Verfahrensinformation

Der Kläger wendet sich gegen die im Zuge des Ausbaus der Eisenbahnstrecke Berlin - Angermünde - Grenze D/PL unmittelbar vor seinem Grundstück nahe des Bahnhofs Angermünde (Uckermark) geplante Errichtung einer zwischen zwei und sechs Meter hohen, teilweise intransparenten Lärmschutzwand. Das dortige ehemalige Stellwerk wird vom Kläger zu Wohnzwecken genutzt.


Der Kläger möchte auf aktiven Lärmschutz verzichten. Durch die Lärmschutzwand sieht er Belichtung, Belüftung und Besonnung als erheblich verschlechtert an, rügt die Einmauerungswirkung und Kosten, die außer Verhältnis zum Nutzen stünden. Auch Belange des Landschaftsschutzes und der Stadtbildpflege seien beeinträchtigt. Die durch den Bahnbetrieb auf das Wohngebäude des Klägers einwirkenden Erschütterungen seien zudem nicht ordnungsgemäß ermittelt worden.


Urteil vom 01.09.2022 -
BVerwG 7 A 7.21ECLI:DE:BVerwG:2022:010922U7A7.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 01.09.2022 - 7 A 7.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:010922U7A7.21.0]

Urteil

BVerwG 7 A 7.21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 1. September 2022
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Löffelbein,
Dr. Wöckel und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
für Recht erkannt:

  1. Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.
  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

I

1 Der Kläger begehrt die Festsetzung einer transparenten Ausführung weiterer Elemente planfestgestellter Lärmschutzwände vor seinen Grundstücken Flurstücknummern 797, 798 und 799 der Gemarkung A., die südöstlich des Bahnhofs A. unmittelbar an der Schienentrasse anliegen. Das Grundstück Flurstücknummer 799 ist mit einem zu Wohnzwecken genutzten ehemaligen Stellwerk bebaut, das der Kläger mit notariellem Kaufvertrag vom 30. April 2013 von der Beigeladenen erworben hat.

2 Die Errichtung von Lärmschutzwänden wurde im Zuge des Ausbaus der Eisenbahnstrecke Berlin - Angermünde - Grenze D/PL (- Szczecin), Planrechtsabschnitt 1, Bf. Angermünde - Bf. Passow, Bahn-km 70,335 - 89,900, mit vom 19. April 2021 datierenden Beschluss der Beklagten planfestgestellt.

3 Sowohl die an die Grundstücke des Klägers angrenzende, östlich der Gleise gelegene Lärmschutzwand (Außenwand) als auch eine Lärmschutz-Mittelwand sind der Höhe nach abgestuft festgesetzt. Bis Bahn-km 70,476 beträgt die Höhe 6 m über Schienenoberkante (SO), zwischen Bahn-km 70,476 und 70,481 (Länge 5 m) 4 m über SO, zwischen Bahn-km 70,481 und 70,501 (Länge 20 m) 2 m über SO. Danach steigt sie zwischen Bahn-km 70,501 und 70,506 (Länge 5 m) von 4 m über SO ab Bahn-km 70,506 wieder auf 6 m über SO (Planfeststellungsbeschluss, S. 52 f., A.4.5.2.1). Die Lärmschutzwände sind beidseitig hochabsorbierend - und damit undurchsichtig - planfestgestellt. Hiervon ausgenommen ist der Abschnitt zwischen Bahn-km 70,481 und 70,501, der mit transparenten Elementen auszuführen ist (Planfeststellungsbeschluss, S. 52 f.).

4 Nach § 13 Nr. 1 des Kaufvertrags vom 30. April 2013 räumt der Kläger der Beigeladenen als Eigentümerin des angrenzenden Betriebsgrundstücks auf Dauer das Recht ein, bis an die Grundstücksgrenze zu bauen, soweit dies für den Bahnbetrieb dienlich ist. Eine entsprechende Grunddienstbarkeit ist im Grundbuch von A. eingetragen. Zugleich verzichtet der Kläger nach § 13 Nr. 4 auf sämtliche Einwendungen gegen etwaige Verletzungen nachbarschützender Normen nach der geltenden Landesbauordnung und/oder dem Bundesimmissionsschutzgesetz im Zusammenhang mit eventuellen Bauvorhaben, die jetzt und in Zukunft bauplanungsrechtlich zulässig sind und von den Genehmigungsbehörden genehmigt werden. Eine entsprechende Grunddienstbarkeit ist im Grundbuch von A. eingetragen.

5 Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage insbesondere vor, dass sich durch die planfestgestellten Lärmschutzwände die Belichtung, Belüftung und Besonnung sowie der Ausblick von seinen Grundstücken massiv verschlechtere. Mit diesen Auswirkungen setze sich der Planfeststellungsbeschluss nicht ernsthaft auseinander. Insbesondere sei nicht ermittelt worden, in welchem Ausmaß eine in größerem Umfang transparente Ausführung der Lärmschutzwände Reflexionen und damit weitere Schutzfälle ausgelöst hätte. Die Lärmschutzwände zerschnitten zudem das Stadtbild von A.

6 Der Kläger beantragt zuletzt,
die Beklagte zu verpflichten, unter Änderung ihres Planfeststellungsbeschlusses vom 19. April 2021 festzusetzen, dass im Schallschutzabschnitt 1 die Außenwand östlich der Gleise und die Mittelwand jeweils zwischen km 70,471 und km 70,481 sowie zwischen km 70,501 und km 70,511 transparent auszuführen ist,
hilfsweise,
dass die Außenwand östlich der Gleise und die Mittelwand zwischen km 70,476 und km 70,481 sowie zwischen km 70,501 und km 70,506 transparent auszuführen ist,
höchst hilfsweise,
dass die Außenwand östlich der Gleise zwischen km 70,476 und km 70,481 sowie zwischen km 70,501 und km 70,506 transparent auszuführen ist.

7 Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils
die Klage abzuweisen.

8 Sie treten dem Vorbringen des Klägers entgegen.

II

9 Soweit der Kläger den Wegfall von Lärmschutzwänden im Bereich seines Grundstücks und die Anordnung von Erschütterungsmessungen begehrt hat, hat er die Klage zurückgenommen. Insoweit war das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

10 Soweit der Kläger die Klage aufrechterhält, ist sie zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die mit seinem Hauptantrag und seinen Hilfsanträgen begehrte Festsetzung weiterer transparenter Elemente in den planfestgestellten Lärmschutzwänden.

11 A. Die Klage ist zulässig, insbesondere nicht missbräuchlich. Die Anrufung der Gerichte kann unzulässig sein, wenn ein Kläger sich hierdurch zu seinem eigenen früheren Verhalten in einen mit Treu und Glauben unvereinbaren Widerspruch setzt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. November 2000 - 4 BN 54.00 - BRS 63 Nr. 50 S. 273 m. w. N). Das ist hinsichtlich des aufrechterhaltenen Klageantrags auf Planergänzung nicht der Fall. Zwar hat der Kläger gegenüber der Beigeladenen mit notariellem Kaufvertrag vom 30. April 2013 (§ 13 Nr. 1 und Nr. 4) dieser das Recht eingeräumt, bis an die Grundstücksgrenze zu bauen und auf die Ausübung (auch) öffentlich-rechtlicher Abwehr- und Unterlassungsansprüche verzichtet. Soweit der hiernach erklärte Verzicht reicht, setzte er sich durch die Ausübung eines Klagerechts in Widerspruch zu seinem früheren Verhalten und verhielte sich damit rechtsmissbräuchlich (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 18. August 1977 - 5 C 8.77 - BVerwGE 54, 276 <278 f.>). Der Verzicht bezieht sich jedoch auf die Geltendmachung drittschützender Vorschriften des Bauordnungsrechts und des Immissionsschutzrechts, nicht hingegen auf den bauplanungsrechtlichen Drittschutz. Hinsichtlich planfeststellungspflichtiger Vorhaben sind nach § 38 Satz 1 BauGB die §§ 29 bis 37 BauGB zwar nicht anzuwenden. Im Rahmen der fachplanerischen Abwägung bedürfen jedoch die im Bauplanungsrecht maßgeblichen nachbarlichen Belange - hier der Belichtung, Belüftung, Besonnung und des Ausblicks - der Sache nach gleichwohl der planerischen Würdigung. Auf diese Belange kann sich der Kläger berufen, ohne sich zu seinem Verzicht in Widerspruch zu setzen.

12 B. Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die mit seinem Hauptantrag und den Hilfsanträgen begehrte Planergänzung. Der auf § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG in Verbindung mit § 74 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gestützte Planfeststellungsbeschluss der Beklagten wahrt die rechtlich geschützten Belange des Klägers, ohne dass es einer Planergänzung bedürfte.

13 1. Dass und welche Festsetzungen zur teiltransparenten Ausgestaltung der Lärmschutzwände durch den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss getroffen wurden und auf welchen prognostischen Grundlagen zum Schienenverkehrslärm diese Festsetzungen beruhen, unterliegt ungeachtet dessen keinem Zweifel, dass dessen Datumsangabe unrichtig ist. Auf diesbezügliche Vorhaltungen des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung erklärte der Vertreter der Beklagten, das Datum "19. April 2021" sei unzutreffend. Der Planfeststellungsbeschluss sei später, wohl im Mai 2021, erlassen worden. Aus den Verfahrensakten ergibt sich, dass der Planfeststellungsbeschluss dem Kläger und der Beigeladenen jeweils am 24. Juni 2021 zugestellt worden und seine öffentliche Bekanntgabe ab dem 25. Juni 2021 erfolgt ist. Die von der Beigeladenen beauftragte Schalltechnische Untersuchung wurde dem Planfeststellungsbeschluss nach nachvollziehbarer Erläuterung des Beklagtenvertreters in der dem Gericht vorliegenden Fassung vom 22. April 2021, nicht in der dem Klägervertreter von der Beklagten nach Klageerhebung übermittelten Fassung vom 19. April 2021, zugrunde gelegt. Im insoweit maßgeblichen tatsächlichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses zu berücksichtigende, nach dem 19. April 2021 eingetretene erhebliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage sind im Übrigen nicht ersichtlich.

14 2. Die Festsetzungen des Planfeststellungsbeschlusses zur Ausgestaltung der Lärmschutzwände im Bereich der klägerischen Grundstücke beruhen auf einer rechtsfehlerfreien fachplanerischen Abwägungsentscheidung der Beklagten.

15 a) Das fachplanungsrechtliche Abwägungsgebot verlangt, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, – zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und - drittens - weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Diese beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebots daher auf die Frage, ob die Verwaltungsbehörde die abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt hat und ob sie - auf der Grundlage des derart zutreffend ermittelten Abwägungsmaterials - die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung eingehalten hat (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 23 f. m. w. N.).

16 Bei der Festsetzung von Maßnahmen des Verkehrslärmschutzes gilt zudem, dass sich die Planfeststellungsbehörde bei der planerischen Abwägung am gesetzlichen Vorrang des aktiven Schallschutzes vor Maßnahmen passiven Schallschutzes zu orientieren (§ 41 BImSchG) und im Rahmen ihrer Prüfung eine hinreichend differenzierte Kosten-Nutzen-Analyse vorzunehmen hat. Im Rahmen planerischer Abwägung bedarf es einer Auswahl zwischen verschiedenen in Betracht kommenden Schallschutzmaßnahmen, die typischerweise, bezogen auf die Schutzwirkung, ihre Stärken und Schwächen haben, verschieden hohe Kosten verursachen und andere Belange in unterschiedlicher Weise tangieren. Die daraus folgenden Zielkonflikte lassen sich nur planend bewältigen. Die Planfeststellungsbehörde muss dabei nicht alle denkbaren Maßnahmenkombinationen in gleicher Tiefe untersuchen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 9 A 24.18 - BVerwGE 165, 192 Rn. 29 f. m. w. N.).

17 b) Das für den Bereich der Grundstücke des Klägers planfestgestellte Lärmschutzkonzept wird diesen Maßgaben gerecht. Die Ermittlungstiefe ist hinreichend. Für den in Rede stehenden Schutzabschnitt 1 hat der Gutachter der Beigeladenen im Rahmen der Schalltechnischen Untersuchung insgesamt 22 Varianten untersucht. Dabei geht die Untersuchung von zehn Varianten im Zuge der 2. Planänderung darauf zurück, dass der Beklagten und der Beigeladenen einerseits die Wohnnutzung des Stellwerks zunächst nicht bekannt war und andererseits der Kläger mit Einwendungen deutlich gemacht hat, dass er den Schutz vor Schienenverkehrsgeräuschen durch aktive Schallschutzmaßnahmen niedriger priorisiere als die Verschattung seines Gebäudes bzw. die verschlechterten Sichtverhältnisse (vgl. Unterlage 17, Schalltechnische Untersuchung, Stand 22. April 2021, S. 19 f.).

18 Die ermittelten Belange des Klägers wurden im Rahmen der fachplanerischen Abwägung angemessen berücksichtigt. Die vorhabenbedingte Verschattung der Grundstücke durch die östlich der Gleise gelegene Lärmschutzwand, die nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen ist (BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 7 B 18.12 - juris Rn. 50 m. w. N.), erscheint zumutbar. Entgegen der Darstellung des Klägers setzt sich der Planfeststellungsbeschluss auf der Grundlage seiner Einwendungen im Einzelnen mit der Situation am Stellwerk auseinander (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 134 f. und S. 141 f.). Die planfestgestellte Variante P sieht - im Sinne der Belange des Klägers - im Bereich des Stellwerks bei der an die Grundstücke des Klägers angrenzenden Außenwand eine Abtreppung der Lärmschutzwände von 6 m über 4 m (zweimal über eine Länge von jeweils 5 m) auf 2 m (über eine Länge von 20 m) sowie eine transparente Ausführung im Bereich der Wandhöhe von 2 m vor und wird so dem Gesichtspunkt einer Minimierung der Verschattung des klägerischen Grundstücks gerecht. Insbesondere deckt die transparente Wandgestaltung die gesamte Länge des Stellwerksgebäudes ab (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 52 f. und Unterlage 17, Schalltechnische Untersuchung, Stand 22. April 2021, S. 20).

19 Soweit der Kläger eine Beschränkung seines Ausblicks rügt, setzt sich der Planfeststellungsbeschluss (S. 142) auch mit diesem Belang auseinander und verweist hierbei darauf, dass kein Anspruch auf eine unverbaubare Aussicht bestehe. Diese Auffassung steht in Einklang mit der fachplanungsrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die einen Anspruch auf Erhaltung eines bislang nicht durch Bebauung eingeschränkten Ausblicks verneint, ungehinderte Sichtbeziehungen aber als einen die Wohnqualität beeinflussenden Faktor anerkennt, der in der Abwägung nicht völlig vernachlässigt werden darf (BVerwG, Urteil vom 9. Februar 2005 - 9 A 80.03 - NVwZ-RR 2005, 453 <454>). Dem wird der Planfeststellungsbeschluss, der auch diesem Belang des Klägers durch die Festsetzung transparenter Elemente im Bereich seiner Grundstücke nicht nur in der Außenwand, sondern darüber hinaus auch in der Mittelwand, maßgeblich entgegenkommt, gerecht (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 52 f. und Unterlage 17, Schalltechnische Untersuchung, Stand 22. April 2021, S. 20). Dies gilt zumal vor dem Hintergrund der besonderen Situationsgebundenheit der unmittelbar an der Eisenbahntrasse gelegenen Grundstücke des Klägers einerseits, in der mit Ausbaumaßnahmen zu rechnen ist, und den zwischen diesem und der Beigeladenen getroffenen vertraglichen Vereinbarungen zur Grenzbebauung und zum (Teil-)Verzicht auf die Ausübung öffentlich-rechtlicher Abwehr- und Unterlassungsansprüche andererseits.

20 Der Kläger vermag einen Abwägungsfehler auch insoweit nicht aufzuzeigen, als er beanstandet, dass die Variante V gemäß Schalltechnischer Untersuchung, die auch im Bereich der auf 4 m Höhe abgesenkten Wandteile und damit auf einer Gesamtlänge von 30 m (statt nur 20 m in der planfestgestellten Variante P) eine transparente Ausführung vorsieht, nicht aufgegriffen worden sei, obwohl sie die gleiche Anzahl an Schutzfällen gelöst hätte (vgl. Unterlage 17, Schalltechnische Untersuchung, Stand 22. April 2021, S. 20). Die Beklagte weist in rechtlich nicht zu beanstandender Weise darauf hin, mit Rücksicht auf mögliche Schallreflexionen durch die schallharten transparenten Wände habe sie sich bei ihrer Abwägung von der Prämisse leiten lassen, nicht mehr transparente Wandflächen als notwendig festzusetzen.

21 Entgegen dem Vorbringen des Klägers ist es nicht abwägungsfehlerhaft, dass die Beklagte vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses keine weitergehenden Ermittlungen zu möglichen Schallreflexionen und dadurch gegebenenfalls zusätzlich verursachten Schutzfällen angestellt hat. Die Beklagte war nicht auf die Vermeidung von Schutzfällen, also von Überschreitungen der durch die Immissionsgrenzwerte gemäß § 2 der 16. BImSchV markierten fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle, beschränkt. Vielmehr sind auch unterhalb dieser Schwelle liegende, mehr als nur geringfügige Lärmwirkungen abwägungserheblich (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2004 - 9 A 15.03 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 40 S. 110). Von dem möglichen Auftreten bzw. der Verstärkung jedenfalls derartiger Lärmwirkungen aufgrund von Schallreflexionen durfte die Beklagte auf der Grundlage der fachlichen Einschätzung in der Schalltechnischen Untersuchung ohne Weiteres ausgehen. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte zudem anhand einer Nachberechnung ergänzend aufgezeigt, dass es bei der Variante V gegenüber der planfestgestellten Variante P im Schutzabschnitt 1 zu Pegelerhöhungen um bis zu 0,2 dB(A) und im Schutzabschnitt 2 um bis zu 0,6 dB(A) kommen würde.

22 Die durch die transparente Ausführung von Elementen der Lärmschutzwände anfallenden Mehrkosten hat die Beklagte nach nachvollziehbaren Angaben bei der Abwägung der Lärmschutzbelange mit den spezifischen Belangen des Klägers außer Betracht gelassen. Dies wirkt sich zugunsten des Klägers aus.

23 Der Planfeststellungsbeschluss (S. 107) setzt sich auch unter dem Gesichtspunkt der Wahrung öffentlicher Interessen mit der Sichtbeziehung zwischen der Bahnanlage und dem ehemaligen Stellwerk sowie dem Schutz des Ortsbildes der Stadt A. rechtsfehlerfrei auseinander. Hierbei verweist er zu Recht auf die bestehende technische Vorbelastung (durch die nach Angaben der Beklagten bereits im Jahr 1843 in Betrieb genommenen Eisenbahnstrecke) und geht in nachvollziehbarer Weise von einer zumutbaren Beeinträchtigung des Ortsbildes durch das Vorhaben aus (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2020 - 7 A 10.19 - juris Rn. 77 m. w. N.).

24 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.