Beschluss vom 05.02.2024 -
BVerwG 4 BN 14.23ECLI:DE:BVerwG:2024:050224B4BN14.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.02.2024 - 4 BN 14.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:050224B4BN14.23.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 14.23

  • OVG Berlin-Brandenburg - 10.01.2023 - AZ: 10 A 3.17

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Februar 2024
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Stamm
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Januar 2023 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstands für das Beschwerdeverfahren wird auf 180 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.

2 Die geltend gemachte Divergenz führt nicht zur Zulassung der Revision.

3 Nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung (u. a.) des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Diese Abweichung setzt einen Widerspruch in einem abstrakten Rechtssatz voraus, also einen prinzipiellen Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2017 - 6 B 43.17 - ‌Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 198 Rn. 4). In der Beschwerdebegründung muss nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die Entscheidung bezeichnet werden, von der das Urteil abweicht. Der Beschwerde obliegt es, aus einer Entscheidung des Divergenzgerichts einen tragenden, abstrakten Rechtssatz zu einer revisiblen Rechtsvorschrift zu benennen und darzulegen, dass die Entscheidung der Vorinstanz auf einem abweichenden abstrakten Rechtssatz zu derselben Rechtsvorschrift beruht. Der Vorwurf, die Vorinstanz habe einen abstrakten Rechtssatz des Divergenzgerichts fehlerhaft oder gar nicht angewandt, genügt dagegen nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -‌ Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14).

4 Eine hiernach beachtliche Abweichung zu Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts legt die Beschwerde nicht dar.

5 Einer Reihe von Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts entnimmt die Beschwerde den Rechtssatz, dass die durch die Sanierungsgebietsfestlegung begründete Genehmigungspflicht nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB und die Preisprüfung nach § 153 Abs. 2 Satz 1 BauGB sich nicht wertmindernd auf die Verkehrswerte der im Sanierungsgebiet belegenen Grundstücke auswirken, sondern lediglich die Gegenwerte im Sinne von § 153 Abs. 2 Satz 1 BauGB dämpfen.

6 Zu Unrecht meint die Beschwerde, das Oberverwaltungsgericht habe sich im angegriffenen Urteil dazu in Widerspruch gesetzt, indem es von dem abstrakten Rechtssatz ausgehe, wonach mit der Sanierungsgebietsfestlegung die Verkehrswerte von in einem Sanierungsgebiet belegenen Grundstücken reduziert werden, weil nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 und § 153 Abs. 2 Satz 1 BauGB die Genehmigung der rechtsgeschäftlichen Veräußerung des Grundstücks zulasten des veräußernden Eigentümers versagt werden kann, wenn der Kaufpreis über dem sanierungsunabhängigen Ausgangswert zuzüglich der selbst bewirkten Werterhöhung liegt.

7 Ein solcher Rechtssatz, der bei der Anwendung des Gesetzes generell zu beachten sei, liegt dem angegriffenen Urteil nicht zugrunde. Der gegenteiligen Annahme stehen schon die einleitenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Genehmigungspflicht und zur Preiskontrolle unter Abschnitt B.II.1.a) der Entscheidungsgründe entgegen. Im Übrigen erwiese sich der genannte Rechtssatz auch als schwerlich nachvollziehbar. Denn der sanierungsunabhängige Ausgangswert, auf den § 153 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 BauGB Bezug nimmt, knüpft mit dem dortigen Verweis auf die "Vorschriften dieses Gesetzes" nach § 95 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 194 BauGB an den Verkehrswert (Marktwert) an. Der Ausgangswert bemisst sich nach dem - in Ergänzung zu § 95 Abs. 2 BauGB - um sanierungsbedingte Wertänderungen bereinigten Verkehrswert. Der nach Maßgabe des § 194 BauGB ermittelte Verkehrswert wird bei Einbeziehung des Grundstücks in das Sanierungsgebiet nicht gleichsam automatisch reduziert.

8 Das Oberverwaltungsgericht hat vielmehr eine Verringerung der Erlöserwartung bei der Verwertung der Grundstücke festgestellt und hat dies insoweit mit einer Reduzierung des Verkehrswerts gleichgesetzt. Diese Ausführungen sind auf die besonderen Umstände des Falles bezogen. Er ist nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts dadurch gekennzeichnet, dass der Antragsgegner den sanierungsunbeeinflussten Verkehrswert auf der Grundlage eines angesichts der Ergebnisse eines vorangegangenen Bieterverfahrens in seiner Begründung nicht überzeugenden Wertgutachtens unzureichend - und zwar zu niedrig - ermittelt habe mit der Folge, dass sich künftige Bieter im Interesse der Vermeidung eines gegebenenfalls mehrjährigen Rechtsstreits zu einer Gebotsdeckelung auf einen Wert veranlasst sähen, bei dem keine Genehmigungsverweigerung drohe. Auf diese faktischen Auswirkungen einer unzulänglichen Bemessung des Verkehrswerts durch die Antragsgegnerin bezieht sich die vom Oberverwaltungsgericht festgestellte Reduzierung der Erlöserwartung bzw. des Verkehrswerts sowie Vernichtung von Erwerbschancen bei einer Veräußerung der Grundstücke, nicht jedoch auf die durch die Festlegung des Sanierungsgebiets aktivierte Genehmigungspflicht und Preisprüfung als solche.

9 Auf das insoweit unzutreffende Verständnis des angegriffenen Urteils bezieht sich der des Weiteren als divergierend bezeichnete Rechtssatz, wonach eine durch die förmliche Festlegung eines Sanierungsgebiets herbeigeführte Verkehrswertminderung vor Festlegung des Sanierungsgebiets zu ermitteln und nach § 136 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. § 141 Abs. 1 Satz 2 BauGB entsprechend ihrem objektiven Gewicht in die Abwägung einzustellen ist.

10 Entsprechendes gilt für die Grundsatzrügen. Auch sie gehen an den maßgeblichen Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts vorbei und legen folglich die Entscheidungserheblichkeit und Klärungsfähigkeit der als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Rechtsfragen nicht dar.

11 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.