Beschluss vom 05.03.2020 -
BVerwG 20 F 3.19ECLI:DE:BVerwG:2020:050320B20F3.19.0

Leitsatz:

Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen umfasst nicht nur das Verbot des unbefugten Zugriffs auf den Inhalt von Dateien, die das Geschäftsgeheimnis enthalten, sondern auch bereits die Verhinderung des Zugangs zu äußeren Merkmalen von Dateien (wie Dateiname, Dateiendung, Dateityp, Dateigröße), aus denen sich das Geschäftsgeheimnis ableiten lässt.

  • Rechtsquellen
    VwGO § 99 Abs. 1, § 189
    GeschGehG §§ 2 und 4
    IFG §§ 1 und 6

  • VG Braunschweig - 25.09.2018 - AZ: VG 9 A 209/16
    OVG Lüneburg - 24.04.2019 - AZ: OVG 14 PS 4/19

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.03.2020 - 20 F 3.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2020:050320B20F3.19.0]

Beschluss

BVerwG 20 F 3.19

  • VG Braunschweig - 25.09.2018 - AZ: VG 9 A 209/16
  • OVG Lüneburg - 24.04.2019 - AZ: OVG 14 PS 4/19

In der Verwaltungsstreitsache hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 5. März 2020
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke
beschlossen:

  1. Auf die Beschwerden der Beklagten und der Beigeladenen zu 2 wird der Beschluss des Fachsenats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. April 2019 geändert. Der Antrag wird insgesamt abgelehnt.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2.

Gründe

I

1 Die Klägerin, ein Ingenieurbüro, begehrt in dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren von der Beklagten, einer wissenschaftlich-technischen Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Zugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu Unterlagen aus einem dort durchgeführten Verfahren über die Bauartzulassung von Geschwindigkeitsmessgeräten der Beigeladenen zu 1.

2 Nachdem das Verwaltungsgericht der Beklagten aufgegeben hatte, die Unterlagen, auf die sich das Informationsbegehren der Klägerin richtet, vorzulegen, übermittelte die Beklagte einen Teil der angeforderten Vorgänge. Hinsichtlich der übrigen Unterlagen gab die Beigeladene zu 2 unter dem 7. September 2017 eine Sperrerklärung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ab, weil diese Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthielten.

3 Mit Beschluss vom 25. September 2018 hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Einsichtnahme in die vollständigen Verfahrensakten insoweit erforderlich und erheblich für die Entscheidung des Rechtsstreits ist, als sich das Auskunftsersuchen der Klägerin auf bestimmte, im Einzelnen bezeichnete Aktenteile bezieht, und in diesem Umfang die Frage der Rechtmäßigkeit der Sperrerklärung dem Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zur Entscheidung vorgelegt.

4 Das Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 24. April 2019 festgestellt, dass die Sperrerklärung vom 7. September 2017 rechtswidrig ist, soweit sie sich auf Blatt 104 bis 107, 126 bis 127, 131 bis 133 und 161 bis 164 der ungeschwärzt vorgelegten Aktenbestandteile bezieht, und sie im Übrigen rechtmäßig ist.

5 Hiergegen richten sich die Beschwerden der Beklagten und der Beigeladenen zu 2. Sie beantragen jeweils, den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben, soweit er die Sperrerklärung für rechtswidrig erklärt, und legen hierfür ausführlich dar, warum ihrer Auffassung nach auch die im Tenor des angefochtenen Beschlusses bezeichneten Blätter geheimhaltungsbedürftige Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthielten.

6 Die Klägerin tritt dem entgegen. Sie bestreitet, dass es sich insoweit um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handele, und macht ein überwiegendes Interesse an der Offenlegung geltend.

II

7 Die zulässigen Beschwerden haben Erfolg.

8 Der Beschluss des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts ist zu ändern und der Antrag der Klägerin, die Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung der Beigeladenen zu 2 vom 7. September 2017 festzustellen, insgesamt abzulehnen.

9 1. Dem Oberverwaltungsgericht ist darin zu folgen, dass die Sperrerklärung den sich aus § 99 Abs. 1 Satz 2 ergebenden formellen Anforderungen genügt. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind nur noch wenige Unterlagen, denen sich die geltend gemachten Weigerungsgründe eindeutig zuordnen lassen.

10 2. Die Sperrerklärung ist auch hinsichtlich der vom Oberverwaltungsgericht beanstandeten geschwärzten Blätter rechtmäßig. Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, auf den sich die Beigeladene zu 2 in der Sperrerklärung beruft, bildet auch insoweit einen Grund für die Verweigerung der Aktenvorlage nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO.

11 a) Zu den Vorgängen, die gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO ihrem Wesen nach geheim zu halten sind, gehören Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 11. Oktober 2019 - 20 F 11.17 - juris Rn. 13 m.w.N.). Zu den nach Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zählen dabei alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig sind. § 2 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vom 18. April 2019 (BGBl. I S. 466 - GeschGehG) spricht von einer Information, die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist. Neben dem Mangel an Offenkundigkeit der zugrunde liegenden Informationen setzt ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an deren Nichtverbreitung voraus (§ 2 Nr. 1 Buchst. c GeschGehG). Ein solches Interesse besteht, wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen. Schutzzweck des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses ist die Verteidigung der wirtschaftlichen Stellung des Betroffenen gegenüber den Marktkonkurrenten. Erforderlich ist demnach eine Wettbewerbsrelevanz der offenzulegenden Unterlagen, die darin zum Ausdruck kommen muss, dass die Information Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist (§ 2 Nr. 1 Buchst. b GeschGehG).

12 Diese Voraussetzungen sind bei den hier strittigen Prüfunterlagen eines Bauartzulassungsverfahrens für Geschwindigkeitsmessgeräte grundsätzlich erfüllt. Dass es sich hierbei nach bisherigem Verständnis eher um ein technisches Betriebsgeheimnis handelt, ändert auch im neuen Recht an diesem Schutz nichts. Denn der Begriff des Geschäftsgeheimnisses in § 2 Nr. 1 GeschGehG umfasst nicht nur kaufmännische, sondern auch betriebstechnische Informationen (BT-Drs. 19/4724 S. 24). Die Beklagte und die Beigeladene zu 2 haben erläutert, dass der Antragsteller für eine Bauartzulassung detaillierte gerätespezifische Unterlagen, wie Konstruktionszeichnungen, Schaltpläne, Bauteillisten, Platinenlayouts und Bestückungspläne, Erläuterungen des Messprinzips und die Details seiner Umsetzung sowie den Quellcode der Messgerätesoftware, einreichen und offenlegen muss. Mit den übermittelten Unterlagen wäre ein Konkurrenzunternehmen in der Lage, das jeweilige Gerät komplett nachzubauen. Daher werden sie vom Beigeladenen zu 1 unter Verschluss gehalten.

13 Mit dem Oberverwaltungsgericht ist ferner davon auszugehen, dass die Wettbewerbsrelevanz der in den Verfahrensakten enthaltenen Informationen weiterhin gegeben ist. Das Zulassungsverfahren ist zwar seit längerem abgeschlossen; für die betroffenen Geschwindigkeitsmessgeräte wurde im September 1998 eine Bauartzulassung erteilt, der drei Nachträge, eine Neufassung sowie ein weiterer Nachtrag vom Dezember 2014 folgten. Auch wird jedenfalls das Basismodell der hier gegenständlichen Geschwindigkeitsmessgeräte nicht mehr hergestellt. Die Beigeladene zu 1 hat jedoch erklärt, dass zwei Produkte (Entfernungsmessgeräte) der Gerätefamilie, der die Geschwindigkeitsmessgeräte angehörten, weiterhin in der Produktion seien; die in der Gerätefamilie eingesetzte Technik entspreche nach wie vor in vielerlei Hinsicht dem Stand der Technik und übertreffe in einzelnen Bereichen sogar die anderer am Markt befindlicher Geräte; die Offenlegung der Informationen sei deshalb geeignet, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten, auch auf anderen Gebieten als der Geschwindigkeitsmessung, zugänglich zu machen und so die eigene Wettbewerbsposition nachteilig zu beeinflussen.

14 b) Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts sind auch die Schwärzungen auf Blatt 104 bis 107, 126 bis 127, 131 bis 133 und 161 bis 164 der strittigen Unterlagen gerechtfertigt.

15 aa) Die auf Blatt 104 bis 107, 131 bis 133 und 161 bis 164 geschwärzten Zusammenstellungen und Listen von Dateinamen, -typen und -größen einschließlich der zugehörigen Anmerkungen und Erläuterungen betreffen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen zu 1.

16 Dem Oberverwaltungsgericht ist zwar darin zuzustimmen, dass einzelne Dateinamen auf Funktionen des Geschwindigkeitsmessgeräts verweisen, deren Vorhandensein offengelegt ist. Ebenso lassen Dateiendungen den Schluss auf Programmiersprachen zu, die als solche bekannt sind. Schließlich sind auch Dateigrößen zunächst Zahlenwerte, die für sich genommen nicht zwangsläufig auf schutzwürdige Geheimnisse hindeuten. Die Beklagte und die Beigeladene zu 2 machen jedoch zu Recht geltend, dass die geschwärzten Informationen nicht isoliert, sondern in ihrem Gesamtzusammenhang und ihrem gerätespezifischen Bezug zu sehen sind und deshalb insgesamt vor einer Offenlegung zu schützen sind. Denn der Schutz des Geschäftsgeheimnisses umfasst - wie § 4 Abs. 1 Nr. 1 GeschGehG zeigt - nicht nur das Verbot des unbefugten Zugriffs auf Dateien, die das Geschäftsgeheimnis enthalten, sondern auch bereits die Verhinderung des Zugangs zu Dateien, aus denen sich das Geschäftsgeheimnis ableiten lässt. Dementsprechend sind auch die äußeren Merkmale von Dateien (wie Dateiname, Dateiendung, Dateityp und Dateigröße oder ähnliche Metadaten) geheimzuhalten, die Rückschlüsse auf das Geschäftsgeheimnis zulassen.

17 Dies betrifft zunächst die Quellcode-Dateien und den Vergleich der Softwarekomponenten zwischen alter und neuer Version des Geräts (Blatt 104 bis 107). Die Quellcode-Dateien sind für den Endnutzer weder nach Anzahl noch Name noch Größe erkennbar; der Endnutzer der Gerätesoftware kann auch nicht nachvollziehen, in welcher Programmiersprache oder Programmierumgebung diese erstellt wurde. Bereits die Kenntnis der Dateinamen (und der dahinterstehenden Programmbibliotheken) würde in diesem Bereich dem Fachmann weitreichende Schlüsse auf das vom Beigeladenen zu 1 in das Gerät investierte Know-how erlauben. Die Möglichkeit solcher Folgerungen wird verstärkt, wenn sich über die Kenntnis der Dateiendung die verwendete Programmiersprache erschließen lässt, und wird bis hin zur Erstellung eines Gesamtbilds erweitert, je mehr Dateien offengelegt sind und sich in ihren Informationen miteinander verknüpfen lassen. Schließlich sind auch Informationen über die Größe von Dateien aussagekräftig, weil sich in Kombination mit den Dateinamen Hinweise darauf ergeben, welchen Aufwand der Hersteller betrieben hat, um die mit dem Dateinamen bezeichnete Funktionalität einzufügen.

18 Vor diesem Hintergrund ist die vorgenommene weitgehende Schwärzung von Blatt 104 bis 107 zum Schutz von Betriebsgeheimnissen der Beigeladenen zu 1 gerechtfertigt. Die dortigen Aufstellungen von Dateien mit Größen- und Typangaben sind, wie die Einsicht in die dem Fachsenat vorliegenden ungeschwärzten Unterlagen zeigt, so geordnet, detailliert und aussagekräftig, dass nur eine vollständige Schwärzung der Listen- und Tabelleninhalte in Betracht kommt. Teilschwärzungen sind nicht geboten, wenn sie - wie hier - nur zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen würden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2019 - 20 F 1.19 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 78 Rn. 12 m.w.N.).

19 Gleiches gilt für die weitgehende Schwärzung von Blatt 131 bis 133 und 161 bis 162. Sie betrifft die Namen von geänderten Dateien sowie Listen von Dateien, zum Teil mit Erläuterungen der entsprechenden Funktionalitäten. Betriebsgeheimnisse enthalten auch Blatt 163 bis 164, auf denen Beschreibungen und Screenshots zum Quelltext der Gerätesoftware geschwärzt sind.

20 bb) Der Weigerungsgrund des Betriebsgeheimnisses besteht auch für Blatt 126 bis 127.

21 Es handelt sich insoweit um Folgeseiten des Datenblattes für die Laserdiode. Das Oberverwaltungsgericht hat die vollständige Schwärzung des ersten Blatts (Blatt 125) zum Schutz von Betriebsgeheimnissen der Beigeladenen zu 1 mit dem Argument gebilligt, dass die Umrahmung dieser ersten Seite die Identifikation des Bauteils zuließe. Die Seitenumrahmung, auf der die Firma des Herstellers sowie die Firma und Kontaktdaten des deutschen Vertriebs ersichtlich sind, ist jedoch auf allen drei Blättern identisch. Die Beklagte und die Beigeladene zu 2 verweisen deshalb mit Recht darauf, dass auch anhand von Blatt 126 bis 127 mit Hilfe der damaligen Produktkataloge eine Identifikation des Bauteils möglich ist. Sie machen weiter plausibel geltend, dass mit der Auswahl dieser für das Messgerät zentralen Komponente Forschungs- und Entwicklungsarbeit sowie aufwändige Versuche mit Prototypen verbunden waren, die sich ein Konkurrent mit dem Wissen um die Identität der Komponente erspare.

22 c) Der Sperrerklärung vom 7. September 2017 fehlt zwar die für die Verweigerung der Aktenvorlage grundsätzlich erforderliche Ermessensausübung. Das Oberverwaltungsgericht hat jedoch - im Einklang mit der Rechtsprechung des Fachsenats des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2008 - 20 F 2.07 - BVerwGE 130, 236 Rn. 18 ff. und 23 ff.) - zutreffend entschieden, dass im vorliegenden Fall eine solche Ermessensentscheidung ausnahmsweise entbehrlich ist.

23 Das Ergebnis der Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann in bestimmten Fallkonstellationen durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich zwingend vorgezeichnet sein (vgl. zum gesamten Folgenden BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2008 - 20 F 2.07 - BVerwGE 130, 236 Rn. 20). Dies kommt namentlich dann in Betracht, wenn ein privates Interesse an der Geheimhaltung besteht, das grundrechtlich geschützt ist. Denn Beeinträchtigungen von Grundrechten sind nur dann zulässig, wenn sie durch hinreichende, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügende Gründe gerechtfertigt werden. Die Frage nach der ausreichenden Rechtfertigung eines mit der Aktenvorlage verbundenen Grundrechtseingriffs stellt sich vor allem in Dreieckskonstellationen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass neben dem Kläger und dem beklagten Staat auch ein privater Dritter, wie hier die Beigeladene zu 1, am Prozess beteiligt ist, dessen Interessen denen des Klägers entgegengesetzt sind. In solchen Fällen sind neben dem öffentlichen und privaten Interesse an der Wahrheitsfindung und an effektivem Rechtsschutz auch die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden und seinen Inhalt prägenden widerstreitenden Individualinteressen in die Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO einzubeziehen und gegeneinander abzuwägen. Ergibt sich dabei, dass die auf die Aktenvorlage gerichteten und durch die genannten öffentlichen Interessen verstärkten privaten Interessen an Bedeutung hinter dem grundrechtlich gebotenen Geheimnisschutz zurückbleiben, muss sich dieser Schutz durchsetzen. Ebenso kann umgekehrt bei einem geringen Gewicht des Geheimhaltungsinteresses die Vorlage im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich geboten sein. In allen diesen Fällen verbleibt für die Ausübung des in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO um der Wahrheitsfindung und des effektiven Rechtsschutzes willen eröffneten Ermessens kein Raum. Dies kann bei Rechtsstreitigkeiten, die wie das Ausgangsverfahren einen Anspruch auf Informationszugang betreffen, dazu führen, dass sich das Prüfprogramm für die prozessuale Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO faktisch - nicht jedoch rechtlich - weitgehend den fachgesetzlichen Vorgaben der Hauptsache annähert.

24 Das Oberverwaltungsgericht hat, soweit es schützenswerte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen zu 1 bejaht hat, mit zutreffenden Erwägungen begründet, dass das öffentliche und private Interesse an der Wahrheitsfindung und an effektivem Rechtsschutz und das Interesse der Klägerin an dem von ihr begehrten Informationszugang (§ 1 Abs. 1 IFG) im vorliegenden Fall dem grundrechtlichen Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG) nicht gleichkommt, sondern der Grundrechtsschutz überwiegt. Diese Erwägungen gelten auch für den Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in den hier gegenständlichen Unterlagen (Blatt 104 bis 107, 126 bis 127, 131 bis 133 und 161 bis 164); zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (Seite 9 bis 11) verwiesen. Das Ergebnis entspricht - im Sinne der oben genannten faktischen Annäherung an die fachgesetzlichen Vorgaben des Hauptsacheverfahrens - der Vorschrift des § 6 Satz 2 IFG, wonach Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen nur gewährt werden darf, soweit der Betroffene eingewilligt hat; dieser, die Beigeladene zu 1, hat hier ausdrücklich einer Offenlegung widersprochen.

25 Soweit sich die Klägerin auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2009 (- 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07 - BVerfGE 123, 39) beruft, betrifft dies eine anders gelagerte Fallkonstellation. Bei den dort entschiedenen Wahlprüfungsbeschwerden ging es um die im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Wahlrechtsgrundsätze (Art. 38 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) gebotene Überprüfbarkeit rechnergesteuerter Wahlgeräte (sog. Wahlcomputer). Soweit dort grundrechtlich geschützte Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des Herstellers betroffen waren, standen ihnen - anders als im vorliegenden Fall - verfassungsunmittelbar geschützte Rechtsgüter von zentraler Bedeutung für die Demokratie gegenüber.

26 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene zu 1, die keinen eigenen Antrag gestellt und kein Rechtsmittel eingelegt hat und damit kein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist (§ 154 Abs. 3 VwGO), trägt ihre notwendigen Aufwendungen selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO).