Beschluss vom 10.04.2024 -
BVerwG 1 W-VR 20.23ECLI:DE:BVerwG:2024:100424B1WVR20.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 10.04.2024 - 1 W-VR 20.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:100424B1WVR20.23.0]

Beschluss

BVerwG 1 W-VR 20.23

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch
am 10. April 2024 beschlossen:

Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird abgelehnt.

Gründe

I

1 Das Eilverfahren betrifft die Verpflichtung zur Duldung einer Covid-19-Impfung.

2 Der Antragsteller ist Soldat auf Zeit. Seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 31. Juli 2024.

3 Mit Wirkung vom 24. November 2021 trat im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung nach Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses, des Hauptpersonalrates und der Hauptschwerbehindertenvertretung eine Änderung der Allgemeinen Regelung (AR) A1-840/8-4000 "Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen - Fachlicher Teil" in Kraft. Dadurch wurde die Impfung gegen den Covid-19-Erreger in die Liste der Basisimpfungen in Nr. 2001 AR A1-840/8-4000 aufgenommen.

4 Mit Verfügung vom 1. Februar 2023 leitete der Kommandeur ... gegen den Antragsteller ein gerichtliches Disziplinarverfahren ein. Darin wird der Soldat angeschuldigt, in zwei Fällen im Mai bzw. Juni 2022 den Befehl, die Covid-19-Impfung durch den zuständigen Truppenarzt zu dulden, nicht befolgt zu haben. Wegen dieser Vorwürfe war der Antragsteller bereits durch die Staatsanwaltschaft K. wegen Gehorsamsverweigerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 WStG beim Amtsgericht F. angeklagt. Das dort eröffnete Hauptverfahren ist noch nicht beendet.

5 Der Antragsteller hat am 4. Mai 2023 beim Bundesministerium der Verteidigung einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Änderung der Allgemeinen Regelung (AR) A1-840/8-4000 und einen darauf bezogenen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Diese Anträge hat das Bundesministerium der Verteidigung am 29. September 2023 mit einer Stellungnahme dem Senat vorgelegt.

6 Mit Schreiben vom 20. Februar 2024 sicherte das Bundesministerium der Verteidigung dem Antragsteller zu, ihn bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache (1 WB 40.23 ) nicht durch Befehl der Duldung einer Covid-19-Schutzimpfung auszusetzen; insoweit würden auch keine disziplinaren Maßnahmen gegen den Antragsteller ergriffen werden.

7 Der Antragsteller macht geltend, dass mit dem Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung der Anordnungsgrund für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht entfallen sei. Er werde sowohl in dem Straf- als auch in dem Disziplinarverfahren konsequent weiter verfolgt. Der von diesen Verfahren ausgehende Druck und die dort drohenden Verurteilungen mit den daraus erwachsenden Folgen veranlassten ihn ständig zu der Überlegung, seinen Impfstatus preiszugeben und sich ggf. einer Covid-19-Impfung zu unterziehen. Die Aufrechterhaltung der Covid-19-Impfduldungspflicht und der besagten Verfahren beeinträchtigten ihn daher in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG.

8 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II

9 Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig.

10 Mit der in dem Schreiben vom 20. Februar 2024 enthaltenen Zusicherung des Bundesministeriums der Verteidigung, den Befehl zur Duldung der Covid-19-Schutzimpfung gegen den Antragsteller bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht durchzusetzen und gegen ihn auch keine disziplinaren Maßnahmen zu ergreifen, ist das Bedürfnis des Antragstellers nach Eilrechtsschutz entfallen. Bis zur Entscheidung der Hauptsache geht von der angefochtenen Änderung der Allgemeinen Regelung (AR) A1-840/8-4000 "Impf- und ausgewählte Prophylaxemaßnahmen - Fachlicher Teil" keine belastende Wirkung für den Antragsteller aus. Der begehrten Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des gegen diese dienstliche Maßnahme gerichteten Antrages auf gerichtliche Entscheidung bedarf es deshalb nicht.

11 Ein Interesse daran besteht auch nicht mit Blick auf die gegen den Antragsteller geführten Verfahren vor dem Strafgericht und dem zuständigen Truppendienstgericht. Ein Erfolg des Antrages im hiesigen Verfahren bliebe prozessrechtlich ohne Einfluss auf den Ausgang des straf- und des wehrdisziplinargerichtlichen Verfahrens. Auch aus einer etwaigen Würdigung der Rechtmäßigkeit der hier angegriffenen dienstlichen Maßnahme könnte der Antragsteller in den angesprochenen Verfahren keinen Nutzen ziehen, weil es dort für die Beurteilung jeweils maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Tatzeitpunkt ankommt, während die Prüfung der hier angefochtenen dienstlichen Maßnahme eine Würdigung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erfordert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 1 WB 2.22 - BVerwGE 176, 138 Rn. 77 m. w. N.).

12 Der Antragsteller kann sich auch nicht mit Erfolg auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG berufen. Den erforderlichen Rechtsschutz kann er im Hauptsacheverfahren erlangen.