Beschluss vom 08.05.2019 -
BVerwG 6 B 23.19ECLI:DE:BVerwG:2019:080519B6B23.19.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.05.2019 - 6 B 23.19 - [ECLI:DE:BVerwG:2019:080519B6B23.19.0]

Beschluss

BVerwG 6 B 23.19

  • VG Schleswig - 21.01.2016 - AZ: VG 6 A 12/15
  • OVG Schleswig - 07.12.2017 - AZ: OVG 3 LB 3/17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Mai 2019
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Tegethoff und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Steiner
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 6. März 2019 - BVerwG 6 B 135.18 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1 Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 6. März 2019 - BVerwG 6 B 135.18 - die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 7. Dezember 2017 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Anhörungsrüge der Klägerin.

2 1. Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, deren Verletzung nach § 152a VwGO gerügt werden kann, verpflichtet das Gericht, das Vorbringen jedes Verfahrensbeteiligten bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Der Gehörsanspruch verlangt jedoch nicht, dass das Gericht das gesamte Vorbringen der Beteiligten in den Gründen einer Entscheidung wiederzugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen hat. Vielmehr sind in der Entscheidung nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das Gericht kann sich auf die Darstellung und Würdigung derjenigen rechtlichen Gesichtspunkte beschränken, auf die es nach seinem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich ankommt. Daher kann aus dem Umstand, dass das Gericht nicht auf sämtliche Begründungselemente des Beteiligtenvorbringens eingegangen ist, nur dann geschlossen werden, es habe diesen Aspekt nicht berücksichtigt, wenn er nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts eine Frage von zentraler Bedeutung betrifft (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.>; BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <209 f.> und Beschluss vom 21. Juni 2007 - 2 B 28.07 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 3 Rn. 6). Dies gilt erst recht für Entscheidungen über die Nichtzulassung der Revision, die nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO auch im Falle der Ablehnung der Zulassung nur kurz begründet werden sollen (BVerwG, Beschlüsse vom 3. März 2017 - 6 B 1.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​030317B6B1.17.0] - juris Rn. 2 und vom 14. September 2017 - 6 B 59.17 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2017:​140917B6B59.17] - juris Rn. 2).

3 2. Danach hat die Anhörungsrüge keinen Erfolg. Das Beschwerdeverfahren ist nicht fortzuführen, weil sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht ergibt, dass der Beschluss des Gerichts vom 6. März 2019 auf einem Gehörsverstoß beruht (§ 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO).

4 a) Die Klägerin rügt, der Senat habe ihr Vorbringen zum Willkürverbot übergangen. Sie habe folgende Frage als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfen:
"Sind Satzungsänderungen einer rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts, die nicht den Stiftungszweck ändern, ohne weiteres materiell zulässig, wenn sie nicht die Funktionsfähigkeit der Stiftung beeinträchtigen oder dazu führen, dass die Stiftung dem Stiftungszweck nicht mehr ordnungsgemäß nachgehen könnte oder bedarf es für derartige Satzungsänderungen einer materiellen Rechtfertigung, nämlich sind sie immer nur dann zulässig, wenn sich die Verhältnisse seit Errichtung der Stiftung wesentlich geändert haben und die Satzungsänderungen aufgrund dieser Veränderung angezeigt bzw. angebracht sind?"

5 Der Senat habe ihr Vorbringen in Rn. 35 des Beschlusses vom 6. März 2019 dahingehend wiedergegeben, das Oberverwaltungsgericht habe § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StiftG SH verkannt und der vom Berufungsgericht zur Auslegung der Vorschrift gebildete Maßstab verstoße gegen das Willkürverbot sowie § 85 BGB als vorrangiges Bundesrecht, da er von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Notwendigkeit eines rechtfertigenden Grundes für eine Satzungsänderung abweiche. Im Folgenden sei der Senat jedoch in keiner Weise auf den geltend gemachten Verstoß gegen das Willkürverbot eingegangen, obwohl die Klägerin dazu umfangreich vorgetragen habe. Der Willkürverstoß sei im Vortrag der Klägerin sowohl wegen seiner Grundrechtsrelevanz als auch der Anwendbarkeit einer Vorschrift, die nach Auffassung der Vorinstanz die Satzungsänderung ermögliche, von zentraler Bedeutung. Deshalb sei davon auszugehen, dass der Senat diesen Vortrag der Beschwerde nicht berücksichtigt habe.

6 Dieses Vorbringen lässt keinen Gehörsverstoß des Bundesverwaltungsgerichts erkennen. Wie die Klägerin sowohl in der Beschwerdebegründung als auch in der Begründung ihrer Anhörungsrüge selbst ausgeführt und der Senat in Rn. 36 des Beschlusses vom 6. März 2019 hervorgehoben hat, betrifft die Rüge mangelnder Beachtung bundesrechtlicher Vorgaben bei der Setzung, Auslegung und Anwendung von Landesrecht nicht das revisible Recht. Das ist nur dann der Fall, wenn die revisible Maßstabsnorm ihrerseits ungeklärte Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (BVerwG, Beschluss vom 6. März 2019 - 6 B 135.18 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2019:​060319B6B135.18.0] - juris Rn. 36 mit Verweis auf die Beschlüsse vom 17. Januar 2000 - 6 BN 2.99 - Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 334 S. 3 und vom 1. März 2016 - 5 BN 1.15 [ECLI:​DE:​BVerwG:​2016:​010316B5BN1.15.0] - NVwZ 2016, 618 Rn. 6; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 132 Rn. 17).

7 Eine klärungsbedürftige Grundsatzfrage zu dem aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Willkürverbot hat die Klägerin aber in ihrer Beschwerdebegründung nicht gestellt. Ihr Vorbringen auf S. 27 unten bis S. 32 oben des Schriftsatzes vom 3. Juli 2018 beschränkt sich darauf, die Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StiftG SH durch die Vorinstanz als nicht nachvollziehbare krasse Missdeutung der Vorschrift zu kritisieren. Diese Ausführungen gipfeln in der Schlussfolgerung, die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts sei schlechthin unvertretbar und nicht durch anerkannte Auslegungsmethoden begründbar, so dass nicht nur eine Verletzung von Landes-, sondern auch von Bundesverfassungsrecht vorliege. Mit dieser Urteilskritik im Stile einer Berufungs- oder Revisionsbegründung wird jedoch keine für eine Grundsatzzulassung notwendige Frage des revisiblen Rechts formuliert, die klärungsbedürftig wäre und sich in einer Vielzahl von Fällen stellte. Deshalb war der Vortrag der Beschwerde zu einem (angeblichen) Verstoß des Berufungsgerichts gegen das Willkürverbot für die am Maßstab des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu treffende Zulassungsentscheidung des Senats unerheblich und bedurfte keiner eingehenderen Würdigung in der Begründung des Beschlusses.

8 b) Auch das weitere Vorbringen der Klägerin, der Senat habe ihren Vortrag "zu den Voraussetzungen der Grundsatzbeschwerde im Übrigen" übergangen, lässt keinen Gehörsverstoß im Beschluss vom 6. März 2019 erkennen. Ihren Ausführungen in der Beschwerdebegründung zu der (angeblichen) Abweichung des Oberverwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 85 BGB, ob und unter welchen Voraussetzungen Satzungsänderungen einer Stiftung bürgerlichen Rechts möglich seien, die nicht das Ausmaß einer Zweckänderung erreichten, ist keine Grundsatzfrage des revisiblen Rechts i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 137 Abs. 1 VwGO zu entnehmen. Der Senat hat in Rn. 36 des Beschlusses vom 6. März 2019 die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs referiert, dass Satzungsänderungen mit dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Stifters in Einklang stehen müssen und nach einem allgemeinen Grundsatz des Stiftungsrechts nur zulässig sind, wenn hierfür ein rechtfertigender Grund besteht, vor allem wenn sie wegen wesentlicher Veränderung der Verhältnisse angezeigt sind (BGH, Urteile vom 26. April 1976 - III ZR 21/74 - JZ 1976, 715 <716> und vom 22. Januar 1987 - III ZR 26/85 - BGHZ 99, 344 <348 f.>). Aus welchen Gründen zu diesem bundesrechtlichen Maßstab trotzdem noch Klärungsbedarf bestehen soll, dem in einem Revisionsverfahren auf verallgemeinerungsfähige Weise Genüge getan werden könnte, ist auch dem Vorbringen in der Anhörungsrüge nicht zu entnehmen. Das gilt sinngemäß auch für die mit der Anhörungsrüge erhobenen Angriffe gegen die Ausführungen des Senats in Rn. 37 des Beschlusses vom 6. März 2019. Lediglich im Gewande der Gehörsrüge wendet sich die Klägerin gegen die inhaltliche Würdigung des Senats, dass keine Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vorliegen.

9 c) Wenn die Klägerin in der Würdigung ihres Vorbringens, das Berufungsgericht sei von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. August 2008 - 7 C 7.08 - (BVerwGE 131, 346) abgewichen, eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs erblickt, vermag ihr der Senat auch insoweit nicht zu folgen. Den zugegebenermaßen knappen Ausführungen in Rn. 41 des Beschlusses vom 6. März 2019 lässt sich entnehmen, dass der beschließende Senat dem Berufungsurteil keine Formulierung eines abstrakten richterrechtlichen Obersatzes bei der Auslegung des § 121 VwGO entnehmen konnte, den die Vorinstanz einem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Urteil vom 7. August 2008 entscheidungstragend entgegengestellt hätte. Denn dieses Urteil verhält sich nicht zu der Frage, inwieweit Vorfragen an der Rechtskraft eines Urteils teilnehmen (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 18. September 2001 - 1 C 4.01 - BVerwGE 115, 111 <114 ff.> und vom 31. August 2011 - 8 C 15.10 - BVerwGE 140, 290 Rn. 22 m.w.N.; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 121 Rn. 20). Soweit die Klägerin in ihrer Nichtzulassungsbeschwerde zum Ausdruck gebracht hat, dass sie die Entscheidung über die Vorfrage "Unwirksamkeit der Satzungsänderung vom 23.12.2010" als tragenden Entscheidungsgrund ansieht, der von der Rechtskraftwirkung erfasst werde, hat der Senat sich hiermit auseinandergesetzt und ausgeführt, dass in der fehlerhaften Anwendung eines vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatzes im Einzelfall keine die Zulassung der Revision begründende Abweichung liegt. Hierauf geht die Anhörungsrüge nicht ein.

10 3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.