Beschluss vom 07.06.2018 -
BVerwG 2 B 27.18ECLI:DE:BVerwG:2018:070618B2B27.18.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.06.2018 - 2 B 27.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:070618B2B27.18.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 27.18

  • VG Düsseldorf - 05.04.2016 - AZ: VG 2 K 2679/10
  • OVG Münster - 18.01.2018 - AZ: OVG 6 A 983/16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Juni 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Januar 2018 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 547,56 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet.

2 1. Die 1959 geborene Klägerin steht als Lehrerin im Angestelltenverhältnis im öffentlichen Schuldienst des beklagten Landes. Sie begehrt ihre Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Auch den dritten, von der Klägerin Mitte September 2009 gestellten Antrag lehnte der Beklagte ab. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab; das Oberverwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung ab. Diese Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 6. Oktober 2015 - 2 BvR 2062/11 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

3 Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 5. April 2016 den Hauptantrag der Klägerin abgewiesen, das beklagte Land unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids zu verpflichten, die Klägerin in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen. Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht das beklagte Land unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

4 Zwar sei die Ablehnung mangels Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten formell rechtswidrig. Dieser Verfahrensfehler sei aber nach § 46 VwVfG NRW unbeachtlich. Es sei offensichtlich, dass die Nichtbeteiligung der Gleichstellungsbeauftragten die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe. Denn das materielle Recht habe dem Land keinen Entscheidungsspielraum eröffnet. Die Übernahme der Klägerin in das Beamtenverhältnis auf Probe sei ausgeschlossen, weil sie im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die laufbahnrechtliche Altersgrenze überschritten habe. Die Neuregelung der Altersgrenze verstoße weder gegen das Grundgesetz noch gegen Unionsrecht. Die Klägerin könne ihr Verbeamtungsbegehren auch nicht auf die im Gesetz geregelte Ausnahmevorschrift stützen.

5 2. Die Revision ist nicht wegen der von der Klägerin geltend gemachten Abweichung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

6 Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 1995 - 8 B 61.95 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 18). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt nicht den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 1995 - 6 B 39.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55).

7 Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Denn es wird nicht aufgezeigt, welchem, vom Bundesverfassungsgericht im Kammerbeschluss vom 6. Oktober 2015 - 2 BvR 2062/11 - sowie in den Beschlüssen vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12 - (BVerfGE 139, 19) und vom 16. Dezember 2015 - 2 BvR 1958/13 - (BVerfGE 141, 56) entwickelten Rechtssatz das Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift rechtssatzmäßig - ausdrücklich oder versteckt - widersprochen hat. Das Vorbringen, die Klägerin sei ein "Altfall", ihrem Begehren stehe die Überschreitung der neuen Höchstaltersgrenze nicht entgegen, sie habe einen Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme von der Höchstaltersgrenze in entsprechender Anwendung von § 15a Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 LBG NRW in der Fassung des Gesetzes vom 17. Dezember 2015 (GV. NRW. S. 938) und der Beklagte habe Anlass gehabt, über den Antrag der Klägerin alsbald nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts auch ohne geltende Höchstaltersgrenze zu entscheiden, greift das Berufungsurteil im Stile eines bereits zugelassenen Rechtsmittels an, legt aber keine rechtssatzmäßige Abweichung dar.

8 3. Die Rechtssache hat aber auch nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde der Klägerin beimisst (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

9 Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist hier nicht der Fall. Denn die der Sache nach in der Beschwerdebegründung zum Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache aufgeworfene Frage nach dem für das Neubescheidungsbegehren geltenden Recht ist in der Rechtsprechung bereits beantwortet.

10 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass sich der Erfolg einer Klage, mit der ein Anspruch auf erneute Entscheidung über den Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts geltend gemacht wird, nach dem materiellen Recht richtet, das zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auf den Sachverhalt anzuwenden ist. Aufgrund der Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) haben die Gerichte bei der Beurteilung von Neubescheidungsbegehren Rechtsänderungen zu beachten, die während des behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens in Kraft getreten sind, sofern das neue, zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltende Recht - wie hier - nichts anderes bestimmt. Dies gilt auch dann, wenn die Verwaltung den Erlass des beantragten begünstigenden Verwaltungsakts rechtswidrig abgelehnt hat, diese ablehnende Entscheidung aber von einer danach in Kraft getretenen Rechtsänderung gedeckt wird. Auch in dieser Konstellation kann das Verwaltungsgericht die Verwaltung nur dann zur Neubescheidung verurteilen, wenn das neue Recht für diese Fälle die Anwendung des alten Rechts anordnet oder einen Anspruch für derartige Fälle einräumt.

11 Diese Grundsätze gelten auch in Fallkonstellationen, in denen das Bundesverfassungsgericht ablehnende behördliche und gerichtliche Entscheidungen im Hinblick darauf aufgehoben hat, dass die bisherigen, die Ablehnung des Neubescheidungsbegehrens des Klägers tragenden Rechtsvorschriften mit Art. 33 Abs. 2 GG unvereinbar sind (BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2016 - 2 C 11.15 - BVerwGE 156, 180 Rn. 4 und 13 ff.). Dass die in diesem Sinne beantwortete Frage des maßgeblichen Rechts erneut klärungsbedürftig ist, wird in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt.

12 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 40, § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 und § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG.