Beschluss vom 03.06.2020 -
BVerwG 8 B 14.20ECLI:DE:BVerwG:2020:030620B8B14.20.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 03.06.2020 - 8 B 14.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:030620B8B14.20.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 14.20

  • VG Cottbus - 27.12.2019 - AZ: VG 1 K 148/11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. Juni 2020
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack
beschlossen:

  1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 27. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 26 683,01 € festgesetzt.

Gründe

1 Die klagende Gemeinde wendet sich gegen zwei Bescheide, mit denen die Beklagte festgestellt hat, zwei Grundstücke auf der Gemarkung der Klägerin seien von einer verfolgungsbedingten Maßnahme nach § 1 Abs. 6 VermG betroffen gewesen. Die Beklagte sei hinsichtlich dieser Grundstücke anteilig Berechtigte im Sinne von § 2 Abs. 1 VermG und habe daher einen diesem Anteil entsprechenden Anspruch auf Auskehr der bei der Veräußerung der Grundstücke erzielten Erlöse. Ansprüche der Klägerin auf einen Wertausgleich, eine Gegenleistung oder einen Ablösebetrag bestünden nicht.

2 Das Verwaltungsgericht hat die gegen diese Bescheide gerichtete Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete, auf sämtliche Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

3 1. Das gilt zunächst hinsichtlich der angestrebten Grundsatzrevision (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, wenn die Rechtssache eine Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - gegebenenfalls erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern diese Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten steht und dies zu einer Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus führen wird. Der Rechtsmittelführer hat darzulegen, dass diese Voraussetzungen vorliegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Sie formuliert bereits keine klärungsbedürftige Frage, sondern beschränkt sich darauf, das angefochtene Urteil in der Art eines zugelassenen oder zulassungsfreien Rechtsmittels zu kritisieren und ihm insbesondere eine aus Sicht der Klägerin fehlerhafte Anwendung der Vorschriften über die Umwandlung bergrechtlicher Gewerkschaften in dem Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften vom 5. Juli 1934 (RGBl. I S. 569) i.V.m. Art. 4 §§ 4 ff. der Zweiten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften vom 17. Mai 1935 (RGBl. I S. 721) vorzuhalten.

4 Der Zulassung der Grundsatzrevision steht zudem entgegen, dass es sich bei den genannten Vorschriften um ausgelaufenes Recht handelt. Sie wurden zwar, wie sich auch aus § 7 Abs. 1 des Handelsrechtlichen Bereinigungsgesetzes vom 18. April 1950 (BGBl. I S. 90) ergibt, zunächst gemäß Art. 125 GG Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO), sind aber spätestens durch § 46 des Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften vom 12. November 1956 (BGBl. I S. 644) - wenn auch unter weitgehender Beibehaltung ihres Regelungsgehalts in Nachfolgevorschriften (vgl. BT-Drs. 2/2402, S. 11) - aufgehoben worden.

5 Fragen, die ausgelaufenes Recht zum Gegenstand haben, rechtfertigen entsprechend dem Zweck der Grundsatzrevision, eine für die Zukunft richtungsweisende Klärung des geltenden Rechts herbeizuführen, regelmäßig - und so auch hier - nicht die Zulassung der Grundsatzrevision. Eine Zulassung der Revision kommt bei solchen Fragen nur ausnahmsweise in Betracht, wenn sie sich zu den Nachfolgevorschriften offensichtlich in gleicher Weise stellen oder wenn ihre Beantwortung für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist. Für das Vorliegen einer solchen Sachlage ist der Beschwerdeführer darlegungspflichtig (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2017 - 8 B 70.16 - juris Rn. 4). An einem nach diesen Maßstäben fortbestehenden Klärungsbedarf fehlt es hier, weil die Vorschriften über die Umwandlung bergrechtlicher Gewerkschaften insgesamt ausgelaufenes Recht darstellen. Denn nach § 163 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 Bundesberggesetz (BBergG) war eine derartige Umwandlung nur bis zum 1. Januar 1986, ausnahmsweise bis zum 1. Januar 1994 möglich; die zu diesen Zeitpunkten noch bestehenden Gewerkschaften sind kraft Gesetzes aufgelöst. Bergrechtliche Gewerkschaften existieren daher seit geraumer Zeit nicht mehr, so dass auch ihre Umwandlung nicht mehr in Betracht kommt. Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, dass sich hierzu gleichwohl noch klärungsbedürftige Rechtsfragen stellen könnten.

6 2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Eine Divergenz ist nicht dargelegt. Dieser Zulassungsgrund ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das bloße Aufzeigen einer vermeintlich fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht aufgestellt hat, genügt den Darlegungsanforderungen einer Divergenzrüge nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13. April 2012 - 8 B 86.11 - Buchholz 430.4 Berufsständisches Versorgungsrecht Nr. 54 Rn. 12 und vom 26. Juli 2016 - 10 B 15.15 - juris Rn. 5 je m.w.N.). So aber liegt der Fall hier. Die Beschwerde benennt keine divergierenden Rechtssätze, sondern beanstandet lediglich einen vermeintlichen Verstoß des angefochtenen Urteils gegen die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu §§ 30 und 30a VermG entwickelten Grundsätze.

7 3. Die Revision ist schließlich nicht wegen eines als Verfahrensfehler gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO einzuordnenden Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Fehler in der Sachverhalts- oder Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich grundsätzlich dem sachlichen Recht und nicht dem Verfahrensrecht zuzuordnen. Die Freiheit der richterlichen Überzeugungsbildung ist erst dann überschritten, wenn das Gericht seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen oder sonst von objektiver Willkür geprägt sind. Diese Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz können als Verfahrensmängel gerügt werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2018 - 8 B 12.18 - juris Rn. 23 m.w.N.).

8 Die Klägerin legt einen solchen als Verfahrensfehler einzuordnenden Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nicht dar. Ihr Vorbringen erschöpft sich vielmehr in der Kritik an der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht. Die von der Beschwerde behauptete unzureichende Berücksichtigung der §§ 30 und 30a VermG in dem angefochtenen Urteil führt weder auf eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes noch auf einen sonstigen Verfahrensfehler. Entsprechendes gilt für den mehrfachen Hinweis der Klägerin auf vermeintliche Verstöße des Verwaltungsgerichts "gegen die allgemeinen Sachverhalts- und Beweisgrundsätze".

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.