Beschluss vom 07.03.2024 -
BVerwG 20 F 6.23ECLI:DE:BVerwG:2024:070324B20F6.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.03.2024 - 20 F 6.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:070324B20F6.23.0]

Beschluss

BVerwG 20 F 6.23

  • OVG Berlin-Brandenburg - 01.03.2023 - AZ: 95 A 1/22

In der Verwaltungsstreitsache hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 7. März 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. März 2023 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I

1 Die Klägerin begehrt in der diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsache, den Beklagten zu verpflichten, ihr gemäß § 31 Abs. 1 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Berlin weitere Auskunft über bestimmte zu ihr gespeicherte personenbezogene Daten zu erteilen.

2 Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten mit Beweisbeschluss vom 15. Oktober 2020 aufgefordert, die vollständigen Unterlagen zu übersenden. Daraufhin wurde durch den Beklagten ein teilweise geschwärzter Teil der Akten vorgelegt, die Vorlage der vollständigen, ungeschwärzten Akten aber unter Vorlage einer Sperrerklärung vom 7. Februar 2021 verweigert.

3 Unter dem 4. November 2021 hat die Klägerin die Feststellung beantragt, dass die Verweigerung der Aktenvorlage insoweit rechtswidrig ist, als sie sich auf die Teile der Akten bezieht, die den oder die Namen der Gruppe bzw. Gruppen enthalten, der oder denen die Klägerin nach Aktenlage zugeordnet wird. Das Verwaltungsgericht hat die Sache mit Beschluss vom 3. Januar 2022 an den Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zur Durchführung eines Zwischenverfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO abgegeben. Mit Beschluss vom 1. März 2023 hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts den Antrag abgelehnt.

4 Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

II

5 Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Sperrerklärung des Beklagten vom 7. Februar 2021 ist mit Blick auf die von der Antragstellerin zum Gegenstand ihres Antrags gemachten Aktenbestandteile über den vom Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts festgestellten Umfang hinaus nicht rechtswidrig.

6 1. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat das Vorliegen der mit der Sperrerklärung geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO a. F. (nunmehr § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 und 3 VwGO) unter Anlegung zutreffender rechtlicher Maßstäbe geprüft.

7 Danach ist ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren würde. Eine entsprechende Erschwernis kann sich daraus ergeben, dass bei einer umfangreichen Zusammenschau offengelegter Unterlagen Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen möglich werden. Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen, Arbeitstitel, Verfügungen, namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen, Querverweise, Hervorhebungen und Unterstreichungen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. April 2019 - 20 F 15.17 - juris Rn. 6, vom 16. April 2019 - 20 F 18.17 - juris Rn. 13 und vom 10. Mai 2019 - 20 F 1.19 - juris Rn. 6) sowie Vermerke zur Aktenverwaltung, Schriftverkehr mit anderen Behörden, Gesprächsdokumentationen, Verfügungsbögen und Deckblattberichte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 20 F 7.16 - juris Rn. 7).

8 Personenbezogene Daten im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig. Bei ihnen besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundrechtlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen. Vielmehr können auch Äußerungen und Angaben zur Sache geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht (BVerwG, Beschluss vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 12). Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Mitarbeiter von Verfassungsschutzbehörden. Ihre personenbezogenen Angaben wie Name, Funktionsbezeichnungen, Telefonnummer und sonstige Angaben zu Telekommunikationsverbindungen werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst. Daran ändert nichts, dass diese Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten (BVerwG, Beschluss vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 14). Der Schutz personenbezogener Daten begründet grundsätzlich auch im Fall von Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben, einen Weigerungsgrund (BVerwG, Beschluss vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 15).

9 2. Ausgehend davon ist die Sperrerklärung, soweit sie vom Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts nicht beanstandet worden und noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, rechtmäßig.

10 Insoweit hat eine Durchsicht der dem Senat im Original vorliegenden Unterlagen bestätigt, dass die vom Beklagten geltend gemachten Weigerungsgründe bestehen. Weitere Teilschwärzungen in Bezug auf entnommene Aktenbestandteile kommen nicht in Betracht, weil sie nur zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen würden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2019 ‌- 20 F 1.19 - juris Rn. 12 m. w. N.). Wie das Oberverwaltungsgericht betrachtet der Senat die im vorliegenden Verfahren von der Klägerin bekräftigten Ausführungen, dass der Name einer Gruppierung nicht bzw. nicht notwendigerweise Rückschlüsse auf die Identität einer Informationsquelle zulasse, und die zu deren Illustration gebildeten Beispiele als bloße Vermutungen, die sich bei der hier vorgenommenen Durchsicht der ungeschwärzten Akten ebenfalls nicht bestätigt haben. Darüber hinaus ist dem Beklagten darin zuzustimmen, dass die mit der gewünschten Information verbundene Zuordnung der Klägerin zu einer Gruppe oder mehreren Gruppen die Vermutung begründen kann, dass sich dort eine Quelle befindet. Gleichermaßen zutreffend ist die Annahme des Beklagten, dass sich aus der Offenlegung einer bestimmten Zuordnung umgekehrt ergeben kann, welchem anderen Beobachtungsobjekt die Klägerin nicht zugerechnet wird. Dies hätte zur Folge, dass ein Rückschluss auf nicht der Beobachtung unterliegende Objekte möglich wäre; dass sich daraus wiederum eine Verringerung des Kreises möglicher Informationszugänge ergeben könnte, die mit der Gefahr einer erleichterten Enttarnung einhergeht, liegt auf der Hand.

11 Von einer über die Darlegungen des Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 1. März 2023 unter II.2.b.) hinausreichenden Begründung wird abgesehen, weil die Entscheidungsgründe Art und Inhalt der geheim gehaltenen Akten und elektronischen Dokumente nicht erkennen lassen dürfen (§ 99 Abs. 2 Satz 14 i. V. m. Satz 10 Halbs. 2 VwGO).

12 Soweit ein Weigerungsgrund vorliegt, ist auch die nach § 99 Abs. 1 Satz 3 VwGO erforderliche Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat in seiner Sperrerklärung eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und die widerstreitenden Interessen der Beteiligten abwägende Ermessensentscheidung getroffen, die den rechtlichen Anforderungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 - NJW 2010, 2295 Rn. 12 m. w. N.) genügt.

13 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.