Beschluss vom 02.06.2022 -
BVerwG 1 WNB 3.22ECLI:DE:BVerwG:2022:020622B1WNB3.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.06.2022 - 1 WNB 3.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:020622B1WNB3.22.0]

Beschluss

BVerwG 1 WNB 3.22

  • TDG Nord 1. Kammer - 30.11.2021 - AZ: N 1 BLa 40/20 und N 1 RL 1/22

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
am 2. Juni 2022 beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Truppendienstgerichts Nord vom 30. November 2021 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Antragstellerin geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO) liegen nicht vor.

2 1. Soweit die Antragstellerin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und des § 18 Abs. 2 Satz 4 WBO rügt, weil das Truppendienstgericht Unterlagen (insbesondere ein Mobbingtagebuch) beigezogen und diesbezügliche Beweiserhebungen durchgeführt habe, ohne sie darüber in Kenntnis zu setzen, hat die Beschwerde keinen Erfolg, weil diese Vorgänge nur das Parallelverfahren TDG N 1 BLa 41/20 betreffen und für die hier angefochtene Entscheidung im Verfahren TDG N 1 BLa 40/20 nicht entscheidungserheblich waren.

3 Der angefochtene Beschluss erwähnt zwar im Tatbestand (Seite 2 unten/Seite 3 oben) das Mobbingtagebuch der Antragstellerin, verweist hierzu jedoch zugleich ausdrücklich auf das die Mobbingvorwürfe betreffende Parallelverfahren TDG N 1 BLa 41/20. Im vorliegenden Verfahren TDG N 1 BLa 40/20 hat das Truppendienstgericht dagegen den Antrag auf gerichtliche Entscheidung bereits deshalb als unzulässig zurückgewiesen, weil die verfahrensgegenständliche Meldung nach Nr. 381 der Zentralen Dienstvorschrift A-2600/10 (Meldewesen Innere und Soziale Lage der Bundeswehr) keine die Rechte der Antragstellerin berührende dienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO darstelle. Für diese Rechtsauffassung waren die von der Beschwerde angeführten Unterlagen und Beweiserhebungen nicht entscheidungserheblich und wurden in den Gründen des Beschlusses auch nicht verwertet. Die Antragstellerin hat auch nichts dazu dargelegt, inwieweit der angefochtene Beschluss auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann.

4 2. Auch die geltend gemachten Verstöße gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 6 EMRK) sowie des rechtlichen Gehörs durch eine Überraschungsentscheidung liegen nicht vor.

5 Soweit die Antragstellerin moniert, dass die Entscheidung im Beschlusswege nach Aktenlage erfolgt sei, entspricht dies der gesetzlichen Regel (§ 18 Abs. 2 Satz 3 WBO). Die Antragstellerin hat weder eine mündliche Verhandlung beantragt noch sind Gründe dargelegt oder ersichtlich, aus denen das Truppendienstgericht eine mündliche Verhandlung für erforderlich hätte halten müssen.

6 Die Wehrbeschwerdeordnung sieht auch keine obligatorische Mitteilung des Termins zur Beratung und Entscheidung vor. Eine Pflicht zu einer solchen Mitteilung unter dem Blickwinkel einer fairen Verfahrensgestaltung kann sich deshalb nur aus besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben, die hier nicht vorliegen.

7 Die Antragstellerin hat durch ihre früheren Bevollmächtigten wirksam die gerichtliche Entscheidung beantragt (§ 17 Abs. 4 Satz 1 WBO) und dabei - entsprechend der Ordnungsvorschrift des § 17 Abs. 4 Satz 2 WBO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2018 - 1 WNB 5.17 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 99 Rn. 4) – den Beschwerdebescheid und den Bescheid über die weitere Beschwerde sowie außerdem ihre eigene weitere Beschwerde vom 15. Juli 2020 beigefügt. Das Truppendienstgericht hat seinerseits den gesamten vorgerichtlichen Beschwerdevorgang (145 Blatt) beigezogen und den Bevollmächtigten der Antragstellerin hierin Akteneinsicht durch Übersendung in die Kanzlei gewährt. Damit waren die Grundlagen, auf denen das Truppendienstgericht die angefochtene Entscheidung getroffen hat, der Antragstellerin vollständig bekannt; weitere Unterlagen oder Schriftsätze sind nach dem Zeitpunkt der Akteneinsicht nicht hinzugekommen.

8 Bei dieser Sachlage war es nicht geboten, der Antragstellerin den Termin zur Beratung und Entscheidung mitzuteilen, um ihr weiteren Vortrag zu ermöglichen, oder sie vor einer Entscheidung zu einer abschließenden Stellungnahme binnen einer angemessenen Frist aufzufordern. Es ist von der Antragstellerin weder dargelegt noch sonst ersichtlich, welcher entscheidungserhebliche Vortrag ihr abgeschnitten worden wäre. Die Rechtsfrage, ob eine Meldung nach Nr. 381 ZDv A-2600/10 bzw. deren Unterlassen einen zulässigen Beschwerdegegenstand darstellt, war bereits ein wesentlicher Gegenstand des vorgerichtlichen Beschwerdeverfahrens; insofern liegt auch keine Überraschungsentscheidung vor, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (vgl. hierzu zuletzt BVerwG, Beschluss vom 6. April 2022 - 1 WNB 10.21 - juris Rn. 10).

9 Schließlich gebietet auch die Tatsache, dass die früheren Bevollmächtigten der Antragstellerin mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung eine gesonderte Begründung angekündigt hatten, nach den Umständen des vorliegenden Falls keine der angemahnten Handlungen des Truppendienstgerichts (Terminsmitteilung oder abschließende Stellungnahmefrist). Die Bevollmächtigten der Antragstellerin haben nach Übernahme des Mandats ihrerseits Akteneinsicht beantragt und dabei weder mit dem Akteneinsichtsantrag noch bei Rücksendung der Akten eine Stellungnahme angekündigt oder eine Frist hierzu erbeten. Zwar ist es für das Gericht auch ohne eine solche ausdrückliche Ankündigung oder Bitte angebracht, eine dem Verfahrensstand angemessene Frist abzuwarten. Nachdem seit der Rücksendung der Akten jedoch mehr als acht Monate ohne eine Äußerung der Antragstellerin vergangen waren, durfte das Truppendienstgericht davon ausgehen, dass ein weiterer Vortrag nicht mehr beabsichtigt war.

10 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.