Verfahrensinformation

Die vier asylrechtlichen Verfahren betreffen Kläger kurdischer Volkszugehörigkeit und yezidischer Religionszugehörigkeit, die in Syrien geboren sind und dort bis zu ihrer Ausreise nach Deutschland gelebt haben. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (früher Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) hat ihre Asylanträge abgelehnt und ihnen die Abschiebung nach Syrien angedroht, weil ihnen dort weder politische Verfolgung noch sonstige Gefahren drohten. Mit ihren in erster Instanz erfolglos gebliebenen Klagen haben die Kläger geltend gemacht, sie seien türkische Staatsangehörige und würden wegen ihrer Religionszugehörigkeit in der Türkei politisch verfolgt. Das Oberverwaltungsgericht Münster ist im Berufungsverfahren zu der Überzeugung gelangt, dass dies zutrifft, und hat den Klägern Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 1 AufenthG) hinsichtlich der Türkei zuerkannt sowie die Abschiebungsandrohungen nach Syrien aufgehoben. Im Rahmen der von der beklagten Bundesrepublik jeweils eingelegten Revision wird u.a. zu klären sein, ob Asylbewerber in Fällen wie den vorliegenden einen Anspruch auf Zuerkennung von Abschiebungsschutz wegen politischer Verfolgung in dem Land ihrer Staatsangehörigkeit auch dann haben, wenn eine Abschiebung dorthin gar nicht beabsichtigt ist, sondern lediglich die Abschiebung in den Staat ihres gewöhnlichen Aufenthalts (hier: Syrien) angedroht worden ist.


Pressemitteilung Nr. 2/2005 vom 08.02.2005

Flüchtlingsanerkennung für aus Syrien stammende Jeziden türkischer Staatsangehörigkeit?

Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig hatte heute darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen aus Syrien stammende Kurden jezidischen Glaubens mit türkischer Staatsangehörigkeit einen Anspruch auf Abschiebungsschutz für politische Flüchtlinge (nach § 60 Abs. 1 des neuen Aufenthaltsgesetzes = § 51 Abs. 1 des früheren Ausländergesetzes) haben.


Die im Nordosten Syriens (Provinz Hassake) geborene Klägerin kam im Frühjahr 2000 aus Syrien nach Deutschland und gab an, sie habe bisher ausschließlich in Syrien gelebt und sei nicht syrische Staatsangehörige. Ihren Asylantrag wies das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) ab und drohte ihr die Abschiebung nach Syrien an. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht machte die Klägerin geltend, sie sei türkische Staatsangehörige. Diese Staatsangehörigkeit habe sie von ihrem Vater erworben, der nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Türkei nach Syrien ausgewandert sei und dort als Ausländer gelebt habe. In der Türkei würden die Jeziden wegen ihrer Religion verfolgt. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab, das Oberverwaltungsgericht Münster gab ihr statt. Es ging davon aus, dass die Klägerin nach türkischem Recht seit ihrer Geburt in Syrien türkische Staatsangehörige ist und dass die Jeziden in der Türkei einer mittelbaren Gruppenverfolgung durch die muslimische Bevölkerungsmehrheit ausgesetzt sind. Das Oberverwaltungsgericht hat ihr deshalb Abschiebungsschutz wegen politischer Verfolgung zugesprochen und die Abschiebungsandrohung aufgehoben. Mit der Revision hat sich das Bundesamt auf eine abweichende Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte bezogen, nach der es auf eine etwaige politische Verfolgung der Klägerin in der Türkei nicht ankomme. Zu prüfen sei lediglich, ob ihr im Abschiebezielstaat Syrien Verfolgung drohe.


Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Tatsachenfeststellung an das Oberverwaltungsgericht Münster zurückverwiesen. Es gab dem Berufungsgericht darin Recht, dass im Asylverfahren unabhängig von der Androhung der Abschiebung in einen bestimmten Staat (hier: Syrien) stets zu prüfen ist, ob die Asylbewerber vom Staat ihrer Staatsangehörigkeit (hier: Türkei) - bei Staatenlosen vom Staat ihres gewöhnlichen Aufenthalts - verfolgt wer-den. Das gilt auch für die Gewährung von Abschiebungsschutz für politische Flüchtlinge (nach § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz, Art. 1 A der Genfer Flüchtlingskonvention). Das Berufungsgericht hätte sich aber zusätzlich damit befassen müssen, ob die Klägerin in ihrem bisherigen Aufenthaltsstaat Syrien ausreichend geschützt war. Dann käme Syrien wegen der Subsidiarität des internationalen Flüchtlingsschutzes weiterhin als vorrangiges Zufluchtsland in Betracht. Wäre dies der Fall, dann könnte ihre Anerkennung als Flüchtling wegen des bereits anderweitig erlangten Schutzes ausgeschlossen sein. Hierfür ist u.a. von Bedeutung, ob Syrien zu ihrer Rückübernahme bereit ist. Weil das Bundesverwaltungsgericht die erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann, hat es das Verfahren zurückverwiesen.


BVerwG 1 C 29.03 - Urteil vom 08.02.2005


Urteil vom 08.02.2005 -
BVerwG 1 C 29.03ECLI:DE:BVerwG:2005:080205U1C29.03.0

Leitsätze:

1. Ein Rechtsschutzinteresse für die Klage auf Gewährung von asylrechtlichem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (früher § 51 Abs. 1 AuslG) wegen Verfolgung im Staat der Staatsangehörigkeit besteht auch dann, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in dem ablehnenden Bescheid weder die Abschiebung in diesen Staat angedroht noch eine Feststellung über das Nichtbestehen von Abschiebungsverboten hinsichtlich dieses Staates getroffen hat.

2. Wer in einem anderen Staat bereits Schutz vor politischer Verfolgung im Staat seiner Staatsangehörigkeit gefunden hat und weiterhin erlangen kann, hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.

Urteil

BVerwG 1 C 29.03

  • OVG Münster - 23.07.2003 - AZ: OVG 8 A 2119/02.A -
  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 24.11.2003 - AZ: OVG 8 A 2119/02.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 8. Februar 2005
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n , H u n d und
R i c h t e r sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Juli 2003 wird aufgehoben, soweit es der Berufung stattgegeben hat.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

I


Die Klägerin begehrt ihre Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im Hinblick auf eine ihr in der Türkei drohende Verfolgung wegen ihrer Religion.
Die 1981 oder 1982 in Alarasch in Syrien geborene Klägerin ist kurdische Volkszugehörige jezidischer Religionszugehörigkeit. Sie kam im Frühjahr 2000 in die Bundesrepublik Deutschland und beantragte Asyl. Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - jetzt Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - (Bundesamt) gab sie an, sie besitze nicht die syrische Staatsangehörigkeit, sondern sei in Syrien als Ausländerin registriert gewesen. Ihre Eltern seien 1990 und 1995 verstorben. Ihr Bruder habe sie nach Deutschland geschickt, weil sie die hier lebenden Großeltern versorgen müsse. Das Bundesamt lehnte den Asylantrag ab (1.), stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (2.) und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG hinsichtlich Syriens nicht vorliegen (3.), und drohte der Klägerin die Abschiebung nach Syrien oder einen anderen aufnahmeverpflichteten oder -bereiten Staat an (4.). Es ging davon aus, dass die Klägerin syrische Staatsangehörige sei. Ihrem Vorbringen sei nicht zu entnehmen, dass sie in Syrien zu irgendeiner Zeit politisch verfolgt oder von sonstigen Gefahren bedroht gewesen sei.
Im Klageverfahren hat die Klägerin erstmals geltend gemacht, sie sei türkische Staatsangehörige. Ihre Eltern seien in Kefnas, Kreis Midyat, einem Jezidenort in der Türkei, geboren. Ihr Vater habe die türkische Staatsangehörigkeit besessen und sei nach Ableistung seines Militärdienstes nach Syrien ausgewandert. In der Türkei drohe ihr wegen ihrer jezidischen Religionszugehörigkeit politische Verfolgung. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, in Syrien werde die Klägerin weder wegen ihrer Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Jeziden noch aus sonstigen individuellen Gründen verfolgt. Es könne offen bleiben, ob sie türkische Staatsangehörige sei. Denn auch bei unterstellter türkischer Staatsangehörigkeit könne ihre Klage keinen Erfolg haben. Zwar drohe Jeziden wegen ihrer Religionszugehörigkeit in der Türkei politische Verfolgung. Die Klägerin sei aber in Syrien vor dieser Verfolgung sicher gewesen. Sie habe auch kein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung von Abschiebungshindernissen bezüglich anderer Staaten als Syrien, da die Feststellungen im angefochtenen Bescheid sich ebenso wie die Abschiebungsandrohung nur auf Syrien bezögen.
Mit ihrer Berufung hat die Klägerin u.a. geltend gemacht, das Verwaltungsgericht hätte nicht offen lassen dürfen, ob sie die türkische Staatsangehörigkeit besitze, da ihr in der Türkei als Jezidin politische Verfolgung drohe. Mit Urteil vom 23. Juli 2003 hat das Oberverwaltungsgericht dem Hauptantrag der Klägerin entsprochen und die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 2 bis 4 des angefochtenen Bescheides verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Türkei vorliegen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Bei Personen, die eine Staatsangehörigkeit besäßen, sei die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG - ebenso wie die Asylberechtigung - allein danach zu beurteilen, ob ihnen im Land ihrer Staatsangehörigkeit politische Verfolgung drohe oder nicht. Hingegen komme es nicht darauf an, ob sie in einem Drittstaat, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten, politische Verfolgung befürchten müssten. Aus diesen Gründen könne auf die Feststellung der Staatsangehörigkeit in einem Asylverfahren in der Regel nicht verzichtet werden. Das Begehren der Klägerin auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Türkei sei auch begründet. Die Klägerin besitze die türkische Staatsangehörigkeit. Nach ihrer Anhörung stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ihr Vater in der Türkei geboren und aufgewachsen sei und dort seinen Militärdienst geleistet habe. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe er die Türkei verlassen und bis zu seinem Tode im Jahre 1990 in Syrien gelebt, ohne die syrische Staatsangehörigkeit erworben zu haben. Aus diesen Umständen in Verbindung mit dem von der Klägerin vorgelegten Auszug aus dem Ausländerregister und den Aussagen der vom Verwaltungsgericht vernommenen Zeugen ergebe sich aufgrund der einschlägigen Bestimmungen des türkischen und des syrischen Staatsangehörigkeitsrechts, dass der Vater der Klägerin die türkische Staatsangehörigkeit durch Geburt erworben und auch durch die Flucht nach Syrien nicht verloren habe. Die Klägerin sei als im Ausland geborenes Kind eines türkischen Vaters ebenfalls türkische Staatsangehörige. Anhaltspunkte dafür, dass sie die syrische Staatsangehörigkeit erworben und die türkische Staatsangehörigkeit verloren haben könnte, bestünden nicht. Als ihren Glauben praktizierende Jezidin sei die Klägerin bei einer Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG ausgesetzt. Praktizierende Jeziden unterlägen nach den ausgewerteten Erkenntnismaterialien in ihren angestammten Siedlungsgebieten in der Türkei einer mittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung durch die muslimische Bevölkerungsmehrheit, ohne dass ihnen ein Ausweichen in verfolgungsfreie Gebiete innerhalb der Türkei möglich wäre. Auf die Frage, ob sie in Syrien Schutz vor Verfolgung gemäß § 27 AsylVfG gefunden habe, komme es nicht an, weil diese Vorschrift zwar einer Anerkennung als Asylberechtigter entgegenstehen könne, nicht aber dem aus §§ 51, 53 AuslG folgenden Abschiebungsschutz. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG sei auch die Abschiebungsandrohung nach Syrien in Ziffer 4 des Bescheides aufzuheben.
Mit ihrer Revision trägt die Beklagte im Wesentlichen vor: Die Klägerin habe kein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Türkei. Da ihr lediglich die Abschiebung nach Syrien angedroht worden sei, hätte sich das Berufungsgericht mit der Frage, ob die Klägerin türkische Staatsangehörige sei und in der Türkei mit politischer Verfolgung zu rechnen habe, nicht beschäftigen dürfen. Die Berufung hätte daher - mangels einer Gefahr politischer Verfolgung in Syrien - zurückgewiesen werden müssen. Zur näheren Begründung verweist die Beklagte auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg in gleich gelagerten Fällen. Danach müsse sich die gerichtliche Überprüfung des Bundesamtsbescheides mit einer Androhung der Abschiebung nach Syrien bei einer angeblichen anderen Staatsangehörigkeit nicht auf die Verhältnisse in dem Staat beziehen, dessen Staatsangehörigkeit sich der Asylbewerber berühme. Der Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG setze nicht voraus, dass die Verfolgung stets von dem Staat ausgehen müsse, dessen Staatsangehörigkeit der Asylbewerber besitze. Erforderlich, aber auch zureichend sei, dass sie von einem Verfolgerstaat ausgehe. Insoweit unterscheide sich der Abschiebungsschutz aus § 51 Abs. 1 AuslG vom Asylrecht des Art. 16 a Abs. 1 GG. Es ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz und sei auch in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Ausländer in jeden Staat abgeschoben werden könne, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. Ein rechtserheblicher Zusammenhang zwischen der Staatsangehörigkeit des Ausländers und dem Abschiebezielstaat bestehe nicht. Für einen vorbeugenden Rechtsschutz und eine gleichsam "weltweite" Prüfung von Abschiebungshindernissen bestehe im derzeitigen Verfahrensstadium kein Bedürfnis. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 115, 267) zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG. Auch im Hinblick auf die vollständige Aufhebung der Abschiebungsandrohung nach Syrien in Ziffer 4 des Bescheides beruhe das Berufungsurteil auf einer unrichtigen Anwendung materiellen Rechts. Denn das Vorliegen von Abschiebungshindernissen und/oder Duldungsgründen nach § 51 Abs. 1 und §§ 53 bis 55 AuslG stehe dem Erlass einer Abschiebungsandrohung - zumal in einen anderen Staat - gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 AuslG nicht entgegen. Etwaige sonstige Gründe für eine Aufhebung der Androhung der Abschiebung nach Syrien habe das Berufungsgericht aber überhaupt nicht geprüft. Im Übrigen könne das Berufungsurteil auch deshalb keinen Bestand haben, weil das Gericht unter Verletzung von § 108 Abs. 1 VwGO und unter Verstoß gegen seine gerichtliche Aufklärungspflicht zu dem Schluss gekommen sei, die Klägerin besitze die türkische Staatsangehörigkeit und gehöre trotz ihres ausschließlichen Aufenthalts in Syrien zu der von der mittelbaren Gruppenverfolgung betroffenen Gruppe glaubensgebundener Jeziden in der Türkei.
Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil.

II


Der Senat konnte trotz Ausbleibens des beteiligten Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten in der mündlichen Verhandlung über die Revision verhandeln und entscheiden, weil in der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hätte die Beklagte nicht zur Gewährung von Abschiebungsschutz wegen politischer Verfolgung und damit zur Anerkennung der Klägerin als politischer Flüchtling verpflichten dürfen, ohne Feststellungen dazu zu treffen, ob die Klägerin bereits in Syrien hinreichenden Schutz vor politischer Verfolgung durch die Türkei erlangt hat und ihr dieser Schutz auch weiterhin zur Verfügung steht; dann könnte sie nämlich wegen der Subsidiarität des internationalen Flüchtlingsschutzes eine Flüchtlingsanerkennung durch die Beklagte nicht mehr beanspruchen (1. bis 3.). Auch die Aufhebung der Abschiebungsandrohung hinsichtlich Syriens in dem Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - jetzt Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - (Bundesamt) kann deshalb keinen Bestand haben (4.). Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend in der Sache entscheiden kann, ist das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
1. Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Klage der Klägerin zulässig ist. Insbesondere fehlt ihr für das Begehren auf Zuerkennung von Abschiebungsschutz wegen politischer Verfolgung in der Türkei entgegen der Ansicht der Revision nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse.
a) Rechtsgrundlage für dieses Begehren ist nunmehr nach In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30. Juli 2004 (BGBl I S. 1950) § 60 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) - Art. 1 Zuwanderungsgesetz -. Diese Bestimmung ist mit Wirkung vom 1. Januar 2005 an die Stelle des bisher einschlägigen § 51 Abs. 1 AuslG getreten (Art. 15 Abs. 3 Zuwanderungsgesetz). Da das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, diese Rechtsänderung mangels besonderer Übergangsregelungen zu beachten hätte (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG), ist die neue Rechtslage auch für die Entscheidung des Revisionsgerichts maßgeblich (stRspr, vgl. Urteile vom 17. Dezember 1976 - BVerwG 7 C 69.74 - BVerwGE 52, 1, 3 und vom 12. Juli 2001 - BVerwG 3 C 14.01 - NVwZ-RR 2002, 93 = Buchholz 442.10 § 65 StVG Nr. 1).
b) Ein Rechtsschutz - bzw. Sachentscheidungsinteresse an der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Türkei kann der Klägerin nicht bereits deshalb abgesprochen werden, weil sich die (negativen) Feststellungen zu § 51 Abs. 1 und § 53 AuslG in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamts nicht auf die Türkei, sondern nur auf Syrien beziehen und der Klägerin in dem Bescheid eine Abschiebung nur nach Syrien, nicht aber in die Türkei angedroht worden ist. Der gegenteiligen, von der Revision und Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung (vgl. etwa OVG Magdeburg, Urteil vom 2. April 2003 - A 3 S 567/99 -; VGH Mannheim, Beschluss vom 1. März 2004 - A 13 S 38/03 -; VGH München, Beschluss vom 18. Dezember 2003 - 9 B 01/31217 - , sämtlich nicht veröffentlicht; a.A. OVG Hamburg, Beschluss vom 11. Oktober 2001 - 2 Bs 4/00.A - InfAuslR 2002, 268) ist nicht zu folgen. Diese
Auffassung beruft sich zu Unrecht auf das Urteil des erkennenden Senats vom 4. Dezember 2001 - BVerwG 1 C 11.01 - (BVerwGE 115, 267). In diesem Urteil hat der Senat nur entschieden, dass das Begehren auf Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG (jetzt § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG) hinsichtlich solcher Staaten, bezüglich derer im Bescheid des Bundesamts weder eine negative Feststellung zu § 53 AuslG getroffen noch eine Abschiebung angedroht worden ist, unzulässig ist, weil für die Klage insoweit schon das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt (a.a.O., S. 270 f.). Für einen gleichsam vorbeugenden Rechtsschutz gegen eine Abschiebung in Zielstaaten, die von der Behörde noch nicht erkennbar ins Auge gefasst sind, besteht danach kein Bedürfnis. Diese für den subsidiären ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG entwickelten Grundsätze gelten aber nicht für den asylrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (früher § 51 Abs. 1 AuslG), der sowohl verfahrensrechtlich als auch materiellrechtlich anders ausgestaltet ist.
So ist nach § 31 Abs. 2 AsylVfG das Bundesamt grundsätzlich (außer bei Gewährung von Familienasyl, § 31 Abs. 5 AsylVfG) verpflichtet, auf einen beachtlichen
Asylantrag hin "ausdrücklich festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen ...". Dementsprechend hat der Betroffene auch einen Anspruch auf eine solche Entscheidung, unabhängig davon, ob eine Abschiebung in den behaupteten Verfolgerstaat oder in einen anderen Staat beabsichtigt ist, und auch unabhängig davon, ob ihm bereits ein anderweitiges Aufenthaltsrecht zusteht (vgl. § 55 Abs. 2 AsylVfG). Etwas anderes gilt lediglich in dem Fall, dass das Bundesamt den Asylantrag nach Maßgabe von § 29 AsylVfG als unbeachtlich behandelt. Da das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin als beachtlich angesehen und beschieden hat, steht ihr ein Anspruch auf Sachentscheidung über ihren Antrag auf Gewährung von asylrechtlichem Abschiebungsschutz zu. Schon insofern ist die Rechtslage bei der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG anders als bei der Feststellung von den ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (vgl. das Urteil vom 4. Dezember 2001 a.a.O. S. 271 ff. zum Fehlen eines Anspruchs auf Feststellungen zu § 53 AuslG bezüglich weiterer Staaten).
Vor allem verbieten aber die gesetzlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen des asylrechtlichen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 1 AufenthG eine Übertragung der vom Senat in dem genannten Urteil zum ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz entwickelten Grundsätze. Während über den ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz in Bezug auf die einzelnen in Betracht kommenden Staaten jeweils gesondert und ggf. mit unterschiedlichem Ergebnis entschieden werden kann, handelt es sich bei dem Anspruch auf asylrechtlichen Abschiebungsschutz, auch wenn mehrere Staaten als Verfolgerstaaten in Betracht kommen, grundsätzlich um einen unteilbaren Streitgegenstand, über den nur einheitlich entschieden werden kann. Denn er kann, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht losgelöst von der Frage der Staatsangehörigkeit des Ausländers und der Schutzgewährung durch den Staat der Staatsangehörigkeit bzw. - bei Staatenlosen - durch den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts beurteilt werden. Dies lässt sich zwar nicht unmittelbar dem Wortlaut des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG entnehmen, nach dem in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl II 1953 S. 559) - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) - ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden darf, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Damit gibt diese Bestimmung ebenso wie der bisherige § 51 Abs. 1 AuslG sowie dessen Vorgängervorschrift in § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG 1965 "nur" das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK wieder. Der Bezug zum Staat der Staatsangehörigkeit ergibt sich aber daraus, dass der Gesetzgeber in § 3 AsylVfG die allein dem Bundesamt vorbehaltene Feststellung des asylrechtlichen Abschiebungsschutzes mit der Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention verbunden hat. Nach dieser Bestimmung ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder ein Gericht unanfechtbar festgestellt hat, dass ihm in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, die in § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes bezeichneten Gefahren drohen. Dies wiederum ist eine verkürzte Fassung der Flüchtlingsdefinition in Art. 1 A Nr. 2 GFK, wonach Flüchtling im Sinne dieses Abkommens jede Person ist, "die aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtung nicht in Anspruch nehmen will; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will". Das Bundesverwaltungsgericht hat deshalb in ständiger Rechtsprechung zu § 51 Abs. 1 AuslG entschieden, dass die Vorschrift nur eine verkürzte Wiedergabe des Art. 1 A Nr. 2 GFK darstellt und daher so auszulegen und anzuwenden ist, dass beide Begriffe übereinstimmen (vgl. Urteile vom 21. Januar 1992 - BVerwG 1 C 21.87 - BVerwGE 89, 296 und vom 18. Januar 1994 - BVerwG 9 C 48.92 - BVerwGE 95, 42 <45, 53>). Auch und gerade mit Blick auf die nunmehr in § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG aufgenommene ausdrückliche Verweisung auf die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention ist an dieser Rechtsprechung festzuhalten. Zur Vermeidung von Missverständnissen weist der Senat darauf hin, dass der erforderliche Bezug der Verfolgungsgefahr zum Staat der Staatsangehörigkeit nichts damit zu tun hat, von welchen Akteuren politische Verfolgung ausgehen kann (vgl. dazu nunmehr § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG).
In der Flüchtlingsdefinition des Art. 1 A Nr. 2 GFK kommt das der Konvention zugrunde liegende Prinzip der Subsidiarität des internationalen Schutzes gegenüber dem Schutz durch den Staat der Staatsangehörigkeit oder - bei Staatenlosen - durch den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts zum Ausdruck, wie es im Übrigen auch für das Asylrecht nach Art. 16 a GG gilt (Urteil vom 18. Oktober 1983 - BVerwG 9 C 158.80 - BVerwGE 68, 106 = Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 14 S. 35 <37>). Das bedeutet zum einen, dass der internationale Schutz nach der Konvention grundsätzlich nur bei Verfolgung im Staat der Staatsangehörigkeit oder - bei Staatenlosen - im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts eingreift, und zum anderen, dass die Schutzgewährung durch den Staat der Staatsangehörigkeit oder - bei Staatenlosen - durch den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts die Flüchtlingseigenschaft ausschließt (vgl. hierzu auch Urteil vom 6. August 1996 - BVerwG 9 C 172.95 - BVerwGE 101, 328
< 335>). Im Handbuch des UNHCR über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft (September 1979) heißt es in Nr. 90 dementsprechend: "Wie ... dargelegt, muss sich die begründete Furcht des Antragstellers vor Verfolgung auf das Land beziehen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Solange seine Furcht vor Verfolgung sich nicht auf das Land bezieht, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, kann er den Schutz dieses Landes in Anspruch nehmen und auch in dieses Land zurückkehren. Er bedarf keines internationalen Schutzes und ist daher auch kein Flüchtling."
Der asylrechtliche Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG kann deshalb regelmäßig nur zuerkannt werden, wenn die Staatsangehörigkeit des Betroffenen geklärt ist. Offen bleiben kann diese nur, wenn hinsichtlich sämtlicher als Staat der Staatsangehörigkeit in Betracht kommender Staaten die Gefahr politischer Verfolgung entweder bejaht oder verneint werden kann. Daraus folgt in verfahrensrechtlicher Hinsicht, dass der asylrechtliche Abschiebungsschutz - anders als der subsidiäre ausländerrechtliche Abschiebungsschutz - nicht isoliert bezogen auf einen einzelnen Abschiebezielstaat geprüft und abgeschichtet werden kann. Vielmehr sind alle Staaten in die Prüfung einzubeziehen, deren Staatsangehörigkeit der Betroffene möglicherweise besitzt oder in denen er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies gilt unabhängig davon, in welchem Stadium des asylrechtlichen Verfahrens sich der Betroffene auf die Staatsangehörigkeit eines Staates und eine ihm dort drohende politische Verfolgung beruft. Nur diese Einordnung wird im Übrigen dem Charakter der Feststellung zu § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als gleichzeitiger verbindlicher Statusentscheidung gemäß §§ 3 und 4 AsylVfG gerecht. Daraus folgt zugleich, dass ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin an der begehrten Feststellung zu § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Türkei, als deren Staatsangehörige sie sich betrachtet, entgegen der von der Revision und Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung nicht verneint werden kann.
2. Das Berufungsgericht ist ferner ohne Verstoß gegen Bundesrecht zu der Auffassung gelangt, dass die Klägerin die türkische Staatsangehörigkeit besitzt und ihr bei einer Rückkehr in die Türkei als praktizierender Jezidin dort wegen ihrer Religion Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG droht. Die dieser Einschätzung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts - hierzu gehören auch die Feststellungen zum ausländischen Recht und zur ausländischen Rechtspraxis - sind für das Revisionsgericht bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO), da sie nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind. Soweit die Angriffe der Revision in den Schriftsätzen vom 23. Dezember 2004 und 2. Februar 2005 gegen diese Ausführungen im Berufungsurteil auch Verfahrensrügen enthalten, sind sie jedenfalls wegen Versäumung der Begründungsfrist des § 139 Abs. 3 VwGO verspätet vorgetragen und damit unzulässig.
a) Die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin türkische Staatsangehörige ist, beruht entgegen der Ansicht der Revision auch nicht auf einem Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Allerdings kann in einer fehlerhaften Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Tatsachengerichts eine Verletzung materiellen Rechts liegen, wenn das Gericht gegen das Gebot der freien Beweiswürdigung verstößt, etwa weil es von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, es insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen oder wenn aus sonstigen Gründen die Grenzen einer objektiv willkürfreien, die Natur- und Denkgesetze sowie die allgemeinen Erfahrungssätze beachtenden Würdigung überschritten sind (vgl. etwa Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <208 f.>). Ein solcher Mangel liegt hier indes nicht vor. Auch dass sich das Berufungsgericht, wie die Revision meint, nicht die erforderliche volle Überzeugung von der türkischen Staatsangehörigkeit der Klägerin verschafft hat (vgl. Urteil vom 24. April1990 - BVerwG 9 C 4.89 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 125 S. 220 <221 f.> m.w.N.), sondern sich mit einem lediglich für wahrscheinlich gehaltenen Sachverhalt begnügt hat, lässt sich dem Urteil bei einer Gesamtbetrachtung der Gründe nicht entnehmen. Das Berufungsgericht hat keinen Zweifel daran gelassen, dass es von der türkischen Staatsangehörigkeit der Klägerin überzeugt ist. So ist in den Urteilsgründen mehrfach von der "Überzeugung des Gerichts" hinsichtlich der Tatsachen die Rede, die zur Annahme der türkischen Staatsangehörigkeit des Vaters der Klägerin geführt haben. Auch aus der Formulierung, dass die Klägerin als im Ausland geborenes Kind eines türkischen Vaters türkische Staatsangehörige "ist" und nicht ersichtlich "ist", dass die Klägerin die türkische Staatsangehörigkeit verloren haben könnte, lässt sich die volle Überzeugungsgewissheit des Berufungsgerichts entnehmen. Dem stehen entgegen der Ansicht der Revision auch nicht die Ausführungen des Berufungsgerichts an anderer Stelle entgegen, nach denen "es die Anforderungen an die Glaubhaftmachung der behaupteten Staatsangehörigkeit überspitzen (würde), wollte man andere Mittel der Glaubhaftmachung als von türkischen Staatsorganen ausgestellte Dokumente nicht zulassen" (UA S. 11). Der Begriff der Glaubhaftmachung ist hier offensichtlich nicht im Sinne von § 294 ZPO zu verstehen und lässt nicht auf einen geringeren Grad der Überzeugungsgewissheit schließen.
Auch der weitere Vorwurf der Revision, das Berufungsgericht hätte für den Nachweis der türkischen Staatsangehörigkeit die Vorlage entsprechender türkischer Personalpapiere durch die Klägerin verlangen müssen, führt nicht auf einen Verstoß gegen das Gebot der freien Beweiswürdigung. Hinter diesem Vorwurf steht offenbar die Auffassung, dass gleichsam im Sinne einer Beweisregel eine behauptete Staatsangehörigkeit nur durch Vorlage entsprechender Papiere dieses Staates nachgewiesen werden könne. Eine solche Beweisregel gibt es nicht. Es ist gerade Sinn und Zweck der freien richterlichen Beweiswürdigung, das Gericht nicht an starre Regeln zu binden, sondern ihm zu ermöglichen, den jeweiligen besonderen Umständen des Einzelfalles gerecht zu werden. Das Berufungsgericht hat sich seine Überzeugung von der türkischen Staatsangehörigkeit der Klägerin auf der Grundlage der von ihr vorgelegten Unterlagen, der Zeugenaussagen und verschiedener Erkenntnismittel zum türkischen und syrischen Staatsangehörigkeitsrecht gebildet und seine Würdigung im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt. Ein wesentlicher Mangel der Beweiswürdigung im oben beschriebenen Sinn ist insoweit weder vorgetragen noch erkennbar. Die Beklagte hat auch im Revisionsverfahren keine inhaltlichen Einwände gegen die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts erhoben, sondern lediglich die Notwendigkeit der Beschaffung entsprechender Nachweise aus der Türkei durch die Klägerin angemahnt. Im Übrigen hätte die Beklagte durch entsprechende Beweisanträge im Berufungsverfahren - etwa auf Einholung eines Gutachtens zur türkischen Rechtspraxis - auf die von ihr der Sache nach vermisste weitere Aufklärung selbst hinwirken können und müssen, anstatt im Revisionsverfahren eine fehlerhafte richterliche
Überzeugungsbildung zu rügen. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass die häufig schwierige Feststellung einer ausländischen Staatsangehörigkeit in der Regel nicht ohne Einholung von amtlichen Auskünften oder Gutachten zur einschlägigen Gesetzeslage und Rechtspraxis in dem betreffenden Staat möglich sein dürfte, wenn - wie hier - Ausweispapiere oder andere Belege und Urkunden aus dem betreffenden Staat fehlen.
b) Auch die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin als praktizierende Jezidin in der Türkei landesweit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer mittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung wegen ihrer Religion ausgesetzt ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts über Art, Umfang und Intensität der Übergriffe der moslemischen Bevölkerungsmehrheit gegenüber praktizierenden Jeziden in ihren Siedlungsgebieten im Osten der Türkei und über das Fehlen einer inländischen Fluchtalternative in den übrigen Landesteilen (UA S. 14 f. unter Bezugnahme auf das Grundsatzurteil des Berufungssenats vom 24. November 2000 - 8 A 4/99.A -) sind mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen der Beklagten im Revisionsverfahren als bindend zugrunde zu legen (§ 137 Abs. 2 VwGO). Dass das Berufungsgericht bei der Bewertung und Würdigung dieser Feststellungen von unzutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist, wie die Revision meint, ist nicht ersichtlich (vgl. die Darstellung UA S. 11 bis 15). Soweit sie bemängelt, das Berufungsgericht hätte die Regelvermutung, dass Jeziden in ihren angestammten Siedlungsgebieten im Südosten der Türkei von einer mittelbaren regionalen Gruppenverfolgung betroffen sind, nicht ohne Weiteres auf die in Syrien geborene und aufgewachsene Klägerin beziehen dürfen, verkennt sie, dass eine nach der Ausreise einsetzende regionale Gruppenverfolgung im Staat der Staatsangehörigkeit bei fehlender inländischer Fluchtalternative auch denjenigen Gruppenangehörigen, die sich außerhalb ihres Staates aufgehalten haben und aufhalten, als objektiver Nachfluchtgrund zugute kommt (stRspr, vgl. etwa Urteil vom 30. April 1996 - BVerwG 9 C 171.95 - BVerwGE 101, 134, 137 m.w.N.). Der zusätzlichen Feststellung einer individuellen Betroffenheit des unverfolgt ausgereisten Asylbewerbers bedarf es insoweit nicht.
3. Allerdings hätte das Berufungsgericht der Klägerin Abschiebungsschutz als politischer Flüchtling nicht ohne Prüfung der Frage zuerkennen dürfen, ob sie nicht bereits in Syrien, wo sie sich von ihrer Geburt an bis zur Ausreise nach Deutschland aufgehalten hat, ausreichende Sicherheit vor politischer Verfolgung durch die Türkei gefunden hat und auch weiterhin finden kann. Zwar trifft es zu, dass § 27 AsylVfG in Fällen einer - dort im Einzelnen definierten - anderweitigen Sicherheit vor Verfolgung in einem sonstigen Drittstaat nur die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a Abs. 1 GG, nicht aber den Abschiebungsschutz für Flüchtlinge nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausschließt (vgl. zur Vorgängervorschrift des § 27 AsylVfG Urteil vom 6. April 1992 - BVerwG 9 C 143.90 - BVerwGE 90, 127 m.w.N.). Das bedeutet indes nicht, dass der Umstand, dass der Ausländer zuvor jahrelang - im Falle der Klägerin sogar ausschließlich - in einem anderen Staat gelebt hat und dort vor der befürchteten Verfolgung durch den Staat seiner Staatsangehörigkeit sicher war, für den Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling in der Bundesrepublik Deutschland gänzlich außer Betracht bleiben kann. Ein derart weitgehender Schluss lässt sich auch nicht aus der Formulierung herleiten, dass das Asylbegehren und das Begehren auf Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG deckungsgleich seien, soweit es die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut und den politischen Charakter der Verfolgung betreffe, dass die Asylanerkennung darüber hinaus aber den Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht sowie das Fehlen anderweitigen Verfolgungsschutzes verlange (vgl. Urteil vom 18. Februar 1992 - BVerwG 9 C 59.91 - Buchholz 402.25 § 7 AsylVfG Nr. 1 S. 1 <3>). Denn damit ist lediglich gemeint, dass die für den Asylanspruch normierten Maßstäbe für das Bestehen einer anderweitigen Sicherheit nicht auch unbesehen für den asylrechtlichen Abschiebungsschutz gelten, nicht aber, dass der Gesichtspunkt der anderweitig erlangten Sicherheit in einem Drittstaat im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität des internationalen Flüchtlingsschutzes stets - etwa auch bei einer Rückkehrmöglichkeit in diesen Drittstaat - unbeachtlich sein soll. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Übrigen in keiner Entscheidung asylrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zugebilligt, obwohl festgestellt war, dass der Asylbewerber in einem Drittstaat tatsächlich sicher war und dorthin zurückkehren konnte. Auch der Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention ist vom Grundsatz der Subsidiarität des Konventionsschutzes sowohl im Verhältnis zum Schutz durch den Staat oder die Staaten der Staatsangehörigkeit des Betroffenen als auch im Verhältnis zum einmal erlangten Schutz in einem anderen (Dritt-)Staat geprägt. Er vermittelt grundsätzlich kein Recht auf freie Wahl des Zufluchtlandes und insbesondere kein Recht auf freie Wahl eines Zweit- oder Drittzufluchtlandes (vgl. hierzu Henkel in GK-AsylVfG § 27 Rn. 17 ff.), sondern stellt insoweit lediglich sicher, dass der Flüchtling nicht in den Verfolgerstaat abgeschoben oder der Gefahr einer solchen Abschiebung in einem Drittstaat (Kettenabschiebung) ausgesetzt werden darf (Refoulement-Verbot). Hat der Flüchtling bereits ausreichende Sicherheit vor Verfolgung in einem anderen Staat gefunden, kann er - unbeschadet des in jedem Falle unbedingt zu beachtenden Verbots der Abschiebung in den Verfolgerstaat - darüber hinaus grundsätzlich nicht mehr seine Anerkennung als Flüchtling sowie das damit verbundene qualifizierte Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland (§ 25 Abs. 2 AufenthG) beanspruchen.
Dieser Grundsatz der Subsidiarität kommt beispielsweise auch in dem Ausschlussgrund nach Art. 1 E GFK zum Ausdruck, nach dem das Abkommen nicht auf eine Person anzuwenden ist, die von den zuständigen Behörden des Landes, in dem sie ihren Aufenthalt genommen hat, als eine Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten hat, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Landes verknüpft sind (vgl. hierzu auch Art. 12 Abs. 1 b der bereits in Kraft getretenen Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004, ABl vom 30. September 2004 L 304/12, wonach ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen ist, wenn er von den zuständigen Behörden des Landes, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Landes verknüpft sind, bzw. gleichwertige Rechte und Pflichten hat, vgl. ferner Handbuch des UNHCR a.a.O. Nr. 144 bis 146)). Abgesehen von diesem in der Genfer Flüchtlingskonvention für eine besondere Konstellation ausdrücklich geregelten Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft folgt aus dem Grundsatz der Subsidiarität des internationalen Flüchtlingsschutzes aber auch, dass eine Flüchtlingsanerkennung in einem Zweit- oder Drittzufluchtsland nicht verlangt werden kann, wenn der Ausländer bereits in einem sonstigen Drittstaat vor politischer Verfolgung tatsächlich sicher war und voraussichtlich auch sicher bleiben wird und wenn seine Rückführung oder Rückkehr in diesen Staat möglich ist. Dieses Verständnis liegt auch Art. 25, 26 der noch nicht im Amtsblatt veröffentlichten Richtlinie des Rates über Mindestnormen für das Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ratsdokument 8771/04) zugrunde. Danach können die Mitgliedstaaten künftig Asylanträge u.a. als unzulässig betrachten, wenn ein Drittstaat als erster Asylstaat des Asylbewerbers betrachtet wird, nämlich wenn der Asylbewerber in dem betreffenden Staat als Flüchtling anerkannt wurde und er diesen Schutz weiterhin in Anspruch nehmen kann oder ihm in dem betreffenden Staat anderweitig ausreichender Schutz, einschließlich der Anwendung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung gewährt wird, vorausgesetzt, dass er im Hoheitsgebiet dieses Staates wieder aufgenommen wird. Mit Rücksicht auf den Grundsatz der Subsidiarität hätte das Berufungsgericht deshalb prüfen und feststellen müssen, ob die Klägerin in Syrien vor asylrelevanten Übergriffen tatsächlich sicher war und weiterhin sicher wäre und ob sie nach Syrien zurückkehren kann. Da das Berufungsgericht hierzu bisher keine Feststellungen getroffen hat, kann der Senat hierüber nicht abschließend entscheiden.
4. Soweit das Berufungsgericht wegen der Zuerkennung von asylrechtlichem Abschiebungsschutz wegen Verfolgung in der Türkei die Abschiebungsandrohung in Ziffer 4 des Bescheides des Bundesamts aufgehoben hat, kann auch diese Entscheidung keinen Bestand haben. Sollte das Berufungsgericht der Klägerin im weiteren Verfahren wieder Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Türkei zusprechen, müsste es erneut - und zwar ausgehend von der neuen, seit dem 1. Januar 2005 geltenden Rechtslage nach dem Zuwanderungsgesetz - prüfen, ob die Androhung der Abschiebung nach Syrien rechtswidrig ist. Denn in asylverfahrensrechtlichen Streitigkeiten ist gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG auch im Rahmen der Anfechtungsklage das zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltende Recht anzuwenden. Eine anders lautende Übergangsvorschrift enthält das Zuwanderungsgesetz nicht. Die in § 102 Abs. 1 AufenthG geregelte Fortgeltung bestimmter ausländerrechtlicher Maßnahmen - u.a. der Abschiebungsandrohungen - bezieht sich nur auf die Fortdauer der Wirkung vor dem 1. Januar 2005 getroffener, bestandskräftig gewordener Maßnahmen, ordnet aber nicht die Anwendung alten Rechts im gerichtlichen Verfahren gegen noch nicht bestandskräftig gewordene Maßnahmen an. Entgegen der nicht näher begründeten Auffassung des Berufungsgerichts in dem angefochtenen Urteil dürfte sich allerdings die Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung in Bezug auf Syrien nicht ohne Weiteres schon daraus ergeben, dass asylrechtlicher Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Türkei gewährt wird (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG n.F. - Art. 3 Nr. 24 Zuwanderungsgesetz - i.V.m. § 59 Abs. 3, § 60 Abs. 10 Satz 2 AufenthG; vgl. hierzu auch Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, § 34 Rn. 84 und in GK-AufenthG § 59 Rn. 100).

Beschluss vom 21.12.2006 -
BVerwG 1 C 29.03ECLI:DE:BVerwG:2006:211206B1C29.03.0

Leitsatz:

Der Gegenstandswert nach § 30 RVG beträgt für die Klage auf Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG seit dem 1. Januar 2005 3 000 €.

  • Rechtsquellen
    RVG §§ 30, 33, 60 Abs. 1
    AsylVfG 1992 § 83b Abs. 2

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 24.11.2003 - AZ: OVG 8 A 2119/02.A

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.12.2006 - 1 C 29.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:211206B1C29.03.0]

Beschluss

BVerwG 1 C 29.03

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 24.11.2003 - AZ: OVG 8 A 2119/02.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Dezember 2006
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig
beschlossen:

Auf den Antrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht auf 1 500 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der der Klägerin im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt hat mit Schriftsatz vom 2. November 2006 beantragt, den Gegenstandswert für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht auf 3 000 € festzusetzen. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, bei der Abrechnung der Prozesskostenhilfevergütung nach Beendigung des Revisionsverfahrens sei von einem Gegenstandswert von 1 500 € ausgegangen worden (Festsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 11. Mai 2005). Dies habe der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 20. Januar 1994 - BVerwG 9 B 15.94 - Buchholz 402.25 § 83b AsylVfG Nr. 1) entsprochen. Nach der neuen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - sei jedoch bei Verfahren, in denen es um die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und die Feststellung von Abschiebungshindernissen gehe, von einem Gegenstandswert von 3 000 € auszugehen. Dieser Entscheidung habe zwar der Fall eines Widerrufs einer Flüchtlingsanerkennung zugrunde gelegen, für das Verfahren betreffend die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 AuslG bzw. § 60 Abs. 1 AufenthG und/oder die Feststellung von Abschiebungshindernissen könne aber nichts anderes gelten. Vielmehr müsse sich bei allen Klageverfahren, die entweder die Asylanerkennung oder die Flüchtlingsanerkennung oder die Feststellung von Abschiebungshindernissen beträfen, der Gegenstandswert nach § 30 RVG bzw. nach dem wortgleichen § 83b Abs. 2 AsylVfG a.F. auf 3 000 € belaufen. Zum Zwecke der Nachfestsetzung der Prozesskostenhilfevergütung bitte er um entsprechende Festsetzung des Gegenstandswertes.

II

2 1. Über den Antrag hat der Senat in der Besetzung mit drei Richtern durch Beschluss zu entscheiden. Dabei kann offenbleiben, ob sich dies bereits daraus ergibt, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den unbedingten Auftrag zur Vertretung im Revisionsverfahren ersichtlich bereits vor dem 1. Juli 2004 erhalten hat (vgl. die Revisionserwiderung vom 11. März 2004, Gerichtsakte Bl. 224) und die Übergangsvorschrift in § 61 Abs. 1 RVG für diesen Fall noch die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) in der bisher geltenden Fassung weiter für anwendbar erklärt. Sollte diese Übergangsvorschrift auch für verfahrensrechtliche Regelungen gelten, wäre der Senat ohnehin - wie früher - nach § 10 Abs. 3 VwGO als Kollegialorgan zur Entscheidung berufen (vgl. Beschluss des Senats vom 28. Dezember 2005 - BVerwG 1 KSt 1.05 - Buchholz 363 § 56 RVG Nr. 1 m.w.N.). Auch wenn hier bereits das neue Verfahrensrecht des am 1. Juli 2004 in Kraft getretenen Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes gelten sollte, wäre der Senat in der Besetzung mit drei Richtern zuständig, nachdem die in diesem Fall nach § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG originär zuständige Einzelrichterin die Sache nach Anhörung der Beteiligten vorsorglich gemäß § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG dem Senat übertragen hat (vgl. auch hierzu Beschluss des Senats vom 28. Dezember 2005 a.a.O.).

3 2. Der Gegenstandswert für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht beträgt im Falle der Klägerin 1 500 €. Dem weitergehenden Antrag des Rechtsanwalts der Klägerin war daher nicht zu entsprechen.

4 a) Allerdings hält der Senat an der Rechtsprechung des früher für das Asylrecht zuständigen 9. Senats (Beschluss vom 20. Januar 1994 a.a.O.) zur Auslegung des § 83b Abs. 2 AsylVfG a.F., der seit 1. Juli 2004 durch den wortgleichen § 30 RVG ersetzt worden ist, nicht mehr fest. Danach war nur bei Klageverfahren, die die Asylanerkennung nach Art. 16a GG betrafen oder einschlossen, der höhere Gegenstandswert von 3 000 € maßgeblich. Dagegen war bei allen anderen Klagen, die lediglich asylrechtlichen und/oder ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1, § 53 AuslG betrafen, der Gegenstandswert für sonstige Klageverfahren in Höhe von 1 500 € anzusetzen (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit des Gegenstandswerts nach § 30 RVG: BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 <Nichtannahme> - 1 BvR 1386/05 - mit ablehnender Anmerkung von Ton, AGS 2006, 141). Diese Auslegung beruhte maßgeblich auf dem besonderen Schutz und Status, den Art. 16a GG als Grundrecht in weitergehender Weise als das damals sog. „kleine Asyl“ nach § 51 Abs. 1 AuslG vermittelt. Sie ist angesichts der seither ständig wachsenden Bedeutung und namentlich angesichts der gesetzlichen Ausweitung des Schutzumfangs sowie der weitgehenden Angleichung des Status der als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention (GFK) Anerkannten, bei denen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, durch das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz nicht mehr gerechtfertigt. So hat der anerkannte Flüchtling nunmehr nach § 25 Abs. 2 AufenthG die gleiche aufenthaltsrechtliche Stellung wie der Asylberechtigte nach § 25 Abs. 1 AufenthG (vgl. für die Niederlassungserlaubnis auch § 26 Abs. 3 AufenthG, für den Widerruf des Aufenthaltstitels § 52 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG sowie für die Ausweisung § 56 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 4 AufenthG). Auch die Rechtsstellung der Familienangehörigen unterscheidet sich aufenthaltsrechtlich nicht mehr (§ 29 Abs. 2 AufenthG). Außerdem hat der Gesetzgeber - entsprechend dem Familienasyl - einen Anspruch auf Familienabschiebungsschutz nach § 26 Abs. 4 AsylVfG eingeführt. Mit der Angleichung ist die aufenthaltsrechtliche Stellung des anerkannten Asylberechtigten sogar insoweit „verschlechtert“ worden, als er nach § 26 Abs. 1 AufenthG nur noch eine für längstens drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis - und nicht mehr wie bisher eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis (§ 68 Abs. 1 AsylVfG a.F.) - erhält. Der Senat hat ferner berücksichtigt, dass die Richtlinie 2004/83/EG des Rates der Europäischen Union vom 29. April 2004 (ABl EG Nr. L 304 S. 12 vom 30. September 2004 <Qualifikationsrichtlinie>) künftig einen vorrangigen asylrechtlichen Schutz in Anknüpfung an den Flüchtlingsbegriff im Sinne von Art. 1 GFK vorsieht.

5 Nach der Auffassung des Senats ist § 30 RVG daher für die Zeit seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes dahin gehend auszulegen, dass Klageverfahren, die die Asylanerkennung und/oder die Flüchtlingsanerkennung nach § 60 Abs. 1 AufenthG betreffen (ggf. einschließlich weiterer nachrangiger Schutzbegehren), mit einem Wert von 3 000 € zu veranschlagen sind. Das gilt - wie bisher - auch dann, wenn zusätzlich Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG nicht geltend gemacht werden. Danach ist auch für Klageverfahren, die nicht die Asylanerkennung, sondern nur die Anerkennung als Konventionsflüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG (ggf. einschließlich weiterer nachrangiger Schutzbegehren) zum Gegenstand haben, ebenso wie für entsprechende Streitverfahren um den Widerruf oder die Rücknahme dieses Status nach § 73 Abs. 1 und 2 AsylVfG (vgl. das vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin angeführte Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - insoweit nicht abgedruckt in AuAS 2006, 246, auch nicht in juris) nunmehr ein Gegenstandswert von 3 000 € anzusetzen.

6 b) Diese neue Auslegung des § 30 RVG gilt allerdings erst für die Rechtslage ab 1. Januar 2005 und deshalb nicht für solche Verfahren, in denen die Rechtsanwaltsvergütung nach dem bisherigen, vor dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 geltenden niedrigeren Gegenstandswert zu berechnen ist (vgl. den Rechtsgedanken der Übergangsvorschriften in § 60 Abs. 1 RVG, § 134 Abs. 1 BRAGO). Danach ist hier entgegen der Ansicht der Beschwerde für das Revisionsverfahren von einem Gegenstandswert von 1 500 € auszugehen, da der unbedingte Auftrag zur Vertretung in dem seit Januar 2004 anhängigen, von der Gegenseite betriebenen Revisionsverfahren dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin vor dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes erteilt worden ist (vgl. zur Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des unbedingten Auftrags zur Vertretung in dem Verfahren über ein von der Gegenseite eingelegtes Rechtsmittel nach der entsprechenden Vorschrift des § 61 Abs. 1 RVG im Einzelnen den bereits zitierten Beschluss vom 28. Dezember 2005 - BVerwG 1 KSt 1.05 - Buchholz 363 § 56 RVG Nr. 1).

7 Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 10 Abs. 2 Satz 4 BRAGO; § 33 Abs. 9 RVG).