Beschluss vom 04.09.2018 -
BVerwG 9 B 24.17ECLI:DE:BVerwG:2018:040918B9B24.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.09.2018 - 9 B 24.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:040918B9B24.17.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 24.17

  • VG Bayreuth - 18.12.2014 - AZ: VG B 1 K 12.71
  • VGH München - 04.04.2017 - AZ: VGH 8 B 16.43

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. September 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bick
und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Martini
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. April 2017 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 6 600 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde, die sich auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO stützt, bleibt ohne Erfolg.

2 1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

3 a) Die Frage:
Wann ist ein Bauvorhaben "vernünftigerweise geboten" im Rahmen der Planrechtfertigung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Art. 14 GG im Hinblick auf die enteignungsrechtliche Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses?
rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Denn sie ist, soweit sie sich allgemein beantworten lässt, in der Rechtsprechung bereits geklärt. Danach dient das Erfordernis einer Planrechtfertigung dem Zweck, Vorhaben, die nicht mit den Zielen des jeweiligen Fachplanungsrechts in Einklang stehen, bereits auf einer der Abwägung vorgelagerten Stufe auszuscheiden. Es handelt sich um eine praktisch nur bei groben und offensichtlichen Missgriffen wirksame Schranke der Planungshoheit. Bestand hat eine Planung daher nicht erst bei Unausweichlichkeit des Vorhabens, sondern schon dann, wenn dieses vernünftigerweise geboten ist (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteile vom 26. April 2007 - 4 C 12.05 - BVerwGE 128, 358 Rn. 45 und vom 9. November 2017 - 3 A 4.15 - juris Rn. 34; Beschlüsse vom 23. Oktober 2014 - 9 B 29.14 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 237 Rn. 4 und vom 12. Juli 2017 - 9 B 49.16 - juris Rn. 4). Dies deckt sich mit den Anforderungen, die Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG für die Zulässigkeit einer Enteignung vorgibt (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 BvR 3139/08 - BVerfGE 134, 242 Rn. 184).

4 Ob das Berufungsgericht diesen Maßstab zutreffend angewandt, insbesondere die Dringlichkeit des planfestgestellten Vorhabens überzeugend bewertet hat, ist eine Frage des Einzelfalles und hat keine darüber hinausgehende allgemeine Bedeutung. Die Kritik der Beschwerde an dem Berufungsurteil nach Art einer Berufungs- oder Revisionsbegründung ist nicht geeignet, über die vorgenannte Rechtsprechung hinaus einen grundsätzlichen Klärungsbedarf aufzuzeigen.

5 b) Ebenso wenig wirft die Frage:
Ist bei der im vorliegenden Fall streitgegenständlichen Baumaßnahme (Ortsumgehung einer Staatsstraße) der Ausbau der bestehenden Ortsdurchfahrt der Staatsstraße als Nullvariante in die Variantenprüfung im Rahmen der Planrechtfertigung, aber auch bei der Abwägung, mit einzubeziehen, und wenn ja, wann darf diese Variante gegebenenfalls im Rahmen einer Grobanalyse von der Planfeststellungsbehörde ausgeschieden werden?
einen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf.

6 Dies gilt zunächst in Zusammenhang mit der Planrechtfertigung. Im Hinblick darauf vermag die Beschwerde, wie schon erwähnt, ein Bedürfnis nach fallübergreifender Klärung nicht darzutun.

7 Was die sogenannte Grobanalyse im Rahmen der Variantenprüfung betrifft, sind die Grundsätze in der Rechtsprechung ebenfalls bereits geklärt. Bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials müssen alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativlösungen berücksichtigt werden und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingehen. Die Planfeststellungsbehörde braucht den Sachverhalt dabei aber nur so weit zu klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und eine zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist. Alternativen, die ihr aufgrund einer Grobanalyse zur Erreichung der Planungsziele weniger geeignet erscheinen, darf sie schon in einem frühen Verfahrensstadium ausscheiden. (Nur) die dann noch ernsthaft in Betracht kommenden Trassenalternativen muss sie im weiteren Planungsverfahren detaillierter untersuchen und vergleichen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 65, vom 4. April 2012 - 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 128 und vom 11. Oktober 2017 - 9 A 14.16 - DVBl 2018, 589 Rn. 132, 135 f.).

8 Geklärt ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Frage, ob für ein von der Planfeststellungsbehörde angenommenes Planungsziel ein Bedürfnis besteht und welches Gewicht ihm konkret zukommt, nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt (BVerwG, Beschluss vom 5. Dezember 2008 - 9 B 29.08 - juris Rn. 5 m.w.N.), ferner, dass von einer Alternative nicht mehr gesprochen werden kann, wenn sie im Hinblick auf die mit der Planung verfolgten Ziele auf ein anderes Projekt hinausläuft (BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 74; Beschluss vom 30. Oktober 2013 - 9 B 18.13 - juris Rn. 6).

9 Ausgehend davon betrifft die Frage, ob das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, dass der Beklagte die Beibehaltung der bisherigen Ortsdurchfahrt (Nullvariante) abwägungsfehlerfrei bereits im Rahmen der Grobanalyse ausschalten durfte, wiederum nur den Einzelfall. Nichts anderes gilt, soweit die Beschwerde geklärt wissen will, welche Prüfungen bei der Grobanalyse im frühen Planungsstadium im Einzelnen durchzuführen sind; auch dies hängt von den Umständen des jeweiligen Falles ab und lässt sich nicht allgemein beantworten.

10 2. Die Revision ist ferner nicht deshalb zuzulassen, weil das angefochtene Urteil auf einer Abweichung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO beruht. Eine Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem die Bezugsentscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 2016 - 9 B 65.15 - Buchholz 406.254 UmwRG Nr. 20 Rn. 13). Daran fehlt es hier. Soweit die Beschwerde auf eine - vermeintlich - fehlerhafte Anwendung der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung formulierten Rechtssätze hinweist, genügt dies den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht.

11 3. Schließlich ist die Revision auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

12 a) Den Darlegungen der Beschwerde ist nicht zu entnehmen, dass die Ablehnung des Beweisantrags des Klägers, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären, ob das Verkehrsgutachten gravierende fachliche und methodische Fehler aufweist, auf einem Verstoß gegen § 86 Abs. 1 und 2 VwGO beruht.

13 Die Entscheidung über einen auf Einholung eines zusätzlichen Sachverständigengutachtens gerichteten Beweisantrag steht nach § 98 VwGO in Verbindung mit § 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Tatsachengerichts. Dabei kann sich das Gericht grundsätzlich auch auf gutachterliche Stellungnahmen stützen, die die Behörde im Verwaltungsverfahren eingeholt hat, falls sich deren fehlende Eignung nicht aufdrängt. Gutachten sind dann ungeeignet, wenn sie grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, wenn sie von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder wenn Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters bestehen (s. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 8. März 2018 - 9 B 25.17 - juris Rn. 32 m.w.N.).

14 Das Berufungsgericht hat seinen in der mündlichen Verhandlung verkündeten Beschluss über die Ablehnung des Beweisantrags damit begründet, dass der Kläger die methodische Vorgehensweise des Verkehrsgutachters nicht erschüttert habe und die Beweisfrage darüber hinaus im Hinblick auf seinen eigenen Vortrag zur Entlastungswirkung des planfestgestellten Vorhabens nicht entscheidungserheblich sei. Damit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.

15 b) Das angefochtene Urteil beruht schließlich auch nicht auf einem Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil es von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht.

16 Die von der Beschwerde geltend gemachte Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes durch eine aktenwidrige Sachverhaltsfeststellung bedingt die schlüssig vorgetragene Behauptung, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben. Dieser Widerspruch muss offensichtlich sein, sodass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des Sachverhalts nicht bedarf (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. November 2013 - 9 B 14.13 - DVBl 2014, 237 Rn. 28 m.w.N.).

17 Die Beschwerdebegründung erfüllt diese Anforderungen nicht. Sie will dem Planfeststellungsbeschluss (S. 29) entnehmen, dass ein Ausbau der Staatsstraße innerhalb der Ortsdurchfahrt (sog. Nullvariante) überhaupt nicht geprüft worden sei, wohingegen der Verwaltungsgerichtshof (UA Rn. 35) - im Widerspruch dazu und damit aktenwidrig - angenommen habe, dass die Beibehaltung des bestehenden Verlaufs der Staatsstraße (erst) im Rahmen einer Grobanalyse ausgeschieden worden sei. Der angebliche Widerspruch erschließt sich indessen nicht und ist schon gar nicht offensichtlich. So übergeht die Beschwerde den Zusammenhang, in dem die von ihr zitierte Aussage des Planfeststellungsbeschlusses steht. Dort heißt es nämlich weiter, dass die Variante "Beibehaltung des bestehenden Verlaufes" für den Bereich der Ortsdurchfahrt keinerlei Entlastungswirkung erbringen würde; die mit der Planung der Umgehung verfolgten Ziele, nämlich die Verbesserung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrsablaufs, die Verbesserung der Funktion der Staatsstraße als Verbindungsweg von und nach Bayreuth, die Trennung der verschiedenen Verkehrsarten und die Entlastung der Ortsdurchfahrt vom Durchgangsverkehr könnten durch die sogenannte Nullvariante nicht erreicht werden. Dass das Berufungsgericht diese Erwägungen als Ergebnis einer "Grobanalyse" im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung eingeordnet hat, hält sich im Rahmen sachgerechter tatrichterlicher Bewertung und verletzt den Überzeugungsgrundsatz nicht.

18 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.