Beschluss vom 08.05.2018 -
BVerwG 4 B 22.18ECLI:DE:BVerwG:2018:080518B4B22.18.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.05.2018 - 4 B 22.18 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:080518B4B22.18.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 22.18

  • VG Stuttgart - 26.07.2016 - AZ: VG 13 K 2944/14
  • VGH Mannheim - 31.01.2018 - AZ: VGH 3 S 202/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Mai 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz und Prof. Dr. Külpmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 31. Januar 2018 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 380 625 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

2 a) Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.

3 Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, siehe bereits BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>).

4 Die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam angesehene Frage,
ob es dem Grundsatz der Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen genügt, wenn der Erlass einer (Vorkaufs-)Satzung lediglich in einer nichtöffentlichen vorberatenden Ausschusssitzung behandelt wird und in Folge dessen ohne weitere Aussprache in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung beschlossen wird,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.

5 Die Beschwerde ist der Auffassung, es widerspreche Sinn und Zweck des Gebots der Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen, wenn ein Gemeinderatsbeschluss (hier: über den Erlass einer Vorkaufssatzung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB) zwar in öffentlicher Sitzung gefasst worden sei, die Beschlussfassung jedoch ohne Beratung erfolgt und die Sachdiskussion in einer vorangegangenen nichtöffentlichen Ausschusssitzung geführt worden sei.

6 Soweit die Beschwerde sich auf Vorschriften der Gemeindeordnung des Landes Baden-Württemberg bezieht, können sich Fragen, die in einem Revisionsverfahren zu klären wären, nicht stellen. Denn die landesrechtlichen Vorschriften der Gemeindeordnung sind nach § 137 Abs. 1 VwGO nicht revisibel.

7 Die Beschwerde ist allerdings der Auffassung, dass die Vorschriften der Gemeindeordnung im Lichte höherrangigen Rechts ausgelegt werden müssten. Aus dem in Art. 20 Abs. 1 GG verankerten Demokratieprinzip und dem daraus folgenden Öffentlichkeitsgrundsatz ergebe sich, dass der Allgemeinheit grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet werden müsse, die Gründe für eine Entscheidung des Gemeinderats nachzuvollziehen, was nur durch eine Behandlung in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung geschehen könne, zumal dann, wenn die Grundlage für Eingriffe in Art. 14 GG geschaffen werde. Auch damit zeigt die Beschwerde eine klärungsbedürftige Frage des Bundes(verfassungs)rechts nicht auf. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Urteil vom 24. Januar 2001 - 1 BvR 2623/95, 622/99 - BVerfGE 103, 44 <64>) bedürfen die Verfassungsgrundsätze des Rechtsstaats und der Demokratie näherer Ausformung durch das Gesetz. Hiermit steht die im Schrifttum (z.B. Kloepfer, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band III, 2005, § 42 Rn. 55 f.; Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 20 Rn. 20) allgemein vertretene Auffassung im Einklang, dass sich dem Demokratieprinzip eine allgemeine Publizitätspflicht der Exekutive gegenüber der Öffentlichkeit (unmittelbar) nicht entnehmen lasse. Mit diesen Rechtsstandpunkten setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Substantiierter Beschwerdevortrag fehlt ferner zu der Erwägung des Verwaltungsgerichtshofs, auf eine Beratung im Gemeinderat könne auch ganz verzichtet werden, was insbesondere dann nahe liege, wenn die Angelegenheit auf die Zustimmung aller Mitglieder des Gemeinderats stoße. Auf den hiermit angesprochenen Aspekt eines fehlenden Beratungsbedarfs geht die Beschwerde nicht ein. Ihr Einwand, es habe sich bei der Vorkaufssatzung nicht um Gegenstände einfacher Art gehandelt, über die gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 GemO ohne öffentliche Beratung beschlossen werden könne, verkennt, dass der Verwaltungsgerichtshof diese Vorschrift nur zur "Verdeutlichung" seiner Argumentation herangezogen hat. Bundesrechtlicher Klärungsbedarf lässt sich dem Beschwerdevorbringen damit insgesamt nicht entnehmen.

8 b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, die Revision sei zuzulassen, weil das Urteil auf einem Verstoß gegen § 39 LVwVfG beruhe. Die Beschwerde verfehlt die Darlegungsanforderungen nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

9 Der Beschwerdevortrag lässt keinen Revisionszulassungsgrund erkennen. Die Beschwerde meint, die von der Klägerin angegriffenen Bescheide seien aufgrund eines Verstoßes gegen § 39 LVwVfG rechtswidrig, was der Verwaltungsgerichtshof nicht erkannt habe, weshalb das angefochtene Urteil auf einer Verletzung dieser Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes beruhe. Damit macht sie keinen Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichtshofs, sondern einen gerichtlichen Rechtsanwendungsfehler geltend, der die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht rechtfertigt. Gründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind ebenfalls nicht geltend gemacht. § 39 des Landes-VwVfG ist zwar Teil des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Es fehlt aber bereits an einer bestimmt formulierten klärungsbedürftigen Frage. Zu einer Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO fehlt jede Darlegung.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.