Beschluss vom 10.01.2018 -
BVerwG 4 BN 18.17ECLI:DE:BVerwG:2018:100118B4BN18.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 10.01.2018 - 4 BN 18.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:100118B4BN18.17.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 18.17

  • VGH Kassel - 09.11.2016 - AZ: VGH 3 C 2411/13.N

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Januar 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz und Prof. Dr. Külpmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. November 2016 wird verworfen.
  2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu je 1/3.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf sämtliche Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie verfehlt die Darlegungsanforderungen nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

2 1. Die Beschwerde formuliert keine Fragen von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

3 Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, z.B. BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 4 BN 3.14 - ZfBR 2014, 479 Rn. 2). Daran fehlt es.

4 a) Die Frage,
ob mit allen damit verbundenen Rechtsfolgen ein Bebauungsplan, der in der zeichnerischen Darstellung und ihrer Legende lediglich die Festsetzung enthält "Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung" mit dem Zusatz "Zweckbestimmung: B Buswendeschleife" sich in dieser allgemeinen Regelung erschöpft, oder ob unter Zuhilfenahme der allgemeinen Auslegungsgrundsätze, wozu insbesondere auch die teleologische und die entstehungsgeschichtliche Auslegung der Norm gehört, sich ergibt, dass die Regelungswirkung konkreter ist, nämlich auch die Bushaltestellen selbst, ihre Anzahl und ihren Standort umfasst,
zielt gegen die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dass der Bebauungsplan nicht Bushaltestellen, sondern lediglich Verkehrsflächen festsetze (UA S. 12), mit der Folge, dass die den Antragsteller zu 1 störende vierte Haltestelle nicht zu den Festsetzungen des Bebauungsplans zähle (UA S. 16); der genaue Standort der Haltestellen werde in einem nachfolgenden Verfahren festgelegt (UA S. 19). Die Beschwerde möchte in einem Revisionsverfahren klären lassen, dass auch die Bushaltestellen zum Regelungsinhalt des Bebauungsplans gehören. Die Frage betrifft die Auslegung des Bebauungsplans und damit nicht revisibles Landesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO); das Auslegungsergebnis der Vorinstanz wäre für den Senat bindend (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Hieran ändert auch die von der Beschwerde aufgeworfene methodische Frage nichts, denn klärungsbedürftige Fragen des Bundesrechts legt die Beschwerde insoweit nicht dar (BVerwG, Beschluss vom 23. März 1992 - 5 B 174.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 306).

5 b) Die weitere Frage,
ob die Planfestsetzung "Buswendeschleife" auch die Festsetzung eines Busbahnhofs gestattet,
zielt (wohl) darauf, dass die Beschwerde klären lassen möchte, ob ein Busbahnhof auf einer als "Buswendeschleife" festgesetzten Fläche nach § 30 BauGB zulässigerweise errichtet werden kann. Indes fehlt jede Darlegung, warum diese Frage in einem Revisionsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig sein soll.

6 c) Die Anforderungen an die Darlegung einer Grundsatzrüge verfehlt die Beschwerde auch, soweit sie geltend macht, der Verwaltungsgerichtshof habe § 86 Abs. 1 und 3 VwGO nicht beachtet. Es fehlt bereits die Formulierung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage. Auch im Übrigen lässt sich nicht hinreichend deutlich erkennen, welche klärungsbedürftige und entscheidungserhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) die Beschwerde in dem angestrebten Revisionsverfahren klären lassen möchte.

7 2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist ebenfalls nicht schlüssig dargelegt.

8 Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung (unter anderem) des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328).

9 a) Die Beschwerde macht geltend, der Verwaltungsgerichtshof stütze seine Entscheidung im Widerspruch zu Rechtssätzen des Bundesverwaltungsgerichts (etwa BVerwG, Urteil vom 4. November 1966 - 4 C 36.65 - BVerwGE 25, 243 <250>) auf den Rechtssatz, dass ein Bebauungsplan einer Geltungsvermittlung bedürfe, die der Verwaltungsgerichtshof "augenscheinlich" außerhalb des Bebauungsplans angesiedelt habe. Dieser Rechtssatz lässt sich indes dem angegriffenen Normenkontrollurteil des Verwaltungsgerichtshofs nicht entnehmen. Der Sache nach geht es der Beschwerde auch in diesem Zusammenhang darum, dass sie die Errichtung von Bushaltestellen auf den als Buswendeschleife festgesetzten Flächen für unzulässig hält. Insoweit fehlt es an der Formulierung divergierender Rechtssätze.

10 b) Die Beschwerde macht weiter geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe dem in der Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Urteil vom 1. November 1974 - 4 C 38.71 - BVerwGE 47, 144) formulierten Rechtssatz widersprochen, dass öffentlichen Belangen in der Abwägung nicht von vornherein ein Vorrang gegenüber entgegenstehenden privaten Belangen zukomme. Divergierende Rechtssätze sind auch insoweit nicht bezeichnet. Im Gegenteil räumt die Beschwerde der Sache nach selbst ein, dass die planungsbedingten Einschränkungen der Interessen des Antragstellers zu 1 als Ergebnis der konkreten Abwägung und mithin gerade nicht "von vornherein" als "nicht gravierend" bewertet wurden.

11 3. Ein zur Zulassung der Revision führender Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist ebenfalls nicht schlüssig dargetan.

12 a) Die Beschwerde rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe zu Unrecht angenommen, dass der Antragsteller zu 1 nicht Eigentümer des Grundstücks Flur 9, Flurstück 143/32 sei. Welche Verfahrensvorschriften hierdurch verletzt sein sollen, lässt die Beschwerde im Dunkeln. Der Sache nach zielt ihr Angriff gegen die Antragsgegnerin, die sich in der mündlichen Verhandlung - so die Beschwerde - wider besseres Wissen erklärt habe, um das Gericht zu täuschen. Ein Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichtshofs ist damit nicht schlüssig dargetan. Sollte die Beschwerde die Aktenwidrigkeit des angenommenen Sachverhalts rügen wollen, legt sie jedenfalls nicht dar, warum dieser Umstand entscheidungserheblich sein sollte.

13 b) Die Beschwerde bemängelt ferner, der Verwaltungsgerichtshof habe zwar in der mündlichen Verhandlung zu Recht einen Sachverständigen hinzugezogen, aber nur unzureichend festgestellt, wie sich die vierte Haltestelle angesichts der vorgetragenen Fahrzeugbewegungen auf die Lärmprognose auswirke; auch habe der Sachverständige die Anwendungsvoraussetzungen der 16. BImSchV nicht diskutiert. Der behauptete Aufklärungsmangel ist damit nicht schlüssig dargetan. Der gesamte Bereich der Tatsachenfeststellung ist ausschließlich vom materiell-rechtlichen Standpunkt des vorinstanzlichen Gerichts aus zu beurteilen (stRspr, z.B. BVerwG, Urteile vom 27. Mai 1982 - 2 C 50.80 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 197 und vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 sowie Beschluss vom 19. August 1998 - 2 B 6.98 - juris). Nach dem Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichtshofs (UA S. 18) war der in der Ausführungsplanung vorgesehene Bedarfshalteplatz - wie dargestellt - nicht Gegenstand der Festsetzungen des angefochtenen Bebauungsplans und schon von daher nicht geeignet, einen Fehler im Abwägungsvorgang darzustellen. Auf der Grundlage des Lärmgutachtens der Antragsgegnerin hat der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 19 f.) überdies angenommen, dass das planbedingte Verkehrsaufkommen nicht zu einer spürbaren Lärmerhöhung auf den umliegenden Grundstücken führen werde. Ausgehend hiervon musste sich dem Verwaltungsgerichtshof eine weitere Aufklärung der von der Beschwerde näher bezeichneten Lärmereignisse nicht aufdrängen. Dass die anwaltlich vertretenen Antragsteller durch Beweisanträge auf eine weitere Sachaufklärung hingewirkt hätten, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 17. November 1998 - 2 B 22.98 - juris Rn. 5).

14 c) Unsubstantiiert bleibt die Behauptung der Beschwerde, ein weiterer Verfahrensmangel liege darin, dass der Verwaltungsgerichtshof eine Schadstoffuntersuchung weder in Bezug auf Abgasemissionen noch in Bezug auf Bodenkontaminationen für angezeigt erachtet habe. Der Hinweis, es sei allgemein bekannt, dass das Bahngelände durch den jahrzehntelangen Eintrag von schädlichen Betriebsstoffen und Unkrautvernichtungsmitteln in weit höherem Maße belastet sei als andere Flächen, ersetzt nicht konkrete Angaben dazu, welche sich aufdrängende Beweiserhebung von den anwaltlich vertretenen Antragstellern im Normenkontrollverfahren ausdrücklich beantragt wurde oder sich dem Verwaltungsgerichtshof aus welchen Gründen auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag hätte aufdrängen müssen.

15 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Satz 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.