Beschluss vom 04.04.2007 -
BVerwG 2 WDB 7.06ECLI:DE:BVerwG:2007:040407B2WDB7.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.04.2007 - 2 WDB 7.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:040407B2WDB7.06.0]

Beschluss

BVerwG 2 WDB 7.06

In der Disziplinarsache hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
am 4. April 2007 beschlossen:

  1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Verfahrens werden dem früheren Soldaten auferlegt.

Gründe

I

1 Der 60 Jahre alte frühere Soldat ist ehemaliger Berufssoldat im Dienstgrad eines Generalleutnants a.D. Er war zuletzt Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres. Mit Urkunde des Bundespräsidenten vom 26. Januar 2006, die ihm vom Bundesminister der Verteidigung am folgenden Tag ausgehändigt wurde, wurde er gemäß § 50 SG in den einstweiligen Ruhestand versetzt; er gilt mit Ablauf des 5. Dezember 2008 als endgültig in den Ruhestand versetzt. Der frühere Soldat hatte gegen die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand beim Verwaltungsgericht K. Klage erhoben. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht K. durch Beschluss vom 2. Juni 2006 (Az.: 27 L 519/06) den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Das Oberverwaltungsgericht für das Land N. hat die dagegen eingelegte Beschwerde des früheren Soldaten mit Beschluss vom 19. September 2006 (Az.: 1 B 1141/06) zurückgewiesen.

2 Durch Verfügung vom 11. Mai 2006, die dem Bevollmächtigten des früheren Soldaten am 17. Mai 2006 zugestellt wurde, stellte der Bundesminister der Verteidigung die aufgenommenen disziplinaren Vorermittlungen gegen den früheren Soldaten ein. Gleichzeitig lehnte er die vom früheren Soldaten nach § 95 Abs. 1 WDO beantragte Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens ab und stellte ein Dienstvergehen fest. Dazu wird in der Begründung ausgeführt:
„I.
Die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Streitkräfteamtes (WDA SKA) hatte im Juni 2005 zunächst gegen zwei studierende Soldaten der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr H. - Leutnant (Lt) G. und Oberfähnrich (OFhr) K. - wegen des Verdachts sexistischer, rassistischer und extremistischer Äußerungen disziplinare Vorermittlungen aufgenommen und diese Ende 2005 auf Lt Christopher R., Ihren Sohn, ausgedehnt.
Im Dezember 2005 wurde ich darüber in Kenntnis gesetzt, Sie hätten von Generalleutnant (GenLt) D., dem damaligen Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis (InspSKB), einen internen Vermerk der WDA SKA über den Stand der disziplinaren Vorermittlungen gegen die drei studierenden Soldaten erhalten und diesen Vermerk anschließend Ihrem Sohn zur Kenntnis gegeben. Daraufhin habe ich die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Inspekteurs der Marine (WDA InspM) ersucht, zur Vorbereitung meiner Entschließung über die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen Sie disziplinare Vorermittlungen gemäß § 92 Abs. 1 der Wehrdisziplinarordnung (WDO) vorzunehmen.
Sie sind zwischenzeitlich durch den Bundespräsidenten mit Urkunde vom 26.01.2006, Ihnen ausgehändigt am 27.01.2006, in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden.
Mit Schreiben vom 26.01.2006 haben Sie beantragt, gegen sich ein gerichtliches Disziplinarverfahren gemäß § 95 Abs. 1 WDO einzuleiten (sog. Selbstreinigungsverfahren).

II


Nach den Ermittlungen des WDA InspM, Ihrer ihm gegenüber abgegebenen Einlassung vom 22.12.2005, Ihrem Vorbringen in Ihrer Antragsschrift vom 26.01.2006 sowie Ihrer durch Ihre Verfahrensbevollmächtigten für Sie abgegebenen abschließenden Äußerung vom 13.03.2006 ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Am Nachmittag des 19.10.2005 hatte der Amtschef SKA, Konteradmiral Di., als zuständige Einleitungsbehörde GenLt D., der in seiner damaligen dienstlichen Stellung als InspSKB die zuständige höhere Einleitungsbehörde für die studierenden Soldaten der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr H. war, zum aktuellen Stand der laufenden disziplinaren Vorermittlungen gegen Ihren Sohn sowie Lt G. und OFhr K. vorgetragen; ihm wurde hierbei ein als ‚Persönlich! Personalangelegenheit!’ gekennzeichneter interner - nicht für die Akten bestimmter - Vermerk der WDA SKA vom 17.10.2005 mit dem damaligen Zwischenstand der Ermittlungen übergeben. Am Vormittag des 21.10.2005 bat GenLt D. Sie zu einem kurzen Gespräch in sein Büro, um Sie mündlich über Inhalt und Stand der gegen Ihren Sohn geführten disziplinaren Vorermittlungen - u.a. wegen der Vorwürfe, Ihr Sohn habe im Beisein von Kameraden die Äußerung ‚Zyklon B - Über sechs Millionen zufriedene Kunden’ getätigt und zu Beginn einer Klausur seine Kommilitonen mit ‚Sieg Heil’ begrüßt - zu informieren. Sie traten den gegen Ihren Sohn erhobenen Vorwürfen entgegen. Zudem übten Sie gegenüber GenLt D. Kritik an der Art und Weise der gegen Ihren Sohn geführten disziplinaren Vorermittlungen (‚... Untätigkeit und Unfähigkeit von Vorgesetzten ...’, ‚... Versagen aller Zwischenvorgesetzten ...’). Schließlich dankten Sie GenLt D. für seine Information und äußerten ihm gegenüber - vor dem Hintergrund Ihrer Absicht, Ihren Sohn an diesem Wochenende (22./23.10.2005) zu Hause zu den Vorwürfen befragen zu wollen - sinngemäß ‚Ich täte mich dabei allerdings deutlich leichter, wenn ich wisse, was ihm konkret und im Einzelnen angelastet werde’.
Am Nachmittag des 21.10.2005 übergab GenLt D. Ihnen vor Beginn einer Tagung des Deutschen Bundeswehrverbandes für Generale/Admirale der Bundeswehr in B. sodann in einem verschlossenen Umschlag den internen Vermerk der WDA SKA vom 17. 10.2005, welchen er mit dem Zusatz ‚Lieber J., wie besprochen der Zwischenstand zu Deiner persönlichen Kenntnis. Dein Heiner. 21/10’ versehen hatte. Dennoch händigten Sie Ihrem Sohn am Nachmittag des 22. Oktober 2005 den Vermerk der WDA SKA vom 17.10.2005 vollständig - zumindest vorübergehend - zur Kenntnisnahme (‚zum Lesen’) aus. Er erfuhr auf diese Weise von Art, Umfang und Stand sowohl der gegen Lt G. und OFhr K. - Dritten - als auch der gegen ihn selbst geführten disziplinaren Vorermittlungen.

III


Im Rahmen der abschließenden Äußerung vom 13.03. 2006 haben Sie sich über Ihren Verfahrensbevollmächtigten zu dem gegen Sie erhobenen Vorwurf eingelassen, ohne dass dies Sie jedoch davon zu entlasten vermag.
Soweit Sie nunmehr angeben, Ihrem Sohn nur die diesen selbst betreffenden Seiten 4 bis 6 des Vermerks der WDA SKA vom 17.10.2005 vorgelegt zu haben, vermag ich dem aufgrund der Äußerungen Ihres Sohnes gegenüber dem in seinem Verfahren ermittelnden WDA, Oberregierungsrat B., aber auch des Inhalts Ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 22.12.2005, die Sie am selben Tage gegenüber dem WDA InspM zum Gegenstand Ihrer Aussage gemacht haben, nicht zu folgen. Oberregierungsrat B. hat in einem Vermerk vom 17.11.2005 über die Vernehmung Ihres Sohnes als Soldat in H. am 15.11.2005 u.a. festgehalten:
‚Im Zuge dieser Vernehmung erklärte er mir gegenüber, dass er meinen, an die Amtsführung gerichteten und mit dem Hinweis ,Nicht für die Akten’ versehenen Vermerk vom 17. Oktober inhaltlich kenne.
Auf meine Nachfrage, ob er diesen Vermerk vollumfänglich oder nur auszugsweise kenne, erklärte er, dass er den gesamten Inhalt des Vermerks kenne. Als ich ausdrücklich und gezielt noch einmal nachfragte, ob er auch die in diesem Vermerk festgehaltenen, zu diesem Zeitpunkt gegen Leutnant G. und Oberfähnrich K. erhobenen Vorwürfe kenne, bestätigte er dies.
Leutnant R. sah sich in diesem Vermerk vorverurteilt, da die Formulierung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht - wie im Falle der ebenfalls verdächtigten Soldaten Leutnant G. und Oberfähnrich K. - mit dem Satz ,Der Soldat ist hinreichend verdächtig, seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt zu haben’ eingeleitet worden sei. Darüber hinaus seien die gegen ihn erhobenen Vorwürfe - ebenfalls im Gegensatz zu den gegen Leutnant G. und Oberfähnrich K. formulierten Vorwürfen - im Indikativ formuliert worden.’
Sie selbst haben sich auf Seite 3 Ihrer Stellungnahme vom 22.12.2005 wie folgt geäußert:
‚... konfrontierte ich dann meinen Sohn mit dem ‚Zwischenstand der Ermittlungen’. Die Unterlagen bestanden aus einzelnen losen Blättern. Ich gab meinem Sohn die Blätter, die ihn betrafen, in meinem Beisein zum Lesen. Da dazwischen allerdings auch Angaben über die beiden anderen beschuldigten Offiziere zu finden waren, ließ sich ein Blick darauf nicht ganz vermeiden ...
Im Nachhinein räume ich ein, dass ich die Abschnitte mit Ausführungen über die beiden anderen Offiziere aus formalen Gründen vorher hätte schwärzen sollen. In der Erregung des gesamten Geschehens und unter hohem Zeitdruck ... bin ich auf diesen Gedanken allerdings nicht gekommen.’
Angesichts der - von Oberregierungsrat B. in seinem Vermerk vom 17.11.2005 festgehaltenen - Äußerungen Ihres Sohnes zu seiner vollumfänglichen Kenntnis des Vermerks der WDA SKA vom 17.10.2005 sowie zu dort verwendeten unterschiedlichen Formulierungen, aber auch der Ausführungen in Ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 22.12.2005 sehe ich Ihre im Rahmen der abschließenden Äußerung vom 13.03.2006 zu diesem Aspekt gegebene Darstellung des Sachverhalts als zweifelsfrei widerlegt an.
Ihre weitere Einlassung, Sie hätten GenLt D. nicht ausdrücklich um die Weitergabe des Vermerks der WDA SKA vom 17.10.2005 ‚nachgesucht’, vermag ich zwar nicht zu widerlegen. Entscheidend allerdings und nach meiner Bewertung auch völlig ausreichend erscheint jedoch Ihre sinngemäße und von ihnen selbst eingeräumte Äußerung ‚Ich täte mich dabei allerdings deutlich leichter, wenn ich wisse, was ihm konkret und im Einzelnen angelastet werde’ am Ende des vormittäglichen Geprächs am 21.10. 2005, wodurch GenLt D. sich zu der späteren Weitergabe des Vermerks veranlasst sah.
Soweit Sie sich zudem eingelassen haben, Sie hätten sich mit der Information Ihres Sohnes weder über den ausdrücklichen Willen von GenLt D. hinweggesetzt noch ohne dessen Kenntnis gehandelt, folge ich dem nicht, sondern bewerte dies vielmehr als reine Schutzbehauptung. GenLt D. hat sich diesbezüglich sowohl in seiner Vernehmung als Soldat am 22.12.2005 gegenüber dem WDA InspM als auch - nahezu wortgleich - in seinem Antrag auf Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahren gegen sich vom 29.01.2006 wie folgt geäußert:
‚Es trifft zu, dass ich meinem Kameraden, GenLt R., den Vermerk der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Streitkräfteamtes vom 17.10. 2005, der die Vorermittlungen gegen seinen Sohn, Lt R., betraf, ausdrücklich zum ausschließlichen persönlichen Gebrauch überlassen habe. Mir ging es allein darum, einem Kameraden-Vater Gelegenheit zu geben, auf seinen Sohn im Sinne der Sache positiv einzuwirken. Dazu sollte er die Angelegenheit nicht nur aus der subjektiven Sicht seines Sohnes kennen, sondern den zur Last gelegten Sachverhalt gemäß dem Stand der Ermittlungen.
Nicht im Entferntesten habe ich damit gerechnet, dass der gesamte Inhalt des Vermerks dem Sohn R. bekannt werden könnte, denn ich hatte keinen Grund, nicht darauf zu vertrauen, dass mein ausdrücklicher Hinweis auf den ausdrücklich persönlichen Gebrauch beachtet würde.’
Dass Ihr Verhalten im Widerspruch zu dem ausdrücklichen, Ihnen gegenüber eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck gebrachten Willen von GenLt D. gestanden hat, steht danach zu meiner vollen Überzeugung fest. Nichts anderes gilt auch hinsichtlich des Umstands, dass Ihnen bereits aufgrund Ihrer unmittelbaren Vorverwendungen - als Kommandeur der 7. Panzerdivision sowie als Amtschef Heeresamt waren Sie jeweils selbst Einleitungsbehörde - jederzeit bekannt war, dass Sie nicht berechtigt waren, Ihren Sohn über den Stand der Ermittlungen gegen Lt G. und OFhr K. - aber auch ihn selbst - zu informieren.
IV.
Ihr Verhalten ist dienstrechtlich wie folgt zu bewerten:
Indem Sie einen Unbefugten, Ihren Sohn, über den Sachstand der Ermittlungen - zumindest hinsichtlich der beiden ebenfalls von disziplinaren Vorermittlungen betroffenen studierenden Soldaten (Dritte) der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr H. - informierten, die Ihnen vertraulich zur persönlichen Kenntnis überlassenen Informationen an Ihren Sohn weitergaben und damit zumindest den Anspruch von Lt G. und OFhr K. auf vertrauliche Behandlung ihrer Disziplinar- bzw. Personalangelegenheiten verletzten, des weiteren das Vertrauen von GenLt D. in Ihre Verschwiegenheit missachteten sowie die störungsfreie Durchführung geordneter förmlicher Verfahren - entgegen der Pflicht, zu jeder Zeit zur Funktionsfähigkeit der Bundeswehr beizutragen und insbesondere solche Handlungen zu unterlassen, die Sie aufgrund der Ihnen übertragenen Funktion gerade zu verhindern haben - gefährdeten, haben Sie vorsätzlich gegen die Ihnen obliegenden Dienstpflichten zur Verschwiegenheit (§ 14 Abs. 1 des Soldatengesetzes [SG]), zur Kameradschaft sowohl gegenüber Lt G. und OFhr K. als auch GenLt D. (§ 12 Satz 2 SG), zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten (§ 17 Abs. 2 SG) und zum treuen Dienen (§ 7 SG) verstoßen und damit - als Vorgesetzter in Haltung und Pflichterfüllung ein schlechtes Beispiel gebend (§ 10 Abs. 1 SG) - insgesamt schuldhaft ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen.
Dieses Dienstvergehen wird von mir als so schwerwiegend eingestuft, dass ich es angesichts Ihrer damaligen Funktion und Ihres Dienstgrades an sich nur mit einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme angemessen geahndet erachte. Zu Ihren Gunsten ist dabei neben Ihrem bisherigen langjährigen, untadeligen soldatischen Verhalten auch zu berücksichtigen, dass Sie Ihr Fehlverhalten gegenüber dem mit den Vorermittlungen betrauten WDA InspM zumindest im Kern von Anfang an eingeräumt haben. Bemerkenswert ist allerdings die Hartnäckigkeit, mit der Sie an der irrigen Auffassung festhalten, GenLt D. sei geradezu aufgrund seiner Kameradschaftspflicht verpflichtet gewesen, Ihnen Mitteilung von dem fraglichen Vorgang zu machen.
Die Verhängung eines hier vorrangig in Betracht kommenden Beförderungsverbots ist gegen Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit möglich (§ 58 Abs. 1 WDO), allerdings nach § 58 Abs. 2 WDO gesetzlich ausgeschlossen gegen Soldaten im Ruhestand; diese können gerichtlich entweder mit der Aberkennung des Ruhegehalts (§ 65 WDO), der Dienstgradherabsetzung (§ 62 WDO) oder der Kürzung des Ruhegehalts (§ 64 WDO) gemaßregelt werden.
Da die Verhängung eines Beförderungsverbots nach Ihrer zwischenzeitlich erfolgten Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ausgeschlossen ist und ich eine Kürzung des Ruhegehalts als nächstniedrigere Maßnahme nicht für geboten halte, weil Ihre vorzeitige Zurruhesetzung bereits erhebliche dauerhafte Auswirkungen auf Ihre Versorgungsbezüge hat, war von der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen Sie abzusehen.
Das disziplinare Vorermittlungsverfahren war daher unter der Feststellung, dass Sie ein Dienstvergehen begangen haben, einzustellen.“

3 Der Bevollmächtigte des früheren Soldaten beantragte beim Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 30. Mai 2006, das am selben Tag per Telefax eingegangen ist,
die Einstellungsverfügung des Bundesministers der Verteidigung vom 11. Mai 2006 insoweit aufzuheben, als nach Ziffer 2 die Begehung eines Dienstvergehens festgestellt worden ist.

4 Er begründete seinen Antrag im Wesentlichen wie folgt:
Die rechtliche Würdigung in der Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2006 sei unzutreffend, weil sie in den entscheidenden Punkten auf einem nicht richtig dargestellten Sachverhalt beruhe. So seien die letzten fünf Zeilen des Sachverhalts unter „II.“ insofern richtig zu stellen, als der frühere Soldat seinem Sohn, Leutnant R., lediglich die Seiten 4 bis 6 des Vermerks des Wehrdisziplinaranwalts vom 17. Oktober 2005 durch kurze Überlassung „zum Lesen“ zur Kenntnis gebracht habe. Das beweise die eidesstattliche Versicherung des früheren Soldaten vom 29. Juni 2006. Dem Beweisantritt in Form der Vernehmung des Sohnes als Zeuge sei - pflichtwidrig - nicht nachgegangen worden. Da auf Seite 4 des Vermerks der betroffene Soldat nicht namentlich benannt sei, habe aus den dortigen Vorwürfen kein unmittelbarer Bezug zu der Person eines der beiden betroffenen Soldaten hergestellt werden können. Außerdem seien ihm die den beiden (anderen) Soldaten gemachten Vorwürfe bereits bekannt gewesen. Einen Vorteil aus der Kenntnisnahme von den bisher ihm nicht bekannten Vorwürfen habe Leutnant R. nicht gezogen; jene hätten ihm vor einer möglichen Vernehmung ohnehin eröffnet werden müssen. Die Funktionsfähigkeit einer unabhängigen Rechtspflege in der Bundeswehr sei dadurch nicht beeinträchtigt worden.

5 In der Ansicht des Bundesminister der Verteidigung, dass auch im Fall einer nur teilweisen Weitergabe des Vermerks eine Dienstpflichtverletzung gegeben sei, liege nicht nur eine ergänzende disziplinarrechtliche Würdigung, sondern eine unzulässige Unterstellung eines alternativen Sachverhalts, der durch den Bundesminister der Verteidigung auf Grundlage der Ermittlungsergebnisse gerade nicht festgestellt worden sei.

6 Der Vorwurf, dass das Verhalten des früheren Soldaten gegen den eindeutigen und unmissverständlich zum Ausdruck gebrachten Willen des Generalleutnants D. verstoßen habe, sei nicht berechtigt. Denn Letztgenannter sei sich bei der Weitergabe des Vermerks bewusst gewesen, dass der frühere Soldat seinem Sohn die gegen jenen erhobenen Anschuldigungen zur Kenntnis bringen würde und wollte; aus diesem Grund habe er dem früheren Soldaten eine Ablichtung davon - mit dem Hinweis zum „persönlichen Gebrauch“ - an die Hand gegeben. Er habe - zumindest konkludent - gebilligt, dass der frühere Soldat seinem Sohn die darin erhobenen Vorwürfe zur Kenntnis bringen wolle. Davon zu trennen sei die berechtigte Aussage des Generalleutnants D., er habe nicht im Entferntesten damit gerechnet, dass der „gesamte Inhalt des Vermerks“ Leutnant R. bekannt werden könnte; genau dies sei wegen der auf die Seiten 4 bis 6 des Vermerks beschränkten Überlassung gerade nicht erfolgt. Selbst der Generalinspekteur der Bundeswehr, dem Generalleutnant D. zuvor seine Absicht der Überlassung des Vermerks an den früheren Soldaten gemeldet habe, habe dazu keinerlei Bedenken geäußert; das zeige, dass selbst der ranghöchste Soldat die Weitergabe des Vermerks für problemfrei erachtet habe. Dabei sei zu beachten, dass jener nach dem „Berliner Erlass“ vom 21. Januar 2005 Fachvorgesetzter der Inspekteure sei. Hätte er auch nur den geringsten Zweifel an der Berechtigung zur Weitergabe des Vermerks an den früheren Soldaten gehabt, hätte er intervenieren müssen.

7 Das Verhalten des früheren Soldaten stelle keinen Eingriff in ein geordnetes Disziplinarverfahren dar, weil sowohl die Meldung des Amtschefs Streitkräfteamt an seinen vorgesetzten Inspekteur als auch die abgesetzte Meldung über ein „Besonderes Vorkommnis“ keine Verfahrensschritte in einem Disziplinarverfahren darstellten, sondern allgemein truppendienstlicher Natur seien. Dem früheren Soldaten die Hintergründe für ein „Besonderes Vorkommnis“ und eine Leitungsvorlage vorzuenthalten, die sich lediglich aus der verwandtschaftlichen Beziehung des Beschuldigten (Leutnant R.) zu ihm ergaben, wäre fürsorgewidrig gewesen.

8 Der frühere Soldat sei als Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres regelmäßig über wesentliche Personalvorgänge aller Heeresangehörigen - einschließlich disziplinarer Vorgänge von Bedeutung - unterrichtet worden. Bei den in der Meldung des Streitkräfteamtes erwähnten Soldaten habe es sich ausschließlich um Offiziere bzw. Offizieranwärter des Heeres gehandelt, die zwar für ihr Studium zur Streitkräftebasis versetzt worden seien, aber in der generellen Personalobhut der Teilstreitkraft Heer verblieben seien; es sei deshalb unerfindlich, warum dem früheren Soldaten als Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres die Meldung des Streitkräfteamtes über diese Soldaten nicht hätte zugänglich gemacht werden sollen. Aus der Dienstbeschreibung der Funktion und Aufgaben des Stellvertreters des Inspekteurs des Heeres vom 26. April 2001 ergebe sich die Unterrichtungsbefugnis des früheren Soldaten. Es existierten keine dienstlichen Angelegenheiten von Heeressoldaten bzw. Heeresuniformträgern, die dem Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres vorzuenthalten seien. Die diesem obliegenden Aufgaben im Bereich des Personalwesens würden durch die unter dem vor- und vorvorletzten Spiegelstrich genannten Aufgaben in der Dienstbeschreibung in keiner Weise eingeschränkt.

9 Vom Bundesminister der Verteidigung sei nicht berücksichtigt worden, dass eine offenkundig in mehrfacher Hinsicht fehlerhafte Meldung, die in dieser Form nicht hätte vorgelegt und zur Grundlage einer Unterrichtung der Leitung gemacht werden dürfen, ein wesentlicher Grund für die Intervention des Inspekteurs der Streitkräftebasis und des früheren Soldaten gewesen sei. Der Hinweis auf vorgebliche Zuständigkeiten nach der Wehrdisziplinarordnung könne diese Mängel nicht heilen und gehe an der Sache vorbei.

10 Das Disziplinarverfahren leide an einem erheblichen Mangel, da die Beteiligungsrechte nach § 27 SBG missachtet worden seien. Da das Verfahren auf die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens gerichtet gewesen sei, hätte die Vertrauensperson nach § 27 Abs. 2 SBG im Rahmen der Ermittlungen vom Wehrdisziplinaranwalt angehört werden müssen.

11 Der Bundeswehrdisziplinaranwalt beantragt,
den Antrag des früheren Soldaten zurückzuweisen.

12 Er hat sich die vom Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - in diesem Verfahren erstellten Stellungnahmen zu eigen gemacht. Dieser wiederholt und vertieft im Wesentlichen die Ausführungen in der Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2006.

II

13 Der Antrag des früheren Soldaten, mit dem er sich gegen die Feststellung eines Dienstvergehens in der Verfügung des Bundesministers der Verteidigung vom 11. Mai 2006 wendet, hat keinen Erfolg.

14 1. Die Entscheidung des Senats ergeht gemäß § 113 Satz 2 i.V.m. § 92 Abs. 4 Satz 2, § 42 Nr. 3 Satz 2 und § 95 Abs. 2 WDO durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung. Von einer mündlichen Verhandlung nach § 113 Satz 1 WDO hat der Senat abgesehen, weil der Sachverhalt - soweit entscheidungserheblich - geklärt ist und den Verfahrensbeteiligten hinreichend Gelegenheit gegeben worden ist, ihre unterschiedlichen Rechtsauffassungen darzulegen und dazu wechselseitig Stellung zu nehmen. Davon haben sie auch Gebrauch gemacht. Es ist nicht ersichtlich, dass von den Verfahrensbeteiligten noch weitere Ausführungen beabsichtigt sind.

15 2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist statthaft (§ 92 Abs. 4 Satz 1 und 2 WDO bzw. § 95 Abs. 2 i.V.m. § 92 Abs. 4 Satz 1 und 2 WDO). Auch im Übrigen bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen seine Zulässigkeit. Insbesondere ist der Antrag nicht verfristet.

16 Nach § 92 Abs. 4 Satz 3 WDO ist der Antrag zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung über die Feststellung eines Dienstvergehens zu stellen. Eine solche Zustellung ist ausweislich der dem Senat vorliegenden Akten zwar - entgegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 5 bzw. § 95 Abs. 1 Satz 3 WDO - nicht direkt an den früheren Soldaten, sondern ausweislich der bei den vom Bundesminister der Verteidigung vorgelegten Verwaltungsvorgängen befindlichen Zustellungsurkunde am 17. Mai 2006 lediglich an seinen Bevollmächtigten erfolgt. Dieser Zustellungsmangel wurde aber gemäß § 5 Abs. 3 WDO dadurch geheilt, dass der frühere Soldat - wie er selbst nicht in Zweifel zieht - die Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2006 tatsächlich über seinen Bevollmächtigten erhalten hat, den er daraufhin beauftragte, „namens und in Vollmacht des früheren Soldaten“ das vorliegende Verfahren mit dem am 30. Mai 2006 per Telefax beim Bundesverwaltungsgericht (§ 112 Satz 1 WDO) eingegangenen Antrag einzuleiten. Zu diesem Zeitpunkt war die Zwei-Wochen-Frist des § 92 Abs. 4 Satz 3 WDO jedenfalls noch nicht abgelaufen.

17 3. Der Antrag ist nicht begründet. Die Feststellung eines Dienstvergehens des früheren Soldaten durch den Bundesminister der Verteidigung ist rechtmäßig und verletzt den früheren Soldaten nicht in seinen Rechten.

18 a) Der Senat hat folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:
Die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Streitkräfteamtes hatte gegen drei studierende Offiziere der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr H., neben Leutnant G. und Oberfähnrich K. auch Leutnant R. - Sohn des Stellvertreters des Inspekteurs des Heeres, Generalleutnant R. -, disziplinare Vorermittlungen aufgenommen. Gegen Leutnant R. bestand u.a. der Verdacht, im Beisein von Kameraden „Sieg Heil, Kameraden!“ gesagt zu haben. Der Wehrdisziplinaranwalt, Oberregierungsrat B., fertigte mit Datum vom 17. Oktober 2005 einen Vermerk für den Amtschef Streitkräfteamt, Konteradmiral Di., als Einleitungsbehörde über den damaligen Sachstand, den er mit der Aufschrift „NICHT ZU DEN AKTEN! Information für die Amtsführung“ sowie „Persönlich! Personalangelegenheit!“ versah. Am 19. Oktober 2005 informierte der Amtschef Generalleutnant D. in dessen Eigenschaft als vorgesetzte (höhere) Einleitungsbehörde über den aktuellen Kenntnisstand hinsichtlich des Vorermittlungsverfahrens gegen Leutnant R. und teilte ihm mit, dass er wegen der „Sieg Heil, Kameraden!“-Äußerung die Meldung eines „Besonderen Vorkommnisses“ für unumgänglich halte. Ferner fragte er Generalleutnant D., ob er es für angebracht halte, den früheren Soldaten darüber zu informieren, dass gegen dessen Sohn ermittelt werde, wobei auf den Inhalt der Vorwürfe nicht eingegangen werden sollte. Nach einer längeren Diskussion entschied Generalleutnant D., „die Leitung“ (des Bundesministeriums der Verteidigung) über eine Leitungsvorlage zu unterrichten; eine förmliche Meldung als „Besonders Vorkommnis“ hielt er unter diesen Umständen für nicht erforderlich. Generalleutnant D. bat den Amtschef zwecks Erstellung der Leitungsvorlage um entsprechende schriftliche Unterlagen. Nach Vortrag des Bevollmächtigten des Generalleutnants D. kündigte Generalleutnant D. in dieser Besprechung an, den früheren Soldaten informieren zu wollen.

19 Der Amtschef teilte nach dieser Besprechung dem ermittelnden Wehrdisziplinaranwalt, Oberregierungsrat B., unter anderem die Absicht des Generalleutnant D. mit, den früheren Soldaten über die Angelegenheit zu informieren, eine Leitungsvorlage zu erstellen und auf das Absetzen eines „Besonderen Vorkommnisses“ zu verzichten. Oberregierungsrat B. unterrichtete daraufhin den Leiter der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Streitkräfteamtes, Leitender Regierungsdirektor H., teilte diesem seine gegen die Absicht des Generalleutnants D. bestehenden Bedenken mit und bat ihn um Unterstützung. Dieser wiederum informierte am 19. Oktober 2005 den Rechtsberater des Inspekteurs der Streitkräftebasis, Ministerialrat Dr. P., über den Sachverhalt, der daraufhin mit Generalleutnant D. am Abend des 19. Oktober 2005 im Beisein des Leitenden Regierungsdirektors H. ein Telefonat führte. Generalleutnant D. hat durch seinen Bevollmächtigten vortragen lassen, dass dieses Telefonat nur kurz gewesen sei und sich lediglich auf allgemeine Aspekte des Falles und die erwogene Leitungsvorlage bezogen habe. Die Weitergabe des Vermerks an den früheren Soldaten sei auch nicht andeutungsweise angesprochen worden. Ministerialrat Dr. P. habe gegenüber Generalleutnant D. hinsichtlich des Vorhabens, den früheren Soldaten zu informieren, keine Bedenken geäußert.

20 Der Amtschef legte Generalleutnant D. mit Schreiben vom 20. Oktober 2005 eine Kopie des Vermerks des Wehrdisziplinaranwalts vom 17. Oktober 2005 vor. Zugleich teilte er ihm unter anderem mit, dass er in eigener Zuständigkeit entschieden habe, in dieser Angelegenheit eine förmliche Meldung nach der ZDv 10/13 absetzen zu lassen.

21 Am Vormittag des 21. Oktober 2005 bat Generalleutnant D. den - ihm seit vielen Jahren bekannten - früheren Soldaten in sein Büro im Gebäude 520 auf dem Gelände des Bundesministeriums der Verteidigung in Bonn zu einem Gespräch. Er teilte ihm mit, dass gegen dessen Sohn, Leutnant R., schwerwiegende Vorwürfe erhoben würden, (insbesondere) rechtsradikalem Gedankengut anzuhängen und zu Beginn einer Prüfungsarbeit einen Kommilitonen mit „Sieg Heil!“ begrüßt zu haben. Der frühere Soldat hielt diese Vorwürfe für haltlos und kritisierte den aus seiner Sicht „grotesken“ Verfahrensablauf. Ferner dankte der frühere Soldat für die Information und bat eindringlich, zunächst keine weiteren Maßnahmen zu ergreifen; zumindest möge Generalleutnant D. das kommende Wochenende abwarten, weil er seinen dann zu Hause weilenden Sohn zu den Vorwürfen befragen und Generalleutnant D. am folgenden Montag dazu berichten wolle. Wegen des aus seiner Sicht erfolgten Versagens aller Zwischenvorgesetzten sei zumindest Generalleutnant D. zum Eingreifen verpflichtet, weil ein junger Offizier zu Unrecht in schwerwiegender Weise beschuldigt werde. Des Weiteren sagte der frühere Soldat (sinngemäß): „Ich täte mich dabei allerdings deutlich leichter, wenn ich wüsste, was ihm konkret und im Einzelnen angelastet wird.“ Generalleutnant D. entgegnete, dass ihn die Äußerungen seines Kameraden nicht unbeeindruckt gelassen hätten und dass er sich überlegen werde, was zu tun sei; sie sähen sich ja wenige Stunden später bei der sog. Generals-/Admiralstagung des Deutschen Bundeswehrverbandes in B..

22 Am Nachmittag desselben Tages übergab Generalleutnant D. dem früheren Soldaten in B. vor Beginn der Tagung des Deutschen Bundeswehrverbandes einen verschlossenen Umschlag mit dem darauf befindlichen Vermerk „Lieber J., wie besprochen der Zwischenstand zu Deiner persönlichen Kenntnis. Dein Heiner. 21/10“. Darin befand sich - zumindest - eine Kopie des Vermerks des Wehrdisziplinaranwalts vom 17. Oktober 2005

23 Am Nachmittag des 22. Oktober 2005 berichtete der frühere Soldat seinem Sohn, Leutnant R., im Arbeitszimmer seines Hauses in Alfter zunächst ausführlich über sein Gespräch mit Generalleutnant D. am Vortag im Bundesministerium der Verteidigung, das gegen Leutnant R. gerichtete disziplinare Vorwürfe, die Meldung eines „Besonderen Vorkommnisses“ sowie die Erstellung einer sog. Leitungsvorlage zum Inhalt gehabt hatte.

24 Er händigte ihm daraufhin die Seiten 4 bis 6 dieses Vermerks mit der Aufschrift „NICHT ZU DEN AKTEN! Information für die Amtsführung“ sowie „Persönlich! Personalangelegenheit!“ zum Lesen aus und nahm sie unmittelbar danach wieder an sich.

25 Die Sachverhaltsfeststellungen des Senats beruhen auf der im vorliegenden Verfahren vom Ministerium vorgelegten und dem früheren Soldaten bekannten schriftlichen Stellungnahme des Generalleutnants D., die dieser gegenüber der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Inspekteurs der Marine unter dem 22. Dezember 2005 abgegeben hatte, sowie den Einlassungen des früheren Soldaten, ferner der Darstellung in seiner „eidesstattlichen Erklärung“ vom 29. Juni 2006 und der Darstellung des Leutnants R. in dessen „eidesstattlichen Erklärung“ vom 23. September 2006. Unstreitig ist danach, dass der frühere Soldat seinem Sohn zumindest Teile des Vermerks des Wehrdisziplinaranwalts für den Bereich des Streitkräfteamtes vom 17. Oktober 2005, nämlich die Seiten 4 bis 6, zum Lesen aushändigte und ihn damit zumindest über den Stand der diesen betreffenden Vorermittlungen informierte. Außerdem ist unstreitig, dass sich auf Seite 4 Vorwürfe einen anderen Soldaten betreffend (Oberfähnrich K.) befanden, wobei dort aber keine Namensnennung erfolgte. Der Senat hat keine Veranlassung, an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben des früheren Soldaten sowie der diesbezüglichen - entscheidungserheblichen - Einlassungen des Generalleutnants D. zu zweifeln. Die mehrseitige schriftliche Schilderung des früheren Soldaten, die zirka zwei Monate nach dem Geschehen und damit relativ zeitnah erfolgte, ist konkret, detailreich und anschaulich. Entscheidungserhebliche Lücken in der Sachverhaltsdarstellung sind nicht erkennbar und auch vom früheren Soldaten nicht geltend gemacht. In dieser Stellungnahme berichtet der frühere Soldat detailliert über seine - auf das hier in Rede stehende Geschehen bezogenen - Gespräche mit Generalleutnant D. und mit seinem Sohn, Leutnant R., sowie mit anderen Kameraden (u.a. Brigadegeneral Do.). Er gibt dabei auch Einzelheiten hinsichtlich seiner Gesprächsbeiträge und die seiner Gesprächspartner wieder, äußert sich zu seiner Gefühlslage und seinen emotionalen Reaktionen. Die Darstellung ist innerlich folgerichtig und psychologisch stimmig. Die Aussage ist auch „individuell“. Sie geht relativ ausführlich auf die eigenen Empfindungen und Reaktionen ein. Dabei hat sich der frühere Soldat auch nicht gescheut, eigene Fehler einzuräumen, deren Existenz für ihn möglicherweise nachteilig sein könnte (z.B. hinsichtlich des unterbliebenen Schwärzens von Textpassagen, welche die neben seinem Sohn beschuldigten anderen Soldaten betreffen). Für die Glaubhaftigkeit seiner Ausführungen spricht ferner, dass er dabei auch auf Interaktionen „unbeteiligter“ Personen (z.B. des Rechtsberaters des Inspekteurs des Heeres, Ministerialrat G.) Bezug genommen hat, deren Richtigkeit relativ leicht überprüfbar war und ihn damit - im Falle einer inhaltlichen Unrichtigkeit - der Gefahr aussetzten, der unwahren Aussage überführt zu werden. Zudem werden die - entscheidungserheblichen - Angaben des früheren Soldaten durch die Einlassungen des Generalleutnants D. im Kern bestätigt. Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des früheren Soldaten ist zu berücksichtigen, dass es sich einerseits um einen hohen Offizier in herausgehobener Position im Bundesministerium der Verteidigung handelte, der bisher straf- und disziplinarrechtlich unbelastet gewesen ist. Andererseits könnte ein Eigeninteresse an einer bestimmten Sicht der Dinge bestehen, weil sowohl er als auch sein Sohn - jeweils als Beschuldigte in ihren Verfahren - in das Geschehen involviert sind. Auch die lange Verbundenheit mit Generalleutnant D., die über das bloß Kameradschaftliche (wohl) hinausgeht, könnte zu einer emotional beeinflussten Sachdarstellung geführt haben. Schließlich ist zu bedenken, dass das Schreiben, dem die Informationen entnommen sind, im Zuge einer Vernehmung als Soldat durch die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Inspekteurs der Marine entstanden ist und damit gewisse „Rechtfertigungselemente“ enthalten könnte.

26 Konkrete Anhaltspunkte für eine bewusste oder unbewusste Verfälschung der Tatsachenlage sind aber nicht erkennbar.

27 Die Schilderung des objektiven Geschehensverlaufs wird hinsichtlich der entscheidungserheblichen Umstände durch die Einlassungen des Generalleutnants D. bestätigt. Dieser hat in seiner - ebenfalls zwei Monate nach dem Vorfall erfolgten - Vernehmung vor der ermittelnden Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Inspekteurs der Marine am 22. Dezember 2005 sowie in seinem Schreiben vom 29. Januar 2006 unmissverständlich eingeräumt, dem früheren Soldaten den Vermerk vom 17. Oktober 2005 übergeben zu haben. Dabei hat er als Motiv für sein Handeln angegeben, einem „Kameradenvater“ die Gelegenheit geben zu wollen, auf dessen Sohn „im Sinne der Sache“ positiv einzuwirken. Jener habe die Angelegenheit nicht nur aus der subjektiven Sicht des Sohnes kennen sollen, sondern auch den zur Last gelegten Stand der Ermittlungen. Die inhaltliche Richtigkeit der in der vorerwähnten schriftlichen Stellungnahme des früheren Soldten enthaltenen Angaben ergibt sich mittelbar auch aus der Einlassung des Generalleutnants D., nicht im Entferntesten damit gerechnet zu haben, dass der gesamte Inhalt des Vermerks durch den früheren Soldaten dessen Sohn Leutnant R. bekannt werden könnte; denn der frühere Soldat habe als ehemaliger Divisionskommandeur wissen müssen, wie mit Papieren der Wehrdisziplinaranwaltschaft umzugehen sei.

28 b) Mit dem festgestellten Verhalten hat der frühere Soldat gemäß § 23 Abs. 1 SG ein Dienstvergehen begangen. Er hat schuldhaft jedenfalls seine Dienstpflicht nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SG verletzt, über die ihm bei seiner dienstlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren.

29 Bei den Informationen über den Stand der Vorermittlungen gegen seinen Sohn durch die mündliche Unterrichtung am Vormittag des 21. Oktober 2005 im Bundesministerium der Verteidigung und durch den Erhalt einer Kopie des Vermerks vom 17. Oktober 2005 von Generalleutnant D. während der Tagung des Deutschen Bundeswehrverbandes am Nachmittag desselben Tages in B. handelte es sich um Angelegenheiten, die dem früheren Soldaten in seiner dienstlichen Tätigkeit bekannt geworden sind. Der frühere Soldat händigte seinem Sohn die Seiten 4 bis 6 des kopierten Vermerks vom 17. Oktober 2005 unberechtigterweise aus.

30 Der Umstand, dass Leutnant R. als Empfänger dieser Informationen und der Seiten 4 bis 6 des kopierten Vermerks zum Tatzeitpunkt ebenfalls Soldat war, ändert daran nichts. Denn die Verschwiegenheitspflicht des § 14 Abs. 1 Satz 1 SG besteht im militärischen Bereich auch gegenüber Kameraden (vgl. u.a. Urteil vom 11. Oktober 1984 - BVerwG 2 WD 56.83 -).

31 Der Ausschlusstatbestand i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 2 SG liegt in keiner Variante vor.

32 Die erste Variante scheidet aus, weil unter „Mitteilungen im dienstlichen Verkehr“ nur Auskünfte an Personen oder Dienststellen verstanden werden, die mit der Sache unmittelbar befasst sind (vgl. auch Nr. 2.1 ZDv 14/3 B 166) Das war bei Leutnant R. nicht der Fall. Sein Verhalten war Gegenstand der dienstlich u.a. gegen ihn geführten Vorermittlungen. Er war damit aber dienstlich, d.h. in Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben nicht befasst.

33 Es handelt sich bei den weitergegebenen Informationen aus dem Vermerk mit den Zusätzen „NICHT ZU DEN AKTEN! Information für die Amtsführung“ sowie „Persönlich! Personalangelegenheit!“ aufgrund des ersichtlich vertraulichen Charakters sowie wegen der Vertraulichkeit von Disziplinarangelegenheiten im Allgemeinen auch nicht um offenkundige Tatsachen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Alternative 2 SG). Darunter fallen nur Angelegenheiten, die allgemein bekannt sind oder die jedermann auf allgemein zugänglichen Wegen (z.B. aus der Presse und anderen Medien, aus der Fachliteratur, elektronischen Datenbanken etc.; vgl. dazu auch Scherer/Alff, SG, 7. Aufl. 2003, § 14 Rn. 5) erfahren kann (vgl. Nr. 2.2 ZDv 14/3 B 166). Dies war hinsichtlich des vom früheren Soldaten weitergegebenen Inhalts des Vermerks nicht der Fall.

34 Schließlich sind die weitergebenen Informationen aus den vorgenannten Gründen nicht als Tatsachen zu qualifizieren, die ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Dazu zählen nur solche Vorgänge, durch deren Bekanntwerden keine dienstlichen Interessen berührt (vgl. Nr. 2.3 ZDv 14/3 B 166; Scherer/Alff, a.a.O., § 14 Rn. 6 m.w.N.), d.h. beeinträchtigt werden. Disziplinarsachen gehören zu den Personalangelegenheiten eines Soldaten, dessen durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) besonders geschützte private Sphäre durch solche Vorgänge weitgehend berührt wird (vgl. auch § 50 Abs. 2 Satz 2 und § 105 Abs. 1 Satz 1 WDO). Aus diesem Grunde bedürfen sie - wie alle Personalangelegenheiten - einer vertraulichen Behandlung und dürfen als personenbezogene Daten nur auf gesetzlicher Grundlage unter strikter Beachtung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung offenbart werden. Disziplinarsachen genießen deshalb sowohl im persönlich-privaten Interesse des betroffenen Soldaten als auch im dienstlichen Interesse einen besonderen Vertraulichkeitsschutz (vgl. auch Erlass „Auskünfte über Disziplinarmaßnahmen“, in ZDv 14/3 B 114; Beschluss vom 19. August 1964 - BVerwG 6 B 15.62 - BVerwGE 19, 179 <185>; Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 9 Rn. 2 m.w.N.).

35 Ein (objektiver) Verstoß gegen § 14 Abs. 1 SG liegt daher vor.

36 Der frühere Soldat kann sich auch nicht auf Umstände berufen, die sein Verhalten rechtfertigten.

37 Der bei Straftaten gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtfertigungsgrund der mutmaßlichen Einwilligung des Verletzten (dazu Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl. 2007, vor § 32 Rn. 4 m.w.N.) greift vorliegend nicht ein. Denn dieser Rechtfertigungsgrund setzt jedenfalls voraus, dass der Betroffene über das Rechtsgut überhaupt verfügen darf (Tröndle/Fischer, a.a.O., Rn. 3b zur Einwilligung). Das ist hier nicht der Fall. Disziplinarsachen genießen, wie bereits dargelegt, sowohl im persönlich-privaten Interesse des betroffenen Soldaten als auch im dienstlichen Interesse einen besonderen Vertraulichkeitsschutz (vgl. auch ZDv 14/3 B 114; Beschluss vom 19. August 1964 a.a.O.; Dau, a.a.O.). Selbst wenn also im vorliegenden Fall der von den disziplinaren Vorermittlungen betroffene Leutnant R. der Übermittlung seiner personenbezogenen Daten zugestimmt hätte oder damit mutmaßlich einverstanden gewesen wäre, reichte dies für die Annahme eines Rechtfertigungsgrundes nicht aus. Weder Leutnant R. noch sein Vater, der frühere Soldat, konnten über die - im dienstlichen und damit öffentlichen Interesse - geschützten Rechtsgüter verfügen.

38 Das festgestellte und gegen § 14 Abs. 1 SG verstoßende Verhalten des früheren Soldaten war auch nicht durch den Rechtfertigungsgrund einer Pflichtenkollision gerechtfertigt. Dieser Rechtfertigungsgrund wird im Bereich des Strafrechts angenommen, wenn den Handelnden mehrere sich ausschließende verschiedenwertige Handlungspflichten treffen und er die objektiv höherwertige zum Nachteil der geringerwertigen erfüllt (Tröndle/Fischer, a.a.O., Rn. 11 m.w.N.).

39 Insbesondere ergab sich eine solche Pflichtenkollision nicht aus der Pflicht zur Kameradschaft (§ 12 Satz 2 SG). Eine Pflicht des früheren Soldaten aus § 12 Satz 2 SG zur Weitergabe der Informationen gegenüber seinem Sohn bestand nicht. Nach § 12 Satz 2 Halbs. 2 SG ist ein Soldat zwar verpflichtet, seinem Kameraden „in Not und Gefahr“ beizustehen. Auf der Grundlage der Wehrdisziplinarordnung durchgeführte Vorermittlungen der zuständigen Stellen begründen jedoch eine solche „Not und Gefahr“ nicht. Dies ergibt sich bereits aus dem erkennbaren Gesetzeszweck, der insbesondere in § 12 Satz 1 SG zum Ausdruck kommt. Die Pflicht zur Kameradschaft ist zur Herbeiführung und Sicherung des Zusammenhalts der Soldaten untereinander normiert worden. Soldaten sollen insbesondere vor von Kameraden begangenen Rechtsverletzungen (vgl. § 12 Satz 2 Halbs. 1 SG) und davor geschützt werden, in für sie typischen Gefahrensituationen, vor allem im Einsatz, im Stich gelassen zu werden (vgl. § 12 Satz 2 Halbs. 2 SG). Eine solche Gefahrensituation liegt aber jedenfalls dann nicht vor, wenn gegen einen Kameraden auf der Grundlage der Wehrdisziplinarordnung disziplinare Vorermittlungen durchgeführt werden, gegen die sich der Betroffene nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften, gegebenenfalls mit Hilfe eines juristischen Beistands, selbst behaupten kann. Das Gesetz eröffnet dem Betroffenen keinen Anspruch darauf, dass ein Kamerad ihm während gegen ihn oder nahe Angehörige laufender Vorermittlungen unter Verstoß gegen Verschwiegenheitspflichten nach § 14 Abs. 1 SG Beistand leistet.

40 Auch sonstige Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich.

41 Denn er wusste, dass er seinem Sohn mit der zeitweiligen Überlassung der Seiten 4 bis 6 des Vermerks vom 17. Oktober 2005 vertrauliche Informationen übermittelte und wollte dies auch. Er handelte damit vorsätzlich.

42 Ein Vorsatzausschluss nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB („Tatbestandsirrtum“) scheidet aus, weil der frühere Soldat sämtliche zum Tatbestand des § 14 Abs. 1 Satz 1 SG gehörenden Tatumstände kannte. Er irrte nicht in tatsächlicher Hinsicht.

43 Ein die Schuld ausschließender unvermeidbarer Verbotsirrtum i.S.d. § 17 Satz 1 StGB liegt ebenfalls nicht vor. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem früheren Soldaten nach seiner Einlassung die Einsicht fehlte, Unrecht begangen zu haben. Dieser Irrtum war jedoch nicht unvermeidbar.

44 Vermeidbarkeit ist dann anzunehmen, wenn dem Täter - hier dem beschuldigten Soldaten - sein Vorhaben unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten und Kenntnisse hätte Anlass geben müssen, über dessen mögliche Rechtswidrigkeit nachzudenken oder sich zu erkundigen, und er auf diesem Wege zur Unrechtseinsicht gekommen wäre (Tröndle/Fischer a.a.O., § 17 Rn. 7 m.w.N.). An die Pflicht zu eigenständiger Prüfung sowie die gegebenenfalls bestehende Erkundigungspflicht sind strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 1966 - KRB 2/65 - BGHSt 21, 18 <20 f.>).

45 Bei ihm als hohem Offizier, der über Jahre hinweg Disziplinarvorgesetzter und zudem in seinen damaligen Funktionen als Befehlshaber im Wehrbereich III/ Kommandeur 7. Panzerdivision sowie als Amtschef Heeresamt Einleitungsbehörde war, hätten sich Zweifel regen müssen, ob angesichts der beim Umgang mit personenbezogenen Daten typischerweise bestehenden Verschwiegenheitspflicht und angesichts des das Disziplinarrecht prägenden Vertraulichkeitsgrundsatzes eine eigenmächtige Weitergabe von nicht über den Dienstweg erlangten Informationen ohne Kenntnis des ermittelnden Wehrdisziplinaranwalts rechtlich zulässig war. Dies gilt auch dann, wenn diese „nur“ an seinen Sohn gerichtet war, gegen welchen ein Vorermittlungsverfahren geführt wurde. Denn dieser Umstand ändert nichts am öffentlichen Interesse an einem von Unbeteiligten unbeeinflussten Ablauf eines Vorermittlungsverfahrens, der die Vertraulichkeit derartiger Vorgänge gewährleistet. Hätte sich der frühere Soldat alleine von dienstlichen Erwägungen leiten lassen, hätte er die disziplinare Relevanz seines Handelns erkennen können. Außerdem unterließ es der frühere Soldat, sich in ausreichendem Maß über die rechtliche Zulässigkeit seines Tuns (vorher) zu erkundigen. In einem solchen Fall hätte er Rechtsrat bei dem für ihn zuständigen Rechtsberater einholen müssen. Dies hat er aber nicht in der erforderlichen Weise getan. Dass er dem Rechtsberater des Inspekteurs des Heeres, Ministerialrat G., u.a. eine Kopie des Vermerks vom 17. Oktober 2005 und seiner Stellungnahme mit der Bitte um Bewertung und eventuelle Nachricht bei „unplausiblem oder juristisch schiefem“ Ausdruck übergab, kann ihn nicht entlasten, weil diese Bemühungen unzweifelhaft nach dem 22. Oktober 2005 stattfanden, wie seiner Stellungnahme vom 22. Dezember 2005 gegenüber der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Inspekteurs der Marine zu entnehmen ist.

46 Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum scheidet deshalb aus.

47 Weitere Schuldausschließungs- oder Entschuldigungsgründe, wie der entschuldigende Notstand (§ 35 StGB) oder die schuldausschließende Pflichtenkollision (vgl. dazu Tröndle/Fischer, a.a.O. vor § 32 Rn. 15) kommen ersichtlich nicht in Betracht. Auch der frühere Soldat hat sich hierauf nicht berufen.

48 Ob der frühere Soldat mit seinem festgestellten Verhalten auch gegen § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB sowie gegen § 9 Abs. 1 WDO und damit gegen seine Pflicht zum treuen Dienen (in Gestalt der Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung, vgl. dazu u.a. Urteile vom 16. Mai 2005 - BVerwG 2 WD 3.05 - NZWehrr 2006, 252 und vom 24. November 2005 - BVerwG 2 WD 32.04 - NZWehrr 2006, 127, jeweils m.w.N.) oder gegen seine Pflicht zur Fürsorge (§ 10 Abs. 3 SG) verstoßen hat, kann dahinstehen. Denn für die Feststellung eines Dienstvergehens reicht es aus, wenn der frühere Soldat - wie vorliegend - zumindest eine Dienstpflicht schuldhaft verletzt hat.

49 4. Nach § 139 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 WDO hat der frühere Soldat die Kosten des Verfahrens zu tragen.