Beschluss vom 01.07.2013 -
BVerwG 8 BN 1.13ECLI:DE:BVerwG:2013:010713B8BN1.13.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 01.07.2013 - 8 BN 1.13 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:010713B8BN1.13.0]

Beschluss

BVerwG 8 BN 1.13

  • VGH Baden-Württemberg - - AZ: VGH 9 S 1352/11

In der Normenkontrollsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Juli 2013
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund mündlicher Verhandlung vom 12. Dezember 2012 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Antragsteller wendet sich gegen die Beitragsordnung der Antragsgegnerin, eine Landeszahnärztekammer, deren Mitglied er ist. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat auf den Normenkontrollantrag des Antragstellers hin die Beitragstabellen der Antragsgegnerin für die Rechnungsjahre 2011 und 2012 für unwirksam erklärt. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.

3 Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn sie eine für die Entscheidung erhebliche Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

4 Die Antragsgegnerin möchte sinngemäß mit vier zusammenhängenden Fragen geklärt wissen, ob es Art. 3 Abs. 1 GG oder das Äquivalenzprinzip gebieten, eine beitragsmäßige Differenzierung oder Abstufung zwischen Zahnärzten im öffentlichen Gesundheitsdienst sowie im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) einerseits und den angestellten Zahnärzten in freier Praxis andererseits vorzunehmen. Dieses Vorbringen genügt bereits nicht dem Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

5 Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass Mitgliedsbeiträge berufsständischer Kammern Beiträge im Rechtssinne sind, deren Rechtmäßigkeit an den für Beiträge geltenden verfassungsrechtlichen Maßstäben zu messen ist (Urteil vom 26. April 2006 - BVerwG 6 C 19.05 - BVerwGE 125, 384 - Rn. 21 m.w.N. = Buchholz 451.45 § 113 HwO Nr. 6). Beiträge sind Gegenleistungen für Vorteile, die das Mitglied aus der Kammerzugehörigkeit oder einer besonderen Tätigkeit der Kammer zieht oder ziehen kann. Für die Beitragserhebung durch öffentlich-rechtliche Berufsorganisationen sind das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz zu beachten. Das Äquivalenzprinzip fordert, dass zwischen der Höhe des Beitrags und dem Nutzen des Mitglieds ein Zusammenhang besteht. Die Höhe des Beitrags darf nicht in einem Missverhältnis zu dem Vorteil stehen, den er abgelten soll. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt, niemanden im Vergleich zu anderen Adressaten anders zu behandeln, ohne dass zwischen ihnen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen. Für die Erhebung vorteilsbezogener Mitgliedsbeiträge durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft bedeutet dies, dass wesentlichen Verschiedenheiten der Mitglieder Rechnung getragen werden muss. Aus dem Gleichheitssatz ergibt sich insbesondere, dass die Beiträge im Verhältnis der Beitragspflichtigen zueinander grundsätzlich vorteilsgerecht bemessen werden müssen (Urteil vom 26. Januar 1993 - BVerwG 1 C 33.89 - BVerwGE 92, 24 = Buchholz 430.3 Kammerbeiträge Nr. 23; Beschluss vom 14. Februar 2002 - BVerwG 6 B 73.01 - Buchholz 451.45 § 113 HwO Nr. 5; Urteil vom 26. April 2006 a.a.O.; Beschluss vom 14. Dezember 2011 - BVerwG 8 B 38.11 - Buchholz 430.3 Kammerbeiträge Nr. 32).

6 Von diesen Grundsätzen ist der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen. Die Beschwerde legt nicht dar, dass die genannten Grundsätze weiterer Klärung bedürfen, sondern beschränkt sich auf die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe ihre Wahrung zu Unrecht angenommen. Mit bloßen Angriffen gegen die Rechtsauffassung des Gerichts kann die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache indes nicht dargelegt werden.

7 Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Sorge der Antragsgegnerin, der Verwaltungsgerichtshof halte sie für verpflichtet, im Rahmen ihrer Beitragsbemessung den jeweiligen Umfang der praktisch-kurativen Tätigkeit eines jeden angestellten Zahnarztes im Einzelfall festzustellen, unbegründet ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf das typische Berufsbild des angestellten Zahnarztes in freier Praxis einerseits und des beamteten oder angestellten Zahnarztes im öffentlichen Gesundheitsdienst oder im MDK andererseits abgestellt. Damit hat er die grundsätzliche Befugnis der Antragsgegnerin, bei ihrer Beitragsbemessung zu typisieren und zu pauschalieren, nicht in Zweifel gezogen, sondern ist im Gegenteil von ihr ausgegangen.

8 2. Die Antragsgegnerin legt keinen Verfahrensmangel des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dar, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

9 Die Beschwerde rügt sinngemäß als einen Verstoß gegen die gerichtliche Hinweispflicht gemäß § 86 Abs. 3 VwGO, der Verwaltungsgerichtshof habe durch das Unterlassen eines Hinweises darauf, dass er das Positionspapier des Bundesverbandes der Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes nicht zu berücksichtigen beabsichtige, verhindert, dass die Antragsgegnerin durch die Stellung qualifizierter Beweisanträge auf eine weitere Sachaufklärung habe hinwirken können. Diese Rüge ist unbegründet.

10 Die Hinweispflicht gemäß § 86 Abs. 3 VwGO konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen (Beschlüsse vom 16. August 2011 - BVerwG 6 B 18.11 - juris Rn. 9 und vom 26. Februar 2013 - BVerwG 4 B 53.12 - m.w.N. - juris). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgt aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör auch in der Ausprägung, die er in § 86 Abs. 3 VwGO gefunden hat, keine Pflicht des Gerichts zur umfassenden Erörterung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte. Das Gericht ist nicht verpflichtet, die Beteiligten schon in der mündlichen Verhandlung auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinzuweisen und offenzulegen, wie es seine Entscheidung im Einzelnen zu begründen beabsichtigt. Die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung (Beschlüsse vom 25. August 2004 - BVerwG 9 BN 2.04 - NVwZ 2004, 1510 = Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 167; vom 27. Juni 2007 - BVerwG 4 B 25.07 - juris Rn. 6 und vom 16. August 2011 a.a.O.). Für das Vorliegen eines Ausnahmefalles, nämlich das Abstellen des Gerichts auf einen rechtlichen Gesichtspunkt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte, hat die Beschwerde nichts vorgetragen.

11 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.