Beschluss vom 07.09.2021 -
BVerwG 6 C 21.19ECLI:DE:BVerwG:2021:070921B6C21.19.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.09.2021 - 6 C 21.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:070921B6C21.19.0]

Beschluss

BVerwG 6 C 21.19

  • VG Göttingen - 16.11.2016 - AZ: VG 8 A 34/16
  • OVG Lüneburg - 25.06.2019 - AZ: OVG 2 LC 267/16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. September 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Tegethoff und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gamp
beschlossen:

  1. Das Verfahren wird eingestellt.
  2. Die Urteile des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. Juni 2019 und des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 16. November 2016 sind wirkungslos, soweit sie die Klage auf Zulassung zum Studium der Humanmedizin auf einem Teilstudienplatz für die Lehreinheit Vorklinische Medizin betreffen.
  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend). Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichts sind für wirkungslos zu erklären, soweit die Vorinstanzen die von der Klägerin mit dem Hilfsantrag angestrebte Verpflichtung der Beklagten zur Studienzulassung auf einem Teilstudienplatz für die Lehreinheit Vorklinische Medizin abgelehnt haben (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Nur insoweit ist das Klageverfahren in der Revisionsinstanz anhängig geworden. Soweit die Vorinstanzen die mit dem Hauptantrag der Klägerin angestrebte Verpflichtung der Beklagten zur Zulassung auf einen Vollstudienplatz für Humanmedizin kostenpflichtig abgelehnt haben, sind die Urteile rechtskräftig geworden. Der Senat hat über die Verfahrenskosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO).

2 Billigem Ermessen entspricht es, der Klägerin auch die Kosten des in der Revisionsinstanz noch anhängigen Teils des Klageverfahrens aufzuerlegen.

3 Zwar erweisen sich die Erfolgsaussichten insoweit als offen. Der Senat hätte in dem Revisionsverfahren unter anderem die schwierige, bisher nicht geklärte Frage entscheiden müssen, ob das aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) folgende Kapazitätserschöpfungsgebot dazu verpflichtet, festgestellten Überschreitungen des normativ vorgegebenen Gesamtcurricularnormwerts für den Studiengang Humanmedizin infolge eines erhöhten Lehrangebots der klinischen Lehreinheit dadurch zu begegnen, dass im Rahmen der Kapazitätsberechnung der curriculare Eigenanteil der vorklinischen Lehreinheit proportional gekürzt wird. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ungeklärt gebliebene Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung um der bloßen Kostenverteilung willen zu entscheiden.

4 Bei der nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO können aber neben den für eine anteilige bzw. hälftige Kostenteilung sprechenden offenen Erfolgsaussichten auch noch andere Gesichtspunkte herangezogen werden. In einem sog. Kapazitätsrechtsstreit ist als Gesichtspunkt der Umstand in die Kostenentscheidung einzustellen, dass die Klägerin die mit ihrer Klage begehrte Zuteilung eines freien Studienplatzes in dem Studiengang Humanmedizin auf andere Weise - hier durch Zulassung zum Studium der Humanmedizin an der beklagten Universität zum Sommersemester 2021 außerhalb dieses Rechtsstreits - erreicht hat (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom 11. Mai 1982 - 7 C 89.78 - Buchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr. 4, vom 16. Januar 1990 - 7 C 11.88 - Buchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr. 45 und zuletzt vom 24. September 2020 - 6 C 20.19 - juris Rn. 3). Die mit der mehrfachen Geltendmachung des Zulassungsanspruchs erzielte prozessuale "Chancenmaximierung" hat für die Klägerin ihren Preis in der Kostenlast.

5 Soweit der Senat in einem früheren, ebenfalls übereinstimmend für erledigt erklärten Kapazitätsrechtsstreit mit Beschluss vom 24. April 2017 - 6 C 36.16 - ausnahmsweise die bestehende Rechtsprechungspraxis in hochschulrechtlichen Zulassungsverfahren nicht angewandt und eine hälftige Kostentragung wegen der offenen Erfolgsaussichten im Rahmen der Billigkeitsentscheidung für geboten erachtet hat, beruhte dies auf den im dortigen Verfahren gegebenen besonderen Umständen des Einzelfalles. Derartige Umstände, die ein Abweichen von der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtfertigen, sind hier nicht ersichtlich.

6 Die Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 2 GKG.