Beschluss vom 09.12.2016 -
BVerwG 1 WB 20.16ECLI:DE:BVerwG:2016:091216B1WB20.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 09.12.2016 - 1 WB 20.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:091216B1WB20.16.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 20.16

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 9. Dezember 2016 beschlossen:

Die dem Antragsteller in dem durch seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 29. Dezember 2014 eingeleiteten Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden zu zwei Dritteln dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller begehrt die Erstattung seiner notwendigen Aufwendungen und die Feststellung, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Antragsverfahren notwendig war, nachdem das Antragsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.

2 ...

3 Mit Bescheid vom 20. November ..., dem Antragsteller eröffnet am 25. November ..., stellte der Geheimschutzbeauftragte beim Bundesministerium der Verteidigung fest, dass die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen für den Antragsteller Umstände ergeben habe, die ein Sicherheitsrisiko nach Nr. 2504 (Ü 3) ZDv 2/30 darstellten. Nach Ablauf von fünf Jahren könne gegebenenfalls eine günstigere Prognoseentscheidung getroffen werden. Dem lag zugrunde, dass der Antragsteller während seiner Verwendung in A. zu insgesamt vier Frauen außereheliche Beziehungen gepflegt hatte und deswegen von einer ihm unbekannten Person, die vermutlich Angehörige eines fremden/... Nachrichtendienstes war, unter Übergabe von Fotos, die den Antragsteller jeweils mit den Frauen zeigten, angesprochen worden war. Der Antragsteller hatte am nächsten Morgen die zuständige Sicherheitsbeauftragte im Bundesministerium der Verteidigung in Bonn sowie seinen Botschafter informiert. Während eines kurze Zeit später angetretenen Urlaubs in Deutschland, den er zu einem persönlichen Gespräch beim MAD nutzte, wurde ihm vom MAD geraten, nicht nach A. zurückzukehren.

4 Mit Schreiben seines unter dem 27. November ... mandatierten Bevollmächtigten vom 29. Dezember ..., am selben Tag beim Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - eingegangen, hat der Antragsteller die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts - Wehrdienstsenate - beantragt mit dem Ziel, den Bescheid des Bundesministeriums der Verteidigung vom 20. November ... - ... aufzuheben und das Bundesministerium der Verteidigung – Geheimschutzbeauftragter - zu verpflichten, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts - Wehrdienstsenate - neu zu bescheiden.

5 Mit Bescheid vom April ... (Schlusszeichnung am 2. Mai ...) hat der Geheimschutzbeauftragte beim Bundesministerium der Verteidigung seinen Bescheid vom 20. November ... dahingehend ergänzt, dass für den Antragsteller ab dem 1. Juni ... eine Sicherheitsüberprüfung eingeleitet werden kann, sofern beabsichtigt ist, ihn in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit einzusetzen. In der Entscheidung über diese Sicherheitsüberprüfung seien die die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten vom 20. November ... tragenden sicherheitserheblichen Erkenntnisse nicht neuerlich zur Feststellung eines Sicherheitsrisikos heranzuziehen.

6 Der Antragsteller ist der Auffassung, dass das von ihm angestrebte Beschwerdeziel damit in vollem Umfang erreicht sei und hat die Hauptsache für erledigt erklärt. Er lässt beantragen,
1. gemäß § 16a Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 4 WBO die ihm im Antragsverfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten;
2. die Hinzuziehung seiner Bevollmächtigten im Antragsverfahren gemäß § 16a Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 WBO für notwendig zu erklären.

7 Das Bundesministerium der Verteidigung ... hat den Antrag des Antragstellers mit Schreiben vom 29. Juni ... dem Senat vorgelegt und sich der Erledigungserklärung unter teilweiser Verwahrung gegen die Übernahme der Kosten angeschlossen.

8 Die Modifikation der angefochtenen Entscheidung durch den Änderungsbescheid stelle nur eine teilweise Klaglosstellung des Antragstellers dar. Seinem Antrag sei nur insoweit stattgegeben worden, als eine neue sicherheitsempfindliche Tätigkeit - nach Durchführung einer positiven Sicherheitsüberprüfung - bereits ab dem 1. Juni ... und nicht erst ab November ... gestattet worden sei. Es erscheine sachgerecht, dem Bund lediglich ein Drittel der Kosten aufzuerlegen.

9 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Akte des Bundesministerium der Verteidigung - ... hat dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

10 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat nur zum Teil Erfolg. Die dem Antragsteller in diesem Verfahren erwachsenen notwendigen Auslagen hat der Bund zu zwei Dritteln zu tragen.

11 1. Der Antrag zu 1) des Antragstellers, gemäß § 16a Abs. 2 i. V. m. Abs. 4 WBO ihm die ihm im Antragsverfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten, ist dahingehend auszulegen, dass sein Rechtsschutzziel (nur) darauf gerichtet ist, die ihm erwachsenen notwendigen Aufwendungen erstattet zu bekommen. Einen solchen Anspruch kann er nicht auf § 16a WBO stützen, weil diese Regelung nur für das Beschwerdeverfahren gilt. Ein Beschwerdeverfahren hat hier aber nicht stattgefunden, da gegen die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten beim Bundesministerium der Verteidigung nur der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 WBO zum Bundesverwaltungsgericht) gegeben ist. Die Kostenerstattung im gerichtlichen Verfahren bestimmt sich nach § 20 WBO, der gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht anzuwenden ist.

12 2. Über den Antrag entscheidet der Senat in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter.
Erledigt sich ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung oder erklären - wie hier - die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt, bevor der Bundesminister der Verteidigung den bei ihm gestellten (§ 21 Abs. 1 Satz 2 WBO) Antrag dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt hat, so kann der Antragsteller weiterhin die Vorlage seines Antrags verlangen, um die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Erstattung seiner notwendigen Aufwendungen nach § 20 Abs. 3 WBO herbeizuführen; Gegenstand des rechtshängigen Verfahrens ist dann der geltend gemachte Auslagenerstattungsanspruch (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 1 WB 35.12 - Buchholz 450.1 Rn. 11 m.w.N.). Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass die Wehrdienstgerichte über nach Erledigung in der Hauptsache noch verbleibende Kostenfragen stets in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter entscheiden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2012 - 1 WB 35.12 - Buchholz 450.1 Rn. 12 f.).

13 3. Nach den im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätzen ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 22. April 2008 - 1 WB 4.08 -, vom 27. Juli 2011 - 1 WB 21.11 - und vom 17. Juli 2012 - 1 WB 35.12 - Buchholz 450.1 § 20 WBO Nr. 4 Rn. 15 jeweils m.w.N.).

14 Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, die dem Antragsteller erwachsenen notwendigen Aufwendungen dem Bund zu zwei Dritteln aufzuerlegen.

15 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 5. August 2010 - 1 WDS-VR 3.10 - und vom 27. Juli 2011 - 1 WB 21.11 -), in der Regel die notwendigen Aufwendungen (vollständig) dem Bund aufzuerlegen, wenn die übereinstimmenden Erledigungserklärungen darauf beruhen, dass der Antragsteller klaglos gestellt wurde. Das ist vorliegend aber nur teilweise der Fall.

16 Der Antragsteller hat mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung ursprünglich den Bescheid des Bundesministeriums der Verteidigung - ... - vom 20. November ..., mit dem ein Sicherheitsrisiko in seiner Person festgestellt wurde, umfassend und ohne zeitliche Begrenzung angefochten und die Verpflichtung des Bundesministeriums der Verteidigung - Geheimschutzbeauftragter - begehrt, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Mit diesem Begehren ist er durch den Bescheid des Geheimschutzbeauftragten beim Bundesministerium der Verteidigung vom April ... (Schlusszeichnung am 2. Mai ...) nur insoweit klaglos gestellt worden, als der ursprüngliche Bescheid vom 20. November ..., der eine Wiederholungsüberprüfung erst nach Ablauf von fünf Jahren nach Feststellung des Sicherheitsrisikos vorgesehen hatte - was November ... entsprach -, dahingehend ergänzt wurde, dass eine neue Sicherheitsüberprüfung bereits ab dem 1. Juni ... eingeleitet werden kann.

17 Zwar fühlte sich der Antragsteller in der Zeit seit Feststellung des Sicherheitsrisikos mit dem Bescheid vom 20. November ... und der nunmehr wieder möglichen erneuten Überprüfung ab 1. Juni ... durch die Feststellung des Sicherheitsrisikos nicht belastet, weil er seit dem 1. Dezember ... für eine nicht sicherheitsempfindliche Tätigkeit bei den ... beurlaubt ist. Auf die Frage, ob der Antragsteller in der Zeit, für die er nicht klaglos gestellt wurde, durch den angefochtenen Bescheid ihn belastende Auswirkungen hatte oder nicht, kommt es aber nicht an. Vielmehr ist auf das in seiner Antragstellung ausgedrückte Begehren abzustellen: Darin erstrebte er die umfassende Aufhebung des Bescheides und somit auch der Regelung, dass erst nach fünf Jahren eine erneute Überprüfung stattfinden kann.

18 Legt man den Zeitraum von 60 Monaten zugrunde, den der Antragsteller durch den angefochtenen Bescheid im Zeitpunkt der Einlegung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung von einer erneuten Überprüfung ausgeschlossen war, so entspricht die Klaglosstellung durch eine Verkürzung der Wiederüberprüfungsfrist um 42 Monate in etwa zwei Dritteln des betroffenen Zeitraums. Es ist deshalb angemessen, dem Bund zwei Drittel der dem Antragsteller durch den Antrag auf gerichtliche Entscheidung erwachsenen notwendigen Aufwendungen aufzuerlegen.

19 4. Im Übrigen trägt der Antragsteller die ihm entstandenen Aufwendungen selbst, weil er mit seiner Erledigungserklärung zum Ausdruck gebracht hat, dass er die strittige Entscheidung weitergehend nicht mehr anfechten will (insoweit verdeckte Antragsrücknahme).

20 5. Der Antrag zu 2) des Antragstellers, die Hinzuziehung seines Bevollmächtigten gemäß § 16a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 WBO für notwendig zu erklären, ist nicht statthaft, weil hier kein Vorverfahren mit Beteiligung eines Bevollmächtigten stattgefunden hat. Der Antragsteller hat seinen Prozessvertreter ausweislich der vorgelegten Vollmacht erst am 27. November ... bevollmächtigt. Das war nach Erlass des angegriffenen Bescheides vom 20. November ..., der dem Antragsteller am 25. November ... eröffnet worden war. Da gegen diesen Bescheid nur der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zulässig war, sind die Kosten des Bevollmächtigten in den Kosten des gerichtlichen Antragsverfahrens enthalten.