Beschluss vom 08.11.2021 -
BVerwG 1 W-VR 12.21ECLI:DE:BVerwG:2021:081121B1WVR12.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.11.2021 - 1 W-VR 12.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:081121B1WVR12.21.0]

Beschluss

BVerwG 1 W-VR 12.21

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
am 8. November 2021 beschlossen:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz wegen seiner Bewerbung auf den nach der Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstposten des Referatsleiters ... beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr.

2 Der Antragsteller ist Berufssoldat und Stabsoffizier mit der Befähigung zum Richteramt (Stabsoffizier Recht) im Kompetenzbereich Personalmanagement. Er wurde im November 2008 zum Oberstleutnant befördert. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2013 wurde er in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 eingewiesen. Seit Oktober 2018 wird er als Dezernatsleiter Dienstrecht ... verwendet.

3 Der streitgegenständliche Dienstposten war ursprünglich nach der Besoldungsgruppe A 15 bewertet und mit dem Beigeladenen, einem Oberstleutnant dieser Besoldungsgruppe, besetzt. Zum 1. März 2021 wurde der Dienstposten der Besoldungsgruppe A 16 zugeordnet. Der Dienstposteninhaber wurde mit Verfügung vom 9. März 2021, ausgehändigt am 27. April 2021 auf ein mit A 15 bewertetes dienstpostenähnliches Konstrukt innerhalb desselben Referats im Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr versetzt. Mit "Anordnung zur Wahrnehmung A15-wertiger Aufgaben" vom 19. April 2021 wurde er mit der Wahrnehmung seiner bisherigen Aufgaben beauftragt. Dazu gehören im Wesentlichen:
1.  Prüfen und Mitzeichnen von Vorlageberichten und Bescheiden ... 
2.  Vorbereiten von Entscheidungen in statusrechtlichen Angelegenheiten bei Folgemaßnahmen ... 
3.  Beratung bei Personalmaßnahmen in Fällen besonderer Bedeutung. 
4.  Leiten des Referats ... 

4 Für die Neubesetzung des streitgegenständlichen Dienstpostens wurde am 28. September 2021 die Organisationsgrundentscheidung "Aufsteigende" getroffen. Zudem wurden für die Besetzung des A 16-Dienstpostens "RefLtg ... eine Dienstpostenbeschreibung sowie ein Anforderungsprofil bestimmt. Hiernach wird als dienstpostenunabhängiges Kriterium eine Verwendung als Referent im Bundesministerium der Verteidigung gefordert. Als dienstpostenbezogene Kriterien sind angeführt die ATN Stabsoffizier Recht, Vorverwendungen im Bereich Rechtswesen auf der Ebene Bundesministerium der Verteidigung, Erfahrungen in allen Facetten des personalfachlichen Dienstrechts (insbesondere Laufbahn-, Status- und allgemein militärischem Personalrecht), die einfache Sicherheitsüberprüfung (Ü1) sowie Vorverwendungen im Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr bzw. der Vorgänger-Organisation. Eine Auswahlentscheidung steht noch aus.

5 Mit Schriftsatz vom 9. März 2021 beschwerte sich der Antragsteller dagegen, bei der Besetzung des streitgegenständlichen Dienstpostens übergangen worden zu sein. Zugleich beantragte er vorläufigen Rechtsschutz nach § 3 Abs. 2 WBO.

6 Mit Bescheid vom 7. April 2021, dem Antragsteller ausgehändigt am 12. April 2021, wies das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde und den Antrag nach § 3 Abs. 2 WBO zurück. Die Beschwerde sei mangels Beschwer des Antragstellers unzulässig. Der streitgegenständliche Dienstposten sei weder besetzt noch sei eine Auswahlentscheidung getroffen worden. Mit der Beschwerdeentscheidung sei der Antrag nach § 3 Abs. 2 WBO unzulässig geworden.

7 Ein Rechtsmittel hiergegen ist nicht aktenkundig.

8 Unter dem 25. August 2021 hat der Antragsteller Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Er macht geltend, der streitgegenständliche Dienstposten sei mit dem Beigeladenen besetzt. Dies sei im Personalwirtschaftssystem dokumentiert. Anstelle des Beigeladenen sei er auszuwählen gewesen, so dass die Auswahlentscheidung rechtswidrig sei. Ihm sei trotz Antrages keine Akteneinsicht gewährt worden. Der Anordnungsgrund ergebe sich daraus, dass der Beigeladene auf dem streitigen Dienstposten eingesetzt oder mit der Wahrnehmung von dessen Aufgaben betraut sei und dadurch einen Erfahrungsvorsprung erwerbe. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei mit gleicher Post wie derjenige im Parallelverfahren 1 W-VR 11.21 abgesandt worden. Der Antrag sei dem Disziplinarvorgesetzten des Antragstellers am 19. April 2021 zugegangen.

9 Der Antragsteller beantragt,
das Bundesministerium der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zu einer Entscheidung über seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Auswahlentscheidung der Präsidentin des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr - Datum unbekannt - die Versetzung des Beigeladenen auf den nach A 16 dotierten Dienstposten beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr, Referatsleiter ..., vorläufig rückgängig zu machen,
dem Bundesministerium der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung ferner zu untersagen, bis zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Auswahlentscheidung der Präsidentin des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr - Datum unbekannt -, den Beigeladenen mit der vorläufigen/kommissarischen oder teilweisen Wahrnehmung der Aufgaben des Dienstpostens zu betrauen.

10 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

11 Der Antrag sei bereits unstatthaft. Gegen den Beschwerdebescheid sei kein Rechtsbehelf eingelegt worden. Mangels einer Auswahlentscheidung gebe es keinen Anordnungsanspruch. Deshalb könne auch noch nicht Einsicht in den Verwaltungsvorgang gewährt werden. Der streitgegenständliche Dienstposten sei nicht besetzt. Es gebe noch keine Auswahlentscheidung. Da niemand auf dem streitgegenständlichen Dienstposten verwendet werde und dadurch einen Erfahrungsvorsprung erwerben könne, gebe es auch keinen Anordnungsgrund. Die Aufgaben des ursprünglich mit A 15 bewerteten Dienstpostens seien qualitativ und quantitativ angewachsen und hätten höhere Bedeutung auch im politischen Bereich erhalten. Der Beigeladene nehme derzeit zwar die Aufgaben seines früheren A 15-Dienstpostens wahr, aber nicht die große Aufgabenvielfalt und -qualität des A 16-Dienstpostens.

12 Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.

13 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.

II

14 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg. Er ist derzeit sowohl unzulässig als auch unbegründet.

15 1. Für den gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 123 VwGO statthaften Antrag, der grundsätzlich auch vor Anhängigkeit der Hauptsache gestellt werden kann, ist das Bundesverwaltungsgericht als Gericht der Hauptsache (§ 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO, § 21 Abs. 1 Satz 1 WBO) zuständig. Es fehlt aber an der Antragsbefugnis und am Rechtsschutzinteresse. Solange in einem Auswahlverfahren noch nicht einmal eine erste Entscheidung der für die Besetzung des streitgegenständlichen Dienstpostens zuständigen Behörde getroffen wurde und das Besetzungsverfahren daher offen ist, bedarf es keiner Sicherung des im Hauptsacheverfahren zu verfolgenden Bewerbungsverfahrensanspruches des Antragstellers. Denn dieser ist noch nicht einmal möglicherweise in seinen Rechten verletzt, solange eine Auswahlentscheidung noch vorbereitet wird und die angemessene Berücksichtigung seines Bewerbungsverfahrensanspruches möglich ist.

16 Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob der Antragsteller gegen den Bescheid vom 7. April 2021 rechtzeitig Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt hat, wie er unter Bezugnahme auf den Eingang bei seinem Disziplinarvorgesetzten am 19. April 2021 geltend macht (§ 21 Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 4 Satz 3 WBO).

17 2. Der Antrag ist zudem nicht begründet.

18 Es kann dahinstehen, ob im Hinblick auf die Wahrnehmung von Aufgaben des streitgegenständlichen Dienstpostens durch den Beigeladenen ein Anordnungsgrund besteht. Denn es fehlt jedenfalls an einem Anordnungsanspruch. Zwar kann sich ein Bewerber für die Besetzung eines förderlichen Dienstpostens grundsätzlich auf den Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG berufen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30. Januar 2014 - 1 WB 1.13 - Buchholz 449.2 § 6 SLV 2002 Nr. 6 Rn. 32 und vom 29. Januar 2013 - 1 WB 60.11 - juris Rn. 40 m.w.N.). Dieser Anspruch ist aber weder in formeller noch in materieller Hinsicht verletzt, solange das Verfahren sich - wie hier - noch in einem die Auswahlentscheidung vorbereitenden Stadium befindet, in dem allen aus dem Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers folgenden Rechten angemessen Rechnung getragen werden kann. Dass dies im konkreten Verfahren nicht beabsichtigt wäre, ist weder substantiiert geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Insbesondere ist offen, ob die künftige Auswahlentscheidung zulasten des Antragstellers ausfallen und auf einen Erfahrungsvorsprung des Beigeladenen abstellen wird. Daher bedarf es in diesem Verfahrensstadium auch keiner Entscheidung, ob ein solcher hier durch die Verwendung auf dem ehemals mit A 15 bewerteten Dienstposten oder die Betrauung mit Aufgaben des Dienstpostens infolge der Anordnung vom 19. April 2021 erworben werden kann.