Beschluss vom 02.10.2024 -
BVerwG 1 WB 44.23ECLI:DE:BVerwG:2024:021024B1WB44.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.10.2024 - 1 WB 44.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:021024B1WB44.23.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 44.23

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch am 2. Oktober 2024 beschlossen:

  1. Das Verfahren wird eingestellt.
  2. Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der Rechtsstreit betraf die Neubildung einer Referenzgruppe.

2 Der Antragsteller ist Berufssoldat in der Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes. Er war seit 1. Juli 2002 für eine hauptberufliche Tätigkeit bei der ... GmbH beurlaubt. Nachdem er sich bereits gegen eine früher für ihn erstellte Referenzgruppe zur Förderung freigestellter Soldaten beschwert hatte, wurde für ihn eine neue, am 19. Dezember 2022 vom Abteilungsleiter III des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr gebilligte Referenzgruppe gebildet, die ihm mit Bescheid vom 10. Januar 2023 am 6. März 2023 eröffnet wurde.

3 Gegen diese (neue) Referenzgruppe erhob der Antragsteller mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 28. März 2023 und 3. April 2023 Beschwerde.

4 Mit Schreiben vom 13. April 2023 setzte das Bundesamt für das Personalmanagement unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. November 2022 - 1 WB 21.21 -, wonach es für die Förderung von freigestellten Soldaten nach dem Referenzgruppenmodell in Fällen wie dem des Antragstellers (Nr. 101 Buchst. h der Allgemeinen Regelung A-1336/1 zur "Militärischen Personalführung für Freigestellte, Entlastete oder Beurlaubte") an einer gesetzlichen Grundlage fehle, die Referenzgruppe aus. Es sei beabsichtigt, die Referenzgruppe nach Inkrafttreten der erforderlichen Rechtsgrundlage wieder anzuwenden.

5 Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 20. April 2023 erklärte der Antragsteller, dass er die Aussetzung der Referenzgruppe in das laufende Beschwerdeverfahren einbeziehe und die Beschwerde vom 3. April 2023 auf das Schreiben vom 13. April 2023 erstrecke. Er sehe sich durch die Aussetzung insofern beschwert, als darin zugleich angekündigt werde, die Referenzgruppe nach Inkrafttreten einer Gesetzesänderung weiter anzuwenden.

6 Mit Beschwerdebescheid vom 4. August 2023 hob das Bundesministerium der Verteidigung die Referenzgruppe vom 10. Januar 2023 auf. Zur Begründung verwies es auf das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage. Dem Antragsteller wurde die Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zugesprochen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig erklärt. Entsprechende Kosten wurden von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Bundesverwaltungsgerichts mit Beschluss vom 27. September 2023 - 1 W-AV 4.23 - festgesetzt.

7 Mit einem weiteren Beschwerdebescheid vom 15. August 2023 wies das Bundesministerium der Verteidigung die "Beschwerde vom 20. April 2023" gegen die Aussetzung der Anwendung der Referenzgruppe als unzulässig zurück. Es fehle an einer Beschwer des Antragstellers, weil bereits nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. November 2022 - 1 WB 21.21 - eine Förderung nach dem Referenzgruppenmodell bis zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage nicht möglich sei und die Mitteilung der Aussetzung der Referenzgruppe deshalb nur deklaratorischen Charakter habe.

8 Hiergegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18. September 2023 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. In der Sache beantragte er zuletzt mit Schriftsatz vom 16. Januar 2024, das Bundesministerium der Verteidigung "zu verpflichten, dafür Sorge zu tragen", dass für ihn "unter Kassation der bisherigen Dokumente ... eine Referenzgruppe aufgesetzt wird, welche insbesondere angesichts des Totalausfalls der Laufbahnnachzeichnung" seine "Schadlosstellung adressiert durch Ermittlung der Zeitpunkte", zu denen er "spätestens hätte weitergefördert werden müssen".

9 Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung dem Senat mit einer Stellungnahme vom 12. Oktober 2023 vorgelegt. Es ist der Auffassung, dass Verfahrensgegenstand nur die Aussetzung der Anwendung der Referenzgruppe sei, die sich mit der erfolgten Aufhebung der Referenzgruppe erledigt habe. Soweit es dem Antragsteller außerdem um die (weitere) Neubildung einer Referenzgruppe gehe, sei dies eine im Wehrbeschwerderecht unzulässige Klageänderung.

10 Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18. September 2024 teilte der Antragsteller mit, dass mit Schreiben des Bundesamts für das Personalmanagement vom 28. Februar 2024 eine weitere Neufassung der Referenzgruppe und mit Schreiben vom 29. Februar 2024 seine fiktive Versetzung auf einen Dienstposten der Besoldungsgruppe A 13g rückwirkend zum 22. Dezember 2023 erfolgt seien. Ende Juni 2024 sei er zum Stabshauptmann befördert und rückwirkend zum 1. April 2024 in die entsprechende Planstelle eingewiesen worden. Mit Ende seiner Beurlaubung zum 1. Oktober 2024 werde er auf einen A 13g-Dienstposten beim ... versetzt.

11 Im Hinblick darauf, dass er das Spitzenamt seiner Laufbahn erreicht habe und damit eine Referenzgruppe - auch wegen des Endes der Beurlaubung - nicht mehr erforderlich sei, erklärt der Antragsteller mit dem Schriftsatz vom 18. September 2024 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragt, wegen der - wenn auch um Jahre verspäteten - Abhilfe dem Bund die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

12 Das Bundesministerium der Verteidigung hat sich mit Schreiben vom 20. September 2024 der Erledigungserklärung unter Verwahrung gegen die Kostentragung angeschlossen. Es verweist hierzu auf sein bisheriges Vorbringen.

II

13 Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 21 Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 22. April 2008 - 1 WB 4.08 - Rn. 8 m. w. N.).

14 Wird dem Rechtsschutzbegehren eines Antragstellers in vollem Umfang Rechnung getragen und dieser dadurch klaglos gestellt, so entspricht es nach ständiger Rechtsprechung des Senats der Billigkeit, die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen dem Bund aufzuerlegen (vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2022 - 1 WB 22.22 - juris Rn. 7 m. w. N.). Ein solcher Fall ist hier gegeben.

15 1. Entgegen der Annahme des Bundesministeriums der Verteidigung ist Gegenstand des vorliegenden Wehrbeschwerdeverfahrens nicht die Aussetzung der Referenzgruppe.

16 a) Mit dem Schreiben seines Bevollmächtigten vom 20. April 2023 hat der Antragsteller ausdrücklich keine selbständige zusätzliche Beschwerde erhoben, sondern die Aussetzung der Referenzgruppe in sein schon laufendes - mit den Schreiben seines Bevollmächtigten vom 28. März 2023 und 3. April 2023 eingeleitetes - Beschwerdeverfahren einbezogen. Auch in der Sache hat sich der Antragsteller nicht gegen die Aussetzung als solche, sondern gegen die Absicht der Personalführung gewandt, die angefochtene Referenzgruppe nach Inkrafttreten der erforderlichen Rechtsgrundlagen wieder anzuwenden.

17 b) Gegenstand des Verfahrens ist vielmehr weiterhin die mit den Schreiben vom 28. März 2023 und 3. April 2023 erhobene Beschwerde gegen die Referenzgruppe vom 10. Januar 2023.

18 Auch insoweit verkürzt das Bundesministerium der Verteidigung allerdings unzulässig das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers, wenn es die Beschwerde mit der Aufhebung der Referenzgruppe für erledigt hält. Dem Antragsteller ging es mit seiner Beschwerde um eine neue, für ihn günstigere Referenzgruppe als die - von ihm für rechtswidrig erachtete - Referenzgruppe vom 10. Januar 2023. Die Aufhebung dieser Referenzgruppe (durch den Beschwerdebescheid vom 4. August 2023) stellt insoweit nur einen Zwischenschritt dar, nach dem der Antragsteller zunächst sogar schlechter steht, weil ohne eine wirksame Referenzgruppe eine Förderung nach dem Referenzgruppenmodell überhaupt nicht möglich ist. Eine Erledigung der Beschwerde kann deshalb erst mit der Neubildung einer Referenzgruppe vorliegen. Dieser zweite - und für den Antragsteller eigentlich bedeutsame - Schritt wurde weder durch den Beschwerdebescheid vom 4. August 2023 noch durch den weiteren Beschwerdebescheid vom 15. August 2023 vollzogen.

19 2. Da das Bundesministerium der Verteidigung die Angelegenheit mit den beiden von ihm erlassenen Beschwerdebescheiden für vollständig bearbeitet hielt, durfte der Antragsteller den Beschwerdebescheid vom 15. August 2023 zum Anlass nehmen, den noch offenen Verpflichtungsteil seiner Beschwerde mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung weiterzuverfolgen (§ 21 Abs. 1 WBO). Dem bis dahin noch offenen Verpflichtungsbegehren ist mit der unter dem 28. Februar 2024 mitgeteilten Neubildung der Referenzgruppe Rechnung getragen worden. Die Beschwerde des Antragstellers vom 28. März 2023 und 3. April 2023 ist damit vollständig erledigt.

20 Da der Beschwerde auf diese Weise vollständig abgeholfen wurde, ist es angemessen, den Bund mit den Kosten des Verfahrens zu belasten. Ob und ggf. inwieweit bei der Erstattung die bereits mit dem Beschluss vom 27. September 2023 - 1 W-AV 4.23 - festgesetzten Kosten zu berücksichtigen sind, ist nicht Gegenstand der vorliegenden Kostengrundentscheidung, sondern wird im Kostenfestsetzungsverfahren durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle zu prüfen sein.