Beschluss vom 07.08.2025 -
BVerwG 6 C 7.25ECLI:DE:BVerwG:2025:070825B6C7.25.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 07.08.2025 - 6 C 7.25 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:070825B6C7.25.0]
Beschluss
BVerwG 6 C 7.25
- VG Berlin - 30.08.2021 - AZ: 2 K 74/20
- OVG Berlin-Brandenburg - 25.05.2023 - AZ: 3 B 43/21
In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 7. August 2025 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Steiner und Dr. Gamp beschlossen:
- Die Anhörungsrüge des Klägers gegen das Urteil des Senats vom 12. Februar 2025 - BVerwG 6 C 5.23 - wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Rügeverfahrens.
Gründe
I
1 Der Kläger wendet sich gegen die Art und Weise der Berichterstattung über die Wahl zum Brandenburgischen Landtag am 1. September 2019 durch die beklagte Rundfunkanstalt. Auf die Revision des Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 12. Februar 2025 - BVerwG 6 C 5.23 - das zu Gunsten des Klägers ergangene Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Mai 2023 geändert und seine Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. August 2021 zurückgewiesen, soweit nicht das Verfahren eingestellt worden ist. Dagegen richtet sich die am 25. April 2025 erhobene Anhörungsrüge des Klägers, zu der er unter dem 24. Juli 2025 vertiefend vorgetragen hat. Der Beklagte ist der Anhörungsrüge entgegengetreten.
II
2 Die zulässige Anhörungsrüge, über die der Senat in der aktuellen Beschlussbesetzung entscheidet (BVerwG, Beschluss vom 6. November 2007 - 8 C 17.07 - juris Rn. 1; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 188/09 - NVwZ 2009, 580 Rn. 16), hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat nicht aufgezeigt, dass der Senat entscheidungserheblichen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat (§ 152a Abs. 1 VwGO i. V. m. Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO). Aus seiner Rüge ergibt sich lediglich, dass der Kläger das Revisionsurteil in der Sache für unrichtig hält.
3 Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gebietet, dass das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen wird, nicht aber, dass das Gericht den Vorstellungen eines Beteiligten folgt. Der Gehörsanspruch verlangt auch nicht, dass das Gericht das gesamte Vorbringen der Beteiligten in den Gründen seiner Entscheidung wiederzugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen hat. Es kann sich auf die Darstellung und Würdigung derjenigen rechtlichen Gründe beschränken, auf die es nach seinem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich ankommt. Daher kann aus dem Umstand, dass das Gericht nicht auf sämtliche Begründungselemente des Beteiligtenvorbringens eingegangen ist, nur dann geschlossen werden, es habe einen Aspekt nicht berücksichtigt, wenn dieser nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts eine Frage von zentraler Bedeutung betrifft (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 3. Juni 1987 - 1 BvR 313/85 - BVerfGE 75, 369 <381> und vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.>; BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <209 f.> und Beschluss vom 21. Juni 2007 - 2 B 28.07 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 3 Rn. 6). Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt keinen Schutz davor, dass ein Gericht aus Gründen des materiellen Rechts Parteivorbringen ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt (BVerfG, Beschluss vom 21. April 1982 - 2 BvR 810/81 - BVerfGE 60, 305 <310>). Die Norm gewährt auch keinen Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit dem Vorbringen eines Beteiligten inhaltlich in der Weise auseinandersetzt, die dieser selbst für richtig hält (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Juli 1989 - 1 BvR 1460/85 und 1 BvR 1239/87 - BVerfGE 80, 269 <286>).
4 Gemessen hieran ist eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht dargetan. Im Kern schließt der Kläger aus der von seiner Auffassung abweichenden rechtlichen Würdigung durch den Senat, seine Rechtsausführungen seien zwar zur Kenntnis genommen, aber nicht erwogen worden. Dies legt er unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten im Einzelnen dar. Da eine Ergänzung oder Erläuterung der Gründe des Urteils durch eine Anhörungsrüge nicht veranlasst ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. August 2011 - 6 C 15.11 - juris Rn. 1 m. w. N.), beschränkt sich der Senat auf die folgenden Hinweise:
5 Soweit der Kläger rügt, der Senat habe in den Entscheidungsgründen seines Urteils keine Erwägungen zu der am unteren Bildrand laufenden Textzeile ("Laufband") angestellt und dadurch klägerisches Vorbringen nicht gewürdigt, trifft dies ersichtlich nicht zu. Der Senat hat einleitend ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf die namentliche Erwähnung seines (geschätzten) Stimmenanteils von 2,6 % in den Balkendiagrammen sowie in der Textzeile am unteren Bildrand habe (Rn. 16). Offenkundig sind damit beide Aspekte des klägerischen Begehrens bei der nachfolgenden Anspruchsprüfung in den Blick genommen worden (vgl. auch Rn. 27).
6 Mit der Würdigung des Konzepts des Beklagten für die Nachwahlberichterstattung als schlüssig und willkürfrei (Rn. 31 ff.), hat der Senat den von der Klägerseite begehrten weiteren Abstufungen bei der Darstellung von (geschätzten) Wahlergebnissen kleinerer Parteien eine Absage erteilt (Rn. 34 und 38). Die darauf bezogenen Ausführungen des Klägers im Revisionsverfahren waren nach der ratio decidendi der angegriffenen Entscheidung nicht entscheidungserheblich. Auch die von dem Kläger angesprochene Frage einer möglichen "Kompensation" etwaiger Defizite im linearen Fernsehen durch eine ergänzende Berichterstattung im Internet stellte sich dem Senat nicht. Ausgehend von dem gesetzlichen Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hat er sowohl die konzeptionelle Aufteilung der Berichterstattung über die Wahl im linearen Fernsehen und begleitend in den Telemedien als auch die Darstellung der Ergebnisse im linearen Fernsehen für sich genommen gebilligt (Rn. 31 ff.). Im Hinblick auf die Ausführungen im Berufungsurteil (BU S. 13) war lediglich klarzustellen, dass die Notwendigkeit zusätzlicher zielgerichteter Aktivitäten für die Recherche in den Telemedien der Rechtmäßigkeit des von dem Beklagten erstellten Sendekonzepts nicht entgegenstand (Rn. 35).
7 Anders als der Kläger meint, liegt auch keine unzulässige Überraschungsentscheidung vor. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hätte, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens auch unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Juli 2010 - 6 B 20.10 - NVwZ 2011, 372 Rn. 4 m. w. N.). So liegt es hier indes nicht.
8 Der Senat hat gefordert, dass eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt den beiden betroffenen Grundrechtspositionen in ihrem redaktionellen Gesamtkonzept ausgewogen Rechnung tragen muss (Rn. 22, 25). Hieran hat er das konkrete Sendungskonzept des Beklagten gemessen und nicht beanstandet (Rn. 31 ff.). Dabei hat der Senat in dem vom Berufungsgericht hervorgehobenen Umstand (BU S. 11), dass im konkreten Fall lediglich eine weitere Landesliste betroffen war und nur marginale Änderungen in der Präsentation nötig gewesen wären, keine Verringerung des Gewichts des Eingriffs in den redaktionellen Spielraum des Beklagten gesehen (Rn. 39). Dass den Kläger offenbar weder der rechtliche Maßstab noch die Überprüfung des konkreten Konzepts durch den Senat zu überzeugen vermag, begründet keine Überraschungsentscheidung.
9 Auch hat der Senat keine eigene Tatsachenfeststellung getroffen und darauf in überraschender Weise sein Urteil gestützt. Die Art und Weise der Berichterstattung am 1. September 2019 und das zugrundeliegende Konzept des Beklagten hat er den bindenden Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts entnommen (Rn. 27). Für die Frage, worin der Schwerpunkt des Interesses an einer Nachwahlberichterstattung liegt, hat der Senat an die normative Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts angeknüpft (Rn. 29 a. E.) und nachgezeichnet, an welchem rechtlichen Rahmen sich das Konzept ausrichten konnte (Rn. 32 f.). Demgegenüber verhält sich das Revisionsurteil mangels Entscheidungserheblichkeit nicht zu der - einer Tatsachenfeststellung möglicherweise zugänglichen - Frage, welches tatsächliche Interesse die Zuschauer an einer Berichterstattung über die konkreten Wahlergebnisse des Klägers hatten.
10 Unverständlich ist schließlich die unter Ziffer 6 erhobene Rüge des Klägers. Der Senat hat nicht angenommen, dass das Berufungsurteil einen "Ausgleich" der fehlenden parlamentarischen Sichtbarkeit des Klägers durch den Beklagten gefordert habe. Vielmehr entspricht es der Überzeugung des Senats, dass die Nachwahlberichterstattung nicht die Aufgabe hat, die - dem Wählerwillen geschuldete - fehlende Sichtbarkeit einer im Parlament nicht vertretenen Partei zu kompensieren.
11 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.