Beschluss vom 08.12.2022 -
BVerwG 8 B 49.22ECLI:DE:BVerwG:2022:081222B8B49.22.0

Beschluss

BVerwG 8 B 49.22

  • VG Potsdam - 18.07.2022 - AZ: 11 K 2663/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Dezember 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 18. Juli 2022 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde ist unzulässig. Sie wurde nicht wirksam erhoben, weil die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 18. Juli 2022 nicht wirksam in Papierform eingelegt werden konnte.

2 § 55d Satz 1 VwGO verpflichtet Rechtsanwälte, die Beschwerdeschrift als elektronisches Dokument einzureichen. Eine Übermittlung in Papierform ist nur zulässig, wenn eine elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend unmöglich ist. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen (vgl. § 55d Satz 3 und 4 VwGO). Wird die elektronische Form des § 55d Satz 1 VwGO nicht beachtet, ohne dass die Voraussetzungen des § 55d Satz 3 und 4 VwGO erfüllt sind, führt dies zur Unwirksamkeit der in Papierform eingereichten Erklärungen und zur Unzulässigkeit damit erhobener Rechtsmittel (vgl. Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 55d Rn. 5; Buchheister, in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 55d Rn. 2 f.).

3 So liegt es hier. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat gegen den am 22. Juli 2022 zugestellten Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts am 19. August 2022 Beschwerde in Papierform eingelegt. Eine den Anforderungen des § 55d Satz 1 VwGO genügende elektronische Übermittlung der Beschwerdeschrift erfolgte nicht. Eine vorübergehende Unmöglichkeit der Übermittlung aus technischen Gründen gemäß § 55d Satz 3 und 4 VwGO hat der Kläger weder geltend noch glaubhaft gemacht. Wegen des Ablaufs der Beschwerdefrist kann die Beschwerde auch nicht mehr rechtzeitig formgerecht eingelegt werden. Die einmonatige Beschwerdefrist des § 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO wurde gemäß § 58 Abs. 1 VwGO mit Zustellung des Gerichtsbescheids am 22. Juli 2022 in Lauf gesetzt und endete am 22. August 2022. Die dem Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts beigefügte Rechtsmittelbelehrung entspricht den Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO. Sie ist insbesondere nicht mangels Hinweises auf die Formvorschrift des § 55d VwGO unvollständig, denn die nach § 58 Abs. 1 VwGO gebotene Belehrung über den Rechtsbehelf schließt dessen Form nicht ein (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2021 - 9 C 8.19 - BVerwGE 171, 194 Rn. 28 m. w. N.).

4 Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist kommt nicht in Betracht. Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Unabhängig davon, dass der in Papierform eingereichte Wiedereinsetzungsantrag des Klägers den Anforderungen des § 55d Satz 1 VwGO seinerseits nicht genügt, hat er keinen Erfolg. Der Kläger hat keine Wiedereinsetzungsgründe geltend gemacht; sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Die behauptete verwaltungsgerichtliche Praxis der Aktenführung ist nicht geeignet, die Missachtung des § 55d VwGO zu entschuldigen. Von der gesetzlichen Pflicht zur elektronischen Übermittlung kann sie den Kläger nicht entbinden.

5 Auf die Formunwirksamkeit der in Papierform eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde und die daraus folgende Unzulässigkeit der Beschwerde ist der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit gerichtlichem Schreiben vom 6. Oktober 2022 hingewiesen worden.

6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Beschluss vom 12.01.2023 -
BVerwG 8 B 49.22ECLI:DE:BVerwG:2023:120123B8B49.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.01.2023 - 8 B 49.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:120123B8B49.22.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 49.22

  • VG Potsdam - 18.07.2022 - AZ: 11 K 2663/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Januar 2023
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller
beschlossen:

  1. Die Gegenvorstellung des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 8. Dezember 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Die "außerordentliche" Beschwerde wird verworfen.

Gründe

1 1. Die Gegenvorstellung des Klägers hat keinen Erfolg. Unabhängig davon, ob eine solche Gegenvorstellung nach Einführung der Anhörungsrüge nach § 152a VwGO noch zulässig ist, bietet sie jedenfalls keinen Anlass, den angegriffenen Beschluss vom 8. Dezember 2022 zu ändern. Der Kläger wiederholt im Wesentlichen sein bereits beschiedenes Beschwerdevorbringen, ohne neue sachliche Gesichtspunkte vorzutragen. Sein Einwand, verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsverfahren seien nicht nach der Verwaltungsgerichtsordnung durchzuführen, sodass § 55d VwGO nicht anwendbar sei, findet in der Rechtsordnung keine Stütze (vgl. § 16 Abs. 1 VwRehaG).

2 2. Die zugleich erhobene "außerordentliche" Beschwerde ist nicht statthaft. Für einen derartigen in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht geregelten Rechtsbehelf besteht nach Inkrafttreten des § 152a VwGO kein Raum mehr (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. April 2010 - 8 KSt 1.10 - juris Rn. 3 unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395 <416>). Soweit sich der Kläger auf die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur außerordentlichen Beschwerde wegen "greifbarer Gesetzeswidrigkeit" beruft (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 1992 - VII ZB 3/92 - BGHZ 119, 372), hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2002 - IX ZB 11/02 - BGHZ 150, 133 <137>). Abgesehen davon betraf sie nur eine Befassung des nächsthöheren Gerichts mit außerordentlichen Rechtsbehelfen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 24. April 2020 - 1 B 18.20 - juris Rn. 2), nicht aber die Nachprüfung einer gerichtlichen Entscheidung durch dasjenige Gericht, das - wie hier - die Entscheidung erlassen hat.

3 3. Sollte das Begehren des Klägers als Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO auszulegen sein, hätte diese keinen Erfolg. Die Anhörungsrüge ist kein Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses. Sie ist vielmehr ein formelles Recht, das greift, wenn das Gericht wesentliches Vorbringen der Prozessbeteiligten nicht zur Kenntnis genommen und sich mit ihm nicht in gebotener Weise auseinandergesetzt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2011 - 8 KSt 12.10 - juris Rn. 4). Das ist hier nicht der Fall.