Beschluss vom 07.02.2022 -
BVerwG 4 BN 38.21ECLI:DE:BVerwG:2022:070222B4BN38.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.02.2022 - 4 BN 38.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:070222B4BN38.21.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 38.21

  • OVG Münster - 26.03.2021 - AZ: 2 D 4/20.NE

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Februar 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und Dr. Decker
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. März 2021 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu je 1/3.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 45 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.

2 1. Die Verfahrensrüge der Antragsteller zu 2 und 3 (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) bleibt ebenso wie die von ihnen erhobene Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) erfolglos.

3 Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag der Antragsteller zu 2 und 3 wegen Versäumung der Antragsfrist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO als unzulässig verworfen. Es ist davon ausgegangen, dass der Antrag ursprünglich nur für die Antragstellerin zu 1 gestellt worden ist und erst nach Ablauf der Antragsfrist auf die Antragsteller zu 2 und 3 erweitert wurde. Darüber hinaus ("Unbeschadet dessen") hat es auch die Antragsbefugnis verneint, weil weder geltend gemacht noch ersichtlich sei, welche von der GbR unabhängige Rechtsposition den Antragstellern zu 2 und 3 zukommen könnte, nachdem sie eigene Rechte an dem fraglichen Grundstück nicht geltend machten. Ist die vorinstanzliche Entscheidung - wie hier - auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht und vorliegt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 8. August 1973 - 4 B 13.73 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 115 und vom 9. Dezember 1994 - 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4). Denn ist nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben, dann kann diese hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (BVerwG, Beschlüsse vom 11. September 2019 - 4 BN 17.19 - Buchholz 406.11 § 215 BauGB Nr. 22 Rn. 3 und vom 26. Juli 2021 - 4 B 32.20 - juris Rn. 9 m.w.N.). In Bezug auf die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, es fehle den Antragstellern zu 2 und 3 an der Antragsbefugnis (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO), ist kein Zulassungsgrund geltend gemacht worden. Damit kommt es auf die in Bezug auf den ersten Begründungsstrang erhobene Verfahrensrüge sowie die geltend gemachte Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) nicht mehr an.

4 2. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass das Oberverwaltungsgericht den Anspruch der Antragstellerin zu 1 auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat.

5 Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht u.a., die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht dieser Pflicht genügt. Es ist namentlich nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Vielmehr müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Um dem Bezeichnungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO zu genügen, muss die Begründung darlegen, welches Vorbringen das Gericht (angeblich) nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat und unter welchem denkbaren Gesichtspunkt dieses Vorbringen für die Entscheidung hätte von Bedeutung sein können (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - NVwZ 2015, 656 Rn. 42; Beschluss vom 28. Juli 2021 - 4 BN 26.21 - juris Rn. 2).

6 Hieran gemessen verfehlt die Beschwerde die Anforderungen nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Sie unterzieht das vorinstanzliche Urteil einer umfassenden materiell-rechtlichen Kritik. Sie missversteht die Gehörsrüge damit als Mittel, die vorinstanzliche Entscheidung einer materiell-rechtlichen Prüfung zu unterwerfen und die gerichtliche Auseinandersetzung erneut und vertieft zu führen (BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2021 - 4 BN 26.21 - juris Rn. 3). Unabhängig davon hat das Oberverwaltungsgericht sowohl die Ausführungen zum Bestandsschutz als auch zu § 1 Abs. 10 BauNVO und zu Art. 14 GG zur Kenntnis genommen (vgl. UA S. 7, S. 20 und S. 25, S. 22 ff.). Soweit die Beschwerde Ausführungen zu § 15 BauNVO und zum bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme vermisst, übersieht sie, dass es vorliegend um die Überprüfung einer Bebauungsplanänderung in einem Normenkontrollverfahren geht und nicht um die (Dritt-)Anfechtung einer Baugenehmigung. Das Normenkontrollgericht hat im Übrigen darauf verwiesen, dass die verfahrensgegenständliche Bebauungsplanänderung die Lösung des Konflikts zwischen Betrieb einer Golfübungsanlage einerseits und einer angrenzenden, schutzbedürftigen Bebauung anderseits in nicht zu beanstandender Weise im Wege des Konflikttransfers einem nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren überlassen hat (UA S. 24).

7 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und § 39 Abs. 1 GKG.