Beschluss vom 06.11.2012 -
BVerwG 9 BN 2.12ECLI:DE:BVerwG:2012:061112B9BN2.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 06.11.2012 - 9 BN 2.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:061112B9BN2.12.0]

Beschluss

BVerwG 9 BN 2.12

In der Normenkontrollsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. November 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Christ und Prof. Dr. Korbmacher
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Antragstellers gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. April 2012 - BVerwG 9 BN 1.12 - wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Anspruch des Antragstellers auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt (§ 152a Abs. 1 VwGO).

2 Die Rüge, der Senat hätte den Antragsteller zur Vermeidung einer gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßenden Überraschungsentscheidung darauf hinweisen müssen, dass er unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Greifswald zur abgabenrechtlichen Behandlung so genannter Altanschließer einen Gehörsverstoß des Normenkontrollgerichts verneint, geht fehl. Die Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO) soll einer Überraschungsentscheidung vorbeugen, die dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen war; sie verlangt nicht, dass das Gericht den Beteiligten vorab seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs mitteilt (stRspr, vgl. Beschluss vom 4. Oktober 2005 - BVerwG 6 B 63.05 - <insoweit nicht veröffentlicht in NVwZ-RR 2006, 786> juris Rn. 9). Der Senat hat das Vorbringen des Antragsstellers auch nicht übergangen. Der Antragsteller hat in seiner Nichtzulassungsbeschwerde eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Oberverwaltungsgericht darin gesehen, dass das Gericht nicht auf die von ihm als gleichheitswidrig gerügte Behandlung von Altanschließern eingegangen sei. Auf diesen Vortrag beziehen sich die Ausführungen des Senats in dem angegriffenen Beschluss, das Oberverwaltungsgericht Greifswald gehe in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Herstellungsbeiträge gleichermaßen von den Eigentümern altangeschlossener wie neuangeschlossener Grundstücke zu erheben seien, weshalb die Nichterwähnung dieses Aspektes angesichts der zahlreichen anderen und in erster Linie vorgebrachten Angriffe gegen die Satzung nicht den Schluss zulasse, das Gericht habe ihn nicht zur Kenntnis genommen.

3 Soweit der Antragsteller weiter rügt, wäre ihm diese Auffassung des Senats mitgeteilt worden, hätte er auf seinen Vortrag hingewiesen, wonach er als Altanschließer über in den Gebühren enthaltene Abschreibungen die Investitionen, die der Antragsgegner nach dem 3. Oktober 1990 vorgenommen habe, bereits seit Jahren tilge, während die Neuanschließer diese Tilgung nicht vorgenommen hätten, ist ein Gehörsverstoß nicht dargetan. Aus dem Umstand, dass der erkennende Senat und das Oberverwaltungsgericht nicht auch ausdrücklich auf diesen Vortrag des Antragstellers eingegangen sind, lässt sich nicht der Schluss ziehen, sie hätten ihn nicht zur Kenntnis genommen. Die von dem Antragsteller angesprochene Problematik der Doppelbelastung durch Gebühren und Beiträge kann sich im Falle eines Systemwechsels, insbesondere bei der Umstellung des Finanzierungssystems von einer Beitragsfinanzierung auf eine reine Gebührenfinanzierung sowohl der Herstellungs- als auch der laufenden Kosten einschließlich der Abschreibungen stellen, nicht dagegen dann, wenn von Anfang an der „Aufwand für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen“ (§ 9 Abs. 1 Satz 1 KAG Mecklenburg-Vorpommern - KAG M-V) durch Anschlussbeiträge finanziert wird und die gleichzeitig erhobenen Benutzungsgebühren nicht zur Refinanzierung der Herstellungskosten, sondern zur Abdeckung der übrigen Kosten der Einrichtung dienen. Mit der Rüge, eine Doppelbelastung liege darin, dass er über Abschreibungen die Investitionskosten „tilge“, übersieht der Antragsteller, dass Abschreibungen nicht der Tilgung von Herstellungskosten, sondern dazu dienen, den eintretenden Wertverzehr der Anlagegüter in der Rechnungsperiode abzugelten, um die Ersatzbeschaffung der Anlagegüter nach Ablauf ihrer Nutzungsdauer zu finanzieren (vgl. Siemers, in: Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern, Stand Juni 2012, § 6 Nr. 6.3.2.4.2.3; vgl. auch Brüning, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Bd. 1, Stand Sept. 2012, § 6 Rn. 163). Eine Doppelbelastung kann daher in der vorliegenden Konstellation allenfalls dann entstehen, wenn zu einem späteren Zeitpunkt für die Erneuerung der abgeschriebenen Anlage Beiträge ohne Anrechnung der durch Gebühren bereits finanzierten Abschreibungen erhoben werden sollten (OVG Greifswald, Urteil vom 25. Mai 2009 - 1 M 157.08 - juris Rn. 54 f.). Hierum ging es im vorliegenden Rechtsstreit jedoch nicht. Von daher ist auch nicht ersichtlich, inwiefern es im Rahmen der Beitragskalkulation zu der beanstandeten Ungleichbehandlung von „Altanschließern“ und „Neuanschließern“ gekommen sein soll. Der Antragsteller hatte dies in seinem in der Beschwerdebegründung vom 12. Januar 2012 zitierten Schriftsatz an das Oberverwaltungsgericht vom 5. Oktober 2011 auch nicht näher ausgeführt. Soweit der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 8. Oktober 2012 darauf hinweist, dass in der Globalkalkulation von der COMUNA Gesellschaft für Kommunal- und Wirtschaftsberatung mbH auch der Aufwand für künftige Investitionen enthalten ist, übersieht er, dass es sich um die künftigen Kosten der erstmaligen Herstellung der im Zeitpunkt der Beitragskalkulation noch nicht vollständig erstmalig hergestellten Gesamtanlage handelt. Dass die Globalkalkulation dagegen keine Kosten „zur Finanzierung des Aufwandes für die künftige Widerherstellung der Einrichtung“ enthält, weil diese mit dem Aufwanddeckungsgrundsatz nicht vereinbar wäre, wird auf Seite 5 der Vorbemerkungen ebenfalls ausdrücklich klargestellt.

4 Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge des Antragstellers, sein Anspruch auf faires Verfahren sei durch die mit dem Gleichheitssatz und dem Prinzip der Waffengleichheit nicht vereinbare und überraschende Auffassung des Senats zur Richtigkeit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts verletzt worden. Der Antragsteller rügt damit in erster Linie die dem angegriffenen Beschluss des Senats zugrunde liegende Rechtsauffassung als falsch. Damit kann er im Anhörungsrügeverfahren keinen Erfolg haben, da dieses nicht der Überprüfung der der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsauffassung dient. Im Übrigen kann - zumal bei einem anwaltlich vertretenen Kläger - die Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des zuständigen Oberverwaltungsgerichts keine Überraschungsentscheidung darstellen. Soweit der Antragsteller außerdem rügt, der Senat habe sein Vorbringen zur Nichtgewährung von Akteneinsicht durch das Oberverwaltungsgericht unberücksichtigt gelassen, übersieht er, dass der Senat in dem angegriffenen Beschluss das von ihm pflichtgemäß zur Kenntnis genommene und in Erwägung gezogene Vorbringen des Antragstellers zur Doppelbelastung zusammenfassend gewürdigt und einen Verstoß gegen Verfahrensrechte des Antragstellers unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts zur Altanschließerproblematik verneint hat. Er hat dabei berücksichtigt, dass § 100 Abs. 1 VwGO - auch im Hinblick auf den Gehörsgrundsatz - einen Anspruch auf Beiziehung von (weiteren) Akten nach der vom Antragsteller selbst zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht gewährt (Beschluss vom 11. März 2004 - BVerwG 6 B 71.03 - juris Rn. 10 m.w.N.).

5 Mit der Rüge, der Senat sei nicht auf den eigentlichen Inhalt seines Vorbringens zu § 170a Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern eingegangen, kann der Antragsteller deswegen keinen Erfolg haben, weil der Senat die Divergenzrüge schon wegen Fehlens einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Formulierung eines abstrakten Rechtssatzes, von dem die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts abgewichen sein soll, verneint hat. Ein Gehörsverstoß liegt auch nicht darin, dass der Senat nicht auf alle vom Antragsteller im Rahmen seiner Divergenzrüge in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelnen eingegangen ist. Der Antragsteller übersieht, dass die behauptete Divergenz der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts zur rückwirkenden Heilung der Gründung des Antragsgegners von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts in dem angegriffenen Beschluss (Rn. 13) ausdrücklich angesprochen worden ist. Eine Pflicht, sich mit jeglichen Vorbringen vertieft auseinanderzusetzen, besteht nicht. Im Übrigen wiederholt der Antragsteller insoweit lediglich sein Vorbringen aus der Beschwerdeschrift, ohne sich im Einzelnen mit den Ausführungen des Senats zu den geltend gemachten Divergenzrügen auseinanderzusetzen und darzulegen, welche weiteren von ihm genannten Entscheidungen aus welchem Grund hätten weitergehend berücksichtigt werden müssen.

6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Streitwertfestsetzung ist nicht notwendig, da sich die Gerichtsgebühr unmittelbar aus Nr. 5400 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz ergibt.