Beschluss vom 05.07.2024 -
BVerwG 3 B 21.23ECLI:DE:BVerwG:2024:050724B3B21.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.07.2024 - 3 B 21.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:050724B3B21.23.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 21.23

  • VG Aachen - 17.04.2020 - AZ: 7 K 2805/19
  • OVG Münster - 05.09.2023 - AZ: 21 A 1461/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Juli 2024
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Sinner
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. September 2023 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 517,36 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung ausgezahlter Zuwendungen für die Förderung von Agrarumweltmaßnahmen - Blüh- und Schonstreifen - für das Verpflichtungsjahr 2017 und begehrt eine weitergehende Auszahlung.

2 Mit Zuwendungsbescheid vom 30. Dezember 2015, geändert durch Bescheid vom 5. Dezember 2017, bewilligte der Beklagte dem Kläger für einen Verpflichtungszeitraum von fünf Jahren eine Zuwendung für die Anlage von Blüh- und Schonstreifen. Nach den Richtlinien zur Förderung von Agrarumweltmaßnahmen, Runderlass des MKULNV II A 4 - 62.71 .30 vom 29. Oktober 2015 (im Folgenden: Förderrichtlinien), die Bestandteil des Zuwendungsbescheides sind, durften auf den Blüh- und Schonstreifen außer Pflegemaßnahmen und Nachsaaten keine anderweitigen Bearbeitungsmaßnahmen durchgeführt werden; sie durften außer für die genannten Maßnahmen nicht befahren werden; im Fall von Pflegemaßnahmen durften diese nicht im Zeitraum vom 1. April bis 31. Juli vorgenommen werden (Nr. 10.2.6). Mindestens in jedem zweiten Jahr war der Aufwuchs nach dem 31. Juli zu zerkleinern und ganzflächig zu verteilen (Nr. 10.2.8).

3 Am 2. und 3. August 2017 fand eine am 26. Juli 2017 angekündigte Vor-Ort-Kontrolle u. a. der Blüh- und Schonstreifen statt. Dabei stellten die Prüfer Auflagenverstöße fest; entgegen der Angabe der anwesenden Lebensgefährtin des Klägers, dass die Streifen zur Nachsaat am 1. August 2017 befahren worden seien, seien Nachsaatspuren nicht zu sehen gewesen. Nach Beanstandung des ersten Blühstreifens habe der Kläger angefangen, die restlichen Blühstreifen zu mulchen.

4 Mit Änderungs- und Rückforderungsbescheid vom 10. Dezember 2019 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Auszahlung der Zuwendung für das Verpflichtungsjahr 2017 unter Aufhebung der Auszahlungsbescheide ab und forderte die ausgezahlten Beträge zuzüglich Zinsen zurück. Durch das Befahren und Mulchen der weiteren Blühstreifen nach Feststellung des ersten Auflagenverstoßes habe der Kläger die Vor-Ort-Kontrolle unmöglich gemacht.

5 Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert, den Änderungs- und Rückforderungsbescheid vom 10. Dezember 2019 hinsichtlich der Zinsen aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Revision gegen sein Urteil hat es nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

6 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

7 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine fallübergreifende, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Frage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird. Ein Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Normauslegung oder auf der Grundlage der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. September 2023 - 3 B 44.22 - GewArch 2024, 66 Rn. 40 m. w. N.).

8 Als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet der Kläger folgende Frage:
"Kann eine Vor-Ort-Kontrolle durch eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung oder eine Maßnahme, die gesetzlich oder durch Rahmenbedingungen geboten ist, verhindert werden oder kann einem Landwirt die Durchführung einer solchen Maßnahme im Sinne eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Herbeiführens einer Verhinderung der Vor-Ort-Kontrolle zugerechnet werden?"

9 Soweit es um eine Maßnahme geht, die gesetzlich oder durch Rahmenbedingungen geboten ist, wäre die Frage für die Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erheblich. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass es nach den Förderrichtlinien oder aus einem anderen Grund geboten war, die Blüh- und Schonstreifen in der Zeit vom 1. bis 3. August 2017 und damit vor und während der am 26. Juli 2017 angekündigten Vor-Ort-Kontrolle zu mulchen. Es hat das Mulchen unter Hinweis auf Ziffer 10.2.8 der Förderrichtlinien zwar für eine zulässige oder sogar gebotene Bewirtschaftungsmaßnahme gehalten (UA S. 23); dass sofort nach dem Ende der geschützten Blühzeit (1. April bis 31. Juli) gemulcht werden musste, hat es jedoch nicht festgestellt. Hierfür gibt es auch keine Anhaltspunkte. Die Entscheidungserheblichkeit fehlt nicht nur, soweit es um die Verhinderung der Vor-Ort-Kontrolle, sondern auch, soweit es um das darauf bezogene Verschulden des Landwirts geht.

10 Soweit es um Maßnahmen der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung geht, bedarf die Frage, soweit sie einer fallübergreifenden Klärung zugänglich ist, nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist geklärt, dass der Begriff "die Durchführung einer Vor-Ort-Kontrolle unmöglich macht" in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004 mit Durchführungsbestimmungen u. a. zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem (ABl. L 141 S. 18) dahin auszulegen ist, dass davon neben vorsätzlichem Handeln jedes Tun oder Unterlassen erfasst ist, das auf Fahrlässigkeit des Betriebsinhabers oder seines Vertreters zurückgeführt werden kann und zur Folge hatte, dass die Vor-Ort-Kontrolle nicht vollständig durchgeführt werden konnte, wenn dieser Betriebsinhaber‌ oder sein Vertreter nicht alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass diese Kontrolle vollständig durchgeführt wird (EuGH, Urteil vom 16. Juni 2011 - C-536/09 [ECLI:​​EU:​​C:​​2011:​​398], Omejc - Rn. 28 ff.). Für den Begriff "die Durchführung der Vor-Ort-Kontrolle verhindert" im hier maßgeblichen Art. 59 Abs. 7 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 u. a. über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 347 S. 549), der Art. 23 Abs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 und Art. 26 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 (ABl. L 316 S. 65) nachgefolgt ist, gilt nichts Anderes. Warum von einem Betriebsinhaber oder seinem Vertreter nach Ankündigung einer Vor-Ort-Kontrolle von vornherein vernünftigerweise nicht sollte verlangt werden können, eine die Kontrolle vereitelnde Maßnahme der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung bis zur Beendigung der Kontrolle aufzuschieben, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Ob der Kläger mit dem Pflegen und Nachsäen der Blüh- und Schonstreifen vernünftigerweise bis zum Ende der angekündigten Vor-Ort-Kontrolle hätte zuwarten müssen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und ist einer fallübergreifenden Klärung nicht zugänglich (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. April 2022 - 3 C 8.21 - Buchholz 451.505 Einzelne Stützungsregelungen Nr. 9 Rn. 14, 29).

11 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 52 Abs. 3 GKG.