 22. Oktober 1969 - BVerwG 5 C 27.68 u.a. - BVerwGE 34, 113 <115>) tatsächlich eine für den Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte. Dass die Urkunde lediglich im Sinne einer Schlüssigkeit „geeignet“ ist, zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung zu führen, genügt nicht (Urteil vom 21. April 1982 - BVerwG 8 C 75.80 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 11 - juris Rn. 13). Bestätigt die Urkunde lediglich Tatsachen, die sich bereits aus den im Vorprozess vorgelegten Verwaltungsvorgängen ergaben, also den Beteiligten bekannt waren oder wegen des Akteneinsichtsrechts nach § 100 Abs. 1 VwGO hätten bekannt sein können, liegt ein Restitutionsgrund i.S.v. § 580 Nr. 7b ZPO nicht vor. Restitutionsgrund nach dieser Vorschrift ist die Unvollständigkeit der Urteilsgrundlage (Urteil vom 22. Oktober 1969 a.a.O.). Waren die entscheidungserheblichen Tatsachen, die durch die aufgefundene Urkunde bewiesen werden sollen, bereits im Vorprozess in den Verwaltungsvorgängen dokumentiert, hätten sie also in den Vorprozess eingeführt werden können, beruht die damalige Entscheidung auch dann auf einer vollständigen Tatsachenbasis, wenn die Partei es versäumt hat, sich auf diese Tatsache zu berufen; in einem solchen Fall ist eine Durchbrechung der Rechtskraft nicht gerechtfertigt. Gleiches gilt, wenn die Urkunde erst nach der Entscheidung des Tatsachengerichts errichtet wurde (Beschluss vom 7. Juli 1999 - BVerwG 8 B 66.99 - Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 32 - juris Rn. 7). Die neuen entscheidungserheblichen Tatsachen müssen zudem allein durch die Urkunde in Verbindung mit dem bisherigen Prozessstoff bewiesen werden (vgl. Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 153 Rn. 76; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl. 2012, § 580 Rn. 20). Wegen des ihnen zukommenden besonderen Beweiswerts ist nur der nachträgliche Beweis durch Urkunden geeignet, die Rechtskraft des Urteils zu durchbrechen. Es genügt nicht, wenn die Urkunde nur Anlass für die Vernehmung von Zeugen oder die Einholung von Sachverständigengutachten gibt. Diese sind in § 580 ZPO als Beweismittel nicht zugelassen. Der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7b ZPO dient nicht dazu, im Vorprozess nicht gehörte Sachverständige und Zeugen in das Verfahren einzuführen (Beschlüsse vom 11. Oktober 2004 - BVerwG 7 B 83.04 - juris Rn. 10, vom 15. Juni 1989 a.a.O. und vom 21. Januar 1982 - BVerwG 7 B 13.82 - Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 18 - juris Rn. 4 m.w.N.). War die Tatsache, die durch die Urkunde bewiesen werden soll, nicht entscheidungserheblich, hätte auch die Urkunde eine der Partei günstigere Entscheidung nicht herbeigeführt. Maßgebend für die Entscheidungserheblichkeit ist - wie dargelegt - die Auffassung des Restitutionsgerichts.

36 2. Bewertung der Urkunden

37 Gemessen hieran rechtfertigen die von den Klägern vorgelegten Urkunden weder einzeln noch in der Zusammenschau die Wiederaufnahme der rechtskräftig abgeschlossenen Klageverfahren.

38 Die Tatsachen, die die Kläger mit den vorgelegten Urkunden beweisen wollen, sind überwiegend nicht neu. Soweit den Urkunden neue Tatsachen zu entnehmen sind, sind diese entweder nicht entscheidungserheblich oder die Urkunden sind - auch in Verbindung mit dem bisherigen Prozessstoff - nicht ausreichend, um den erforderlichen Beweis zu erbringen. Aus dem Argumentationspapier der DFS kann sich ein Restitutionsgrund schon deshalb nicht ergeben, weil es erst im Jahr 2010 und damit nach dem Urteil des Senats vom 16. März 2006 entstanden ist; es kann die Vollständigkeit der damaligen Entscheidungsgrundlage nicht in Frage stellen (vgl. Beschluss vom 7. Juli 1999 a.a.O.).

39 2.1 Kenntnis des Beklagten vom Erfordernis divergierender Abflugrouten

40 Das H.-Schreiben, das Protokoll der vorangegangenen Koordinierungssitzung der PPS, die E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn S. und das Argumentationspapier der DFS aus dem Jahr 2010 sollen beweisen, dass die DFS für die gleichzeitige unabhängige Durchführung von IFR-Abflügen auf beiden Pisten den ICAO-Richtlinien entsprechend eine Divergenz der Abflugkurse von 15° gefordert hatte, dass diese Forderung im DES der Beigeladenen zu 1 nicht berücksichtigt war und dass dieser Umstand nicht nur der Beigeladenen zu 1, sondern auch dem Beklagten bekannt war. Diese Tatsachen sind nicht neu. Sie ergaben sich bereits aus den Verwaltungsvorgängen, die der Beklagte dem Gericht im Vorprozess vorgelegt hatte. Die DFS hatte in ihrem Schreiben an den Beklagten vom 20. August 1998 (Beiakte 45, Bl. 92 f.) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die gleichzeitige unabhängige Durchführung von IFR-Abflügen von beiden Pisten unmittelbar nach dem Start eine Divergenz der Abflugkurse von mindestens 15° erfordert und dass dies in der übergebenen Grobplanung der An- und Abflugverfahren nicht berücksichtigt und deshalb ein entsprechender Toleranzbereich zu berücksichtigen sei. Im Schreiben vom 26. Oktober 1998 (Beiakte 45, Bl. 106 f.) hatte sie zwar bestätigt, dass die von der PPS auf der Grundlage der bisherigen Grobplanung erarbeitete Streckengeometrie „grundsätzlich“ der derzeitigen Planung der DFS entspreche; sie wiederholte jedoch ihren Hinweis, dass, um auch parallele Abflüge gleichzeitig von beiden Pisten gewährleisten zu können, generell eine Divergenz der Abflugwege von 15° erforderlich wäre; dies bedeute, dass es bei den vorliegenden Abflugverfahren während Verkehrsspitzenzeiten zu Abflugverzögerungen kommen könnte. Auf der Grundlage dieser Schreiben durften weder der Beklagte noch im Vorprozess die Kläger davon ausgehen, dass die DFS für den unabhängigen Bahnbetrieb parallele Abflugstrecken planen würde (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 - BVerwG 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 155).

41 Dass das DES, das sämtlichen Lärmberechnungen für das Planfeststellungsverfahren zugrunde gelegt wurde, nicht von divergierenden, sondern von geradlinigen Abflugrouten ausging, dass eine Berücksichtigung der 15°-Divergenz eine grundlegende Überarbeitung des DES erfordert hätte und dass dies nicht nur der Beigeladenen zu 1, sondern auch dem Beklagten bekannt war, ging ebenfalls bereits aus den Verwaltungsvorgängen hervor. Die PPS hatte hierauf in einem Schreiben an den Beklagten vom 10. September 1998 (Beiakte 45, Bl. 98 f.) ausdrücklich hingewiesen. Bereits mit diesem Schreiben verfolgte sie das Ziel, eine Überarbeitung des DES abzuwenden.

42 Die genannten Urkunden und die Entwürfe einer Flugroutenplanung vom 1. Oktober 1998 sollen zudem beweisen, dass die DFS vor Eingang des H.-Schreibens beabsichtigte, die Grobplanung der An- und Abflugverfahren unter Berücksichtigung der 15°-Divergenz zu überarbeiten. Diese Tatsache ging aus den Verwaltungsvorgängen nicht hervor; sie war jedoch nicht entscheidungserheblich. Maßgebend für die Rechtmäßigkeit der prognostischen Flugroutenplanung ist, ob sie die Modalitäten des Flugbetriebs so weit abbildet, wie dies für die jeweilige im Planfeststellungsverfahren zu treffende Entscheidung erforderlich ist (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 150); soweit es um die Zulassung des Vorhabens geht, muss sie Art und Ausmaß der Betroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung realistisch abbilden (Urteil vom 31. Juli 2012 - BVerwG 4 A 5000.10 u.a. - Rn. 50 <B.II.1>). Darüber hinaus muss die Prognose in aller Regel mit dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) oder der DFS abgestimmt sein; Ziel der Abstimmung ist die Bestätigung, dass die dem Planfeststellungsantrag zugrunde liegende prognostische Flugroutenplanung realisierbar ist und dass sie den bisherigen Planungen der DFS entspricht, ihre Umsetzung also realistischerweise zu erwarten ist (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 151). Maßgebend für die Abstimmung sind allein die im Planfeststellungsverfahren abgegebenen schriftlichen Erklärungen (a.a.O. Rn. 161).

43 Die DFS hat in ihren schriftlichen Stellungnahmen vom 26. Oktober 1998 und 3. Juli 2000 an ihrer durch die Urkunden bewiesenen Absicht, die Grobplanung zu überarbeiten, nicht festgehalten. Sie hat diese Forderung vielmehr fallengelassen und schriftlich bestätigt, dass die bisherige Grobplanung grundsätzlich ihren derzeitigen Planungen entspreche. Die Forderung nach einer 15°-Divergenz der Abflugkurse bei unabhängigem Bahnbetrieb hat sie indes zu keinem Zeitpunkt aufgegeben. Für den unabhängigen Parallelbetrieb war deshalb ausgehend von der vorliegenden Grobplanung ein Toleranzbereich der Abflugkurse zu berücksichtigen und zwar dergestalt, dass die Flugwege um bis zu 15° nach Norden oder nach Süden abknicken (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 159). Ob - wie unter Beweis gestellt (Beweisantrag Nr. 2 der Anlage 4 der Sitzungsniederschrift) - Herr Ministerialrat B. für die Planfeststellungsbehörde die DFS im Rahmen des Treffens vom 29. September 1998 gebeten hatte, binnen 14 Tagen eine neue Grobplanung der An- und Abflugverfahren unter Berücksichtigung der 15°-Divergenz zu erarbeiten, ist deshalb ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen können die vorgelegten Urkunden allein - auch in Verbindung mit dem übrigen Prozessstoff - diese Behauptung nicht beweisen. Der Mitarbeiter der DFS, Herr S., führt in seiner E-Mail zwar aus, dass „entgegen unserer Vereinbarung“ ein neues Verfahrenskonzept nicht mehr vorgelegt werden solle. Welche Bedeutung dieser Formulierung zukommt, wäre aber nur durch eine weitere Beweisaufnahme, insbesondere die Vernehmung von Zeugen, zu klären.

44 Gleiches gilt für die weitere unter Beweis gestellte Behauptung (Beweisantrag Nr. 6 der Anlage 4 der Sitzungsniederschrift), die Planfeststellungsbehörde und die PPS seien zwischen dem Treffen vom 29. September 1998 und dem Schreiben von Herrn Dr. H. vom 7. Oktober 1998 übereingekommen, dass trotz der Aussagen der DFS an der bisherigen Grobplanung festgehalten werden solle und dass Grund hierfür die befürchtete Verzögerung des gesamten Vorhabens infolge der dann erforderlichen Überarbeitung des DES und der darauf aufbauenden Gutachten gewesen sei. Auch diese Tatsachenbehauptung wird durch die vorgelegten Urkunden nicht bewiesen; sie ist für die Restitutionsklagen schon deshalb nicht entscheidungserheblich. Davon, dass der Planfeststellungsbehörde, namentlich Herrn Staatssekretär Br. und Herrn Ministerialrat B. bekannt war, dass das DES und alle darauf fußenden Untersuchungen über die Auswirkungen des geplanten Vorhabens von der Grobplanung der DFS abhingen, geht der Senat aus; diese Tatsache kann als wahr unterstellt werden (Beweisantrag Nr. 7 der Anlage 4 der Sitzungsniederschrift).

45 2.2 Festhalten an der Grobplanung aus sachlichen Gründen

46 Die vorgelegten Urkunden sollen vor allem beweisen, dass der Beklagte und die Beigeladene zu 1 wider besseres Wissen aus sachfremden Gründen an der Grobplanung der Flugverfahren mit geradlinigen Abflugrouten festgehalten haben. Diese Behauptung wird durch die Urkunden nicht bewiesen.

47 Die für den abhängigen Bahnbetrieb erstellte Grobplanung der Flugverfahren war sowohl für die Wahl des Flughafenstandorts auf der Ebene der Landesplanung (2.2.1) als auch für die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde über die Zulassung des Vorhabens am Standort Schönefeld (2.2.2) ausreichend, um die Lärmbetroffenheiten auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen. Das wird durch die vorgelegten Urkunden nicht in Frage gestellt. Die Urkunden beweisen auch nicht, dass das Festhalten an dieser Grobplanung auf sachfremden Erwägungen des Beklagten beruhte (2.2.3).

48 2.2.1 LEP FS 2003

49 Die Wahl des Flughafenstandorts Berlin-Schönefeld war eine raumordnerische Entscheidung, die auf der Ebene der Landesplanung im Ziel Z 1 des Landesentwicklungsplans Flughafenstandortentwicklung (LEP FS) vom 28. Oktober 2003 (GVBl Bbg II S. 593) gefallen war. Die Planfeststellungsbehörde war an das Ergebnis des landesplanerischen Standortvergleichs gebunden (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 54). Aus Rechtsschutzgründen unterlag die zielförmige Standortentscheidung der Landesplanung bei Anfechtung des Planfeststellungsbeschlusses jedoch der gerichtlichen Inzidentkontrolle (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 83).

50 Der Träger der Landesplanung musste sich zumindest Klarheit über die flächen- und zahlenmäßige Größenordnung der Lärmbetroffenheiten an den in die Vergleichsbetrachtung einbezogenen Standorten verschaffen. Bereits auf der Grundlage einer Grobanalyse der Siedlungsstrukturen ins Auge fallende gravierende Unterschiede im Ausmaß der Lärmbetroffenheit mussten in die Abwägung eingestellt werden. Der Träger der Landesplanung durfte jedoch von einer genauen numerisch-präzisen Ermittlung der Anzahl der jeweils von Fluglärm voraussichtlich betroffenen Anwohner absehen, wenn offenkundige Disparitäten im Ausmaß der Lärmbelastung nach seiner planerischen Konzeption in der Abwägung kein ausschlaggebendes Gewicht besaßen (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 152 f.).

51 Ausgehend hiervon ist die Abwägung des Trägers der Landesplanung nicht zu beanstanden. Er hat für die Abwägung zwischen einer Beibehaltung des bestehenden Flughafensystems und dem Ausbau des Flughafens Schönefeld zum Single-Airport die Anzahl der Lärmbetroffenen innerhalb der 62 dB(A)-Kontur ermittelt (Nr. 1 und Nr. 5.4.4.3 zu Z 1 LEP FS 2003), und zwar ausgehend von geradlinigen An- und Abflugrouten und berechnet nach den Berechnungsvorschriften des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm i.d.F. der Bekanntmachung vom 30. März 1971 (BGBl I S. 282 mit späteren Änderungen, im Folgenden: FluglärmG a.F.; vgl. Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 110), d.h. mit einem Halbierungsparameter q = 4 und einer Gewichtung für Tag- und Nachtflüge. In der Begründung des LEP FS 2003 wird dargelegt, dass über die drei bestehenden Flughäfen in 2001 insgesamt 12,59 Mio. Passagiere befördert worden seien; durch die damit verbundenen Lärmbelastungen seien in den gegenwärtig vorhandenen Lärmkonturen bis 62 dB(A) insgesamt ca. 136 000 Anwohner betroffen (Nr. 1 zu Z 1 LEP FS 2003). Bei Ausbau des Flughafens Schönefeld für 30 Mio. Passagiere würden 31 000 Anwohner innerhalb der 62 dB(A)-Kontur betroffen (Tabelle in 5.4.4.3 zu Z 1 LEP FS 2003). Für den Gesamtraum ergebe sich durch Um- und Ausbau des Flughafens Schönefeld eine „deutliche Verringerung der Lärmbetroffenheit gemessen an der Anzahl der Anwohner“. Das Ausbauvorhaben führe zu einer „Reduzierung der durch Fluglärm betroffenen Anwohner auf weniger als 30 % gegenüber der gegenwärtigen Situation - verglichen mit heute noch deutlich geringerem Gesamtflugverkehr“ (Nr. 5.4.4.3 zu Z 1 LEP FS 2003). Ihre Zahl verringere sich um „rund 100 000“ (Nr. 6 zu Z 1 LEP FS 2003).

52 Der Träger der Landesplanung hat mithin bei dem Vergleich der Lärmbetroffenheiten nicht auf die konkrete Anzahl, sondern auf die Größenordnung der innerhalb der 62 dB(A)-Kontur Betroffenen abgestellt. Er hat hierbei mit erheblichen Toleranzen gearbeitet. Insbesondere hat er darauf verzichtet, die im Jahr 2001 durch die drei bestehenden Flughäfen bei 12,59 Mio. Passagieren Betroffenen auf einen Prognoseverkehr von 30 Mio. Passagieren hochzurechnen. Er hat die Zahl der im Jahr 2001 durch das bestehende Flughafensystem tatsächlich Betroffenen mit der Zahl der Betroffenen am „Single-Airport“ Schönefeld im Prognosejahr 20XX (30 Mio. Passagiere, 360 000 Flugbewegungen) verglichen. Bei einer Hochrechnung hätte sich die Bilanz wegen der dichteren Besiedlung in der Umgebung der Flughäfen Tegel und Tempelhof noch deutlicher zu Gunsten des Standorts Schönefeld verschoben.

53 Bei einer so groben Abschätzung der Betroffenheiten brauchte der Träger der Landesplanung den unabhängigen Bahnbetrieb mit um bis zu 15° nach Norden oder nach Süden abknickenden Abflugrouten nicht gesondert zu betrachten. Abflugrouten in diesem Korridor würden zwar teilweise andere Gebiete betreffen als die der Berechnung zugrunde gelegten parallelen Abflugwege; diese Gebiete wären jedoch nicht oder jedenfalls nicht erheblich dichter besiedelt als diejenigen, die von parallelen Abflugrouten betroffen wären. Das ergibt sich bereits aus einer Grobanalyse der Siedlungsstruktur der Flughafenumgebung. Betroffen wäre im einen wie im anderen Fall der Randbereich der Metropole Berlin; die dichter besiedelte Metropole selbst wäre nicht betroffen. Für den Nachtflugbetrieb und das insoweit maßgebende Nachtschutzgebiet hat der Senat hierzu in seinem Urteil vom 13. Oktober 2011 (BVerwG 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 159) dargelegt:
Abflüge in Richtung Westen - das sind etwa 2/3 aller Abflüge -, die um bis zu 15° nach Norden oder Süden abknicken, ändern den Umfang der Betroffenheiten in dem für den passiven Schallschutz relevanten Bereich gegenüber geraden Abflügen allenfalls unerheblich. Bei nach Norden abknickenden Abflügen von der Nordbahn würde Blankenfelde-Mahlow etwas weiter nördlich überflogen. Stärker als bei geraden Abflügen wäre Großbeeren betroffen; im Gegenzug würde Diedersdorf entlastet. Um 15° nach Süden abknickende Abflüge von der Südbahn würden Blankenfelde-Mahlow eher entlasten. Auch eine Berechnung der DFS für die Fluglärmkommission mit dem NIROS-Programm hat ergeben, dass eine abknickende Route unter Lärmschutzgesichtspunkten sogar günstiger wäre als gerade Abflüge (Präsentation „Flugverfahrensvorschläge der Fluglärmkommission für BBI“ vom 14. Februar 2011, http://www.mil.brandenburg.de/sixcms/de-tail.php/484669, Folien 25 ff.). Für Abflüge in Richtung Osten ist die Situation allerdings nicht in gleicher Weise eindeutig. Die Gebiete, die bei um 15° nach Süden abknickenden Abflügen von der Südbahn auf passiven Schallschutz angewiesen wären, dürften etwas dichter besiedelt sein als die von geraden Abflugstrecken betroffenen Gebiete. Der Norden von Eichwalde und Schulzendorf würde entlastet; die Mitte von Schulzendorf, der Süden von Eichwalde und der Nordrand von Zeuthen wären neu auf passiven Schallschutz angewiesen; eine andere Größenordnung der Betroffenheiten insgesamt würde aber hierdurch nicht erreicht. Ein Abknicken von der Nordbahn nach Nordosten würde zu Direktüberflügen von Bohnsdorf in geringer Höhe und damit zu einer nicht unerheblichen Zunahme der besonders starken Betroffenheiten führen. Dass diese unter Lärmschutzgesichtspunkten ungünstigste Variante zur Umsetzung der 15°-Divergenz gewählt werden würde, war jedoch von vornherein unwahrscheinlich. Diese Variante musste deshalb nicht betrachtet werden. Insgesamt bleiben damit die durch die Berücksichtigung der 15°-Toleranz möglichen Veränderungen der Lärmbetroffenheiten in einem Unsicherheitsbereich, der bei der prognostischen Flugroutenplanung für die Regelung des nächtlichen Flugbetriebs ohnehin mitgedacht werden muss.

54 Diese Erwägungen gelten für die Abwägung der Standortalternativen im Hinblick auf die Lärmbetroffenheiten innerhalb der 62 dB(A)-Kontur entsprechend. Die von dieser Kontur umschlossene Fläche ist zwar kleiner als die Fläche des im Planergänzungsbeschluss (Anlage 2 „Schutzgebiete“) festgelegten Nachtschutzgebiets. Die 62 dB(A)-Kontur (Beiakte 421, Plan M 3-4) hat eine Längsausdehnung von etwa 27 km je Bahn, das Nachtschutzgebiet von etwa 34 km. Die genannten Veränderungen der Überflugsituation sind aber bei Betrachtung der 62 dB(A)-Kontur in vergleichbarer Weise relevant.

55 Der Träger der Landesplanung war nicht verpflichtet, für um mehr als 15° abknickende Abflugrouten die Zahl der von einem Leq(4) = 62 dB(A) oder mehr Betroffenen zu ermitteln. Ob die Schreiben der DFS vom 20. August und 26. Oktober 1998 an die Planfeststellungsbehörde, in denen die DFS an der bisherigen Grobplanung festgehalten und lediglich die Berücksichtigung eines Toleranzbereichs gefordert hatte (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 161), dem Träger der Landesplanung bekannt waren oder bekannt sein mussten, kann offen bleiben. Da Abflugrouten, die um bis zu 15° nach Norden oder nach Süden abknicken, einen unabhängigen Parallelbetrieb ermöglichen, ohne Lärmbetroffenheiten auszulösen, die nach dem Abwägungskonzept des LEP FS 2003 die Wahl des Standorts in Frage stellen würden, durfte der Träger der Landesplanung jedenfalls davon ausgehen, dass die Umsetzung seiner Standortentscheidung in dem nachfolgenden Planfeststellungsverfahren und dem Verfahren zur Festlegung der Flugverfahren nicht auf unüberwindbare tatsächliche oder rechtliche Hindernisse stoßen würde (vgl. Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 154 f.).

56 Für den Vergleich zwischen dem Standort Schönefeld und den metropolenferneren Alternativstandorten Sperenberg und Jüterbog hat der Träger der Landesplanung darauf abgestellt, dass ein solcher Neubaustandort aufgrund der geringeren Besiedlungsdichte des äußeren Entwicklungsraums zu einer deutlich geringeren Anzahl der von Fluglärm betroffenen Anwohner würde führen können als ein Standort im dichter besiedelten engeren Verflechtungsraum (Nr. 5.2 zu Z 1 LEP FS 2003). Beziffert hat er diese Unterschiede nicht. Der Senat hat dies - anders als zuvor das Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg im Normenkontrollverfahren gegen den LEP FS 2003 (Urteil vom 10. Februar 2005 - OVG 3 D 104/03.NE) - nicht beanstandet (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 156 ff.). Für diesen Vergleich war die Frage, ob die Abflugrouten geradlinig verlaufen oder um bis zu 15° abknicken, ohne Relevanz. Auch bei abknickenden Abflugrouten wäre nur der engere Verflechtungsraum, nämlich der Randbereich der Metropole, betroffen; der Verdichtungsbereich, also die dichter besiedelte Metropole selbst, wäre nicht betroffen (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 159).

57 Die Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 6002.11 (Klagebegründung vom 10. Januar 2011 S. 15) meinen, dass auf der Grundlage der Planung der DFS vom 6. September 2010 grob geschätzt 80 000 bis 100 000 zusätzliche Lärmbetroffene zu verzeichnen seien. Im Rahmen der Standortentscheidung habe der Träger der Landesplanung berücksichtigen müssen, dass tatsächlich ca. 150 000 Menschen und damit - wegen der größeren Verkehrsmenge - annähernd gleich viele Anwohner wie am Standort Tegel betroffen seien. Abgesehen davon, dass die Kläger insoweit von der um mehr als 15° nach Norden abknickenden Abflugroute über Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow ausgehen, für die der Träger der Landesplanung - wie soeben dargelegt - die Lärmbetroffenheiten nicht ermitteln musste, sind diese Zahlen für die der Abwägung des Trägers der Landesplanung zugrunde liegende 62 dB(A)-Kontur nicht plausibel. Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf lägen selbst dann nicht innerhalb der 62 dB(A)-Kontur, wenn sie direkt überflogen würden. Dass die Betroffenheiten im Übrigen wesentlich geringer wären als von den Klägern angenommen, ergibt sich bereits aus den Einwohnerzahlen der durch abknickende Routen betroffenen Gemeinden. Die Einwohnerzahlen wurden für die Umweltverträglichkeitsstudie ausgehend vom Stand Dezember 1997 zzgl. des Potentials in genehmigten Bebauungsplangebieten ermittelt (Beiakte 429, N 5 Tabellenanhang, Tabelle 5.4.1-2). Am stärksten wären die Veränderungen bei nach Süden abknickenden Abflügen von der Südbahn in Richtung Osten in den Gemeinden Schulzendorf (ca. 7 750 Einwohner), Eichwalde (ca. 5 410 Einwohner) und Zeuthen (ca. 8 170 Einwohner). Neu betroffen wären nicht die gesamten besiedelten Gebiete dieser Gemeinden, sondern bei großzügiger Schätzung in Schulzendorf 30 %, in Eichwalde 50 % und in Zeuthen 20 %, insgesamt also ungefähr 6 500 bis 7 000 Einwohner. Entlastet würde die Nordhälfte von Eichwalde, also ca. 2 500 bis 3 000 Einwohner und im Köpenicker Ortsteil Schmöckwitz (ca. 2 850 Einwohner) der Süden der größten Siedlungsfläche Karolinenhof, also ca. 500 bis 1 000 Einwohner. Diese Gebiete blieben zwar wegen der Belastung durch die Anflüge bei Betriebsrichtung Westen voraussichtlich innerhalb der 62 dB(A)-Kontur; das Ausmaß ihrer Betroffenheit würde sich aber nicht nur rechnerisch, sondern bei Betriebsrichtung Osten auch spürbar verringern. Ungünstiger als gerade Abflugrouten wären auch abknickende Abflugrouten von der Nordbahn bei Starts in Richtung Westen. Neu belastet würden der Norden von Mahlow und Teile von Großbeeren; diese zusätzlichen Belastungen würden durch die Entlastung des Südens von Mahlow und von Diedersdorf nur zum Teil aufgewogen. Sie lassen sich jedoch durch von der Südbahn abknickende Abflugrouten, die unter Lärmgesichtspunkten eher günstiger als gerade Abflugrouten sind, vermeiden. Insgesamt sind die von den Klägern genannten Zahlen weit überhöht; ihre Einschätzung, dass das Abwägungsgefüge des LEP FS 2003 durch das 15°-Erfordernis aus dem Lot gerate, entbehrt einer tatsächlichen Grundlage.

58 Den Beweisanträgen der Kläger zur Zahl der Lärmbetroffenen bei um bis zu 15° abknickenden Abflugrouten brauchte der Senat schon deshalb nicht nachzugehen, weil die Einholung von Sachverständigengutachten in § 580 ZPO als Beweismittel nicht zugelassen ist. Der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7b ZPO dient - wie dargelegt (B.II.1) - nicht dazu, im Vorprozess nicht gehörte Sachverständige in das Verfahren einzuführen. Beweisanträge zur Relevanz der 15°-Divergenz für die Zahl der Lärmbetroffenen hätten die Kläger ausgehend von dem dargelegten Inhalt der Verwaltungsvorgänge bereits im Vorprozess stellen können. Die Tatsache, dass die DFS für den unabhängigen Bahnbetrieb divergierende Abflugrouten forderte, das den Lärmberechnungen zugrunde gelegte DES aber von geradlinigen Abflugrouten ausging, ergab sich - wie dargelegt (B.II.2.1) - bereits aus den Verwaltungsvorgängen. Unabhängig hiervon bräuchte der Senat den beantragten Beweis selbst dann nicht zu erheben, wenn ein Restitutionsgrund vorläge und über die Klageanträge in der Sache neu zu entscheiden wäre.

59 Die unter Beweis gestellte Tatsache, dass es sich bei dem Flugverfahren mit Betriebsrichtung Westen, welches von der Nordbahn gleich nach dem Abheben um 15° nach Norden abknickt und danach gerade in Richtung auf Caputh zuläuft, nicht um ein realistisches Verfahren handelt, weil in diesem Fall der Ortsteil von Mahlow zentral überflogen werde (Beweisantrag Anlage 5 der Sitzungsniederschrift), ist nicht entscheidungserheblich. Für die Abwägung genügt es, wenn es innerhalb des hier bei den Abflugrouten zu berücksichtigenden Toleranzbereichs von bis zu 15° Abknickung nach Norden und Süden eine realistische Kombination von um mindestens 15° divergierenden Abflugrouten oder mehrere solcher Kombinationen gibt; auf die Realisierbarkeit einer einzelnen Flugroute kommt es nicht an.

60 Die unter Beweis gestellte Tatsache, dass sich - bei Betrachtung von zum planfestgestellten Flugbetrieb, insbesondere zum unabhängigen Parallelbetrieb beider Bahnen passenden und realistischen Flugverfahren - die Anzahl der lärmbetroffenen Einwohner gegenüber den Erwägungen und der Abwägung im angegriffenen Planfeststellungsbeschluss und den dem LEP FS 2003 zugrunde gelegten Zahlen signifikant erhöht (Beweisantrag Anlage 6 der Sitzungsniederschrift), ist für eine Beweiserhebung zu unbestimmt, weil sie einen nicht näher erläuterten rechtlichen Maßstab voraussetzt. Unterhalb der gravierenden, sich aus einer Grobanalyse der Siedlungsstrukturen ergebenden Unterschiede hängt die Frage, ob eine Erhöhung der Zahl der Lärmbetroffenen für die Abwägung erheblich ist, maßgebend von den betrachteten Pegelwerten und von dem jeweiligen Abwägungskonzept des Planungsträgers ab.

61 Im Übrigen fehlt dem Beweisantrag nach Anlage 6 der Sitzungsniederschrift eine hinreichende Grundlage. Unter formalem Beweisantritt aufgestellten Behauptungen, deren Wahrheitsgehalt nicht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben könnte, braucht ein Gericht nicht nachzugehen (Beschlüsse vom 5. Oktober 1990 - BVerwG 4 B 249.89 - Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 6 - juris Rn. 114 und vom 29. März 1995 - BVerwG 11 B 21.95 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 266 - juris Rn. 4; BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Juni 1993 - 2 BvR 1815/92 - NVwZ 1996, 60 - juris Rn. 40). Die Kläger berufen sich zur Begründung des Beweisantrags auf das „Gutachten zur Beurteilung der erhöhten Lärmbelastung der Einwohner von Berlin und Brandenburg durch die neuen Flugrouten der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH vom 06.09.2010 für den Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI)“ von L./R./Schl. vom 17. Januar 2011. Nach diesem Gutachten soll die Zahl der Anwohner innerhalb der Leq(3) = 55 dB(A)-Kontur gegenüber den im LEP FS i.d.F. vom 30. Mai 2006 (GVBl Bbg II S. 154) ermittelten 59 600 auf 102 000 (+72 %), die Zahl der nur abwägungserheblich Betroffenen (Leq(3) < 55 dB<A>, Höhe eines Flugzeugs der Gruppe S 5.2 oder größer < 3 000 m) von 30 500 auf 247 500 (+709 %) steigen. Das Gutachten ist zur Begründung des Beweisantrags schon deshalb ungeeignet, weil es bei der Ermittlung der Gesamtzahlen der Betroffenen wiederum von der um mehr als 15° nach Norden abknickenden Abflugroute über Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow ausgeht, die nach der dargelegten Rechtsauffassung des Senats für die Abwägung nicht entscheidend ist. Unabhängig hiervon waren die von den Klägern betrachteten Betroffenheiten innerhalb der Leq(3) = 55 dB(A)-Kontur nicht Grundlage der Abwägung des Trägers der Landesplanung im für den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 maßgebenden LEP FS vom 28. Oktober 2003. Schließlich hat das Gutachten auch methodische Mängel, die seiner Verwertbarkeit entgegenstehen. Die Gutachter haben die Konturen für geradlinige Flugrouten schlicht um Konturen für abknickende Flugrouten erweitert, ohne die ersten zu verkleinern. Dies wäre erforderlich gewesen, weil die Kontur für geradlinige Routen, soweit sie nur noch von den Anflügen bestimmt wird, deutlich schmaler ist als die Kontur von An- und Abflügen. Ebenso wenig haben sie berücksichtigt, dass für die Betriebsrichtung Osten die durch die Abflüge bestimmte abknickende Kontur kürzer ist als die Kontur von An- und Abflügen (vgl. S. 5 und 7 des Gutachtens). Schließlich haben sie die Anzahl der neubetroffenen Einwohner sehr großzügig geschätzt. So gehen sie davon aus, dass in Eichwalde durch abknickende Flugrouten 50 % der Einwohner zusätzlich in die 55 dB(A)-Kontur fallen würden, obwohl die Kontur bereits bei geradlinigen Routen fast zwei Drittel der Siedlungsfläche der Gemeinde einschließt (vgl. Beiakte 422, Plan M 4.1-7). Auch die Annahme, dass 50 % der Zeuthener Einwohner bei abknickenden Flugrouten in die 55 dB(A)-Kontur fallen würden, ist angesichts der Siedlungsstruktur der Gemeinde, die im betroffenen Norden überwiegend unbebaute Flächen aufweist, nicht plausibel. Die Zahl der nur abwägungserheblich Betroffenen haben die Gutachter ausgehend von der Annahme ermittelt, dass unterhalb eines Leq(3) = 55 dB(A) jeder abwägungserheblich betroffen sei, dessen Grundstück von Flugzeugen der Gruppe S 5.2 (Airbus A 319/320/321, Boeing B 737) oder der Gruppe S 7 B (Airbus A 380, Boeing B 747) in einer Höhe unter 3 000 m überflogen wird (Gutachten S. 13 f.). Diese Kriterien legt weder der LEP FS 2003 noch der Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 zugrunde. Unabhängig hiervon dürften einzelne, durch den Überflug größerer Flugzeuge entstehende Spitzenpegel nicht geeignet sein, unabhängig vom erreichten Dauerschallpegel die Abwägungsrelevanz des Fluglärms zu begründen. Aus diesem Grund lässt sich eine Zunahme der Betroffenheiten auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass Flugzeugen, die an bestimmten Navigationspunkten eine bestimmte Höhe erreicht haben, möglicherweise generell gestattet wird, von der festgelegten Route abzuweichen, und dass dies - wie die von den Klägern für die Wannsee-Route vorgelegte, von der DFS erstellte Karte des sogenannten 3-Sigma-Gebiets zeigt (BVerwG 4 A 5001.10 , Anlage K 26 des Schriftsatzes vom 25. Juni 2012) - in größerer Entfernung vom Flughafen zu einer erheblichen Auffächerung des Flugverkehrs führen kann. Dies hätte zum einen auch für die parallelen Abflugrouten und die in der DFS-Grobplanung enthaltene Wannsee-Route gegolten. Zum anderen ändert sich durch diese Auffächerung nicht die Zahl der Flüge, sondern lediglich die Verteilung des Lärms. Für das einzelne Grundstück vermindert sich die Zahl der Überflüge und damit auch der für die Schwelle zur Abwägungserheblichkeit in erster Linie relevante Dauerschallpegel.

62 Aus den bereits dargelegten Gründen waren auch die als Anlage 9, 10, 12 und 13 der Sitzungsniederschrift gestellten Beweisanträge abzulehnen. Soweit mit der Behauptung, dass sich bei Betrachtung von dem ICAO-Erfordernis Rechnung tragenden Abflugverfahren mit mindestens 15° Divergenz die Anzahl der Lärmbetroffenen gegenüber den im angegriffenen Planfeststellungsbeschluss und den dem LEP FS 2003 zugrunde gelegten Zahlen erhöhe (Beweisanträge Anlage 9 und 10 der Sitzungsniederschrift), unter Beweis gestellt werden soll, dass sich die Betroffenheiten in einer für die Abwägung relevanten Größenordnung verändern, fehlt der Beweisbehauptung eine hinreichende tatsächliche Grundlage; eine diese Größenordnung nicht erreichende Erhöhung der Betroffenenzahl wäre rechtlich nicht erheblich. Das gilt auch, soweit die Kläger eine Erhöhung der Anzahl der Lärmbetroffenen ausgehend von einer Flugroute, wie sie sich aus dem Urteil des Senats vom 13. Oktober 2011 - BVerwG 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 159, nämlich unter Berücksichtigung eines Mindestabknickwinkels von der Nordbahn in Richtung Westen von 15° (Beweisantrag Anlage 12 der Sitzungsniederschrift), und soweit sie eine Erhöhung der lärmbetroffenen Einwohner um mindestens 64 000 (Beweisantrag Anlage 13 der Sitzungsniederschrift) unter Beweis stellen. Soweit sie in der Begründung darlegen, die Zahl von 64 000 Einwohnern entspreche überschlägig der Einwohnerzahl der überflogenen Gemeinden Großbeeren (7 000 Einwohner), Stahnsdorf (14 000 Einwohner), Teltow (23 000 Einwohner) und Kleinmachnow (20 000 Einwohner), legen sie wiederum die nach der Rechtsauffassung des Senats nicht relevante, um mehr als 15° nach Norden abknickende Abflugroute über Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow zugrunde. Unabhängig hiervon lassen sich Betroffenenzahlen nur bei gleichen Pegelwerten vergleichen. Die Kläger geben nicht an, bezogen auf welche Pegelwerte die Zahl der Betroffenen um 64 000 ansteigen soll.

63 Der Senat musste den Klägern auch keinen Schriftsatznachlass zur Darlegung von Anhaltspunkten dafür gewähren, dass sich die Lärmbetroffenheiten bei Berücksichtigung der Anforderungen der ICAO nach mindestens 15° Divergenz in einer abwägungserheblichen Größenordnung erhöhen. Das Urteil des Senats vom 13. Oktober 2011 - BVerwG 4 A 4001.10 - wurde ihnen bereits im Januar 2012 mit der Gelegenheit zur Stellungnahme übersandt. Dass der Senat seine dort dargelegte Rechtsauffassung auf die hier zu entscheidenden Fälle übertragen würde, konnte die Kläger nicht überraschen. Sie hatten hinreichend Gelegenheit, ausgehend von dieser Rechtsauffassung weitere Tatsachen vorzutragen.

64 2.2.2 Planfeststellungsbeschluss

65 Die Grobplanung der Flugverfahren vom März 1998 war auch für die Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens im Planfeststellungsverfahren ausreichend.

66 Die Planfeststellungsbehörde trifft keine Rechtspflicht zur Zulassung eines Flughafenvorhabens an dem von der Landesplanung zielförmig festgelegten Standort. Die schädlichen Immissionen eines Infrastrukturvorhabens können in der Regel erst abschließend ermittelt und eingeschätzt werden, wenn es im Planfeststellungsantrag des Vorhabenträgers konkretisiert worden ist. Die „raumordnungsexternen“ Belange können für sich betrachtet oder in ihrer Gesamtheit so gewichtig sein, dass sich die landesplanerische Standortwahl in der fachplanerischen Abwägung nicht durchsetzt. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die Zulassung des Vorhabens in unverhältnismäßiger Weise in private Schutzgüter, in den Bereich der kommunalen Selbstverwaltung oder in allgemeine öffentliche Belange eingreifen sollte (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 76 f.).

67 Der Beklagte hat die Lärmschutzbelange auf der Grundlage der Ermittlungen der Beigeladenen zu 1 abgewogen. Diese hat für den Prognosehorizont 20XX - ausgehend von der Grobplanung der DFS vom März 1998 mit geradlinigen An- und Abflugrouten - die Fläche des von einer Leq(3) = 60 dB(A)-Kontur umschlossenen Tagschutzgebiets (71,6 km2) und die Zahl der in diesem Gebiet lebenden Anwohner (24 630) ermittelt (PFB S. 605). Für die Nacht hat sie die Betroffenheiten innerhalb der Leq(3) = 50 dB(A)-Kontur (117,68 km2, 38 246 Anwohner) und der 6 × 70 LMax-Kontur (120,19 km2, 41 836 Anwohner; PFB S. 613) ermittelt.

68 Der Beklagte durfte bei der Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens zwar nicht davon ausgehen, dass die DFS für den unabhängigen Bahnbetrieb parallele Abflugstrecken planen würde; er durfte auch nicht von einem abhängigen Bahnbetrieb ausgehen (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 155). Für die Frage, ob das Vorhaben am Standort Schönefeld zugelassen werden kann, war die für den abhängigen Bahnbetrieb erstellte Grobplanung der An- und Abflugrouten jedoch ausreichend, um die Lärmbetroffenheiten auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen. Die Darlegungen des Senats zur Regelung des Nachtflugbetriebs gelten insoweit entsprechend (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 159 - 161). Die von um bis zu 15° abknickenden Abflugrouten betroffenen Gebiete wären nicht oder jedenfalls nicht erheblich dichter besiedelt als diejenigen Gebiete, die von parallelen Abflugrouten betroffen wären. Innerhalb des Toleranzbereichs divergierende Abflugrouten lassen den Standort nicht in einem anderen Licht erscheinen als die der Abwägung der Standortalternativen im LEP FS 2003 zugrunde gelegten geradlinigen Abflugrouten. Die Verschiebung und auch die mögliche Ausweitung der Betroffenheiten in der für die 62 dB(A)-Kontur dargelegten Größenordnung bleiben vielmehr in einem Unsicherheitsbereich, der bei der landesplanerischen Festlegung des Standorts - wie dargelegt - mitgedacht worden ist und schon aus diesem Grund auch bei der Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens im Planfeststellungsverfahren mitgedacht werden muss. Unabhängig von diesen landesplanerischen Vorgaben muss die Zulassung des Vorhabens an dem gewählten Standort grundsätzlich auch dann Bestand haben können, wenn andere An- und Abflugrouten festgelegt werden als im Planfeststellungsverfahren angenommen wurde (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 150). Die Zulassungsentscheidung im Hinblick auf bestimmte Abflugrouten und ohne Rücksicht auf nicht auszuschließende Veränderungen der Betroffenheiten im Falle einer Änderung der Abflugrouten zu treffen, wäre nicht sachgerecht.

69 Dass um mehr als 15° abknickende Abflugrouten festgelegt werden, musste der Beklagte für die Ermittlung der Lärmbetroffenheiten auf der Grundlage der mit der DFS abgestimmten Grobplanung der Flugverfahren nicht in Erwägung ziehen. Dies hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 13. Oktober 2011 (a.a.O. Rn. 161) dargelegt. Hieran hält er fest.

70 Im Hinblick auf das Tagschutzgebiet und die nur abwägungserheblich Betroffenen ergeben sich gegenüber den Erwägungen des Senats zum Nachtflugbetrieb und dem insoweit maßgebenden Nachtschutzgebiet keine relevanten Abweichungen. Die Längsausdehnung des Tagschutzgebiets ist geringer als die des Nachtschutzgebiets; eine Verschwenkung der Abflugrouten wirkt sich weniger aus als bei den längeren Nachtkonturen. Ein Vergleich der von der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Auftrag des Beklagten für um 15° nach Süden abknickende Abflugrouten errechneten 60 dB(A)-Kontur (jeweils Anlage B 9 zu den Beklagtenschriftsätzen vom 15. August, 2. August, 29. Juli bzw. 8. August 2011) mit der Besiedlungskarte zeigt, dass durch die Divergenz im Osten keine neuen Teile von Eichwalde oder Zeuthen und allenfalls Randbereiche von Schulzendorf zusätzlich in das Tagschutzgebiet fielen und dass im Westen sogar Teile von Blankenfelde entlastet würden. Den mehr als geringfügig, aber auch ohne passiven Schallschutz nicht unzumutbar Betroffenen hat der Beklagte im Vergleich zu den schwereren Betroffenheiten innerhalb des Tag- und des Nachtschutzgebiets ein geringeres Gewicht beigemessen. Die Anzahl der nur abwägungserheblich Lärmbetroffenen und die Fläche des insoweit betroffenen Gebiets hat er nicht ermitteln lassen. Der Senat hat dies in seinem Urteil vom 16. März 2006 nicht beanstandet. Dass eine Berücksichtigung der 15°-Divergenz die Größenordnung der nur abwägungserheblich Lärmbetroffenen verändert haben könnte, kann ebenfalls ausgeschlossen werden. In Betriebsrichtung Westen ist das Gebiet unterhalb der abknickenden Abflugrouten auch in größerer Entfernung vom Flughafen eher weniger besiedelt als unter den geradlinigen Routen, die Ludwigsfelde überqueren. In Betriebsrichtung Osten quert die um 15° nach Süden abknickende Route zwar Schulzendorf und Eichwalde. Außerhalb des Nachtschutzgebiets ist das Gebiet unterhalb der abknickenden Route allenfalls unwesentlich dichter besiedelt (Wernsdorf) als das Gebiet unterhalb der nördlich von Eichwalde ebenfalls abknickenden und über Zwiebusch und Neu Zittau führenden Abflugroute vom März 1998.

71 Dass abknickende Abflugrouten nicht - wie die Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 6001.11 geltend machen - zu einer Verdoppelung der Lärmkorridore führen, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 13. Oktober 2011 (a.a.O. Rn. 160) dargelegt.

72 Die Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 6001.11 machen außerdem geltend, dass Landeanflüge bereits in Höhe von Werder/Havel in Höhe von nur mehr 1 000 m stattfinden sollten. Grund hierfür sei die Neuplanung der Abflugrouten, die zur Überkreuzung der An- und Abflüge nördlich des Flughafens führe (Schriftsatz vom 21. Februar 2011 S. 10 unter Bezugnahme auf den Vortrag in den Verfahren BVerwG 4 A 5001.10 und 4 A 5002.10 ). Dieser Zusammenhang ist nicht plausibel. Wenn Flugzeuge in Richtung Osten, also über Ludwigsfelde, zur Landung anfliegen, wird auch in Richtung Osten gestartet. Wenn nach Osten startende Flugzeuge mit Zielen in Richtung Westen Werder/Havel erreichen, haben sie angesichts der zurückgelegten Flugstrecke bereits eine erhebliche Höhe erreicht. Die Flughöhe dürfte bei Flugzeugen, die nach Norden abgekurvt sind, jedenfalls nicht erheblich geringer sein als bei Flugzeugen, die - wie in der Grobplanung vorgesehen - nach Süden abgekurvt sind. Wo im Westen die Warteräume für landende Flugzeuge eingerichtet werden, dürfte ebenfalls nicht davon abhängen, ob in Richtung Osten startende Flugzeuge mit Zielen im Westen nördlich oder südlich des Flughafens geführt werden. Die Warteräume für landende Flugzeuge waren im Übrigen nicht Gegenstand der Grobplanung; einen solchen Detaillierungsgrad hat die Grobplanung nicht erreicht.

73 Den Beweisanträgen zur Zahl der Betroffenen bei abknickenden Flugrouten (Beweisanträge Anlage 5, 6, 9, 10, 12 und 13 der Sitzungsniederschrift) brauchte der Senat aus den bereits zur landesplanerischen Standortfestlegung dargelegten Gründen nicht zu entsprechen.

74 2.2.3 Neue Urkunden

75 Die vorgelegten Urkunden beweisen auch nicht, dass das Festhalten an der Grobplanung der DFS vom März 1998 auf sachfremden Erwägungen des Beklagten beruhte.

76 Zum damaligen Zeitpunkt barg das Festhalten an der bisherigen Grobplanung zwar ein rechtliches Risiko. Der Beklagte konnte nicht mit Sicherheit voraussehen, welche Anforderungen ein mit der Kontrolle des Planfeststellungsbeschlusses befasstes Gericht an die Genauigkeit einer Flugroutenprognose stellen würde. Zur Vermeidung dieses Risikos hätte es nahegelegen, die Grobplanung - wie von der DFS angeregt - unter Berücksichtigung der 15°-Divergenz zu überarbeiten. Dass andere Flugrouten als prognostiziert festgelegt werden, hätte sich allerdings auch dadurch nicht ausschließen lassen. Zudem hatte die Vorhabenträgerin ein berechtigtes Interesse daran, ihr DES und die darauf aufbauenden Gutachten im Laufe des Planungsverfahrens nicht ohne wichtigen Grund - möglicherweise sogar mehrfach - einer geänderten Flugroutenprognose anpassen zu müssen. Dass sich die Grundlagen der Abwägung bei gleichbleibenden Anflugrouten, aber um mindestens 15° divergierenden und bis zu 15° abknickenden Abflugrouten nicht wesentlich ändern würden, war aufgrund der Siedlungsstrukturen in der Umgebung des Flughafens bereits damals erkennbar. Ausgehend hiervon war es jedenfalls vertretbar, das Risiko einzugehen und an der bisherigen Grobplanung festzuhalten.

77 Die von den Klägern vorgelegten Urkunden führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Aus dem H.-Schreiben vom 7. Oktober 1998 und dem Protokoll der Koordinierungssitzung der PPS vom 5. Oktober 1998 geht hervor, dass sich die PPS, nachdem die DFS von ihrer Forderung, bei unabhängigen Parallelbetrieb für alle Abflüge eine Divergenz von 15° vorzugeben, nicht abgerückt war und angekündigt hatte, ihre Grobplanung zu überarbeiten, an das Bundesverkehrsministerium wandte mit der Bitte, Einfluss auf die DFS dahingehend zu nehmen, dass diese ihre Stellungnahme zum DES modifiziere. Als Grund wurde genannt, dass anderenfalls alle im Vertrauen auf die Verbindlichkeit der DFS-Grobplanung erarbeiteten Gutachten überarbeitet werden müssten und mit erheblichen finanziellen Mehraufwendungen und einer zeitlichen Verzögerung im Planungsablauf um ca. 3 Monate zu rechnen sei.

78 Diese Gründe konnten zwar für sich betrachtet das Festhalten an der bisherigen Grobplanung nicht rechtfertigen; die Entscheidung war jedoch auch sachlich vertretbar. Wie bereits dargelegt, war die für den abhängigen Betrieb erstellte Grobplanung ausreichend, um die Lärmbetroffenheiten auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen. Unter diesen Umständen durften die genannten verfahrensökonomischen Erwägungen bei der Entscheidung über das weitere Vorgehen berücksichtigt werden. Ob die Planfeststellungsbehörde, namentlich Herr Staatssekretär Br. und Herr Ministerialrat B., Kenntnis von dem H.-Schreiben hatte und dieses Vorgehen billigte und ob Herr Ministerialrat B. nach Eingang des Schreibens bei der DFS und vor Abfassung der E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn S. bei der DFS angerufen und deutlich gemacht hat, dass die bisherige Grobplanung Bestand haben müsse und eine neue Grobplanung mit divergierenden Abflugrouten nicht erfolgen solle (Beweisanträge Nr. 4 und 5 der Anlage 4 der Sitzungsniederschrift), ist deshalb nicht entscheidungserheblich.

79 Aus der E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn S. vom 9. Oktober 1998 ergeben sich keine weiteren entscheidungserheblichen neuen Tatsachen. Seine persönliche Einschätzung, dass die DFS vor dem zugespitzten politischen Hintergrund mit einem Verzicht auf ein neues Verfahrenskonzept leben könne, dass die Bedenken gegen die bisherige Grobplanung in einem Schreiben an Herrn Ministerialrat B. festgeschrieben werden könnten und die DFS die neuen Verfahren „in der Hinterhand“ behalte, wiederholt der Sache nach lediglich die bereits dargelegte, auch dem Beklagten und der Beigeladenen zu 1 bekannte Tatsache, dass die DFS an der vorgelegten Grobplanung der Flugrouten nur mit der Maßgabe festhielt, für den unabhängigen Parallelbetrieb um bis zu 15° abknickende Abflugrouten zu planen.

80 Die E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn K. vom 3. Februar 2006 soll die Behauptung der Kläger beweisen, Herr Ministerialrat B. habe durch den Anruf bei der DFS verhindern wollen, dass in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zutage trete, dass die DFS an sich Divergenz-Abflugverfahren für erforderlich erachte. Diese Tatsachenbehauptung war für die Entscheidung im Vorprozess nicht erheblich. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage bei seinem Erlass (Urteil vom 24. März 2011 - BVerwG 7 A 3.10 - Buchholz 406.400 § 19 BNatSchG 2002 Nr. 7 Rn. 37; Beschluss vom 1. April 2009 - BVerwG 4 B 61.08 - NVwZ 2009, 910 Rn. 20; Urteil vom 28. Januar 1999 - BVerwG 4 A 18.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 146 - juris Rn. 22). Das Telefongespräch ist nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses geführt worden; auch der behauptete Versuch, das Verhalten der DFS in der mündlichen Verhandlung zu beeinflussen, hätte nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses stattgefunden. Dessen Rechtmäßigkeit kann hiervon nicht abhängen.

81 Unabhängig hiervon wird die Behauptung, Herr Ministerialrat B. habe durch den Anruf bei der DFS versucht, das Offenbarwerden der Auswirkungen des 15°-Erfordernisses auf die Grobplanung zu verhindern, durch die E-Mail vom 3. Februar 2006 nicht - jedenfalls nicht ohne eine weitere Beweisaufnahme - bewiesen. Herr Ministerialrat B. soll dargelegt haben, aus Sicht des Ministeriums sei entscheidend, dass die Routenstrukturen Bestand hätten, da sie als Eingangsgröße in andere Gutachten eingeflossen seien, und dass es wichtig sei, den Bezug zu den Betriebsanforderungen (Erfüllung der Kapazitätsbedürfnisse) aufrecht zu erhalten. Dass er versucht hätte, die Aussage der DFS inhaltlich zu beeinflussen, sie gar zu falschen oder irreführenden Aussagen zu bewegen, ergibt sich hieraus nicht; er kann sich darauf beschränkt haben, die aus Sicht des Beklagten entscheidungserheblichen Fragen darzulegen.

82 Auch bei einer Gesamtschau der vorgelegten Urkunden mit dem bisherigen Prozessstoff ist der Vorwurf der Kläger, der Beklagte habe „wider besseres Wissen“ und „in kollusivem Zusammenwirken“ mit der Beigeladenen zu 1 an den parallelen Abflugrouten festgehalten, nicht bewiesen. Den in diesem Zusammenhang gestellten Beweisanträgen (Anlagen 4, 7 und 11 der Sitzungsniederschrift) brauchte der Senat in den vorliegenden Verfahren schon deshalb nicht nachzugehen, weil ein Restitutionsgrund nur vorliegt, wenn die neuen entscheidungserheblichen Tatsachen allein durch die vorgelegten Urkunden in Verbindung mit dem bisherigen Prozessstoff bewiesen werden.

83 Selbst wenn ein Restitutionsgrund vorläge und in der Sache über die Klageanträge neu zu entscheiden wäre, müsste der Senat Beweis nicht erheben. Das Festhalten an der bisherigen Grobplanung war - wie dargelegt - rechtlich nicht zu beanstanden. Unter Berücksichtigung des von der DFS geforderten Toleranzbereichs von um bis zu 15° nach Norden oder Süden abknickenden Abflugrouten war die Grobplanung vom März 1998 realisierbar. Die parallelen Abflugrouten waren auch geeignet, die innerhalb des Toleranzbereichs möglichen Lärmbetroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung realistisch abzubilden. Da die Flugrouten im Planfeststellungsbeschluss nicht festgelegt wurden, sondern nur Grundlage für die Abschätzung der Auswirkungen des Flugbetriebs waren, kam es auf die Frage, ob der unabhängige Parallelbetrieb auf der Grundlage der DFS-Grobplanung auch ohne Berücksichtigung des Toleranzbereichs möglich wäre, nicht entscheidend an. Dass der geplante unabhängige Parallelbetrieb nur mit um mindestens 15° divergierenden Abflugrouten realisiert werden kann und dass dem Beklagten dies in der Zeit zwischen 1998 und dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses am 13. August 2004 bekannt war - die Kläger haben dies mit ihren als Anlage 4 (dort unter Nr. 1), 7 und 11 der Sitzungsniederschrift gestellten Anträgen unter Beweis gestellt - kann deshalb als wahr unterstellt werden. Sollte die Beweisbehauptung dahingehend zu verstehen sein, dass der geplante unabhängige Parallelbetrieb nicht nur - wie von der ICAO (Dokument 4444 Nr. 6.7.2.2 Buchst. b und Dokument 9643 Nr. 3.2 Buchst. b) und der DFS in ihren Schreiben vom 20. August und 26. Oktober 1998 sowie ihrer Stellungnahme vom 3. Juli 2000 gefordert - um mindestens 15° divergierende, sondern von jeder Bahn um mindestens 15° abknickende, also um mindestens 30° divergierende Abflugrouten erfordert, würde dieser Behauptung jegliche Grundlage fehlen. Sollte die Behauptung, dass der Beklagte der Abwägung „unrealistische“ gerade Abflugrouten zugrunde gelegt hat (Beweisanträge Anlage 7 und 11 der Sitzungsniederschrift), darauf gerichtet sein, zu beweisen, dass die Grobplanung nicht geeignet war, die Auswirkungen des Flugbetriebs realistisch abzubilden, wäre dies eine dem Beweis nicht zugängliche Rechtsbehauptung. Dass die Vertreter der DFS auf dem Treffen am 29. September 1998 nicht bereit waren, die bis zu diesem Zeitpunkt vorliegende Grobplanung der Flugverfahren mit parallel verlaufenden An- und Abflugrouten als plausibel zu bezeichnen (Beweisantrag Nr. 3 der Anlage 4 der Sitzungsniederschrift), kann ebenfalls als wahr unterstellt werden.

84 Der unter Beweis gestellten Behauptung, man habe der Abwägung die geraden Abflugrouten zugrunde gelegt, weil man befürchtete, dass sich der Standort Schönefeld bei Zugrundelegung abknickender Abflugrouten nicht mehr durchsetzen lassen würde (Beweisantrag Anlage 7 der Sitzungsniederschrift), musste der Senat nicht nachgehen; sie wird durch die vorgelegten Urkunden nicht bewiesen. Unabhängig hiervon wäre sie auch für eine erneute Sachentscheidung über die Klageanträge nicht entscheidungserheblich. Gemäß § 10 Abs. 8 Satz 1 LuftVG sind Mängel bei der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen Belange nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Als „offensichtlich“ ist alles anzusehen, was zur „äußeren“ Seite des Abwägungsvorgangs derart gehört, dass es auf objektiv erfassbaren Sachumständen beruht, die sich etwa aus Akten, Protokollen, aus der Entwurfs- oder Planbegründung oder sonstigen Unterlagen ergeben. Offensichtlich ist dagegen nicht, was zur inneren Seite des Abwägungsvorgangs gehört und etwa die Motive oder Vorstellungen der Entscheidungsbeteiligten betrifft (Urteil vom 21. August 1981 - BVerwG 4 C 57.80 - BVerwGE 64, 33 <38>; Beschluss vom 26. August 1998 - BVerwG 11 VR 4.98 - Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 22 - juris Rn. 27; Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 75 Rn. 40).

85 Die von den Klägern unter Beweis gestellte Befürchtung beruht nicht auf objektiv erfassbaren Sachumständen. In den Verwaltungsvorgängen und in der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses können Hinweise auf sachfremde Gründe für eine bestimmte Verfahrensgestaltung zwar nicht erwartet werden; auch in den sonstigen von den Klägern vorgelegten Unterlagen finden sich für die behaupteten Erwägungen jedoch keine Anhaltspunkte. Das H.-Schreiben begründet das Festhalten an der Grobplanung damit, dass anderenfalls alle bereits erstellten Gutachten überarbeitet werden müssten und infolge dessen mit finanziellen Mehraufwendungen und einer zeitlichen Verzögerung im Planungsablauf gerechnet werden müsse. Auf die Befürchtung, dass divergierende Abflugrouten die Durchsetzbarkeit des Vorhabens am Standort Schönefeld erschweren könnten, lässt diese Begründung nicht schließen. Entsprechende Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus der E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn S. Dessen Äußerung, „vor dem zugespitzten politischen Hintergrund“ könne die DFS mit dem Verzicht auf ein neues Verfahrenskonzept leben, bezieht sich allein auf die Intervention der PPS beim Bundesverkehrsministerium und die in diesem Zusammenhang geführten Telefonate. Mit der Umsetzung der vom Träger der Landesplanung getroffenen Standortentscheidung war die DFS nicht befasst. Die behaupteten Motive lagen in der damaligen Planungssituation im Übrigen nicht nahe. Der Planfeststellungsantrag war noch nicht gestellt, die Planunterlagen waren noch nicht ausgelegt. Der Beklagte hätte im Verfahren jeder von der DFS vorgelegten Grobplanung Rechnung tragen können. Anhaltspunkte dafür, dass um mindestens 15° divergierende und bis zu 15° abknickende Abflugrouten zu einer wesentlichen Veränderung der Betroffenheiten führen würden, waren auch damals nicht ersichtlich. Am nächsten lag eine Planung mit geraden Abflügen von der Nordbahn und um 15° abknickenden Abflügen von der Südbahn. So sahen es im Übrigen auch die ersten Entwürfe der DFS für eine Überarbeitung der Grobplanung vom Oktober 1998 vor. Die sogenannte Wannsee-Route war bereits in der ursprünglichen Grobplanung enthalten. Eine stärkere Belegung der Route hätte die Betroffenheiten jedenfalls nicht wesentlich verändert; insbesondere hätte sie nach den dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegten Kriterien nicht zu einer abwägungserheblichen Betroffenheit von Kleinmachnow geführt. Die Müggelsee-Route ist keine zwingende Folge des 15°-Erfordernisses. Bei Abflügen in Richtung Osten von der Nordbahn kann auch nach längerem Geradeausflug - östlich von Erkner - nach Norden abgedreht werden. So war es im Entwurf der DFS für eine geänderte Grobplanung im Übrigen vorgesehen. Warum eine solche Planung aus damaliger Sicht die Durchsetzbarkeit des Vorhabens hätte in Frage stellen sollen, ist nicht ersichtlich. Angesichts dessen war der Beweisantrag auch abzulehnen, weil der Beweisbehauptung eine hinreichende tatsächliche Grundlage fehlte. Eine solche ergab sich auch nicht aus der Begründung des Beweisantrags. Die Kläger haben nicht vorgetragen, dass die Befürchtung, der Standort Schönefeld werde sich bei abknickenden Routen nicht durchsetzen lassen, von einem der benannten Zeugen oder von einem Entscheidungsträger in Gegenwart eines Zeugen geäußert worden sei.

86 Da nach allem ein Restitutionsgrund nicht vorliegt, brauchte der Senat auch nicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union die von den Klägern aufgeworfene Frage zur Auslegung des Art. 6 der RL 85/337/EWG (Anlage 3 der Sitzungsniederschrift) zur Vorabentscheidung vorzulegen.

87 C. Kosten

88 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3, § 159 Satz 1 und 2 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.

Urteil vom 31.07.2012 -
BVerwG 4 A 7001.11ECLI:DE:BVerwG:2012:310712U4A7001.11.0

Leitsätze:

1. Im luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsverfahren muss jeder beteiligt werden und Einwendungen erheben können, der durch Fluglärm abwägungserheblich betroffen werden kann, weil sein Grundstück innerhalb des Einwirkungsbereichs des Flughafens liegt und weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen auszuschließen ist, dass ein zu seiner Betroffenheit führendes Flugverfahren festgelegt wird.

2. Die Umweltverträglichkeitsprüfung muss sich räumlich auf den gesamten Einwirkungsbereich des Flughafens erstrecken, in dem abwägungserhebliche Auswirkungen des Vorhabens möglich sind.

  • Rechtsquellen
    VerkPBG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1, § 11 Abs. 2
    VwVfG § 45, § 46, § 48 Abs. 1, § 49, § 51, § 72 Abs. 1, § 73 Abs. 2, Abs. 5, § 75 Abs. 2
    UVPG § 2 Abs. 1, § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, § 9 Abs. 1, Abs. 3 Satz 3, § 14f Abs. 3 Satz 3, § 16 Abs. 2 und 4
    LuftVG § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 3, § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4, Abs. 8, § 32 Abs. 4 Nr. 8, Abs. 4c
    LuftVO § 27a Abs. 2
    UVP-RL Art. 6, Art. 11
    UVP-RL a.F. Art. 6, Art. 10a
    Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung (LEP FS 2003)

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 31.07.2012 - 4 A 7001.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:310712U4A7001.11.0]

Urteil

BVerwG 4 A 7001.11

In den Verwaltungsstreitsachen hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch,
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Dr. Bumke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz
für Recht erkannt:

  1. Die Klagen werden abgewiesen.
  2. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 tragen die Kläger jedes Verfahrens - jeweils gesamtschuldnerisch - 1/3. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 und 3 sind nicht erstattungsfähig.

Gründe

I

1 Die Kläger begehren mit ihrem Hauptantrag die Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses „Ausbau Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld“ vom 13. August 2004 (PFB) i.d.F. des Planergänzungsbeschlusses „Lärmschutzkonzept BBI“ vom 20. Oktober 2009 (PEB), mit ihrem Hilfsantrag eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um ein Verbot des unabhängigen Parallelbetriebs der beiden Start- und Landebahnen. Die Kläger sind Eigentümer selbstgenutzter Wohngrundstücke. Die Grundstücke der Kläger der Verfahren BVerwG 4 A 7001.11 und 7003.11 liegen jeweils in Zeuthen und zwar etwa 7,5 bzw. 9 km östlich der Mitte der Südbahn. Das Grundstück der Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 7002.11 liegt in Mahlow, Siedlung ..., etwa 7,5 km westlich der Mitte der Nordbahn.

2 Im Planfeststellungs- und im Planergänzungsverfahren wurden die Auswirkungen des Flugbetriebs ausgehend von einer Grobplanung der An- und Abflugrouten ermittelt, die die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) im November 1997 bzw. März 1998 im Rahmen einer beim Beklagten eingerichteten „Arbeitsgruppe An- und Abflugverfahren EDDB“ erstellt hatte. Die Abflugrouten sollten hiernach in beiden Betriebsrichtungen zunächst mehrere Kilometer parallel in gerader Verlängerung der jeweiligen Bahn verlaufen. Die DFS ging bei dieser Grobplanung, ohne hierauf ausdrücklich hinzuweisen, davon aus, dass die beiden Bahnen des Flugplatzes nicht unabhängig voneinander genutzt werden sollten. Mit Schreiben vom 20. August 1998 kam sie auf eine Prüfbitte der Arbeitsgruppe zurück und teilte mit, dass der vorgesehene Achsabstand (1 900 m) und der Schwellenversatz (1 250 m) keine nachteiligen Auswirkungen auf die gleichzeitige unabhängige Durchführung des IFR-Flugverkehrs hätten. Zugleich wies sie „deutlich“ darauf hin, dass die gleichzeitige unabhängige Durchführung von IFR-Abflügen von beiden Pisten unmittelbar nach dem Start eine Divergenz der Abflugkurse von mindestens 15° erfordere. Ebenso müssten die Abflugkurse um mindestens 30° von den Fehlanflugkursen der jeweils anderen Piste abweichen. Da derartige Präzisierungen in der übergebenen Grobplanung nicht berücksichtigt worden seien, sei bei der weiteren Verwendung dieser Unterlagen ein entsprechender Toleranzbereich zu berücksichtigen. Der Beklagte bat die Projektplanungsgesellschaft (PPS) als Rechtsvorgängerin der Vorhabenträgerin, der Beigeladenen zu 1, diese Vorgaben der DFS bei den weiteren Planungen zu berücksichtigen. Die PPS erwiderte, dass sie die Forderung der DFS bei der Konstruktion der Standard Instrument Departures (SID) nicht berücksichtigt habe. Sie gehe davon aus, dass die Hinweise der DFS nicht zu einer Veränderung der Streckengeometrie führten; anderenfalls müsste kurzfristig ein Klärungsgespräch mit der DFS herbeigeführt werden. Ein solches Gespräch fand am 29. September 1998 bei der DFS in Offenbach statt; ein Ergebnisprotokoll liegt nicht vor. In einem nicht zu den Verwaltungsvorgängen gelangten Schreiben vom 7. Oktober 1998 (im Folgenden: H.-Schreiben) wandte sich der Geschäftsführer der PPS, Herr Dr. H., an den Unterabteilungsleiter Herrn E. im Bundesverkehrsministerium mit der Bitte um Unterstützung bei der Lösung eines Problems mit der DFS. In einer schriftlichen Stellungnahme zum Datenerfassungssystem habe die DFS festgestellt, dass bei gleichzeitiger unabhängiger Durchführung von IFR-Abflügen eine Divergenz der Abflugkurse von 15° erforderlich werde. Das Ministerium werde gebeten, Einfluss auf die DFS dahingehend zu nehmen, dass diese ihre Stellungnahme zum vorliegenden Datenerfassungssystem modifiziere. Die DFS nahm mit Schreiben vom 26. Oktober 1998 unter Bezugnahme auf die Besprechungen vom 30. März und 29. September 1998 erneut Stellung. Sie legte dar, dass die von der PPS zugrunde gelegte Streckengeometrie grundsätzlich den derzeitigen Planungen der DFS entspreche. IFR-Anflüge könnten bei dem geplanten Bahnabstand unabhängig voneinander durchgeführt werden. Sie wies jedoch darauf hin, dass, um parallele Abflüge gleichzeitig von beiden Pisten zu gewährleisten, generell eine Divergenz der Abflugwege von 15° erforderlich wäre. Dies bedeute, dass es bei den vorliegenden Abflugverfahren während der Verkehrsspitzen zu Abflugverzögerungen kommen könne. Weiter wies sie darauf hin, dass die Flugverfahren nicht Gegenstand einer Planfeststellung seien, sondern jederzeit optimiert werden könnten. Die Festlegung der für die Inbetriebnahme des neuen Bahnsystems notwendigen Flugverfahren werde erst kurz vor Betriebsaufnahme erfolgen.

3 In der Folgezeit erstellte die PPS die Planunterlagen auf der Grundlage der von der DFS erstellten Grobplanung der Flugrouten; den Gutachten zu den flugroutenabhängigen Auswirkungen des Flugbetriebs liegt ebenfalls diese Grobplanung zugrunde.

4 Im Anhörungsverfahren gab die DFS am 3. Juli 2000 eine Stellungnahme als Trägerin öffentlicher Belange ab. Sie wiederholte fast wortgleich den Inhalt ihrer Stellungnahme vom 26. Oktober 1998.

5 Im Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 legte der Beklagte dar, dass die Herstellung eines unabhängig benutzbaren Parallelbahnsystems ein wesentlicher Grund für den Ausbau des Flughafens sei. Um das den Planungen zugrunde liegende Verkehrsaufkommen von 360 000 Flugbewegungen bewältigen zu können, sei es erforderlich, dass die beiden Bahnen unabhängig voneinander betrieben werden könnten (PFB S. 336 Abs. 1, 409 Abs. 5). Er wies darauf hin, dass die Flugrouten in einem separaten Verfahren festgelegt würden. Die dem Datenerfassungssystem (DES) zugrunde gelegten Flugrouten bezeichnete er als „durchaus plausible und auch hinreichend konkrete Grundlage für die Ermittlung der Auswirkungen des Ausbauvorhabens“ (PFB S. 414). Auch die Schutz- und Entschädigungsgebiete legte er auf der Grundlage dieser Flugrouten fest. Bei geänderten An- und Abflugverfahren behielt er sich vor, die festgelegten Schutz- und Entschädigungsgebiete neu auszuweisen, wenn sich der Dauerschallpegel an der äußeren Grenze des Schutzgebiets an den Schnittpunkten mit den An- und Abflugstrecken um mehr als 2 dB(A) ändert (A II 5.1.9 Nr. 1 PFB).

6 Am 6. September 2010 stellte die DFS der Fluglärmkommission eine neue Flugroutenplanung vor; danach sollten die von der Nordbahn startenden Flugzeuge in Betriebsrichtung Westen um erheblich mehr als 15° abknicken und Teltow, Stahnsdorf und Kleinmachnow überfliegen. Die Abflüge von der Südbahn sollten in beiden Betriebsrichtungen um etwa 15° nach Süden abknicken.

7 Mit Schreiben vom 15. Dezember 2010 beantragten die Kläger beim Beklagten, den Planfeststellungsbeschluss zurückzunehmen, hilfsweise ein Planergänzungsverfahren einzuleiten und der Beigeladenen zu 1 den unabhängigen Parallelbetrieb der beiden Start- und Landebahnen zu untersagen. Zur Begründung machten sie geltend, der Planfeststellungsbeschluss lasse unberücksichtigt, dass die ihm zugrunde liegenden geradlinigen Abflugrouten mit dem zugelassenen und bezweckten unabhängigen Parallelbetrieb unvereinbar seien; er verkenne daher die Lärmbetroffenheiten. Dies sei dem Beklagten und der Beigeladenen zu 1 von Anfang an bekannt gewesen. Daher stünden weder Vertrauensschutz noch ein Vorrang der Planergänzung bzw. nachträglicher Lärmschutzauflagen einer Rücknahme entgegen. Das Rücknahmeermessen sei zu Gunsten der Kläger auf Null reduziert. Jedenfalls stehe ihnen ein Anspruch auf Untersagung des Parallelbetriebs auf der Grundlage des Auflagenvorbehalts in A II 5.1.9 Nr. 1 PFB zu; diese Regelung sei drittschützend und ermögliche auch aktiven Schallschutz bis hin zum Teilwiderruf der Betriebsregelungen. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Nebenbestimmung lägen vor. Durch die 15°-Vorgabe seien direkte Überflüge über ihre Grundstücke absehbar. Geradlinige Abflüge könnten nur durch ein Verbot des unabhängigen Parallelbetriebs erreicht werden. Vertrauensschutzerwägungen führten auch hier zu einer Ermessensreduktion auf Null.

8 Mit Bescheiden vom 21. Februar 2011 - zugegangen am 23. Februar 2011 - lehnte der Beklagte den Haupt- und den Hilfsantrag ab. Zur Begründung führte er aus, der Planfeststellungsbeschluss sei rechtmäßig; er habe seiner Abwägung geradlinige Flugrouten zugrunde legen dürfen. Die DFS sei während des Planfeststellungsverfahrens nie von ihrer Grobplanung aus dem März 1998 abgerückt. Im Planfeststellungsbeschluss sei der vorläufige Charakter der Flugroutenprognose gesehen und ihm sei durch den Auflagenvorbehalt in A II 5.1.9 Nr. 1 PFB Rechnung getragen worden. Die Planungsüberlegungen der DFS seien auch noch nicht abgeschlossen. Die 15°-Regel sei nicht verbindlich, und die Divergenz könne auch durch Einzelfreigaben nach § 26 Abs. 2 LuftVO oder separate Flugrouten in Spitzenzeiten hergestellt werden. Eine Divergenz von 7,5° in jede Richtung in Spitzenzeiten (maximal 10 % der Abflüge) habe praktisch keine Auswirkungen auf die Lärmbelastung im Flughafenumfeld. Sollten tatsächlich divergierende Flugrouten festgesetzt werden, so werde die Planfeststellungsbehörde die Schutz- und Entschädigungsgebiete unabhängig von der in A II 5.1.9 Nr. 1 PFB eigentlich geforderten 2 dB(A)-Veränderung neu festsetzen. Für eine Untersagung des unabhängigen Parallelbetriebs bleibe kein Raum; für den Fall einer Änderung der An- und Abflugverfahren sehe A II 5.1.9 Nr. 1 PFB vorrangig die Neufestsetzung der Schutz- und Entschädigungsgebiete vor.

9 Am 23. März 2011 haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung wiederholen und vertiefen sie ihre Ausführungen aus der Antragsbegründung. Ergänzend führen sie aus, die fehlerhafte Flugroutenprognose mache die Standortauswahl abwägungsfehlerhaft. Für die Standortentscheidung sei, anders als vielleicht für das Betriebskonzept, nicht das Gesamtlärmaufkommen unabhängig von dessen Verteilung ausschlaggebend gewesen, sondern die konkrete Anzahl der in der 62 dB(A)-Kontur Lebenden. Die Standortentscheidung stehe zudem unter der Voraussetzung, dass die Lärmkonflikte durch ein ordnungsgemäßes Lärmschutzkonzept bewältigt würden. Das Lärmschutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses erweise sich aber wegen der fehlerhaften Flugroutenprognose insgesamt als untauglich. Die Festsetzung der Schutz- und Entschädigungsgebiete habe der Senat bereits beanstandet. Nichts anderes gelte für die Bahnkonfiguration; bei dieser seien Lärmbetroffenheiten einwohnergenau betrachtet worden, so dass Verschiebungen der der Betrachtung zugrunde gelegten Flugrouten auch bei kleineren Veränderungen der Lärmbetroffenheiten zu Abwägungsfehlern führten. Schließlich könne nur durch die Rücknahme eine verfassungs- sowie unionsrechtswidrige Umgehung des Anhörungsrechts der Kläger verhindert werden.

10 In der mündlichen Verhandlung über Klagen gegen den Planergänzungsbeschluss am 21. September 2011 hat der Beklagte den Planfeststellungsbeschluss um eine Nebenbestimmung in A II 5.1.10 PFB ergänzt. Danach sollen die Schutzgebiete den festzulegenden Flugrouten unabhängig von einer Pegelveränderung von 2 dB(A) angepasst werden. Am 10. Februar 2012 (BAnz Nr. 45 S. 1086) hat das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) die Flugverfahren für den Verkehrsflughafen Berlin Brandenburg festgelegt.

11 Die Kläger beantragen,
den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Februar 2011 den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 insoweit zurückzunehmen, als er nicht das Vorhaben der Beigeladenen zu 2 und 3 planfestgestellt hat,
hilfsweise
den Beklagten zu verpflichten, der Beigeladenen unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Februar 2011 auf der Grundlage des Auflagenvorbehalts in Teil A II 5.1.9 Ziffer 1 Satz 1 des Planfeststellungsbeschlusses den unabhängigen Parallelbetrieb der beiden Start- und Landebahnen zu untersagen.

12 Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 beantragen,
die Klagen abzuweisen.

13 Die Beigeladenen zu 2 und 3 haben keinen Antrag gestellt.

14 Der Beklagte ist der Auffassung, aus dem Urteil des Senats vom 13. Oktober 2011 (BVerwG 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1) folge, dass neben dem Betriebskonzept auch die Standortauswahl und die Bahnkonfiguration nicht zu beanstanden seien; auch insoweit sei die Flugroutenprognose hinreichend aussagekräftig gewesen. Fehler bei der Schutzgebietsausweisung führten entgegen der Auffassung der Kläger nur zu Planergänzungsansprüchen. Hinsichtlich des Hilfsantrags bestünden bereits Bedenken gegen die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts. Die Kläger hätten auch keinen Anspruch auf Untersagung des Parallelbetriebs. A II 5.1.9 Nr. 1 PFB sehe für eine Änderung der Flugrouten ausschließlich eine Anpassung der Schutzgebiete vor. Vertrauensschutz auf einen Bestand der Flugrouten könnten die Kläger nicht beanspruchen. Eine Untersagung sei auch unverhältnismäßig.

15 Die Beigeladene zu 1 meint, die Rücknahmevorschrift des § 48 VwVfG sei auf Planfeststellungsbeschlüsse nicht anwendbar. Einer Rücknahme stehe im Übrigen die formelle und materielle Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses sowie schutzwürdiges Vertrauen der Beigeladenen in seinen Bestand entgegen. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für den Hilfsantrag sei zweifelhaft.

II

16 A. Hauptantrag

17 I. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts

18 Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Entscheidung über den auf Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses gerichteten Hauptantrag gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1, § 11 Abs. 2 VerkPBG zuständig. Nach § 5 Abs. 1 VerkPBG entscheidet es im ersten und letzten Rechtszug über Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahren für Vorhaben nach § 1 VerkPBG. Die Vorschrift erfasst alle Verwaltungsstreitsachen, die einen unmittelbaren Bezug zu konkreten Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren für Vorhaben nach § 1 VerkPBG haben (Beschlüsse vom 18. Mai 2000 - BVerwG 11 A 6.99 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 11 - juris Rn. 12 und vom 6. August 2001 - BVerwG 4 VR 23.01 u.a. - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 14 - juris Rn. 4). Ein solcher unmittelbarer Bezug zum Planfeststellungsverfahren für den Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld - ein Vorhaben i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VerkPBG - ist hier gegeben. Über die Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 wird zwar nicht im ursprünglichen Planfeststellungsverfahren, sondern in einem neuen, selbständigen Verwaltungsverfahren entschieden. Gegenstand des Rücknahmeverfahrens ist jedoch die ursprüngliche Rechtmäßig- bzw. Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses; die Rücknahme soll dem Ausbau des Flughafens mit Wirkung ex tunc die Grundlage entziehen. Dadurch unterscheidet sich eine Klage auf Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses von einer Klage auf Erlass nachträglicher Schutzauflagen nach § 75 Abs. 2 VwVfG oder auf Erlass von Aufsichtsmaßnahmen zur Umsetzung derartiger Schutzauflagen, auf die sich die Zuständigkeit nach § 5 Abs. 1 VerkPBG nicht erstreckt (Beschluss vom 18. Mai 2000 a.a.O.; Urteil vom 10. August 2000 - BVerwG 4 A 11.99 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 158 - juris Rn. 32; Beschluss vom 24. Juni 2010 - BVerwG 9 A 36.08 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 18, jeweils zu § 75 Abs. 2 VwVfG; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Juni 2012 - OVG 12 S 27.12 - ZUR 2012, 505 zu Aufsichtsmaßnahmen).

19 Das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz hat die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nicht unbefristet begründet. Nach § 1 Abs. 1 VerkPBG gelten die besonderen Vorschriften des Gesetzes nur bis zum Ablauf des 17. Dezember 2006, vorbehaltlich einer Übergangsvorschrift für Vorhaben, für die - wie hier - das Planungsverfahren vor diesem Zeitpunkt begonnen wurde (§ 11 Abs. 2 VerkPBG). Die Bejahung der Zuständigkeit für zeitlich unbegrenzt mögliche Klagen auf Rücknahme eines unter Geltung des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes erlassenen Planfeststellungsbeschlusses darf nicht zu einer erstinstanzlichen Dauerzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für bestimmte Vorhaben führen. Im vorliegenden Fall ist der erforderliche unmittelbare Bezug zu einem Planfeststellungsverfahren für ein Vorhaben i.S.d. § 1 VerkPBG jedoch auch in zeitlicher Hinsicht noch gegeben.

20 II. Begründetheit

21 Die Klagen auf Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses sind zulässig, aber nicht begründet.

22 1. Anwendbarkeit des § 48 VwVfG

23 Gemäß § 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt der Behörden des Landes Brandenburg, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. § 48 VwVfG findet auch auf Planfeststellungsbeschlüsse Anwendung. Für § 49 VwVfG, die Vorschrift über den Widerruf von Verwaltungsakten, hat das Bundesverwaltungsgericht dies bereits entschieden (Urteil vom 21. Mai 1997 - BVerwG 11 C 1.96 - BVerwGE 105, 6 <10 ff.>). Für § 48 VwVfG gilt nichts anderes. § 72 Abs. 1 VwVfG schließt - im Gegensatz zu den ausdrücklich genannten Vorschriften wie etwa § 51 VwVfG - weder § 48 noch § 49 VwVfG von der Anwendbarkeit auf Planfeststellungsbeschlüsse aus. Auch § 9 Abs. 3 LuftVG, § 75 Abs. 2 VwVfG stehen nicht entgegen. Diese Vorschriften beschränken sich auf die Regelung der Auswirkungen der Bestandskraft von Planfeststellungsbeschlüssen; sie enthalten keine Aussage zu den in § 48 und § 49 VwVfG geregelten Durchbrechungen der Bestandskraft selbst. Schließlich kann aus dem Charakter des Planfeststellungsbeschlusses als Abwägungs- und Planungsentscheidung nicht gefolgert werden, dass er nur durch eine erneute Planungs- und Abwägungsentscheidung aufgehoben werden kann. Die Rücknahme stellt sich nicht anders als die Aufhebung im Anfechtungsverfahren nicht als planerisch-gestaltende Maßnahme, sondern lediglich als Rückführung auf den ursprünglichen Rechtszustand dar (Urteil vom 21. Mai 1997 a.a.O. <12>).

24 Der Anspruch auf Rücknahme eines Planfeststellungsbeschlusses kann allerdings nicht weitergehen als der Aufhebungsanspruch bei fristgemäßer Anfechtung; die Planerhaltungsvorschriften modifizieren auch den Rücknahmeanspruch. Mängel bei der Abwägung und Verletzungen von Verfahrens- oder Formvorschriften, die im Anfechtungsverfahren gemäß § 10 Abs. 8 Satz 1, Satz 2 Halbs. 2 LuftVG, § 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 45 und § 46 VwVfG weder zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses noch zur Feststellung seiner Rechtswidrig- und Nichtvollziehbarkeit führen, begründen weder einen Anspruch auf Rücknahme noch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses.

25 2. Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses

26 Ausgehend hiervon können die Kläger weder die Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses noch eine ermessensfehlerfreie Entscheidung des Beklagten über die Rücknahme verlangen. Der Planfeststellungsbeschluss weist keinen Rechtsfehler auf, der zu einem solchen Anspruch führen könnte.

27 2.1 Verfahren

28 Der Planfeststellungsbeschluss leidet allerdings an einem Fehler bei der Öffentlichkeitsbeteiligung (2.1.1) und bei der Abgrenzung des Untersuchungsraums Mensch im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung (2.2.2). Diese Fehler sind jedoch auf das Abwägungsergebnis offensichtlich nicht von Einfluss gewesen (§ 10 Abs. 8 Satz 2 Halbs. 2 LuftVG, § 1 VwVfGBbg i.V.m. § 46 VwVfG).

29 2.1.1 Öffentlichkeitsbeteiligung

30 Der Beklagte hat die Öffentlichkeit nicht in allen Gemeinden beteiligt, in denen dies erforderlich gewesen wäre (2.1.1.1).

31 2.1.1.1 Abgrenzung des Auslegungsgebiets

32 Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LuftVG, § 73 Abs. 2 VwVfG ist der Plan - nach vorheriger ortsüblicher Bekanntmachung (§ 73 Abs. 5 VwVfG) - in den Gemeinden auszulegen, in denen sich das Vorhaben auswirkt bzw. voraussichtlich auswirkt. Jeder, dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden, kann bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist Einwendungen gegen den Plan erheben (§ 10 Abs. 4 Satz 1 VwVfG). Auch im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung ist die Öffentlichkeit auf diese Weise zu beteiligen (§ 9 Abs. 1 UVPG). Da die tatsächlichen Auswirkungen des Vorhabens im Zeitpunkt der Planfeststellung nicht feststehen, ist für die Bestimmung der Gemeinden, in denen der Plan auszulegen ist, eine Prognose erforderlich (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 73 Rn. 41 f.; Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 73 Rn. 30). Anders als für die Abwägung (Urteil vom 13. Oktober 2011 - BVerwG 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 147) kann sich diese Prognose nicht auf die Betrachtung bestimmter Flugrouten beschränken, die Art und Ausmaß der zu erwartenden Betroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung realistisch abbilden. Die Flugverfahren werden nicht zusammen mit der Entscheidung über die Anlegung oder den Ausbau des Flughafens im Planfeststellungsverfahren, sondern in einem gesonderten Verfahren vom BAF auf der Grundlage von Vorarbeiten der DFS durch Rechtsverordnung festgelegt (§ 32 Abs. 4 Nr. 8, Abs. 4c LuftVG, § 27a Abs. 2 Satz 1 LuftVO). Müssen die Flugverfahren für ein neues Bahnsystem festgelegt werden, kann dies erst nach der Planfeststellung der neuen Bahnen geschehen; auch nach Inbetriebnahme des Bahnsystems können die Flugverfahren geändert werden. Die Ermittlung der Lärmbetroffenheiten und anderer Auswirkungen des Flugbetriebs im Planfeststellungsverfahren ist deshalb systemimmanent mit der Unsicherheit behaftet, dass die Flugrouten für die An- und Abflüge nicht feststehen (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 147). In einer solchen Situation muss im Planfeststellungsverfahren jeder beteiligt werden und Einwendungen erheben können, der durch Fluglärm abwägungserheblich betroffen werden kann, weil sein Grundstück innerhalb des Einwirkungsbereichs des Flughafens liegt und weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen auszuschließen ist, dass ein zu seiner Betroffenheit führendes Flugverfahren festgelegt wird. Soweit es um das subjektive Recht auf fehlerfreie Abwägung der eigenen Belange geht, ist eine Repräsentation durch exemplarisch ermittelte andere Betroffene nicht möglich. Das subjektive Recht steht jedem Einzelnen zu, dessen schutzwürdige Belange mehr als geringfügig betroffen werden können. Insoweit gilt für die Öffentlichkeitsbeteiligung nichts anderes als für die Klagebefugnis (vgl. hierzu Urteil vom 31. Juli 2012 - BVerwG 4 A 5000.10 u.a. - Rn. 45 ff. <B.II.1>). Der Plan muss in allen Gemeinden ausgelegt werden, in denen abwägungserhebliche Betroffenheiten möglich sind.

33 Die Abgrenzung des Auslegungsgebiets hängt nicht nur von den Flugrouten und deren Belegung, sondern auch davon ab, wie die Schwelle zur Abwägungserheblichkeit von Fluglärm zu bestimmen ist. Ob die Abwägungserheblichkeit von Lärmbeeinträchtigungen, die einen Leq(3), Tag = 55 dB(A) nicht erreichen, von vornherein verneint werden kann, ist zweifelhaft. Der Beklagte hat dies im Planfeststellungsbeschluss jedoch auch nicht getan. Er hat, soweit es um Fluglärm geht, als voraussichtlich betroffen alle Bereiche definiert, die innerhalb der Leq(3), Tag = 55 dB(A)-Kontur oder innerhalb des Untersuchungsraums Mensch der Umweltverträglichkeitsprüfung liegen (PFB S. 319). Der Untersuchungsraum Mensch (Beiakte 430, Plan N 4.4-1) umschließt in einem Rechteck die 55 dB(A)-Kontur (Beiakte 422, Plan M 4.1-7), er geht insbesondere in seiner Längsausdehnung über diese Kontur hinaus. Für 111 innerhalb des Untersuchungsraums Mensch gelegene Immissionsorte sind die Änderungen des Dauerschallpegels ermittelt worden (Beiakte 421, Plan M 2.1-6; Beiakte 422, Gutachten M 4.1, S. 100 ff., Tabelle 10-2). Für Immissionsorte am äußersten Rand des Untersuchungsraums Mensch haben sich Dauerschallpegel bis hinab zu einem Leq(3), Tag = 50 dB(A) und vereinzelt sogar darunter ergeben. Auch diese Belastungen hat der Beklagte in die Abwägung einbezogen (PFB S. 611 - 613). Ausgehend von diesen Kriterien für die Abwägungserheblichkeit des Fluglärms - der Senat hat die Abwägung in seinem Urteil vom 16. März 2006 (BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116) insoweit nicht beanstandet - kann jedenfalls für Teltow, vermutlich auch für Kleinmachnow, möglicherweise darüber hinaus für einzelne weitere Gemeinden nicht ausgeschlossen werden, dass bei von der Grobplanung abweichenden Flugverfahren jedenfalls Teile des Gemeindegebiets von abwägungserheblichem Fluglärm betroffen werden. Die Planunterlagen hätten auch in diesen Gemeinden ausgelegt werden müssen.

34 Die genaue Abgrenzung des Auslegungsgebiets kann offen bleiben. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass sich die Kläger, in deren Gemeinden der Plan ausgelegt war, auf die fehlende Beteiligung der Öffentlichkeit in anderen Gemeinden berufen können. Denn gemäß § 10 Abs. 8 Satz 2 Halbs. 2 LuftVG, § 1 VwVfGBbg i.V.m. § 46 VwVfG kann die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses nicht allein wegen einer Verletzung von Verfahrensvorschriften beansprucht werden, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Ergebnisrelevanz in diesem Sinne liegt vor, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Verfahrensfehler eine andere Entscheidung getroffen worden wäre; eine nur abstrakte Möglichkeit einer anderen Entscheidung genügt nicht (Urteile vom 8. Juni 1995 - BVerwG 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 <361 f.>, vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <250>, vom 13. Dezember 2007 - BVerwG 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83 Rn. 38 und vom 24. November 2011 - BVerwG 9 A 23.10 - juris Rn. 68 m.w.N. <zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen>).

35 Ausgehend von dem Abwägungskonzept, das dem Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung (LEP FS) vom 28. Oktober 2003 (GVBl Bbg II S. 593) und der Zulassung des Vorhabens im Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 zugrunde liegt, und der im Planfeststellungsverfahren erfolgten Beteiligung der Öffentlichkeit - für den LEP FS 2003 war eine Umweltprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung noch nicht erforderlich (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 151) - kann ausgeschlossen werden, dass der Ausbau des Flughafens nach einer Beteiligung der Öffentlichkeit in Teltow und den in Betracht kommenden weiteren Gemeinden nicht zugelassen worden wäre oder die Abwägung der in Betracht kommenden Bahnkonfigurationen zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Die Entscheidung über die Wahl des Flughafenstandorts ist im LEP FS 2003 getroffen worden (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 54). Für den Vergleich mit dem bestehenden Berliner Flughafensystem waren im Rahmen der Landesplanung die Betroffenheiten innerhalb der nach dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm i.d.F. der Bekanntmachung vom 30. März 1971 (BGBl I S. 282 mit späteren Änderungen - im Folgenden: FluglärmG a.F.) berechneten 62 dB(A)-Kontur maßgebend (vgl. Urteile vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 109 f. und vom 31. Juli 2012 - BVerwG 4 A 5000.10 u.a. - Rn. 66 <B.IV.1.1>). Das Gebiet, in dem der Plan ausgelegt war, umschließt - mit Ausnahme der Gemeinde Teltow, in der der Plan nicht ausgelegt war - die möglichen 62 dB(A)-Konturen; es geht in weiten Teilen sogar deutlich darüber hinaus. Die für die Grobplanung der Flugrouten berechnete 62 dB(A)-Kontur hat eine Längsausdehnung von etwa 27 km; sie ist im Westen länger als im Osten (Beiakte 421, Plan M 3-4). Die Planunterlagen waren im Nordwesten des Flughafens u.a. im Amt Ludwigsfelde Land, dem u.a. die Gemeinden Ahrensdorf, Großbeeren und Osdorf angehörten, im Amt Stahnsdorf und im Berliner Bezirk Tempelhof-Neukölln, im Nordosten im großflächigen Berliner Bezirk Treptow-Köpenick, im Amt Rüdersdorf und in der Gemeinde Woltersdorf, im Südosten in den Ämtern Grünheide, Spreenhagen, Unteres Dahmeland und Mittenwalde, in der Stadt Königs Wusterhausen und der Gemeinde Wildau und im Südwesten in den Ämtern Zossen, Rangsdorf, Trebbin und Ludwigsfelde-Land mit den Gemeinden Genshagen, Gröben, Kerzendorf, Löwenbruch, Siethen und Wietstock ausgelegt (PFB S. 235 - 239). Beteiligt wurde die Öffentlichkeit mithin nicht nur in einem langgezogenen Gebiet, das die für die Grobplanung der Flugrouten ermittelten Betroffenheiten abdeckt; das Auslegungsgebiet erstreckte sich vielmehr im Norden bis an die nördliche Grenze der Berliner Bezirke Tempelhof-Neukölln und Treptow-Köpenick, im Süden bis nach Mittenwalde und Zossen. Lediglich Teile des westlichen Siedlungsgebiets von Teltow könnten bei von der Grobplanung abweichenden Flugrouten innerhalb einer 62 dB(A)-Kontur liegen. Angesichts der erheblichen Toleranzen, mit denen der Träger der Landesplanung bei dem Vergleich der Lärmbetroffenheiten mit dem bestehenden Berliner Flughafensystem gearbeitet hat (Urteil vom 31. Juli 2012 - BVerwG 4 A 5000.10 u.a. - Rn. 67 <B.IV.1.1>), hätten diese Betroffenheiten weder das Abwägungsergebnis des Trägers der Landesplanung noch die Durchsetzung des zielförmig festgelegten Standorts in der fachplanerischen Abwägung des Beklagten in Frage stellen können. Die übrigen Gemeinden, in denen der Plan möglicherweise zusätzlich hätte ausgelegt werden müssen, liegen unabhängig von den Flugrouten weit außerhalb der möglichen 62 dB(A)-Konturen am äußersten Rand des möglichen Einwirkungsbereichs.

36 Für den Vergleich mit den Alternativstandorten Sperenberg und Jüterbog hat der Träger der Landesplanung es bei der Feststellung belassen, dass aufgrund der geringen Besiedlungsdichte des äußeren Entwicklungsraums ein Neubaustandort zu einer deutlich geringeren Anzahl von Betroffenen würde führen können als ein Standort im dichter besiedelten engeren Verflechtungsraum (Nr. 5.2 zu Z 1 LEP FS 2003). Dem hat er entgegengehalten, dass ein stadtfernerer Standort die hoch zu gewichtenden Kriterien der Nähe zum Hauptaufkommensgebiet, der Verkehrsanbindung und der Schaffung wirtschaftlicher Entwicklungspotentiale in deutlich geringerem Maße erfüllen könnte als ein stadtnaher Standort wie Schönefeld (Nr. 6 zu Z 1 LEP FS 2003; Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 156). Dass das Ergebnis der Abwägung des Trägers der Landesplanung oder die Durchsetzung des zielförmig festgelegten Standorts in der fachplanerischen Abwägung des Beklagten hätte in Frage gestellt werden können, wenn auch die Öffentlichkeit in Teltow, Kleinmachnow und gegebenenfalls weiteren möglicherweise betroffenen Gemeinden beteiligt worden wäre, kann ausgeschlossen werden. Die raumplanerische Einordnung des Standorts als Standort im dichter besiedelten engeren Verflechtungsbereich, aber außerhalb des Verdichtungsbereichs hätte sich durch die Beteiligung der Öffentlichkeit in weiter entfernten Gemeinden nicht verändert. Für die fachplanerische Abwägung hat der Beklagte in erster Linie auf die Betroffenheiten innerhalb des Tag- und des Nachtschutzgebiets abgestellt (PFB S. 605, 613; Urteil vom 31. Juli 2012 - BVerwG 4 A 5000.10 u.a. - Rn. 81 ff. <B.IV.1.2.1>). Die Anzahl der nur abwägungserheblich Betroffenen und die Fläche des insoweit betroffenen Gebiets hat er nicht ermitteln lassen. Angesichts der hohen Gewichtung der schweren Betroffenheiten hätte eine zusätzliche Beteiligung weiterer möglicherweise am unteren Rande der Abwägungserheblichkeit Betroffener das Abwägungsergebnis nicht verändern können. Die Öffentlichkeit in den genannten Gemeinden musste im Übrigen nicht beteiligt werden, weil sich ihre Betroffenheit mit den ausgehend von der Grobplanung der Flugrouten ermittelten Betroffenheiten kumuliert hätte, sondern weil bei der Öffentlichkeitsbeteiligung alternativen Flugroutengestaltungen und damit alternativen Betroffenheiten Rechnung getragen werden musste. Die neuen Einwender hätten keine anderen Betroffenheiten als die im Planfeststellungsverfahren beteiligten Einwender geltend machen können. Zusätzlich hätten sie lediglich geltend machen können, die Planfeststellungsbehörde müsse Vorgaben für die Festlegung der Flugverfahren prüfen, um die Abgewogenheit der Vorhabenzulassung am Standort Schönefeld auch für den Fall sicherzustellen, dass von der prognostischen Grobplanung abweichende Flugverfahren festgelegt werden (vgl. Urteil vom 31. Juli 2012 - BVerwG 4 A 5000.10 u.a. - Rn. 51 <B.II.1>). Das Fehlen einer solchen Vorgabe hätte aber nicht zu einer Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, sondern allenfalls zu seiner Ergänzung führen können.

37 Dass die Abwägung der möglichen Bahnkonfigurationen zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, kann ebenfalls ausgeschlossen werden. Die Gemeinden, die möglicherweise zusätzlich hätten beteiligt werden müssen, liegen nördlich der bereits vorhandenen Nordbahn. Eine Parallelverschiebung dieser Bahn war nicht Gegenstand der Konfigurationsanalyse (Beiakte 425, M 12). Unabhängig hiervon wurden in dieser Analyse nur Betroffenheiten bis hinab zu einem Dauerschallpegel von Leq(3), Tag = 62 dB(A) als abwägungserheblich angesehen (PFB S. 635 f.). Diese Kontur (Beiakte 422, Plan M 4.1-10) ist wegen des anderen Berechnungsverfahrens mit einer Längsausdehnung von weniger als 20 km deutlich kürzer als die nach dem Fluglärmschutzgesetz a.F. berechnete 62 dB(A)-Kontur (Beiakte 421, Plan M 3-4; vgl. auch Urteil vom 31. Juli 2012 - BVerwG 4 A 5000.10 u.a. - Rn. 66 <B.IV.1.1>). Weder die Gemeinde Teltow noch die anderen Gemeinden, deren Öffentlichkeit möglicherweise zusätzlich hätte beteiligt werden müssen, liegen innerhalb des für die Konfigurationsanalyse relevanten Gebiets.

38 Die Berücksichtigung der fehlenden Kausalität des Verfahrensfehlers für das Entscheidungsergebnis ist auch mit Unionsrecht vereinbar; daran besteht im vorliegenden Fall kein vernünftiger Zweifel. Die Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit in den genannten Gemeinden dürfte allerdings gemäß Art. 6 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl EG Nr. L 175 S. 40) in der durch die Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 (ABl EG Nr. L 73 S. 5) geänderten Fassung auch gemeinschaftsrechtlich geboten gewesen sein. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen es bei Anfechtungsklagen mit Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABI EG 2012 Nr. L 26 S. 1) - vormals Art. 10a UVP-RL in der durch die Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie geänderten Fassung (Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten, ABl EG Nr. L 156 S. 17) - vereinbar ist, der Klage den Erfolg zu versagen, wenn ein Verfahrensfehler nicht in dem dargelegten Sinne für das Entscheidungsergebnis kausal geworden ist, kann offen bleiben (vgl. hierzu den Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Januar 2012 - BVerwG 7 C 20.11 - ZUR 2012, 248). Gleiches gilt für die Frage, ob die Anwendbarkeit des Art. 11, vormals 10a UVP-RL in zeitlicher Hinsicht auch dann zu bejahen ist, wenn vor Ablauf der Umsetzungsfrist (25. Juni 2005) das Planfeststellungsverfahren eingeleitet wurde und auch der Planfeststellungsbeschluss ergangen ist, das Gericht aber erst nach Ablauf der Umsetzungsfrist über die Anfechtungsklage entscheidet. Art. 11 Abs. 1, vormals 10a Abs. 1 UVP-RL regelt den Zugang zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren nur für die Anfechtung von Entscheidungen, Handlungen und Unterlassungen, für die die Bestimmungen der UVP-Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten. Im vorliegenden Verfahren geht es nicht um die Anfechtung des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004. Der Planfeststellungsbeschluss ist den Klägern gegenüber unanfechtbar geworden und zwar bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie. Die Kläger haben von der Möglichkeit, den Planfeststellungsbeschluss anzufechten, keinen Gebrauch gemacht. Die Prüfung der materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses erfolgt hier in einem nach nationalem Recht zusätzlich zur Anfechtung eröffneten Rücknahmeverfahren, in dem ein rechtswidriger Planfeststellungsbeschluss nach pflichtgemäßem Ermessen zurückgenommen werden kann, abgesehen vom Ausnahmefall einer Ermessensreduzierung auf Null aber nicht zurückgenommen werden muss. Anforderungen an ein solches, zusätzlich zur Anfechtung eröffnetes, auf Rücknahme der Planungsentscheidung gerichtetes Verfahren sind Art. 11, vormals 10a UVP-RL, soweit es um die Relevanz von Verfahrensfehlern für den Erfolg der Klage geht, nicht zu entnehmen. Das gilt jedenfalls, wenn es - wie hier - um eine bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie unanfechtbar gewordene Entscheidung geht und die gerichtliche Entscheidung im Anfechtungsprozess nicht auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruht (vgl. EuGH, Urteile vom 13. Januar 2004 - Rs. C-453/00, Kühne & Heitz - Slg. 2004, I-837 und vom 12. Februar 2008 - Rs. C-2/06, Kempter - Slg. 2008, I-411). Letzteres war hier schon deshalb nicht der Fall, weil die Kläger im Anfechtungsprozess die Frage, ob die Öffentlichkeit in räumlicher Hinsicht ausreichend beteiligt wurde, weder nach nationalem Recht noch nach Gemeinschaftsrecht aufgeworfen hatten.

39 2.1.1.2 Anhörung der Kläger

40 Die Anhörung der Kläger ist hingegen nicht zu beanstanden. In ihren Wohnortgemeinden war der Plan ordnungsgemäß ausgelegt.

41 Die ausgelegten Planunterlagen haben auch die erforderliche Anstoßwirkung entfaltet. Die ausgelegten Unterlagen müssen geeignet sein, den potentiell Betroffenen das Interesse an der Erhebung von Einwendungen bewusst zu machen (Urteil vom 13. Oktober 2011 - BVerwG 4 A 4001.10 - <insoweit nicht veröffentlicht in BVerwGE 141, 1> juris Rn. 30 m.w.N.). Sie müssen Dritten die Beurteilung ermöglichen, ob und in welchem Umfang sie von den Umwelteinwirkungen des Vorhabens betroffen werden können (§ 9 Abs. 3 Satz 3 UVPG). Die ausgelegten Unterlagen genügten diesen Anforderungen. Die Möglichkeit, durch den Flugbetrieb abwägungserheblich betroffen zu werden, ergab sich aus der Lage der klägerischen Grundstücke im Verhältnis zu den Start- und Landebahnen - diese war dem Orientierungsplan A III 4-1 (Beiakte 385) zu entnehmen - und den für die Grobplanung der Flugrouten dargestellten Lärmkonturen bis hinab zu einem Dauerschallpegel von Leq(3), Tag = 55 dB(A). Dass die Flugverfahren anders festgelegt werden konnten als im Plan M 2.1-5 (Beiakte 421) dargestellt und für die Darstellung der Lärmkonturen angenommen, ergab sich unabhängig von den Anforderungen an die Abflugrouten bei unabhängigem Bahnbetrieb aus der Rechtslage. Die Flugverfahren sind - wie bereits dargelegt - nicht Gegenstand der Planfeststellung. Ein Hinweis hierauf wäre allerdings wünschenswert gewesen; er hätte Fehlvorstellungen der Betroffenen vermeiden können. Die Rechtslage musste den Klägern allerdings auch ohne einen solchen Hinweis bekannt sein. Der Einwirkungsbereich, innerhalb dessen abwägungsrelevante Beeinträchtigungen bei von der Grobplanung abweichenden Flugverfahren nicht auszuschließen waren, ließ sich durch eine Verschwenkung der Lärmkonturen hinreichend abschätzen. Die Grundstücke der Kläger lagen im Übrigen nicht weit außerhalb der ausgelegten Leq(3), Tag = 55 dB(A)-Kontur; für keinen der Kläger betrug der Abstand seines Grundstücks von dieser Kontur mehr als 1 500 m. Bereits aus diesem Grund lag es nicht fern, dass es auch bei ihnen möglicherweise zu abwägungserheblichen Beeinträchtigungen kommen würde.

42 2.1.2 Untersuchungsraum Mensch

43 Die Umweltverträglichkeitsprüfung leidet an einem weiteren Fehler, der für die materielle Rechtsposition der Kläger hätte relevant sein können. Der Untersuchungsraum Mensch (Beiakte 430, Plan N 4.4-1) hätte für die betriebsbedingten Auswirkungen des Vorhabens nicht auf der Grundlage der Grobplanung der Flugrouten abgegrenzt werden dürfen; er hätte den gesamten räumlichen Bereich umfassen müssen, in dem abwägungserhebliche Beeinträchtigungen möglich sind, jedenfalls aber den 15°-Toleranzbereich.

44 Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG umfasst die Umweltverträglichkeitsprüfung die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens auf die im Gesetz genannten Schutzgüter. Sie erfordert u.a. eine Beschreibung der Umwelt und ihrer Bestandteile im Einwirkungsbereich des Vorhabens (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 UVPG). Um den Einwirkungsbereich des Vorhabens zu bestimmen, ist eine Prognose der voraussichtlichen Auswirkungen erforderlich (Bunge, in: Handbuch der Umweltverträglichkeitsprüfung, Stand Juni 2012, § 1 Rn. 18, § 2 Rn. 78; Appold, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 2 Rn. 55). Diese Prognose darf sich nicht auf die Betrachtung bestimmter, für die Lärmbetroffenheiten repräsentativer Flugrouten beschränken; die Umweltverträglichkeitsprüfung muss sich vielmehr räumlich auf den gesamten Einwirkungsbereich des Flughafens erstrecken, in dem abwägungserhebliche Auswirkungen des Vorhabens möglich sind. Eine Beschränkung ihres Prüfungsumfangs kommt in Betracht, wenn bereits bei der Auswahl des Flughafenstandorts auf der Ebene der Landesplanung eine Umweltprüfung stattgefunden hat (vgl. § 14f Abs. 3 Satz 3, § 16 Abs. 2 und 4 UVPG). Das war hier jedoch nicht der Fall (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 74, 151). Allerdings muss nicht der gesamte Einwirkungsbereich des Flughafens in derselben Intensität untersucht werden. Eine detaillierte Ermittlung und Beschreibung der betriebsbedingten Auswirkungen des Vorhabens ist in der Regel nur für die der Planfeststellung zugrunde gelegte, mit dem BAF oder der DFS abgestimmte Grobplanung der Flugrouten erforderlich. Darüber hinaus ist es erforderlich, in der Regel aber auch ausreichend, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung die im Rahmen der Abwägung zu treffende Entscheidung vorbereitet, ob sich die Zulassung des Vorhabens nur rechtfertigen lässt, wenn bestimmte Gebiete von erheblichen Beeinträchtigungen durch Fluglärm verschont bleiben (vgl. Urteil vom 31. Juli 2012 - BVerwG 4 A 5000.10 u.a. - Rn. 51 <B.II.1.>).

45 Im vorliegenden Fall hätte die Umweltverträglichkeitsprüfung jedenfalls den von der DFS für die Abflugrouten geforderten 15°-Toleranzbereich in den Untersuchungsraum Mensch einbeziehen müssen. Für das Schutzgut Mensch sind nicht nur die Lärmbeeinträchtigungen der Wohn- und Wohnumfeldnutzungen in den Siedlungsgebieten relevant; zu ermitteln sind auch die Auswirkungen des Flugbetriebs auf die Erholungs- und Freizeitnutzungen. Insoweit lässt sich die Wertigkeit von Flächen erst nach deren Erfassung in der Umweltverträglichkeitsprüfung beurteilen; eine Grobanalyse der Siedlungsstrukturen innerhalb des 15°-Toleranzbereichs ist hierfür - anders als für die Wohn- und Wohnumfeldnutzungen in den Siedlungsgebieten - nicht ausreichend.

46 Auch dieser Fehler ist für die Zulassung des Vorhabens am Standort Schönefeld jedoch nicht kausal geworden. Dass eine Einbeziehung des 15°-Toleranzbereichs das Gewicht des Schutzguts Mensch abwägungserheblich verändert hätte, kann ausgeschlossen werden. Für die Siedlungsflächen ist das bereits dargelegt worden (Urteile vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 150 und vom 31. Juli 2012 - BVerwG 4 A 5000.10 u.a. - Rn. 68 ff., 78 ff. <B.IV.1.1 und 1.2 >); im Übrigen kann auf die Ausführungen zur materiellen Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses Bezug genommen werden (vgl. A.II.2.2.1). Die schutzbedürftigen Einrichtungen befinden sich in aller Regel innerhalb der Siedlungsflächen. Auch für die Flächen für Erholung und Freizeit gilt im Ergebnis nichts anderes. Die Umweltverträglichkeitsstudie - Schutzgut Mensch (Beiakte 429, N 5) - hat die Flächen für Erholungsnutzung und Freizeitinfrastruktur nach vier Bedeutungs- bzw. Empfindlichkeitsstufen bewertet und kartiert (Beiakte 430, Pläne 5.4-1 und 5.4 -2). Im Nahbereich des Flughafens, d.h. östlich der Siedlungsachse Berlin-Lichtenrade, Blankenfelde-Mahlow und westlich der Siedlungsachse Bohnsdorf, Schulzendorf, Eichwalde, Zeuthen liegen nach den Plänen 5.4-1 und 5.4 -2 weder unter den geradlinigen noch unter um bis zu 15° abknickenden Abflugrouten größere oder zusammenhängende Erholungsgebiete. In Betriebsrichtung Osten überqueren die geradlinigen Abflugrouten östlich der genannten Siedlungsachse abgesehen von weiteren Siedlungsflächen nahezu ausschließlich Erholungsgebiete der höchsten Wertigkeitsstufe. Für die Erholungsnutzungen können um bis zu 15° abknickende Abflugrouten nicht ungünstiger sein. In Betriebsrichtung Westen überqueren die geradlinigen Abflugrouten westlich der Siedlungsachse Lichtenrade, Blankenfelde-Mahlow Erholungsflächen der zweithöchsten, aber kaum der höchsten Kategorie. Dass dies bei nach Süden abknickenden Abflugrouten, insbesondere im Nordosten des Rangsdorfer Sees ungünstiger wäre, ist möglich. Schon im untersuchten Raum ist erkennbar, dass um 15° abknickende Routen in das der höchsten Wertigkeitsstufe zugerechnete Erholungsgebiet der Dahlewitzer Heide führen würden. Diese zusätzliche Belastung würde jedoch dadurch kompensiert, dass die abknickende Route Siedlungsgebiete der höchsten Wertigkeitsstufe in Blankenfelde entlasten würde (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 159). Eine nach Norden abknickende Abflugroute würde ein festgesetztes Landschaftsschutzgebiet überqueren; das gilt jedoch auch für die geradlinigen Abflugrouten (vgl. Beiakte 417, Plan I 1-4). Anhaltspunkte dafür, dass die abknickende Route für die Erholungs- und Freizeitnutzungen erheblich ungünstiger sein könnte, sind nicht ersichtlich.

47 Die fehlende Untersuchung des Einwirkungsbereichs des Flughafens außerhalb des 15°-Toleranzbereichs ist für die Zulassung des Vorhabens am Standort Schönefeld ebenfalls nicht kausal geworden. Da um bis zu 15° abknickende Abflugrouten das Gewicht des Schutzguts Mensch auch unter Berücksichtigung der Erholungsnutzungen nicht abwägungserheblich verändern würden, hätten Erholungsflächen außerhalb des Toleranzbereichs - nicht anders als Siedlungsflächen - allenfalls zu Vorgaben für die Festlegung der Flugverfahren, nicht aber zur Planaufhebung führen können (vgl. Urteil vom 31. Juli 2012 - BVerwG 4 A 5000.10 u.a. - Rn. 51 <B.II.1>).

48 2.2 Materielle Rechtmäßigkeit

49 Der Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 leidet nicht an einem Abwägungsfehler, der bei rechtzeitiger Anfechtung zu einem Aufhebungsanspruch der Kläger geführt hätte. Unter Berufung auf das Erfordernis divergierender Abflugrouten für den unabhängigen Bahnbetrieb hätten sie auch bei rechtzeitiger Anfechtung eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses weder hinsichtlich der Zulassung des Vorhabens am Standort Schönefeld (2.2.1) noch hinsichtlich der Bahnkonfiguration (2.2.2) erreichen können. Etwaige Defizite bei der Ermittlung und Bewertung möglicher Betroffenheiten außerhalb des für den abhängigen Bahnbetrieb zu berücksichtigenden Toleranzbereichs hätten allenfalls zu einem Anspruch auf Planergänzung führen können (2.2.3).

50 2.2.1 Zulassung des Vorhabens am Standort Schönefeld

51 Die für den abhängigen Bahnbetrieb erstellte Grobplanung der Flugverfahren war sowohl für die Wahl des Flughafenstandorts auf der Ebene der Landesplanung (2.2.1.1) als auch für die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde über die Zulassung des Vorhabens am Standort Schönefeld (2.2.1.2) ausreichend, um die Lärmbetroffenheiten auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen. Das Festhalten des Beklagten an dieser Grobplanung beruhte auch nicht auf sachfremden Erwägungen (2.2.1.3).

52 2.2.1.1 LEP FS 2003

53 Die Wahl des Flughafenstandorts Berlin-Schönefeld war eine raumordnerische Entscheidung, die auf der Ebene der Landesplanung im Ziel Z 1 LEP FS 2003 gefallen war. Die Planfeststellungsbehörde war an das Ergebnis des landesplanerischen Standortvergleichs gebunden (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 54). Aus Rechtsschutzgründen unterlag die zielförmige Standortentscheidung der Landesplanung bei Anfechtung des Planfeststellungsbeschlusses jedoch der gerichtlichen Inzidentkontrolle (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 83).

54 Der Träger der Landesplanung musste sich zumindest Klarheit über die flächen- und zahlenmäßige Größenordnung der Lärmbetroffenheiten an den in die Vergleichsbetrachtung einbezogenen Standorten verschaffen. Bereits auf der Grundlage einer Grobanalyse der Siedlungsstrukturen ins Auge fallende gravierende Unterschiede im Ausmaß der Lärmbetroffenheit mussten in die Abwägung eingestellt werden. Der Träger der Landesplanung durfte jedoch von einer genauen numerisch-präzisen Ermittlung der Anzahl der jeweils von Fluglärm voraussichtlich betroffenen Anwohner absehen, wenn offenkundige Disparitäten im Ausmaß der Lärmbelastung nach seiner planerischen Konzeption in der Abwägung kein ausschlaggebendes Gewicht besaßen (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 152 f.).

55 Ausgehend hiervon ist die der Wahl des Flughafenstandorts zugrunde liegende Abwägung des Trägers der Landesplanung nicht zu beanstanden. Wie bereits dargelegt (A.II.2.1.1.1), hat er für die Abwägung zwischen einer Beibehaltung des bestehenden Flughafensystems und dem Ausbau des Flughafens Schönefeld zum Single-Airport die Anzahl der Lärmbetroffenen innerhalb der 62 dB(A)-Kontur ermittelt (Nr. 1 und Nr. 5.4.4.3 zu Z 1 LEP FS 2003), und zwar ausgehend von geradlinigen An- und Abflugrouten und berechnet nach dem Fluglärmschutzgesetz a.F. In der Begründung des LEP FS 2003 wird dargelegt, dass über die drei bestehenden Flughäfen in 2001 insgesamt 12,59 Mio. Passagiere befördert worden seien; durch die damit verbundenen Lärmbelastungen seien in den gegenwärtig vorhandenen Lärmkonturen bis 62 dB(A) insgesamt ca. 136 000 Anwohner betroffen (Nr. 1 zu Z 1 LEP FS 2003). Bei Ausbau des Flughafens Schönefeld für 30 Mio. Passagiere würden 31 000 Anwohner innerhalb der 62 dB(A)-Kontur betroffen (Tabelle in 5.4.4.3 zu Z 1 LEP FS 2003). Für den Gesamtraum ergebe sich durch Um- und Ausbau des Flughafens Schönefeld eine „deutliche Verringerung der Lärmbetroffenheit gemessen an der Anzahl der Anwohner“. Das Ausbauvorhaben führe zu einer „Reduzierung der durch Fluglärm betroffenen Anwohner auf weniger als 30 % gegenüber der gegenwärtigen Situation - verglichen mit heute noch deutlich geringerem Gesamtflugverkehr“ (Nr. 5.4.4.3 zu Z 1 LEP FS 2003). Ihre Zahl verringere sich um „rund 100 000“ (Nr. 6 zu Z 1 LEP FS 2003).

56 Der Träger der Landesplanung hat mithin bei dem Vergleich der Lärmbetroffenheiten nicht auf die konkrete Anzahl, sondern auf die Größenordnung der innerhalb der 62 dB(A)-Kontur Betroffenen abgestellt. Er hat hierbei mit erheblichen Toleranzen gearbeitet. Insbesondere hat er darauf verzichtet, die im Jahr 2001 durch die drei bestehenden Flughäfen bei 12,59 Mio. Passagieren Betroffenen auf einen Prognoseverkehr von 30 Mio. Passagieren hochzurechnen. Er hat die Zahl der im Jahr 2001 durch das bestehende Flughafensystem tatsächlich Betroffenen mit der Zahl der Betroffenen am „Single-Airport“ Schönefeld im Prognosejahr 20XX (30 Mio. Passagiere, 360 000 Flugbewegungen) verglichen. Bei einer Hochrechnung hätte sich die Bilanz wegen der dichteren Besiedlung in der Umgebung der Flughäfen Tegel und Tempelhof noch deutlicher zu Gunsten des Standorts Schönefeld verschoben.

57 Bei einer so groben Abschätzung der Betroffenheiten brauchte der Träger der Landesplanung den unabhängigen Bahnbetrieb mit um bis zu 15° nach Norden oder nach Süden abknickenden Abflugrouten nicht gesondert zu betrachten. Abflugrouten in diesem Korridor würden zwar teilweise andere Gebiete betreffen als die der Berechnung zugrunde gelegten parallelen Abflugwege; diese Gebiete wären jedoch nicht oder jedenfalls nicht erheblich dichter besiedelt als diejenigen, die von parallelen Abflugrouten betroffen wären. Das ergibt sich bereits aus einer Grobanalyse der Siedlungsstruktur der Flughafenumgebung. Betroffen wäre im einen wie im anderen Fall der Randbereich der Metropole Berlin; die dichter besiedelte Metropole selbst wäre nicht betroffen. Für den Nachtflugbetrieb und das insoweit maßgebende Nachtschutzgebiet hat der Senat hierzu in seinem Urteil vom 13. Oktober 2011 (BVerwG 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 159) dargelegt:
Abflüge in Richtung Westen - das sind etwa 2/3 aller Abflüge -, die um bis zu 15° nach Norden oder Süden abknicken, ändern den Umfang der Betroffenheiten in dem für den passiven Schallschutz relevanten Bereich gegenüber geraden Abflügen allenfalls unerheblich. Bei nach Norden abknickenden Abflügen von der Nordbahn würde Blankenfelde-Mahlow etwas weiter nördlich überflogen. Stärker als bei geraden Abflügen wäre Großbeeren betroffen; im Gegenzug würde Diedersdorf entlastet. Um 15° nach Süden abknickende Abflüge von der Südbahn würden Blankenfelde-Mahlow eher entlasten. Auch eine Berechnung der DFS für die Fluglärmkommission mit dem NIROS-Programm hat ergeben, dass eine abknickende Route unter Lärmschutzgesichtspunkten sogar günstiger wäre als gerade Abflüge (Präsentation „Flugverfahrensvorschläge der Fluglärmkommission für BBI“ vom 14. Februar 2011, http://www.mil.brandenburg.de/sixcms/de-tail.php/484669, Folien 25 ff.). Für Abflüge in Richtung Osten ist die Situation allerdings nicht in gleicher Weise eindeutig. Die Gebiete, die bei um 15° nach Süden abknickenden Abflügen von der Südbahn auf passiven Schallschutz angewiesen wären, dürften etwas dichter besiedelt sein als die von geraden Abflugstrecken betroffenen Gebiete. Der Norden von Eichwalde und Schulzendorf würde entlastet; die Mitte von Schulzendorf, der Süden von Eichwalde und der Nordrand von Zeuthen wären neu auf passiven Schallschutz angewiesen; eine andere Größenordnung der Betroffenheiten insgesamt würde aber hierdurch nicht erreicht. Ein Abknicken von der Nordbahn nach Nordosten würde zu Direktüberflügen von Bohnsdorf in geringer Höhe und damit zu einer nicht unerheblichen Zunahme der besonders starken Betroffenheiten führen. Dass diese unter Lärmschutzgesichtspunkten ungünstigste Variante zur Umsetzung der 15°-Divergenz gewählt werden würde, war jedoch von vornherein unwahrscheinlich. Diese Variante musste deshalb nicht betrachtet werden. Insgesamt bleiben damit die durch die Berücksichtigung der 15°-Toleranz möglichen Veränderungen der Lärmbetroffenheiten in einem Unsicherheitsbereich, der bei der prognostischen Flugroutenplanung für die Regelung des nächtlichen Flugbetriebs ohnehin mitgedacht werden muss.

58 Diese Erwägungen gelten für die Abwägung der Standortalternativen im Hinblick auf die Lärmbetroffenheiten innerhalb der 62 dB(A)-Kontur entsprechend. Die von dieser Kontur umschlossene Fläche ist zwar kleiner als die Fläche des im Planergänzungsbeschluss (Anlage 2 “Schutzgebiete“) festgelegten Nachtschutzgebiets. Die 62 dB(A)-Kontur (Beiakte 421, Plan M 3-4) hat eine Längsausdehnung von etwa 27 km je Bahn, das Nachtschutzgebiet von etwa 34 km. Die genannten Veränderungen der Überflugsituation sind aber bei Betrachtung der 62 dB(A)-Kontur in vergleichbarer Weise relevant.

59 Der Träger der Landesplanung war auch nicht verpflichtet, für um mehr als 15° abknickende Abflugrouten die Zahl der von einem Leq(4) = 62 dB(A) oder mehr Betroffenen zu ermitteln. Ob die Schreiben der DFS vom 20. August und 26. Oktober 1998 an die Planfeststellungsbehörde, in denen die DFS an der bisherigen Grobplanung festgehalten und lediglich die Berücksichtigung eines Toleranzbereichs gefordert hatte (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 161), dem Träger der Landesplanung bekannt waren oder bekannt sein mussten, kann offen bleiben. Da Abflugrouten, die um bis zu 15° nach Norden oder nach Süden abknicken, einen unabhängigen Parallelbetrieb ermöglichen, ohne Lärmbetroffenheiten auszulösen, die nach dem Abwägungskonzept des LEP FS 2003 die Wahl des Standorts in Frage stellen würden, durfte der Träger der Landesplanung jedenfalls davon ausgehen, dass die Umsetzung seiner Standortentscheidung in dem nachfolgenden Planfeststellungsverfahren und dem Verfahren zur Festlegung der Flugverfahren nicht auf unüberwindbare tatsächliche oder rechtliche Hindernisse stoßen würde (vgl. Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 154 f.).

60 Für den Vergleich zwischen dem Standort Schönefeld und den metropolenferneren Alternativstandorten Sperenberg und Jüterbog hat der Träger der Landesplanung darauf abgestellt, dass ein solcher Neubaustandort aufgrund der geringeren Besiedlungsdichte des äußeren Entwicklungsraumes zu einer deutlich geringeren Anzahl der von Fluglärm betroffenen Anwohner würde führen können als ein Standort im dichter besiedelten engeren Verflechtungsraum (Nr. 5.2 zu Z 1 LEP FS 2003). Beziffert hat er diese Unterschiede nicht. Der Senat hat dies - anders als zuvor das Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg im Normenkontrollverfahren gegen den LEP FS 2003 (Urteil vom 10. Februar 2005 - OVG 3 D 104/03.NE) - nicht beanstandet (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 156 ff.). Für diesen Vergleich war die Frage, ob die Abflugrouten geradlinig verlaufen oder um bis zu 15° abknicken, ohne Relevanz. Auch bei abknickenden Abflugrouten wäre nur der engere Verflechtungsraum, nämlich der Randbereich der Metropole, betroffen; der Verdichtungsbereich, also die dichter besiedelte Metropole selbst, wäre nicht betroffen (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 159).

61 Von Klägern anderer Verfahren ist geltend gemacht worden (vgl. Urteil vom 31. Juli 2012 - BVerwG 4 A 5000.10 u.a. - Rn. 72 <B.IV.1.1>), dass auf der Grundlage der Planung der DFS vom 6. September 2010 grob geschätzt 80 000 bis 100 000 zusätzliche Lärmbetroffene zu verzeichnen seien. Im Rahmen der Standortentscheidung habe der Träger der Landesplanung berücksichtigen müssen, dass tatsächlich ca. 150 000 Menschen und damit - wegen der größeren Verkehrsmenge - annähernd gleich viele Anwohner wie am Standort Tegel betroffen seien. Abgesehen davon, dass dieser Vortrag von der um mehr als 15° nach Norden abknickenden Abflugroute über Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow ausgeht, für die der Träger der Landesplanung - wie soeben dargelegt - die Lärmbetroffenheiten nicht ermitteln musste, sind diese Zahlen für die der Abwägung des Trägers der Landesplanung zugrunde liegende 62 dB(A)-Kontur nicht plausibel. Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf lägen selbst dann nicht innerhalb der 62 dB(A)-Kontur, wenn sie direkt überflogen würden. Dass die Betroffenheiten im Übrigen wesentlich geringer wären als von diesem Vortrag angenommen, ergibt sich bereits aus den Einwohnerzahlen der durch abknickende Routen betroffenen Gemeinden. Die Einwohnerzahlen wurden für die Umweltverträglichkeitsstudie ausgehend vom Stand Dezember 1997 zzgl. des Potentials in genehmigten Bebauungsplangebieten ermittelt (Beiakte 429, N 5 Tabellenanhang, Tabelle 5.4.1-2). Am stärksten wären die Veränderungen bei nach Süden abknickenden Abflügen von der Südbahn in Richtung Osten in den Gemeinden Schulzendorf (ca. 7 750 Einwohner), Eichwalde (ca. 5 410 Einwohner) und Zeuthen (ca. 8 170 Einwohner). Neu betroffen wären nicht die gesamten besiedelten Gebiete dieser Gemeinden, sondern bei großzügiger Schätzung in Schulzendorf 30 %, in Eichwalde 50 % und in Zeuthen 20 %, insgesamt also ungefähr 6 500 bis 7 000 Einwohner. Entlastet würde die Nordhälfte von Eichwalde, also ca. 2 500 bis 3 000 Einwohner und im Köpenicker Ortsteil Schmöckwitz (ca. 2 850 Einwohner) der Süden der größten Siedlungsfläche Karolinenhof, also ca. 500 bis 1 000 Einwohner. Diese Gebiete blieben zwar wegen der Belastung durch die Anflüge bei Betriebsrichtung Westen voraussichtlich innerhalb der 62 dB(A)-Kontur; das Ausmaß ihrer Betroffenheit würde sich aber nicht nur rechnerisch, sondern bei Betriebsrichtung Osten auch spürbar verringern. Ungünstiger als gerade Abflugrouten wären auch abknickende Abflugrouten von der Nordbahn bei Starts in Richtung Westen. Neu belastet würden der Norden von Mahlow und Teile von Großbeeren; diese zusätzlichen Belastungen würden durch die Entlastung des Südens von Mahlow und von Diedersdorf nur zum Teil aufgewogen. Sie lassen sich jedoch durch von der Südbahn abknickende Abflugrouten, die unter Lärmgesichtspunkten eher günstiger als gerade Abflugrouten sind, vermeiden. Insgesamt sind die von den Klägern genannten Zahlen weit überhöht; ihre Einschätzung, dass das Abwägungsgefüge des LEP FS 2003 durch das 15°-Erfordernis aus dem Lot gerate, entbehrt einer tatsächlichen Grundlage.

62 Dem Antrag, Beweis zu der Frage zu erheben, ob die Gebiete, die von 15° nach Norden oder Süden abknickenden Flugrouten betroffen sind, abwägungserheblich anders betroffen sind als die, die von parallelen Abflugrouten betroffen wären, brauchte der Senat nicht nachzugehen. Unter Zugrundelegung des im Urteil vom 13. Oktober 2011 (BVerwG 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1), insbesondere in Rn. 159, dargelegten rechtlichen Maßstabs, verfügt der Senat unter Heranziehung der Verwaltungsvorgänge und allgemein zugänglicher Quellen über hinreichend eigene Sachkunde zur Beantwortung der Beweisfrage. Die Sachkunde des Senats wird durch die bereits vor Zustellung der Entscheidungsgründe erhobene, auf Hinweis des Gerichts zurückgenommene Anhörungsrüge nicht in Frage gestellt. Lärmberechnungen hat der Senat nicht vorgenommen. Ausreichend war eine Abschätzung der Lärmbetroffenheiten auf der Grundlage einer Grobanalyse der Siedlungsstruktur der Flughafenumgebung i.V.m. den für das Planfeststellungsverfahren ermittelten, in den Verwaltungsvorgängen vorhandenen (Beiakte 429, N 5 Tabellenanhang) Einwohnerzahlen der betroffenen Ortsteile und Gemeinden. Dass die Lärmbelastung von Bohnsdorf bei nach Norden abknickenden Abflügen (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 159) mit der von Zeuthen bei nach Süden abknickenden Abflügen nicht vergleichbar ist, ergibt sich ohne Weiteres aus der größeren Zahl von Einwohnern (9 119 in Bohnsdorf gegenüber 8 171 in Zeuthen - jeweils Stand Dezember 1997, Beiakte 429, N 5 Tabellenanhang, Tabellen 5.4.1-2 und 5.4 .1-5) auf geringerer Siedlungsfläche und der geringeren Entfernung von der Start- und Landebahn. Die westliche Grenze des Ortsteils Bohnsdorf ist vom Ende der Nordbahn weniger als 2,5 km, die westliche Grenze Zeuthens vom Ende der Südbahn mehr als 5 km entfernt. Welche topographischen Unterschiede bei der dargelegten Grobanalyse der Siedlungsstruktur zu berücksichtigen sein sollten, legen die Kläger nicht dar.

63 2.2.1.2 Planfeststellungsbeschluss

64 Die Entscheidung des Beklagten über die Zulassung des Vorhabens am Standort Schönefeld im Planfeststellungsbeschluss leidet ebenfalls nicht deswegen an einem Abwägungsfehler, weil er an der Grobplanung mit geraden Abflugrouten festgehalten und das 15°-Erfordernis nicht berücksichtigt hat.

65 Die Planfeststellungsbehörde trifft keine Rechtspflicht zur Zulassung eines Flughafenvorhabens an dem von der Landesplanung zielförmig festgelegten Standort. Die schädlichen Immissionen eines Infrastrukturvorhabens können in der Regel erst abschließend ermittelt und eingeschätzt werden, wenn es im Planfeststellungsantrag des Vorhabenträgers konkretisiert worden ist. Die „raumordnungsexternen“ Belange können für sich betrachtet oder in ihrer Gesamtheit so gewichtig sein, dass sich die landesplanerische Standortwahl in der fachplanerischen Abwägung nicht durchsetzt. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die Zulassung des Vorhabens in unverhältnismäßiger Weise in private Schutzgüter, in den Bereich der kommunalen Selbstverwaltung oder in allgemeine öffentliche Belange eingreifen sollte (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 76 f.).

66 Die Planfeststellungsbehörde muss nicht alle realistischerweise in Betracht kommenden Flugrouten auf die zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen untersuchen; sie kann sich auf die Betrachtung bestimmter Flugrouten beschränken (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 147). Eine Worst-case-Betrachtung muss sie insoweit entgegen der Auffassung der Kläger nicht vornehmen. Der Planfeststellungsbeschluss muss allerdings die von dem Planvorhaben in seiner räumlichen Umgebung aufgeworfenen Probleme bewältigen; hierzu ist er nur in der Lage, wenn die prognostische Flugroutenplanung Art und Ausmaß der zu erwartenden Betroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung realistisch abbildet (Urteil vom 31. Juli 2012 - BVerwG 4 A 5000.10 u.a. - Rn. 50 <B.II.1>).

67 Ausgehend hiervon ist die Abwägung des Beklagten nicht zu beanstanden.

68 Der Beklagte hat die Lärmschutzbelange auf der Grundlage der Ermittlungen der Beigeladenen zu 1 abgewogen. Diese hat für den Prognosehorizont 20XX - ausgehend von der Grobplanung der DFS vom März 1998 mit geradlinigen An- und Abflugrouten - die Fläche des von einer Leq(3) = 60 dB(A)-Kontur umschlossenen Tagschutzgebiets (71,6 km2) und die Zahl der in diesem Gebiet lebenden Anwohner (24 630) ermittelt (PFB S. 605). Für die Nacht hat sie die Betroffenheiten innerhalb der Leq(3) = 50 dB(A)-Kontur (117,68 km2, 38 246 Anwohner) und der 6 × 70 LMax-Kontur (120,19 km2, 41 836 Anwohner; PFB S. 613) ermittelt.

69 Der Beklagte durfte bei der Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens zwar nicht davon ausgehen, dass die DFS für den unabhängigen Bahnbetrieb parallele Abflugstrecken planen würde; er durfte auch nicht von einem abhängigen Bahnbetrieb ausgehen (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 155). Für die Frage, ob das Vorhaben am Standort Schönefeld zugelassen werden kann, war die für den abhängigen Bahnbetrieb erstellte Grobplanung der An- und Abflugrouten jedoch ausreichend, um die Lärmbetroffenheiten auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen. Die Darlegungen des Senats zur Regelung des Nachtflugbetriebs gelten insoweit entsprechend (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 159 - 161). Die von um bis zu 15° abknickenden Abflugrouten betroffenen Gebiete wären nicht oder jedenfalls nicht erheblich dichter besiedelt als diejenigen Gebiete, die von parallelen Abflugrouten betroffen wären. Innerhalb des Toleranzbereichs divergierende Abflugrouten lassen den Standort nicht in einem anderen Licht erscheinen als die der Abwägung der Standortalternativen im LEP FS 2003 zugrunde gelegten geradlinigen Abflugrouten. Die Verschiebung und auch die mögliche Ausweitung der Betroffenheiten in der für die 62 dB(A)-Kontur dargelegten Größenordnung bleiben vielmehr in einem Unsicherheitsbereich, der bei der landesplanerischen Festlegung des Standorts - wie dargelegt - mitgedacht worden ist und schon aus diesem Grund auch bei der Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens im Planfeststellungsverfahren mitgedacht werden muss. Unabhängig von diesen landesplanerischen Vorgaben muss die Zulassung des Vorhabens an dem gewählten Standort grundsätzlich auch dann Bestand haben können, wenn andere An- und Abflugrouten festgelegt werden als im Planfeststellungsverfahren angenommen wurde (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 150). Die Zulassungsentscheidung im Hinblick auf bestimmte Abflugrouten und ohne Rücksicht auf nicht auszuschließende Veränderungen der Betroffenheiten im Falle einer Änderung der Abflugrouten zu treffen, wäre nicht sachgerecht.

70 Dass um mehr als 15° abknickende Abflugrouten festgelegt werden, musste der Beklagte für die Ermittlung der Lärmbetroffenheiten auf der Grundlage der mit der DFS abgestimmten Grobplanung der Flugverfahren nicht in Erwägung ziehen. Dies hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 13. Oktober 2011 (a.a.O. Rn. 161) dargelegt. Hieran hält er fest.

71 Im Hinblick auf das Tagschutzgebiet und die nur abwägungserheblich Betroffenen ergeben sich gegenüber den Erwägungen des Senats zum Nachtflugbetrieb und dem insoweit maßgebenden Nachtschutzgebiet keine relevanten Abweichungen. Die Längsausdehnung des Tagschutzgebiets ist geringer als die des Nachtschutzgebiets; eine Verschwenkung der Abflugrouten wirkt sich weniger aus als bei den längeren Nachtkonturen. Den mehr als geringfügig, aber auch ohne passiven Schallschutz nicht unzumutbar Betroffenen hat der Beklagte im Vergleich zu den schwereren Betroffenheiten innerhalb des Tag- und des Nachtschutzgebiets ein geringeres Gewicht beigemessen. Die Anzahl der nur abwägungserheblich Lärmbetroffenen und die Fläche des insoweit betroffenen Gebiets hat er nicht ermitteln lassen. Der Senat hat dies in seinem Urteil vom 16. März 2006 nicht beanstandet. Dass eine Berücksichtigung der 15°-Divergenz die Größenordnung der nur abwägungserheblich Lärmbetroffenen verändert haben könnte, kann ebenfalls ausgeschlossen werden. In Betriebsrichtung Westen ist das Gebiet unterhalb der abknickenden Abflugrouten auch in größerer Entfernung vom Flughafen eher weniger besiedelt als unter den geradlinigen Routen, die Ludwigsfelde überqueren. In Betriebsrichtung Osten quert die um 15° nach Süden abknickende Route zwar Schulzendorf und Eichwalde. Außerhalb des Nachtschutzgebiets ist das Gebiet unterhalb der abknickenden Route allenfalls unwesentlich dichter besiedelt (Wernsdorf) als das Gebiet unterhalb der nördlich von Eichwalde ebenfalls abknickenden und über Zwiebusch und Neu Zittau führenden Abflugroute vom März 1998.

72 Dem Beweisantrag zur Betroffenheit der Gebiete innerhalb des 15°-Toleranzbereichs brauchte der Senat aus den bereits zur Landesplanung dargelegten Gründen nicht zu folgen.

73 Schließlich geht auch der Einwand der Kläger fehl, die Standortentscheidung sei schon deshalb fehlerhaft, weil es an einem fehlerfreien Lärmschutzkonzept fehle. Der Beklagte ist bei seiner Abwägung davon ausgegangen, dass die in der Umgebung des Standorts Schönefeld entstehenden Lärmbelastungen u.a. durch Maßnahmen des aktiven und passiven Lärmschutzes und Entschädigungen zu lösen seien (PFB S. 390 Abs. 2). Dass diese Annahme unzutreffend sei, weil die Lärmprobleme nur bei geradlinigen, nicht aber bei divergierenden Abflugrouten lösbar seien, machen die Kläger selbst nicht geltend. Etwaige Fehler des Lärmschutzkonzepts stellen die Rechtmäßigkeit der Standortentscheidung nicht in Frage. Die Kläger haben, soweit sie durch den Mangel des Lärmschutzkonzepts in eigenen Rechten verletzt sind, lediglich einen Anspruch darauf, dass dieser Mangel behoben wird. In der Regel genügt hierfür eine Planergänzung. In Bezug auf die Schutz- und Entschädigungsgebiete, die der Beklagte nicht auf der Grundlage paralleler Abflugrouten hätte festlegen dürfen, ist der Mangel im Übrigen durch die in der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2011 zu Protokoll des Gerichts vorgenommene Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um die Nebenbestimmung A II 5.1.10 behoben worden.

74 2.2.1.3 Keine sachfremden Erwägungen

75 Das Festhalten des Beklagten an der Grobplanung der DFS vom März 1998 beruhte auch nicht auf sachfremden Erwägungen.

76 Zum damaligen Zeitpunkt barg das Festhalten an der bisherigen Grobplanung zwar ein rechtliches Risiko. Der Beklagte konnte nicht mit Sicherheit voraussehen, welche Anforderungen ein mit der Kontrolle des Planfeststellungsbeschlusses befasstes Gericht an die Genauigkeit einer Flugroutenprognose stellen würde. Zur Vermeidung dieses Risikos hätte es nahegelegen, die Grobplanung - wie von der DFS angeregt - unter Berücksichtigung der 15°-Divergenz zu überarbeiten. Dass andere Flugrouten als prognostiziert festgelegt werden, hätte sich allerdings auch dadurch nicht ausschließen lassen. Zudem hatte die Vorhabenträgerin ein berechtigtes Interesse daran, ihr DES und die darauf aufbauenden Gutachten im Laufe des Planungsverfahrens nicht ohne wichtigen Grund - möglicherweise sogar mehrfach - einer geänderten Flugroutenprognose anpassen zu müssen. Dass sich die Grundlagen der Abwägung bei gleichbleibenden Anflugrouten, aber um mindestens 15° divergierenden und bis zu 15° abknickenden Abflugrouten nicht wesentlich ändern würden, war aufgrund der Siedlungsstrukturen in der Umgebung des Flughafens bereits damals erkennbar. Ausgehend hiervon war es jedenfalls vertretbar, das Risiko einzugehen und an der bisherigen Grobplanung festzuhalten.

77 Das H.-Schreiben vom 7. Oktober 1998 führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Die PPS begründete ihre an das Bundesverkehrsministerium gerichtete Bitte, Einfluss auf die DFS dahingehend zu nehmen, dass diese ihre Stellungnahme zum DES modifiziere, damit, dass anderenfalls alle im Vertrauen auf die Verbindlichkeit der DFS-Grobplanung erarbeiteten Gutachten überarbeitet werden müssten und mit erheblichen finanziellen Mehraufwendungen und einer zeitlichen Verzögerung im Planungsablauf um ca. 3 Monate zu rechnen sei. Diese Gründe konnten zwar für sich betrachtet das Festhalten an der bisherigen Grobplanung nicht rechtfertigen; die Entscheidung war jedoch auch sachlich vertretbar. Wie bereits dargelegt, war die für den abhängigen Betrieb erstellte Grobplanung ausreichend, um die Lärmbetroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen. Unter diesen Umständen durften die genannten verfahrensökonomischen Erwägungen bei der Entscheidung über das weitere Vorgehen berücksichtigt werden.

78 Sachfremde Gründe für das Festhalten an der bisherigen Grobplanung ergeben sich auch nicht aus der E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn S. vom 9. Oktober 1998 und der E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn K. vom 3. Februar 2006. Der Mitarbeiter der DFS, Herr S., teilt in seiner nach Eingang des H.-Schreibens bei der DFS verfassten E-Mail mit, dass „entgegen unserer Vereinbarung vom 29.9.1998“ ein neues Verfahrenskonzept nicht vorgelegt werden solle. Ob der Beklagte in der Besprechung vom 29. September 1998 mit der DFS vereinbart hatte, dass die DFS eine neue Grobplanung unter Berücksichtigung des 15°-Erfordernisses erarbeiten solle, ist nicht entscheidungserheblich. Sollte der Beklagte seine Position im Laufe des Verfahrens geändert haben, würde dies an der Vertretbarkeit der Entscheidung, an der bisherigen Grobplanung festzuhalten, nichts ändern. Die in der E-Mail verwendete Formulierung, dass die DFS die neuen Verfahren „in der Hinterhand“ behalte, wiederholt der Sache nach lediglich die bereits dargelegte, auch dem Beklagten und der Beigeladenen zu 1 bekannte Tatsache, dass die DFS an der vorgelegten Grobplanung nur mit der Maßgabe festhielt, für den unabhängigen Parallelbetrieb um bis zu 15° abknickende Abflugrouten zu planen. Der Mitarbeiter der DFS, Herr K., berichtet in seiner kurz vor der ersten mündlichen Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 2006 verfassten E-Mail über einen Anruf von Herrn Ministerialrat B. zur Vorbereitung dieser Verhandlung. Zu der Frage, aus welchen Gründen im Herbst 1998 entschieden wurde, für das Planfeststellungsverfahren an der Grobplanung der DFS vom März 1998 festzuhalten, gibt diese E-Mail nichts her.

79 Ausgehend hiervon ist der Vorwurf der Kläger, der Beklagte habe „wider besseres Wissen“ an den parallelen Abflugrouten festgehalten, unbegründet. Das Festhalten an der bisherigen Grobplanung war - wie dargelegt - rechtlich nicht zu beanstanden. Unter Berücksichtigung des von der DFS geforderten Toleranzbereichs von um bis zu 15° nach Norden oder Süden abknickenden Abflugrouten war die Grobplanung vom März 1998 realisierbar. Die parallelen Abflugrouten waren auch geeignet, die innerhalb des Toleranzbereichs möglichen Lärmbetroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung realistisch abzubilden. Da die Flugrouten im Planfeststellungsbeschluss nicht festgelegt wurden, sondern nur Grundlage für die Abschätzung der Auswirkungen des Flugbetriebs waren, kam es auf die Frage, ob der unabhängige Parallelbetrieb auf der Grundlage der DFS-Grobplanung auch ohne Berücksichtigung des Toleranzbereichs möglich wäre, nicht entscheidend an.

80 2.2.2 Bahnkonfiguration

81 Dass das Untersuchungsfenster für die Analyse der möglichen Bahnkonfigurationen (Achsabstand zwischen 1 600 und 2 300 m, Bahnversatz zwischen 800 und 1 800 m) bei Berücksichtigung des 15°-Erfordernisses auf Achsabstände so weit über 2 300 m hinaus erweitert worden wäre, dass ein unabhängiger Bahnbetrieb ohne Einhaltung des 15°-Erfordernisses möglich gewesen wäre, kann ausgeschlossen werden. Wie in der Konfigurationsanalyse (Beiakte 425, M 12 S. 12 - 14) und im Planfeststellungsbeschluss (PFB S. 637) dargelegt, würden sich bei einem größeren Achsabstand als 2 300 m die Rollwege unter flugbetrieblichen Gesichtspunkten wesentlich erhöhen; die Groß Kienitzer Berge würden sich zunehmend als flugbetrieblich bedenkliches topographisches Hindernis erweisen. Vor allem würde eine weitere Verschiebung der Südbahn nach Süden ihren Zweck auch unter fluglärmspezifischen Gesichtspunkten verfehlen. Die durch abknickende Abflüge stärker betroffene Gemeinde Eichwalde würde bei größeren Achsabständen als 2 300 m zunehmend in ihrer breitesten Ost-West-Ausdehnung überflogen und zwar, wenn der Achsabstand für parallele Abflüge ausreichend sein sollte, sowohl von An- als auch von Abflügen.

82 Ob die Konfigurationsanalyse innerhalb des Untersuchungsfensters wegen der Nichtberücksichtigung des 15°-Erfordernisses an einem ergebnisrelevanten Abwägungsfehler leidet, kann offen bleiben. Jedenfalls wären die Kläger durch einen etwaigen Abwägungsmangel nicht in eigenen Rechten verletzt worden. Das Grundstück der Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 7002.11 liegt nördlich der bereits vorhandenen Nordbahn. Eine Parallelverschiebung dieser Bahn war nicht Gegenstand der Konfigurationsanalyse. Von einer Verschiebung der Südbahn innerhalb des Untersuchungsfensters hätten sie nicht profitiert. Die Belange der in Zeuthen und damit südlich der Südbahn wohnenden Kläger der Verfahren BVerwG 4 A 7001.11 und 7003.11 waren für die Konfigurationsanalyse ebenfalls nicht abwägungserheblich. Als abwägungserheblich wurden in der Konfigurationsanalyse nur Betroffenheiten bis hinab zu einem Dauerschallpegel von Leq(3), Tag = 62 dB(A) angesehen (PFB S. 635 f. und Beiakte 425, M 12 S. 19). Diese Werte werden bei um bis zu 15° abknickenden Abflugrouten bei den Klägern der Verfahren BVerwG 4 A 7001.11 und 7003.11 nicht erreicht. Der Beklagte hat auf der Grundlage der Berechnungen nach der vorläufigen Berechnungsmethode für den Umgebungslärm an Flugplätzen (VBUF, vgl. Internetpapier des Beklagten vom 1. November 2010 http://www.mil.brandenburg.de/sixcms/media.php/4055/L%C3%A4rmbelastung_BBI.pdf) für das Grundstück der Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 7001.11 einen Leq(3), Tag = 53 dB(A) und für das weiter entfernte, aber direkt unter einer um 15° nach Süden abknickenden Flugroute liegende Grundstück der Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 7003.11 einen Leq(3), Tag = 55 dB(A) ermittelt (Schriftsatz vom 27. Mai 2011 S. 24 und 28). Die Kläger sind diesen Berechnungen nicht entgegen getreten. Dass der Leq(3), Tag bei den Klägern jedenfalls 62 dB(A) nicht erreicht, ist plausibel. Da nur etwa 35 % aller Abflüge nach Osten gehen, wird die Länge der für die Grobplanung berechneten 62 dB(A)-Kontur östlich der Südbahn mit etwa 7,7 km ab Startbahnende (vgl. Beiakte 425, Karte M 12-16) deutlich stärker durch die Anflüge bei Betriebsrichtung Westen als durch die Abflüge bei Betriebsrichtung Osten bestimmt. Der durch um 15° nach Süden abknickende Abflüge entstehende neue „Finger“ dieser Kontur wäre - wie die vom Beklagten in den Wiederaufnahme- und den Restitutionsverfahren vorgelegten, von der DLR für einen Leq(3), Tag = 60 dB(A) für die Grobplanung einerseits und um 15° nach Süden abknickende Abflugrouten andererseits berechneten Konturen bestätigen - die etwa 6,3 km bzw. 8 km vom östlichen Ende der Südbahn entfernten Grundstücke der Kläger in den Verfahren BVerwG 4 A 7001.11 und 7003.11 nicht erreichen. Die Bahnkonfiguration stellt für die Grundstücke der Kläger keinen Zwangspunkt mehr dar.

83 2.2.3 Mögliche Betroffenheiten außerhalb des Toleranzbereichs

84 Die Planfeststellungsbehörde muss bei ihrer Abwägung auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass das BAF von der Grobplanung abweichende Flugverfahren festlegt. Aus derartigen Flugverfahren können sich Konflikte ergeben, die der Planfeststellungsbeschluss, soweit dies nicht bereits auf der Ebene der Landesplanung geschehen ist, vorab bewältigen muss. Hierfür ist es erforderlich, die gesamte Umgebung des Flughafens, die von abwägungserheblichem Lärm betroffen werden könnte, in den Blick zu nehmen. Eine von bestimmten Flugrouten ausgehende Ermittlung der Lärmbetroffenheiten ist allerdings in aller Regel nicht erforderlich. Denn für die Konfliktbewältigung genügt es, sicherzustellen, dass die Festlegung der An- und Abflugverfahren die Zulassung des Vorhabens an dem vorgegebenen Standort mit der festgelegten Bahnkonfiguration nicht nachträglich als unabgewogen erscheinen lässt. Wenn die Prognose der An- und Abflugverfahren mit dem BAF oder der DFS abgestimmt ist (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 - BVerwG 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 151), darf die Planfeststellungsbehörde grundsätzlich davon ausgehen, dass das BAF Flugverfahren festlegen wird, die Art und Ausmaß der im Planfeststellungsverfahren ermittelten Betroffenheiten nicht wesentlich übersteigen. Vorkehrungen für den Fall, dass das BAF das Planungsziel durch Festlegung von Abflugverfahren über dicht besiedeltes Stadtgebiet konterkariert, braucht sie nicht zu treffen; eine solche Flugroutenplanung wäre evident rechtswidrig. Ist nach dem planerischen Konzept der Planfeststellungsbehörde Grundlage für die Zulassung des Vorhabens an dem gewählten Standort, dass bestimmte Gebiete, die wegen ihrer dichten Besiedlung oder aus anderen Gründen besonders schutzwürdig sind, von einer Verlärmung durch stark belegte Abflugrouten verschont bleiben, kann sie dies im Planfeststellungsbeschluss feststellen. Das BAF hat bei der Festlegung der Flugverfahren dann auch diese Vorgabe zu beachten. Die Benutzung des Luftraums kann im Planfeststellungsverfahren zwar nicht geregelt werden (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 147). Das Planfeststellungsverfahren für die Anlegung oder den Ausbau des Flughafens und das Verfahren zur Festlegung der Flugrouten stehen jedoch in einer Wechselbeziehung. Lässt sich die Zulassung des Flughafenausbaus nach dem Abwägungskonzept der Planfeststellungsbehörde nur rechtfertigen, wenn bestimmte Gebiete von erheblichen Beeinträchtigungen durch Fluglärm verschont bleiben, kann die Planfeststellungsbehörde klarstellen, dass der Schutz dieser Gebiete zu den tragenden Erwägungen des Planfeststellungsbeschlusses gehört, zu denen sich das BAF bei der nachfolgenden Festlegung der Flugverfahren nicht in Widerspruch setzen darf (Urteil vom 31. Juli 2012 - BVerwG 4 A 5000.10 u.a. - Rn. 51 <B.II.1>).

85 Ob und inwieweit der Planfeststellungsbeschluss den sich hieraus ergebenden Anforderungen genügt, kann dahingestellt bleiben. Das Fehlen etwaiger Vorkehrungen für den Fall, dass das BAF von der Grobplanung abweichende Flugverfahren festlegt, würde - wie bereits dargelegt - die Zulassung des Vorhabens am Standort Schönefeld nicht in Frage stellen und deshalb nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, sondern allenfalls zu einem Anspruch auf Planergänzung führen.

86 B. Hilfsantrag

87 I. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts

88 Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1, § 11 Abs. 2 VerkPBG aus den zum Hauptantrag dargelegten Gründen auch für die Entscheidung über den auf Untersagung des unabhängigen Bahnbetriebs gerichteten Hilfsantrag zuständig. Die Kläger stützen den Untersagungsanspruch auf den Vorbehalt nachträglicher Anordnungen in A II 5.1.9 Nr. 1 PFB. Sie begehren jedoch nicht den Erlass nachträglicher Schutzauflagen, sondern die (Teil-)Aufhebung der planfestgestellten Regelungen über den Flugbetrieb wegen eines beachtlichen Abwägungsfehlers des Beklagten (Schriftsatz vom 29. August 2011 S. 35). Sie machen - wie mit dem Hauptantrag - geltend, dass die Abwägung widersprüchlich sei, weil der Beklagte einerseits von einem unabhängigen Bahnbetrieb, andererseits aber von geradlinigen Abflugrouten ausgegangen sei (Schriftsatz vom 23. März 2011 S. 36). Auch mit dem Hilfsantrag geht es mithin um die ursprüngliche Rechtmäßig- bzw. Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004. Sollte der Untersagungsanspruch nicht auf die ursprüngliche Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses, sondern auf nachträglich geänderte Umstände, insbesondere auf die inzwischen vom BAF festgelegten Flugverfahren gestützt sein, wäre dies ein anderer Streitgegenstand, für den das Bundesverwaltungsgericht erstinstanzlich nicht zuständig wäre. Ein Anspruch auf (Teil-)Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses wegen nach seinem Erlass eingetretener Umstände würde das Planfeststellungsverfahren nicht mehr unmittelbar betreffen. Einen Anspruch auf Widerruf von Betriebsregelungen wegen nachträglich geänderter Umstände machen die Kläger jedoch nicht geltend; jedenfalls ist ihrem Vorbringen dies nicht hinreichend klar zu entnehmen.

89 II. Begründetheit

90 Der Hilfsantrag ist zulässig, aber nicht begründet. Die Kläger können nicht verlangen, dass der Beklagte der Beigeladenen zu 1 die Nutzung der beiden Start- und Landebahnen für einen unabhängigen Parallelbetrieb untersagt.

91 Nach A II 5.1.9 Nr. 1 Satz 1 PFB bleibt die nachträgliche Festsetzung, Änderung oder Ergänzung von Auflagen zum Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm vorbehalten. Nach Satz 2 dieser Regelung werden insbesondere bei geänderten An- und Abflugverfahren am Flughafen die festgelegten Schutz- und Entschädigungsgebiete neu ausgewiesen, wenn sich der energieäquivalente Dauerschallpegel an näher bezeichneten Punkten um mehr als 2 dB(A) ändert. Satz  2 ist entgegen der Auffassung des Beklagten keine der Regelung in Satz 1 vorgehende Spezialregelung, die nachträgliche Anordnungen nach Satz 1 für den Fall geänderter An- und Abflugverfahren von vornherein ausschließt. Der Vorbehalt in Satz 1 kann für Maßnahmen des aktiven Schallschutzes bis hin zu einem (Teil-)Widerruf der Regelungen über den Flugbetrieb nutzbar gemacht werden (Urteile vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 356 und vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 200). Das gilt nicht nur bei einer die Prognose übersteigenden Anzahl von Flugbewegungen, sondern auch bei geänderten An- und Abflugverfahren. Auf eine nachträgliche Änderung der An- und Abflugverfahren, insbesondere auf die Festlegung der Flugverfahren durch die Rechtsverordnung des BAF vom 10. Februar 2012 (BAnz Nr. 45 S. 1086) könnte der Untersagungsanspruch hier - wie soeben dargelegt - nicht gestützt werden. Im Übrigen gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Lärmbetroffenheiten durch die von der BAF festgelegte, um 15° nach Süden abknickende und damit innerhalb des Toleranzbereichs verbleibende Route für Abflüge von der Südbahn in Betriebsrichtung Osten abwägungserheblich verändern könnten. Hinzu kommt, dass diese Route nur von Flugzeugen genutzt werden soll, die den Mindeststeigungsgradienten nicht erreichen, der für eine südliche, über erheblich dünner besiedeltes Gebiet führende Variante erforderlich ist (vgl. BAF, Festlegung von Flugverfahren für den Verkehrsflughafen Berlin Brandenburg (BER), Abwägungsvermerk vom 26. Januar 2012, S. 61 - 64, abrufbar unter http://www.baf.bund.de/DE/Service/FlugroutenBER/FlugroutenBER_node.html). Für die Kläger der Verfahren BVerwG 4 A 7001.11 und 7003.11 dürfte damit eine Anpassung der Schutzgebiete für die Konfliktbewältigung ausreichend sein. Die Lärmbetroffenheit der Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 7002.11 dürfte sich durch die festgelegte, zunächst geradlinig in Verlängerung der Nordbahn verlaufende Route für Abflüge in Betriebsrichtung Westen gegenüber der Prognose auf der Grundlage der Grobplanung nicht verändert haben.

92 Ob nach A II 5.1.9 Nr. 1 Satz 1 PFB auch Umstände, die bereits bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses zu seiner Rechtswidrigkeit geführt haben, nachträgliche Anordnungen rechtfertigen können, kann offen bleiben. Selbst wenn dies der Fall wäre (zur Anwendbarkeit von Widerrufsvorschriften auf rechtswidrige Verwaltungsakte vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 49 Rn. 12; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 49 Rn. 6), müsste der Hilfsantrag ohne Erfolg bleiben. Denn die Zulassung des Vorhabens im Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 war auch ohne eine Untersagung des unabhängigen Parallelbetriebs der beiden Start- und Landebahnen rechtmäßig; die Zulassungsentscheidung leidet nicht an dem von den Klägern geltend gemachten inneren Widerspruch. Unter Berücksichtigung eines Toleranzbereichs von um bis zu 15° nach Norden oder nach Süden abknickenden Abflugrouten war die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegte Grobplanung der An- und Abflugrouten mit einem unabhängigen Betrieb beider Bahnen vereinbar. Die geradlinigen Abflugrouten waren geeignet, auch für den unabhängigen Bahnbetrieb die innerhalb des Toleranzbereichs möglichen Lärmbetroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung realistisch abzubilden (vgl. oben A.II.2.2.1).

93 C. Kosten

94 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3, § 159 Satz 1 und 2 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.

Beschluss vom 06.09.2012 -
BVerwG 4 A 7000.12ECLI:DE:BVerwG:2012:060912B4A7000.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 06.09.2012 - 4 A 7000.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:060912B4A7000.12.0]

Beschluss

BVerwG 4 A 7000.12

  • Bundesverwaltungsgericht - 31.07.2012 - AZ: BVerwG 4 A 7001.11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. September 2012
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und die Richterinnen
am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Dr. Bumke
beschlossen:

  1. Das Verfahren über die Anhörungsrüge wird eingestellt.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens über die Anhörungsrüge.

Gründe

1 Die Kläger haben ihre Anhörungsrüge gegen die Entscheidung des Senats vom 31. Juli 2012 im Verfahren - BVerwG 4 A 7001.11 - mit Schriftsatz vom 3. September 2012 zurückgenommen. Das Verfahren über die Anhörungsrüge ist deshalb in entsprechender Anwendung von § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

2 Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 2 VwGO. Gerichtsgebühren für das Verfahren über die Anhörungsrüge sind nicht entstanden.

Beschluss vom 06.09.2012 -
BVerwG 4 A 7001.12ECLI:DE:BVerwG:2012:060912B4A7001.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 06.09.2012 - 4 A 7001.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:060912B4A7001.12.0]

Beschluss

BVerwG 4 A 7001.12

  • Bundesverwaltungsgericht - 31.07.2012 - AZ: BVerwG 4 A 7002.11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. September 2012
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und die Richterinnen
am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Dr. Bumke
beschlossen:

  1. Das Verfahren über die Anhörungsrüge wird eingestellt.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens über die Anhörungsrüge.

Gründe

1 Die Kläger haben ihre Anhörungsrüge gegen die Entscheidung des Senats vom 31. Juli 2012 im Verfahren - BVerwG 4 A 7002.11 - mit Schriftsatz vom 3. September 2012 zurückgenommen. Das Verfahren über die Anhörungsrüge ist deshalb in entsprechender Anwendung von § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

2 Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 2 VwGO. Gerichtsgebühren für das Verfahren über die Anhörungsrüge sind nicht entstanden.

Beschluss vom 06.09.2012 -
BVerwG 4 A 7002.12ECLI:DE:BVerwG:2012:060912B4A7002.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 06.09.2012 - 4 A 7002.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:060912B4A7002.12.0]

Beschluss

BVerwG 4 A 7002.12

  • Bundesverwaltungsgericht - 31.07.2012 - AZ: BVerwG 4 A 7003.11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. September 2012
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und die Richterinnen
am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Dr. Bumke
beschlossen:

  1. Das Verfahren über die Anhörungsrüge wird eingestellt.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens über die Anhörungsrüge.

Gründe

1 Die Kläger haben ihre Anhörungsrüge gegen die Entscheidung des Senats vom 31. Juli 2012 im Verfahren - BVerwG 4 A 7003.11 - mit Schriftsatz vom 3. September 2012 zurückgenommen. Das Verfahren über die Anhörungsrüge ist deshalb in entsprechender Anwendung von § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

2 Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 2 VwGO. Gerichtsgebühren für das Verfahren über die Anhörungsrüge sind nicht entstanden.

Beschluss vom 25.02.2013 -
BVerwG 4 A 5000.12ECLI:DE:BVerwG:2013:250213B4A5000.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.02.2013 - 4 A 5000.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:250213B4A5000.12.0]

Beschluss

BVerwG 4 A 5000.12

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Februar 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen das Urteil des Senats vom 31. Juli 2012 - BVerwG 4 A 5001.10 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, der Senat habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Sie hat keinen Anspruch nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO auf Fortführung des Klageverfahrens.

2 1. Die Klägerin verweist zur Begründung ihrer Anhörungsrüge zunächst auf die Ablehnung ihrer in der mündlichen Verhandlung als Anlage 5 bis 7, 9, 11 und 12 der Sitzungsniederschrift gestellten Beweisanträge und macht unter Bezugnahme auf den in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage gegebenen gerichtlichen Hinweis,
„dass der Senat als wahr unterstellt, dass der geplante unabhängige Parallelbetrieb nur mit um mindestens 15° divergierenden Flugrouten realisiert werden konnte und dass dies der Planfeststellungsbehörde, der DFS und der damaligen Flughafenplanungsgesellschaft und der jetzigen Beigeladenen bekannt war“ (Sitzungsniederschrift vom 3. Juli 2012, S. 10),
geltend, der Senat habe unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG Einschränkungen seiner Wahrunterstellung vorgenommen. Sie ist der Auffassung, es liege eine „bewusste Irreführung künftiger Planbetroffener“ vor, der Senat verneine das Vorliegen einer arglistigen Täuschung „letzten Endes wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit“ und habe im Hinblick auf die „realistischerweise in Betracht kommenden Flugrouten“ „lediglich Vermutungen zu einer ... fiktiven Untersuchung“ angestellt (Beschwerdebegründung S. 6 - 7). Einen Gehörsverstoß zeigt die Klägerin mit diesem Vortrag nicht auf.

3 Bereits der Ausgangspunkt der klägerischen Erwägungen ist unzutreffend. Entgegen der Behauptung der Klägerin (Beschwerdebegründung S. 7) muss die Planfeststellungsbehörde bei der Entscheidung über die Zulassung des konkreten Vorhabens an dem landesplanerisch festgelegten Standort nach der Rechtsprechung des Senats nicht alle realistischerweise in Betracht kommenden Flugrouten auf die zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen untersuchen (UA Rn. 50 - Unterstreichung nicht im Original). Die prognostische Flugroutenplanung muss allerdings - gleichsam exemplarisch - Art und Ausmaß der zu erwartenden Betroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung realistisch abbilden (UA Rn. 50). Eine von bestimmten Flugrouten ausgehende Ermittlung der Lärmbetroffenheiten ist in aller Regel nicht erforderlich (UA Rn. 51).

4 Mit ihrem Vortrag wendet sich die Klägerin der Sache nach lediglich gegen die tatrichterliche Würdigung des Senats, der keinen Grund zur Beanstandung der mit der DFS abgestimmten Grobplanung gesehen und im Einzelnen dargelegt hat, dass der Vorwurf der Klägerin, der Beklagte habe „wider besseres Wissen“ und „in kollusivem Zusammenwirken“ mit der Beigeladenen zu 1 an den parallelen Abflugrouten festgehalten, unbegründet ist (UA Rn. 97). Von einem „Totalausfall der festzustellenden Tatsachen“ (Beschwerdebegründung S. 7) kann keine Rede sein.

5 2. Der Vorwurf der Klägerin, es treffe nicht zu, dass es für die 15°-Abweichung an beiden Bahnen an jeder tatsächlichen Grundlage fehle (Beschwerdebegründung S. 8), zielt auf die Ablehnung der als Anlage 7 der Sitzungsniederschrift gestellten Anträge, zu denen der Senat zur Begründung u.a. ausgeführt hat:
„Sollten sie (die Beweisbehauptungen) dahingehend zu verstehen sein, dass der geplante unabhängige Parallelbetrieb nicht nur um mindestens 15° divergierende, sondern von jeder Bahn um mindestens 15° abknickende Abflugrouten erfordert, würde auch dieser Behauptung jede tatsächliche Grundlage fehlen“ (Klammerzusatz nicht im Original).

6 Wie bereits im Urteil vom 13. Oktober 2011 - BVerwG 4 A 4001.10 - (BVerwGE 141, 1 Rn. 159) dargelegt, muss bei den Abflugrouten für den unabhängigen Bahnbetrieb davon ausgegangen werden, dass die Flugwege um bis zu 15° nach Norden oder nach Süden abknicken, nicht aber davon, dass sie von jeder Bahn um mindestens 15° abknicken. Das ergibt sich - wie in jener Entscheidung dargelegt - aus dem Dokument 4444, auf das Anhang 14 Band I zum Chicagoer Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt hinweist (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 155). Der Sache nach wendet sich die Klägerin mit ihrem Vortrag wiederum nur gegen die dem Tatsachengericht obliegende Würdigung des Sachverhalts und des technischen Regelwerks.

7 Unberechtigt ist die Rüge (Beschwerdebegründung S. 8), der Senat habe mit der Begründung, „die Behauptung der Antragsteller, die fehlerhafte Grobplanung (mit geraden Abflugrouten) bilde die Auswirkungen des Flugverkehrs nicht realistisch ab ..., sei eine dem Beweis nicht zugängliche Rechtsbehauptung“, den Beweisantrag in unzutreffender Weise verkürzt, weil hinter dem insoweit gezogenen rechtlichen Schluss auch die Tatsachenbehauptung stecke, „dass die Grobplanung den sich aus der arglistigen Täuschung zu Lasten der Antragsteller ergebenden Sachverhalt (gemeint ist wohl: die Fluglärmbelastungen unter Berücksichtigung divergierender Flugrouten) gar nicht erfasst“ habe. Die Rüge gibt die Gründe für die Ablehnung des Beweisantrags nicht korrekt wieder. Die fragliche Begründung war ausweislich der Niederschrift der mündlichen Verhandlung (S. 9) für den Fall gegeben worden, dass die Behauptung, der Beklagte habe der Abwägung „unrealistische“ gerade Flugrouten zugrunde gelegt, darauf gerichtet gewesen sein sollte, zu beweisen, dass die DFS-Grobplanung mit geraden Abflugrouten - generell - nicht geeignet sei, die Auswirkungen des Flugbetriebs realistisch abzubilden. Insoweit handelt es sich in der Tat um eine Rechtsfrage, die der Senat - wie ausgeführt - in der Weise beantwortet hat, dass sich die Planfeststellungsbehörde auf die Betrachtung bestimmter Flugrouten beschränken kann und dass die ausgehend von solchen exemplarischen Flugrouten ermittelten Betroffenheiten in der Abwägung stellvertretend für vergleichbare Betroffenheiten stehen können, die bei anderen Flugverfahren an ihre Stelle treten würden.

8 3. Soweit sich die Klägerin - wie sich aus der Bezugnahme auf Randnummer 74 f. des angefochtenen Urteils ergibt - gegen die Ablehnung ihres Beweisantrags nach Anlage 6 der Sitzungsniederschrift wendet (Beschwerdebegründung S. 9), beschränkt sich ihr Vortrag wiederum auf Einwände gegen die materiellrechtliche Auffassung des Senats. Ebenso wenig zeigt die Klägerin mit ihrem weiteren Einwand einer unzulässig vorweggenommenen Beweiswürdigung (Beschwerdebegründung S. 10) einen Gehörsverstoß auf. Da das Gutachten von L./R./Schl. vom 17. Januar 2011 nach Auffassung des Senats zur Begründung des Beweisantrags ungeeignet war, weil es - wie dargelegt - von unzutreffenden tatsächlichen Annahmen ausgeht, bestand kein Anlass, dem Beweisantrag nachzugehen.

9 4. Der Vortrag der Klägerin zur „Stellvertreterlösung“ (Beschwerdebegründung S. 10 f.) erschöpft sich in einer Wiederholung ihrer insbesondere verfassungsrechtlichen Einwände, die der Senat zur Kenntnis genommen hat (UA Rn. 18, 50), und lässt jegliche Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil vermissen.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtsgebühr ergibt sich unmittelbar aus Nr. 5400 KV GKG. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.

Beschluss vom 25.02.2013 -
BVerwG 4 A 5001.12ECLI:DE:BVerwG:2013:250213B4A5001.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.02.2013 - 4 A 5001.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:250213B4A5001.12.0]

Beschluss

BVerwG 4 A 5001.12

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Februar 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen das Urteil des Senats vom 31. Juli 2012 - BVerwG 4 A 5002.10 - wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Zu Unrecht macht der Kläger geltend, der Senat habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Er hat keinen Anspruch nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO auf Fortführung des Klageverfahrens.

2 1. Der Kläger verweist zur Begründung seiner Anhörungsrüge zunächst auf die Ablehnung seiner in der mündlichen Verhandlung als Anlage 6, 7, 9, 11 und 12 der Sitzungsniederschrift gestellten Beweisanträge und macht unter Bezugnahme auf den in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage gegebenen gerichtlichen Hinweis,
„dass der Senat als wahr unterstellt, dass der geplante unabhängige Parallelbetrieb nur mit um mindestens 15° divergierenden Flugrouten realisiert werden konnte und dass dies der Planfeststellungsbehörde, der DFS und der damaligen Flughafenplanungsgesellschaft und der jetzigen Beigeladenen bekannt war“ (Sitzungsniederschrift vom 3. Juli 2012, S. 10),
geltend, der Senat habe unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG Einschränkungen seiner Wahrunterstellung vorgenommen. Er ist der Auffassung, es liege eine „bewusste Irreführung künftiger Planbetroffener“ vor, der Senat verneine das Vorliegen einer arglistigen Täuschung „letzten Endes wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit“ und habe im Hinblick auf die „realistischerweise in Betracht kommenden Flugrouten“ „lediglich Vermutungen zu einer ... fiktiven Untersuchung“ angestellt (Beschwerdebegründung S. 6 - 7). Einen Gehörsverstoß zeigt der Kläger mit diesem Vortrag nicht auf.

3 Bereits der Ausgangspunkt der klägerischen Erwägungen ist unzutreffend. Entgegen der Behauptung des Klägers (Beschwerdebegründung S. 7) muss die Planfeststellungsbehörde bei der Entscheidung über die Zulassung des konkreten Vorhabens an dem landesplanerisch festgelegten Standort nach der Rechtsprechung des Senats nicht alle realistischerweise in Betracht kommenden Flugrouten auf die zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen untersuchen (UA Rn. 50 - Unterstreichung nicht im Original). Die prognostische Flugroutenplanung muss allerdings - gleichsam exemplarisch - Art und Ausmaß der zu erwartenden Betroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung realistisch abbilden (UA Rn. 50). Eine von bestimmten Flugrouten ausgehende Ermittlung der Lärmbetroffenheiten ist in aller Regel nicht erforderlich (UA Rn. 51).

4 Mit seinem Vortrag wendet sich der Kläger der Sache nach lediglich gegen die tatrichterliche Würdigung des Senats, der keinen Grund zur Beanstandung der mit der DFS abgestimmten Grobplanung gesehen und im Einzelnen dargelegt hat, dass der Vorwurf des Klägers, der Beklagte habe „wider besseres Wissen“ und „in kollusivem Zusammenwirken“ mit der Beigeladenen zu 1 an den parallelen Abflugrouten festgehalten, unbegründet ist (UA Rn. 97). Von einem „Totalausfall der festzustellenden Tatsachen“ (Beschwerdebegründung S. 7) kann keine Rede sein.

5 2. Der Vorwurf des Klägers, es treffe nicht zu, dass es für die 15°-Abweichung an beiden Bahnen an jeder tatsächlichen Grundlage fehle (Beschwerdebegründung S. 8), zielt auf die Ablehnung der als Anlage 7 der Sitzungsniederschrift gestellten Anträge, zu denen der Senat zur Begründung u.a. ausgeführt hat:
„Sollten sie (die Beweisbehauptungen) dahingehend zu verstehen sein, dass der geplante unabhängige Parallelbetrieb nicht nur um mindestens 15° divergierende, sondern von jeder Bahn um mindestens 15° abknickende Abflugrouten erfordert, würde auch dieser Behauptung jede tatsächliche Grundlage fehlen“ (Klammerzusatz nicht im Original).

6 Wie bereits im Urteil vom 13. Oktober 2011 - BVerwG 4 A 4001.10 - (BVerwGE 141, 1 Rn. 159) dargelegt, muss bei den Abflugrouten für den unabhängigen Bahnbetrieb davon ausgegangen werden, dass die Flugwege um bis zu 15° nach Norden oder nach Süden abknicken, nicht aber davon, dass sie von jeder Bahn um mindestens 15° abknicken. Das ergibt sich - wie in jener Entscheidung dargelegt - aus dem Dokument 4444, auf das Anhang 14 Band I zum Chicagoer Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt hinweist (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 155). Der Sache nach wendet sich der Kläger mit seinem Vortrag wiederum nur gegen die dem Tatsachengericht obliegende Würdigung des Sachverhalts und des technischen Regelwerks.

7 Unberechtigt ist die Rüge (Beschwerdebegründung S. 8), der Senat habe mit der Begründung, „die Behauptung der Antragsteller, die fehlerhafte Grobplanung (mit geraden Abflugrouten) bilde die Auswirkungen des Flugverkehrs nicht realistisch ab ..., sei eine dem Beweis nicht zugängliche Rechtsbehauptung“, den Beweisantrag in unzutreffender Weise verkürzt, weil hinter dem insoweit gezogenen rechtlichen Schluss auch die Tatsachenbehauptung stecke, „dass die Grobplanung den sich aus der arglistigen Täuschung zu Lasten der Antragsteller ergebenden Sachverhalt (gemeint ist wohl: die Fluglärmbelastungen unter Berücksichtigung divergierender Flugrouten) gar nicht erfasst“ habe. Die Rüge gibt die Gründe für die Ablehnung des Beweisantrags nicht korrekt wieder. Die fragliche Begründung war ausweislich der Niederschrift der mündlichen Verhandlung (S. 9) für den Fall gegeben worden, dass die Behauptung, der Beklagte habe der Abwägung „unrealistische“ gerade Flugrouten zugrunde gelegt, darauf gerichtet gewesen sein sollte, zu beweisen, dass die DFS-Grobplanung mit geraden Abflugrouten - generell - nicht geeignet sei, die Auswirkungen des Flugbetriebs realistisch abzubilden. Insoweit handelt es sich in der Tat um eine Rechtsfrage, die der Senat - wie ausgeführt - in der Weise beantwortet hat, dass sich die Planfeststellungsbehörde auf die Betrachtung bestimmter Flugrouten beschränken kann und dass die ausgehend von solchen exemplarischen Flugrouten ermittelten Betroffenheiten in der Abwägung stellvertretend für vergleichbare Betroffenheiten stehen können, die bei anderen Flugverfahren an ihre Stelle treten würden.

8 3. Soweit sich der Kläger - wie sich aus der Bezugnahme auf Randnummer 74 f. des angefochtenen Urteils ergibt - gegen die Ablehnung seines Beweisantrags nach Anlage 6 der Sitzungsniederschrift wendet (Beschwerdebegründung S. 9), beschränkt sich sein Vortrag wiederum auf Einwände gegen die materiellrechtliche Auffassung des Senats. Ebenso wenig zeigt der Kläger mit seinem weiteren Einwand einer unzulässig vorweggenommenen Beweiswürdigung (Beschwerdebegründung S. 10) einen Gehörsverstoß auf. Da das Gutachten von L./R./Schl. vom 17. Januar 2011 nach Auffassung des Senats zur Begründung des Beweisantrags ungeeignet war, weil es - wie dargelegt - von unzutreffenden tatsächlichen Annahmen ausgeht, bestand kein Anlass, dem Beweisantrag nachzugehen.

9 4. Der Vortrag des Klägers zur „Stellvertreterlösung“ (Beschwerdebegründung S. 10 f.) erschöpft sich in einer Wiederholung seiner insbesondere verfassungsrechtlichen Einwände, die der Senat zur Kenntnis genommen hat (UA Rn. 18, 50), und lässt jegliche Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil vermissen.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtsgebühr ergibt sich unmittelbar aus Nr. 5400 KV GKG. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.

Beschluss vom 25.02.2013 -
BVerwG 4 A 7003.12ECLI:DE:BVerwG:2013:250213B4A7003.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.02.2013 - 4 A 7003.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:250213B4A7003.12.0]

Beschluss

BVerwG 4 A 7003.12

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Februar 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Kläger gegen das Urteil des Senats vom 31. Juli 2012 - BVerwG 4 A 7001.11 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Die Kläger haben keinen Anspruch nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO auf Fortführung des Klageverfahrens. Zu Unrecht machen sie geltend, der Senat habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

2 Die Ablehnung des Antrags der Kläger nach Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift, Beweis zu der Frage zu erheben,
ob die Gebiete, die von 15° nach Norden oder nach Süden abknickenden Flugrouten betroffen sind, abwägungserheblich anders besiedelt sind als die, die von parallelen Abflugrouten betroffen wären,
durch den mit Begründung versehenen Beschluss des Senats vom 4. Juli 2012 (Sitzungsniederschrift S. 5), vertieft durch die Erläuterungen im angefochtenen Urteil vom 31. Juli 2012 (UA Rn. 62), verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG; sie ist prozessrechtlich nicht zu beanstanden.

3 1. Maßgebend für die Frage, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist der materiellrechtliche Standpunkt der angegriffenen Entscheidung (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 23. August 2006 - BVerwG 4 A 1066.06 -). Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216>); die Vorschrift verpflichtet die Gerichte insbesondere nicht, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen (BVerfG, Beschluss vom 12. April 1983 - 2 BvR 678/81 - BVerfGE 64, 1 <12>, Urteil vom 7. Juli 1992 - 1 BvL 51/86 u.a. - BVerfGE 87, 1 <33>). Soweit die Kläger geltend machen, die beantragte Aufklärung durch Sachverständigengutachten sei geboten gewesen, „weil der vom Senat gewählte (abstrakte) Planungsmaßstab für Lärmprognosen unzutreffend ist“ (Beschwerdebegründung S. 6 - Klammerzusatz im Original), wenden sie sich gegen die materiellrechtliche Auffassung des Senats, dass - wie im Beweisbeschluss durch Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 13. Oktober 2011 (BVerwG 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 159) zum Ausdruck kommt - die für den abhängigen Bahnbetrieb erstellte Grobplanung der An- und Abflugrouten ausreichend sein kann, um die Lärmbetroffenheiten auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen. Hierauf kann die Anhörungsrüge nicht gestützt werden.

4 2. Entsprechendes gilt für den Einwand, es handele sich um eine fehlerhafte Anwendung des Planungsmaßstabs im konkreten Fall, weil „Lärmbelange dann nicht überschlägig anhand einer Grobanalyse zu bestimmen (seien), wenn die Flugroutenprognosen unrealistisch waren“ (Beschwerdebegründung S. 7 - 8). Der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt nicht gegen eine nach Meinung eines Beteiligten sachlich unrichtige Ablehnung eines Beweisantrags (Beschluss vom 7. Oktober 1987 - BVerwG 9 CB 20.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 Nr. 31). Abgesehen davon hat der Senat nicht festgestellt, dass die Flugroutenprognose „unrealistisch“ war. Maßgeblich ist, ob die prognostische Flugroutenplanung Art und Ausmaß der zu erwartenden Betroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung realistisch abbildet (UA Rn. 66). Hiervon ist der Senat ausgegangen.

5 3. Der Vorwurf der Kläger (Beschwerdebegründung S. 8 - 10), der Senat verfüge nicht über ausreichende Erkenntnisse, um die Beweisfrage zu beantworten, ist unbegründet. Zur Beantwortung der Beweisfrage bedurfte es nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens.

6 Das Tatsachengericht entscheidet über die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach Ermessen (§ 98 VwGO, § 404 Abs. 1, § 412 Abs. 1 ZPO). In diesem Rahmen hat das Gericht darüber zu befinden, ob es zur Entscheidung des Rechtsstreits die Hilfe eines Sachverständigen benötigt. Die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens kann nur dann als verfahrensfehlerhaft beanstandet werden, wenn das Gericht für sich eine ihm unmöglich zur Verfügung stehende Sachkunde in Anspruch nimmt oder wenn es sich in einer Frage für sachkundig hält, in der seine Sachkunde ernstlich zweifelhaft ist, ohne dass es für die Beteiligten überzeugend darlegt, dass ihm das erforderliche Fachwissen in genügendem Maße zur Verfügung steht (zur Zulassung der Revision stRspr, vgl. nur Beschlüsse vom 14. September 1992 - BVerwG 7 B 130.92 - Buchholz 406.401 § 31 BNatSchG Nr. 2, vom 24. November 1997 - BVerwG 1 B 224.97 - juris Rn. 6, vom 16. Januar 2002 - BVerwG 4 BN 27.01 - BRS 65 Nr. 58, vom 25. März 2009 - BVerwG 4 B 63.08 - BRS 74 Nr. 196 und vom 18. Juni 2012 - BVerwG 5 B 5.12 - juris Rn. 7).

7 Lärmberechnungen hat der Senat nicht vorgenommen. Nach der Rechtsauffassung des Senats genügte eine Abschätzung der Lärmbetroffenheiten auf der Grundlage einer Grobanalyse der Siedlungsstruktur der Flughafenumgebung i.V.m. den für das Planfeststellungsverfahren ermittelten, in den Verwaltungsvorgängen vorhandenen (Beiakte 429, N 5 Tabellenanhang) Einwohnerzahlen der betroffenen Ortsteile und Gemeinden (UA Rn. 62). Dass es besonderer Sachkunde bedürfte, auf dem Kartenmaterial um bis zu 15° nach Norden oder Süden abknickende Abflugrouten zu markieren, um die gebotene siedlungsstrukturelle Vergleichsbetrachtung anzustellen, ist nicht ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Ebenso wenig ist zu erkennen, dass die vom Senat zugrunde gelegten Einwohnerzahlen unzutreffend sein könnten; Einwände hiergegen haben auch die Kläger nicht erhoben.

8 4. Es bedurfte auch keiner Ermittlungen durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen, um feststellen zu können, dass die Belange der Kläger unter Zugrundelegung der 15°-Abweichung für die Konfigurationsanalyse nicht abwägungserheblich waren. Entgegen der Auffassung der Kläger (Beschwerdebegründung S. 9 - 10) liegt kein Verstoß gegen § 108 VwGO vor.

9 Die Einschätzung des Senats, dass die für die Konfigurationsanalyse maßgeblichen Werte bis hinab zu einem Dauerschallpegel von Leq(3), Tag = 62 dB(A) bei um bis zu 15° abknickenden Abflugrouten bei den Klägern nicht erreicht werden, hat er maßgeblich auf von dem Beklagten vorgenommene Berechnungen, die nach der vorläufigen Berechnungsmethode für den Umgebungslärm an Flugplätzen vorgenommen worden sind, gestützt (UA Rn. 82).

10 Mit ihrem Einwand, der Vortrag des Beklagten zu den Berechnungen sei „als Parteivorbringen und nicht als der Beweiswürdigung zugängliches Sachverständigengutachten“ zu werten (Beschwerdebegründung S. 9), zeigen die Kläger keinen Mangel auf, der Anlass zu einer Überprüfung der aus Sicht des Senats plausiblen Berechnungen gegeben hätte. Das Gebot des § 86 Abs. 1 VwGO, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, verwehrt es dem Tatsachengericht nicht, für seine tatsächlichen Feststellungen auch das Vorbringen eines Beteiligten zu verwerten, soweit es ihm überzeugend erscheint und nicht durch anderweitiges Parteivorbringen schlüssig in Frage gestellt wird. Dies gilt auch für solche im Verwaltungsverfahren durch die Behörde erarbeiteten Unterlagen, die nur aufgrund besonderer Sachkunde erstellt werden können (Beschlüsse vom 24. August 1987 - BVerwG 4 B 129.87 - Buchholz 442.08 § 36 BbG Nr. 12 = juris Rn. 43 und vom 23. August 2006 - BVerwG 4 A 1066.06 - juris Rn. 6; vgl. auch Beschluss vom 7. Februar 2011 - BVerwG 4 B 48.10 - ZfBR 2011, 575 = juris Rn. 9). Ob das Gericht es mit den von einem Beteiligten vorgelegten Unterlagen bewenden lassen darf oder verpflichtet ist, noch einen weiteren Sachverständigen einzuschalten, hängt von der Überzeugungskraft der gutachterlichen Äußerung ab (Beschluss vom 14. Juni 2004 - BVerwG 4 BN 18.04 - BauR 2004, 1907 m.w.N.). Die Notwendigkeit, einen gutachterlich durch einen Beteiligten - hier durch die vom Beklagten vorgelegten Berechnungen - aufgehellten Sachverhalt weiter zu erforschen, drängt sich grundsätzlich nur auf, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Angaben unvollständig, widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht überzeugend sind, wenn die Aussagen auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen beruhen, wenn Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Sachverständigen bestehen, wenn ein anderer Sachverständiger über neuere oder überlegenere Forschungsmittel verfügt oder wenn die Erkenntnisse, die in den vorliegenden Unterlagen ihren Niederschlag gefunden haben, durch substantiierte Einwände eines Beteiligten oder durch die übrige Ermittlungstätigkeit des Gerichts ernsthaft in Frage gestellt erscheinen.

11 Gemessen an diesem Maßstab bestand kein Anlass für den Senat, Berechnungen zum Dauerschallpegel bei um bis zu 15° abknickenden Abflugrouten bezüglich des Grundstücks der Kläger durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen einzuholen (UA Rn. 82). Zwar ist bei der Annahme, dass das schlüssige und sachkundige Parteivorbringen ohne Weiteres überzeugend ist, generell Zurückhaltung geboten (Beschluss vom 24. August 1987 a.a.O. Rn. 44). Die Berechnungen haben aber nicht allein deshalb geringeres Gewicht als gerichtlich veranlasste Berechnungen, weil sie von einem Beteiligten eingeführt worden sind, der an einem bestimmten Verfahrensausgang interessiert ist (vgl. Beschluss vom 25. April 2002 - BVerwG 4 BN 20.02 - juris Rn. 14 zur Verwertbarkeit von nicht richterlich veranlassten Gutachten). Einwände gegen die mit Schriftsatz vom 27. Mai 2011 (GA I, Bl. 189 im Verfahren BVerwG 4 A 7001.11 <S. 24>) vorgelegten Berechnungen haben die Kläger nicht erhoben. Sie haben auch keinen Beweisantrag zur Frage der Berechnungen zum Dauerschallpegel bei um bis zu 15° abknickenden Abflugrouten gestellt. Der Beweisantrag nach Anlage 1 der Sitzungsniederschrift betraf allein die Frage der Besiedlungsdichte („abwägungserheblich anders besiedelt“). Nach der in der mündlichen Verhandlung erläuterten Begründung der Beweisablehnung wurden von Seiten der Kläger keine Einwände gegenüber den Berechnungen des Beklagten erhoben, die Anlass zu Zweifeln an der Verwertbarkeit der ermittelten dB(A)-Werte hätten geben können. Ebenso wenig finden sich Einwände in dem vorherigen schriftsätzlichen Vortrag der Kläger. Auch im Rahmen der Anhörungsrüge haben sie nicht dargelegt, dass die Berechnungen unvollständig, widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht überzeugend seien.

12 5. Soweit die Kläger geltend machen, der Senat habe sich nicht auf die vom Beklagten in den Wiederaufnahme- und den Restitutionsverfahren vorgelegten, von der DLR für einen Leq(3), Tag = 60 dB(A) für die Grobplanung einerseits und um 15° nach Süden abknickende Abflugrouten andererseits berechneten Konturen stützen dürfen, weil diese Berechnungen nicht in das Verfahren eingeführt worden seien (Beschwerdebegründung S. 9 f.), zeigen sie ebenfalls keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör auf.

13 Der Senat hat ausdrücklich selbst darauf hingewiesen, dass die DLR-Berechnungen nicht in das Verfahren der Kläger eingeführt worden waren (UA Rn. 82), und damit deutlich gemacht, dass dieser Gesichtspunkt nicht entscheidungstragend war, sondern lediglich ergänzend in den Blick genommen worden ist.

14 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtsgebühr ergibt sich unmittelbar aus Nr. 5400 KV GKG. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.

Beschluss vom 25.02.2013 -
BVerwG 4 A 7004.12ECLI:DE:BVerwG:2013:250213B4A7004.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.02.2013 - 4 A 7004.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:250213B4A7004.12.0]

Beschluss

BVerwG 4 A 7004.12

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Februar 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Kläger gegen das Urteil des Senats vom 31. Juli 2012 - BVerwG 4 A 7002.11 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Die Kläger haben keinen Anspruch nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO auf Fortführung des Klageverfahrens. Zu Unrecht machen sie geltend, der Senat habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

2 Die Ablehnung des Antrags der Kläger nach Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift, Beweis zu der Frage zu erheben,
ob die Gebiete, die von 15° nach Norden oder nach Süden abknickenden Flugrouten betroffen sind, abwägungserheblich anders besiedelt sind als die, die von parallelen Abflugrouten betroffen wären,
durch den mit Begründung versehenen Beschluss des Senats vom 4. Juli 2012 (Sitzungsniederschrift S. 5), vertieft durch die Erläuterungen im angefochtenen Urteil vom 31. Juli 2012 (UA Rn. 62), verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG; sie ist prozessrechtlich nicht zu beanstanden.

3 1. Maßgebend für die Frage, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist der materiellrechtliche Standpunkt der angegriffenen Entscheidung (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 23. August 2006 - BVerwG 4 A 1066.06 -). Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216>); die Vorschrift verpflichtet die Gerichte insbesondere nicht, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen (BVerfG, Beschluss vom 12. April 1983 - 2 BvR 678/81 - BVerfGE 64, 1 <12>, Urteil vom 7. Juli 1992 - 1 BvL 51/86 u.a. - BVerfGE 87, 1 <33>). Soweit die Kläger geltend machen, die beantragte Aufklärung durch Sachverständigengutachten sei geboten gewesen, „weil der vom Senat gewählte (abstrakte) Planungsmaßstab für Lärmprognosen unzutreffend ist“ (Beschwerdebegründung S. 6 - Klammerzusatz im Original), wenden sie sich gegen die materiellrechtliche Auffassung des Senats, dass - wie im Beweisbeschluss durch Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 13. Oktober 2011 (BVerwG 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 159) zum Ausdruck kommt - die für den abhängigen Bahnbetrieb erstellte Grobplanung der An- und Abflugrouten ausreichend sein kann, um die Lärmbetroffenheiten auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen. Hierauf kann die Anhörungsrüge nicht gestützt werden.

4 2. Entsprechendes gilt für den Einwand, es handele sich um eine fehlerhafte Anwendung des Planungsmaßstabs im konkreten Fall, weil „Lärmbelange dann nicht überschlägig anhand einer Grobanalyse zu bestimmen (seien), wenn die Flugroutenprognosen unrealistisch waren“ (Beschwerdebegründung S. 7 - 8). Der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt nicht gegen eine nach Meinung eines Beteiligten sachlich unrichtige Ablehnung eines Beweisantrags (Beschluss vom 7. Oktober 1987 - BVerwG 9 CB 20.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 Nr. 31). Abgesehen davon hat der Senat nicht festgestellt, dass die Flugroutenprognose „unrealistisch“ war. Maßgeblich ist, ob die prognostische Flugroutenplanung Art und Ausmaß der zu erwartenden Betroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung realistisch abbildet (UA Rn. 66). Hiervon ist der Senat ausgegangen.

5 3. Der Vorwurf der Kläger (Beschwerdebegründung S. 8 - 10), der Senat verfüge nicht über ausreichende Erkenntnisse, um die Beweisfrage zu beantworten, ist unbegründet. Zur Beantwortung der Beweisfrage bedurfte es nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens.

6 Das Tatsachengericht entscheidet über die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach Ermessen (§ 98 VwGO, § 404 Abs. 1, § 412 Abs. 1 ZPO). In diesem Rahmen hat das Gericht darüber zu befinden, ob es zur Entscheidung des Rechtsstreits die Hilfe eines Sachverständigen benötigt. Die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens kann nur dann als verfahrensfehlerhaft beanstandet werden, wenn das Gericht für sich eine ihm unmöglich zur Verfügung stehende Sachkunde in Anspruch nimmt oder wenn es sich in einer Frage für sachkundig hält, in der seine Sachkunde ernstlich zweifelhaft ist, ohne dass es für die Beteiligten überzeugend darlegt, dass ihm das erforderliche Fachwissen in genügendem Maße zur Verfügung steht (zur Zulassung der Revision stRspr, vgl. nur Beschlüsse vom 14. September 1992 - BVerwG 7 B 130.92 - Buchholz 406.401 § 31 BNatSchG Nr. 2, vom 24. November 1997 - BVerwG 1 B 224.97 - juris Rn. 6, vom 16. Januar 2002 - BVerwG 4 BN 27.01 - BRS 65 Nr. 58, vom 25. März 2009 - BVerwG 4 B 63.08 - BRS 74 Nr. 196 und vom 18. Juni 2012 - BVerwG 5 B 5.12 - juris Rn. 7).

7 Lärmberechnungen hat der Senat nicht vorgenommen. Nach der Rechtsauffassung des Senats genügte eine Abschätzung der Lärmbetroffenheiten auf der Grundlage einer Grobanalyse der Siedlungsstruktur der Flughafenumgebung i.V.m. den für das Planfeststellungsverfahren ermittelten, in den Verwaltungsvorgängen vorhandenen (Beiakte 429, N 5 Tabellenanhang) Einwohnerzahlen der betroffenen Ortsteile und Gemeinden (UA Rn. 62). Dass es besonderer Sachkunde bedürfte, auf dem Kartenmaterial um bis zu 15° nach Norden oder Süden abknickende Abflugrouten zu markieren, um die gebotene siedlungsstrukturelle Vergleichsbetrachtung anzustellen, ist nicht ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Ebenso wenig ist zu erkennen, dass die vom Senat zugrunde gelegten Einwohnerzahlen unzutreffend sein könnten; Einwände hiergegen haben auch die Kläger nicht erhoben.

8 4. Es bedurfte auch keiner Ermittlungen durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen, um feststellen zu können, dass die Belange der Kläger unter Zugrundelegung der 15°-Abweichung für die Konfigurationsanalyse nicht abwägungserheblich waren. Entgegen der Auffassung der Kläger (Beschwerdebegründung S. 9 - 10) liegt kein Verstoß gegen § 108 VwGO vor.

9 Die Einschätzung des Senats, dass die für die Konfigurationsanalyse maßgeblichen Werte bis hinab zu einem Dauerschallpegel von Leq(3), Tag = 62 dB(A) bei um bis zu 15° abknickenden Abflugrouten bei den Klägern der Verfahren BVerwG 4 A 7001.11 und 7003.11 nicht erreicht werden, hat er maßgeblich auf von dem Beklagten vorgenommene Berechnungen, die nach der vorläufigen Berechnungsmethode für den Umgebungslärm an Flugplätzen vorgenommen worden sind, gestützt (UA Rn. 82). Berechnungen hinsichtlich des Grundstücks der Kläger waren bei der Beurteilung der Konfigurationsanalyse von vornherein nicht veranlasst, da sie von einer Verschiebung der Südbahn innerhalb des Untersuchungsfensters nicht profitiert hätten (UA Rn. 82). Auf die Frage, ob der Senat die Berechnungen verwerten durfte, kommt es daher nicht an.

10 5. Soweit die Kläger geltend machen, der Senat habe sich nicht auf die vom Beklagten in den Wiederaufnahme- und den Restitutionsverfahren vorgelegten, von der DLR für einen Leq(3), Tag = 60 dB(A) für die Grobplanung einerseits und um 15° nach Süden abknickende Abflugrouten andererseits berechneten Konturen stützen dürfen, weil diese Berechnungen nicht in das Verfahren eingeführt worden seien (Beschwerdebegründung S. 9 f.), zeigen sie ebenfalls keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör auf.

11 Der Senat hat ausdrücklich selbst darauf hingewiesen, dass die DLR-Berechnungen nicht in das Verfahren der Kläger eingeführt worden waren (UA Rn. 82), und damit deutlich gemacht, dass dieser Gesichtspunkt nicht entscheidungstragend war, sondern lediglich ergänzend in den Blick genommen worden ist.

12 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtsgebühr ergibt sich unmittelbar aus Nr. 5400 KV GKG. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.

Beschluss vom 25.02.2013 -
BVerwG 4 A 7005.12ECLI:DE:BVerwG:2013:250213B4A7005.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.02.2013 - 4 A 7005.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:250213B4A7005.12.0]

Beschluss

BVerwG 4 A 7005.12

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Februar 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Kläger gegen das Urteil des Senats vom 31. Juli 2012 - BVerwG 4 A 7003.11 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Die Kläger haben keinen Anspruch nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO auf Fortführung des Klageverfahrens. Zu Unrecht machen sie geltend, der Senat habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

2 Die Ablehnung des Antrags der Kläger nach Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift, Beweis zu der Frage zu erheben,
ob die Gebiete, die von 15° nach Norden oder nach Süden abknickenden Flugrouten betroffen sind, abwägungserheblich anders besiedelt sind als die, die von parallelen Abflugrouten betroffen wären,
durch den mit Begründung versehenen Beschluss des Senats vom 4. Juli 2012 (Sitzungsniederschrift S. 5), vertieft durch die Erläuterungen im angefochtenen Urteil vom 31. Juli 2012 (UA Rn. 62), verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG; sie ist prozessrechtlich nicht zu beanstanden.

3 1. Maßgebend für die Frage, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist der materiellrechtliche Standpunkt der angegriffenen Entscheidung (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 23. August 2006 - BVerwG 4 A 1066.06 -). Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216>); die Vorschrift verpflichtet die Gerichte insbesondere nicht, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen (BVerfG, Beschluss vom 12. April 1983 - 2 BvR 678/81 - BVerfGE 64, 1 <12>, Urteil vom 7. Juli 1992 - 1 BvL 51/86 u.a. - BVerfGE 87, 1 <33>). Soweit die Kläger geltend machen, die beantragte Aufklärung durch Sachverständigengutachten sei geboten gewesen, „weil der vom Senat gewählte (abstrakte) Planungsmaßstab für Lärmprognosen unzutreffend ist“ (Beschwerdebegründung S. 6 - Klammerzusatz im Original), wenden sie sich gegen die materiellrechtliche Auffassung des Senats, dass - wie im Beweisbeschluss durch Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 13. Oktober 2011 (BVerwG 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 159) zum Ausdruck kommt - die für den abhängigen Bahnbetrieb erstellte Grobplanung der An- und Abflugrouten ausreichend sein kann, um die Lärmbetroffenheiten auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen. Hierauf kann die Anhörungsrüge nicht gestützt werden.

4 2. Entsprechendes gilt für den Einwand, es handele sich um eine fehlerhafte Anwendung des Planungsmaßstabs im konkreten Fall, weil „Lärmbelange dann nicht überschlägig anhand einer Grobanalyse zu bestimmen (seien), wenn die Flugroutenprognosen unrealistisch waren“ (Beschwerdebegründung S. 7 - 8). Der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt nicht gegen eine nach Meinung eines Beteiligten sachlich unrichtige Ablehnung eines Beweisantrags (Beschluss vom 7. Oktober 1987 - BVerwG 9 CB 20.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 Nr. 31). Abgesehen davon hat der Senat nicht festgestellt, dass die Flugroutenprognose „unrealistisch“ war. Maßgeblich ist, ob die prognostische Flugroutenplanung Art und Ausmaß der zu erwartenden Betroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung realistisch abbildet (UA Rn. 66). Hiervon ist der Senat ausgegangen.

5 3. Der Vorwurf der Kläger (Beschwerdebegründung S. 8 - 10), der Senat verfüge nicht über ausreichende Erkenntnisse, um die Beweisfrage zu beantworten, ist unbegründet. Zur Beantwortung der Beweisfrage bedurfte es nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens.

6 Das Tatsachengericht entscheidet über die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach Ermessen (§ 98 VwGO, § 404 Abs. 1, § 412 Abs. 1 ZPO). In diesem Rahmen hat das Gericht darüber zu befinden, ob es zur Entscheidung des Rechtsstreits die Hilfe eines Sachverständigen benötigt. Die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens kann nur dann als verfahrensfehlerhaft beanstandet werden, wenn das Gericht für sich eine ihm unmöglich zur Verfügung stehende Sachkunde in Anspruch nimmt oder wenn es sich in einer Frage für sachkundig hält, in der seine Sachkunde ernstlich zweifelhaft ist, ohne dass es für die Beteiligten überzeugend darlegt, dass ihm das erforderliche Fachwissen in genügendem Maße zur Verfügung steht (zur Zulassung der Revision stRspr, vgl. nur Beschlüsse vom 14. September 1992 - BVerwG 7 B 130.92 - Buchholz 406.401 § 31 BNatSchG Nr. 2, vom 24. November 1997 - BVerwG 1 B 224.97 - juris Rn. 6, vom 16. Januar 2002 - BVerwG 4 BN 27.01 - BRS 65 Nr. 58, vom 25. März 2009 - BVerwG 4 B 63.08 - BRS 74 Nr. 196 und vom 18. Juni 2012 - BVerwG 5 B 5.12 - juris Rn. 7).

7 Lärmberechnungen hat der Senat nicht vorgenommen. Nach der Rechtsauffassung des Senats genügte eine Abschätzung der Lärmbetroffenheiten auf der Grundlage einer Grobanalyse der Siedlungsstruktur der Flughafenumgebung i.V.m. den für das Planfeststellungsverfahren ermittelten, in den Verwaltungsvorgängen vorhandenen (Beiakte 429, N 5 Tabellenanhang) Einwohnerzahlen der betroffenen Ortsteile und Gemeinden (UA Rn. 62). Dass es besonderer Sachkunde bedürfte, auf dem Kartenmaterial um bis zu 15° nach Norden oder Süden abknickende Abflugrouten zu markieren, um die gebotene siedlungsstrukturelle Vergleichsbetrachtung anzustellen, ist nicht ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Ebenso wenig ist zu erkennen, dass die vom Senat zugrunde gelegten Einwohnerzahlen unzutreffend sein könnten; Einwände hiergegen haben auch die Kläger nicht erhoben.

8 4. Es bedurfte auch keiner Ermittlungen durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen, um feststellen zu können, dass die Belange der Kläger unter Zugrundelegung der 15°-Abweichung für die Konfigurationsanalyse nicht abwägungserheblich waren. Entgegen der Auffassung der Kläger (Beschwerdebegründung S. 9 - 10) liegt kein Verstoß gegen § 108 VwGO vor.

9 Die Einschätzung des Senats, dass die für die Konfigurationsanalyse maßgeblichen Werte bis hinab zu einem Dauerschallpegel von Leq(3), Tag = 62 dB(A) bei um bis zu 15° abknickenden Abflugrouten bei den Klägern nicht erreicht werden, hat er maßgeblich auf von dem Beklagten vorgenommene Berechnungen, die nach der vorläufigen Berechnungsmethode für den Umgebungslärm an Flugplätzen vorgenommen worden sind, gestützt (UA Rn. 82).

10 Mit ihrem Einwand, der Vortrag des Beklagten zu den Berechnungen sei „als Parteivorbringen und nicht als der Beweiswürdigung zugängliches Sachverständigengutachten“ zu werten (Beschwerdebegründung S. 9), zeigen die Kläger keinen Mangel auf, der Anlass zu einer Überprüfung der aus Sicht des Senats plausiblen Berechnungen gegeben hätte. Das Gebot des § 86 Abs. 1 VwGO, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, verwehrt es dem Tatsachengericht nicht, für seine tatsächlichen Feststellungen auch das Vorbringen eines Beteiligten zu verwerten, soweit es ihm überzeugend erscheint und nicht durch anderweitiges Parteivorbringen schlüssig in Frage gestellt wird. Dies gilt auch für solche im Verwaltungsverfahren durch die Behörde erarbeiteten Unterlagen, die nur aufgrund besonderer Sachkunde erstellt werden können (Beschlüsse vom 24. August 1987 - BVerwG 4 B 129.87 - Buchholz 442.08 § 36 BbG Nr. 12 = juris Rn. 43 und vom 23. August 2006 - BVerwG 4 A 1066.06 - juris Rn. 6; vgl. auch Beschluss vom 7. Februar 2011 - BVerwG 4 B 48.10 - ZfBR 2011, 575 = juris Rn. 9). Ob das Gericht es mit den von einem Beteiligten vorgelegten Unterlagen bewenden lassen darf oder verpflichtet ist, noch einen weiteren Sachverständigen einzuschalten, hängt von der Überzeugungskraft der gutachterlichen Äußerung ab (Beschluss vom 14. Juni 2004 - BVerwG 4 BN 18.04 - BauR 2004, 1907 m.w.N.). Die Notwendigkeit, einen gutachterlich durch einen Beteiligten - hier durch die vom Beklagten vorgelegten Berechnungen - aufgehellten Sachverhalt weiter zu erforschen, drängt sich grundsätzlich nur auf, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Angaben unvollständig, widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht überzeugend sind, wenn die Aussagen auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen beruhen, wenn Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Sachverständigen bestehen, wenn ein anderer Sachverständiger über neuere oder überlegenere Forschungsmittel verfügt oder wenn die Erkenntnisse, die in den vorliegenden Unterlagen ihren Niederschlag gefunden haben, durch substantiierte Einwände eines Beteiligten oder durch die übrige Ermittlungstätigkeit des Gerichts ernsthaft in Frage gestellt erscheinen.

11 Gemessen an diesem Maßstab bestand kein Anlass für den Senat, Berechnungen zum Dauerschallpegel bei um bis zu 15° abknickenden Abflugrouten bezüglich des Grundstücks der Kläger durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen einzuholen (UA Rn. 82). Zwar ist bei der Annahme, dass das schlüssige und sachkundige Parteivorbringen ohne Weiteres überzeugend ist, generell Zurückhaltung geboten (Beschluss vom 24. August 1987 a.a.O. Rn. 44). Die Berechnungen haben aber nicht allein deshalb geringeres Gewicht als gerichtlich veranlasste Berechnungen, weil sie von einem Beteiligten eingeführt worden sind, der an einem bestimmten Verfahrensausgang interessiert ist (vgl. Beschluss vom 25. April 2002 - BVerwG 4 BN 20.02 - juris Rn. 14 zur Verwertbarkeit von nicht richterlich veranlassten Gutachten). Einwände gegen die mit Schriftsatz vom 27. Mai 2011 (GA I, Bl. 189 im Verfahren BVerwG 4 A 7001.11 <S. 24 und 28>) vorgelegten Berechnungen haben die Kläger nicht erhoben. Sie haben auch keinen Beweisantrag zur Frage der Berechnungen zum Dauerschallpegel bei um bis zu 15° abknickenden Abflugrouten gestellt. Der Beweisantrag nach Anlage 1 der Sitzungsniederschrift betraf allein die Frage der Besiedlungsdichte („abwägungserheblich anders besiedelt“). Nach der in der mündlichen Verhandlung gegebenen Begründung der Beweisablehnung wurden keine Einwände gegenüber den Berechnungen des Beklagten erhoben, die Anlass zu Zweifeln an der Verwertbarkeit der ermittelten dB(A)-Werte hätten geben können. Ebenso wenig finden sich Einwände in dem vorherigen schriftsätzlichen Vortrag. Auch im Rahmen der Anhörungsrüge haben die Kläger nicht dargelegt, dass die Berechnungen unvollständig, widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht überzeugend seien.

12 5. Soweit die Kläger geltend machen, der Senat habe sich nicht auf die vom Beklagten in den Wiederaufnahme- und den Restitutionsverfahren vorgelegten, von der DLR für einen Leq(3), Tag = 60 dB(A) für die Grobplanung einerseits und um 15° nach Süden abknickende Abflugrouten andererseits berechneten Konturen stützen dürfen, weil diese Berechnungen nicht in das Verfahren eingeführt worden seien (Beschwerdebegründung S. 9 f.), zeigen sie ebenfalls keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör auf.

13 Der Senat hat ausdrücklich selbst darauf hingewiesen, dass die DLR-Berechnungen nicht in das Verfahren der Kläger eingeführt worden waren (UA Rn. 82), und damit deutlich gemacht, dass dieser Gesichtspunkt nicht entscheidungstragend war, sondern lediglich ergänzend in den Blick genommen worden ist.

14 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtsgebühr ergibt sich unmittelbar aus Nr. 5400 KV GKG. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.