Beschluss vom 03.01.2020 -
BVerwG 4 BN 25.19ECLI:DE:BVerwG:2020:030120B4BN25.19.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 03.01.2020 - 4 BN 25.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:030120B4BN25.19.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 25.19

  • OVG Lüneburg - 11.12.2018 - AZ: OVG 1 KN 185/16

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. Januar 2020
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz und Prof. Dr. Külpmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2018 wird verworfen. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu je 1/2.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird für jeden Antragsteller auf 20 000 € und insgesamt auf 40 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützten Beschwerden bleiben ohne Erfolg.

2 1. Die Beschwerde der Beigeladenen ist unzulässig. Sie wurde entgegen § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils begründet. Das angegriffene Urteil ist der Beigeladenen am 15. Januar 2019 zugestellt worden. Die Begründungsfrist nach § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO endete damit gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB mit Ablauf des 15. März 2019. Die Beschwerdebegründung der Beigeladenen ist beim Oberverwaltungsgericht aber erst am Montag, den 18. März 2019, eingegangen.

3 2. Die Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet.

4 a) Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts verstieß das Planaufstellungsverfahren gegen § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB (UA S. 13). Die Beschwerde möchte insoweit der Sache nach rechtsgrundsätzlich klären lassen,
ob das Absehen von einer Beteiligung nach § 4a Abs. 3 Satz 4 BauGB nach einer Änderung des Bauleitplanentwurfs, welche die Grundzüge der Planung nicht berührt, ohne Weiteres negative Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Bebauungsplanes hat, sowie,
ob Verletzungen der Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 4a Abs. 3 BauGB nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a BauGB unbeachtlich sind, wenn bei einer unterlassenen erneuten Beteiligung ohnehin nur ein einzelner Träger öffentlicher Belange im Sinne der Vorschrift erneut zu beteiligen gewesen wäre.

5 aa) Die erste Frage zielt auf die Voraussetzungen, unter denen von einer erneuten Auslegung des Bauleitplanentwurfs und einer erneuten Einholung von Stellungnahmen abgesehen werden kann. Sie bedarf keiner Klärung, weil sie bereits rechtsgrundsätzlich geklärt ist.

6 Nach § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB ist der Entwurf eines Bauleitplans erneut auszulegen und sind die Stellungnahmen erneut einzuholen, wenn er nach dem Verfahren nach § 3 Abs. 2 BauGB oder § 4 Abs. 2 BauGB geändert oder ergänzt wird. Die Pflicht zu einer erneuten Auslegung besteht, wenn der Entwurf des Bauleitplans mit den seinen normativen Inhalt ausmachenden zeichnerischen und textlichen Festsetzungen geändert oder ergänzt wird (BVerwG, Urteil vom 8. März 2017 - 4 CN 1.16 - BVerwGE 158, 182 Rn. 16 m.w.N.). Im Grundsatz löst jede Änderung oder Ergänzung des Entwurfs die Pflicht zur Wiederholung der Auslegung aus (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 18. April 2016 - 4 BN 9.16 - ZfBR 2016, 589 Rn. 4, vom 29. Juni 2017 - 4 BN 37.16 - Buchholz 406.11 § 3 BauGB Nr. 21 Rn. 8 und vom 31. Juli 2018 - 4 BN 41.17 - juris Rn. 6). Werden die Grundzüge der Planung nicht berührt, kann nach § 4a Abs. 3 Satz 4 BauGB die Einholung der Stellungnahmen auf die von der Änderung oder Ergänzung betroffene Öffentlichkeit sowie die berührten Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange beschränkt werden. Auch in einem solchen Fall besteht damit eine Pflicht zur erneuten Beteiligung, wenn auch in eingeschränktem Umfang.

7 Allerdings ist das Beteiligungsverfahren nicht um seiner selbst willen zu betreiben (BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2009 - 4 C 16.07 - BVerwGE 133, 98 Rn. 40 und Beschluss vom 8. März 2010 - 4 BN 42.09 - Buchholz 406.11 § 4a BauGB Nr. 1 Rn. 11). Hat eine nach öffentlicher Auslegung vorgenommene Ergänzung einer Festsetzung lediglich klarstellende Bedeutung, so besteht kein Anlass zu einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung oder einer erneuten Beteiligung von Behörden und Trägern öffentlicher Belange, denn inhaltlich ändert sich am Planentwurf nichts. Entsprechendes gilt, wenn der Entwurf nach der Auslegung in Punkten geändert wird, zu denen die betroffenen Bürger, Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange zuvor bereits Gelegenheit zur Stellungnahme hatten, die Änderungen auf einem ausdrücklichen Vorschlag eines Betroffenen beruhen und Dritte hierdurch nicht abwägungsrelevant berührt werden (BVerwG, Beschlüsse vom 18. Dezember 1987 - 4 NB 2.87 - NVwZ 1988, 822 <823>, vom 18. April 2016 - 4 BN 9.16 - ZfBR 2016, 589 Rn. 4 und vom 31. Juli 2018 - 4 BN 41.17 - juris Rn. 6).

8 Weitergehenden rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie beschränkt sich auf eine Kritik an der Rechtsanwendung im Einzelfall, wenn sie dem Oberverwaltungsgericht vorwirft, die Voraussetzungen für das vollständige Absehen von einem Beteiligungsverfahren nicht geprüft zu haben (vgl. Beschwerdebegründung S. 21).

9 bb) Die zweite Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, weil ihre Beantwortung nicht entscheidungserheblich wäre. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht angenommen, dass nur eine einzelne Person oder ein einziger Träger öffentlicher Belange erneut zu beteiligen gewesen wäre. Es ist vielmehr davon ausgegangen, es habe "zumindest" einer erneuten Beteiligung der Umweltverbände und des Landkreises bedurft (UA S. 13). Daran geht die Beschwerde vorbei.

10 b) Das Oberverwaltungsgericht hat seine Entscheidung zur Unwirksamkeit des angegriffenen Bebauungsplans im Übrigen - jeweils selbständig tragend - mit Fehlern bei der Ausfertigung (UA S. 10 f.), der Bekanntmachung der Arten umweltbezogener Informationen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB (UA S. 12 f.) und Verstößen gegen die Anforderungen an einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan nach § 12 BauGB (UA S. 14 f.) begründet.

11 Auf die insoweit geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO kommt es nicht an. Ist eine vorinstanzliche Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn in Bezug auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. Dezember 2016 - 3 B 38.16 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 3 und vom 2. August 2018 - 4 B 15.17 - juris Rn. 7). Die Beschwerde hat indes hinsichtlich des Verstoßes gegen § 4a Abs. 3 BauGB keinen Grund für die Zulassung der Revision dargelegt.

12 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 ZPO, die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.