Beschluss vom 10.04.2025 -
BVerwG 10 BN 3.25ECLI:DE:BVerwG:2025:100425B10BN3.25.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 10.04.2025 - 10 BN 3.25 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:100425B10BN3.25.0]
Beschluss
BVerwG 10 BN 3.25
- VGH Kassel - 27.08.2024 - AZ: 4 C 1436/20.N
In der Normenkontrollsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. April 2025
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und Dr. Günther
beschlossen:
- Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. August 2024 wird zurückgewiesen.
- Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.
Gründe
I
1 Die Antragstellerin wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die Ausführungsverordnung des Landes Hessen zur Düngeverordnung. Sie betreibt auf eigenen und gepachteten Grundstücken Landwirtschaft. Ihre bewirtschafteten Flächen unterliegen wegen des behördlich bewerteten chemischen Zustands des Grundwasserkörpers Bewirtschaftungseinschränkungen und sind als mit Nitrat belastetes, so genanntes rotes Gebiet ausgewiesen.
2 Zur Ausweisung der mit Nitrat belasteten Gebiete erließ die Bundesregierung am 3. November 2020 die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten (AVV Gebietsausweisung - AVV GeA). Auf ihrer Grundlage erließ die Landesregierung in Hessen am 16. Dezember 2020 für die Ausweisung der belasteten Gebiete die Verordnung über ergänzende Vorschriften zur Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln nach § 13a Abs. 1 der Düngeverordnung (Ausführungsverordnung zur Düngeverordnung - AVDüV HE). In der Folgezeit änderte die Bundesregierung die Allgemeine Verwaltungsvorschrift, woraufhin die Landesregierung in Hessen die Ausführungsverordnung zur Düngeverordnung entsprechend änderte.
3 Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag abgelehnt und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
II
4 Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
5 1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten Abweichung des angegriffenen Urteils von Entscheidungen anderer Obergerichte zuzulassen.
6 Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung der Vorinstanz auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der in Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder das Bundesverfassungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift oder desselben Rechtsgrundsatzes aufgestellt hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. April 2021 - 3 B 9.20 - juris Rn. 26 und vom 13. Februar 2025 - 3 B 16.24 - juris Rn. 28). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde bereits deshalb nicht gerecht, weil sie nicht auf eine Entscheidung der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte verweist, sondern auf die Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte.
7 2. Die Rechtssache hat auch nicht die ihr von der Antragstellerin beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
8 Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt werden, dass und inwiefern diese Voraussetzungen vorliegen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 7. Oktober 2022 - 7 B 6.22 - juris Rn. 5). Daran fehlt es hier.
9 Die Beschwerde wirft als grundsätzlich die Frage der Rechtsqualität der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten auf und macht eine fehlende höchstrichterliche Klärung geltend. Sie enthält jedoch keine Ausführungen dazu, welche Rechtsqualität der Verwaltungsgerichtshof der Verwaltungsvorschrift beigemessen hat und inwiefern dies für dessen Entscheidung tragend war. Insbesondere legt die Beschwerde nicht dar, welche Folgen sich je nach rechtlicher Beurteilung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs ergeben hätten. Stattdessen hebt die Beschwerde im Weiteren auf die unzutreffende Auslegung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift durch den Verwaltungsgerichtshof ab. Dies gilt auch im Hinblick auf die weitere Frage, ob der Landesverordnungsgeber ohne Begründung geeignete Messstellen von der Einbeziehung ausnehmen durfte. Auch insoweit trägt die Beschwerde lediglich vor, dass der Antragsgegner nicht in der gebotenen Tiefe erörtert habe, ob die anerkannten Regeln der Technik eingehalten worden seien. Dies stehe im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt und des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern. Eine grundsätzliche Bedeutung zeigt die Beschwerde damit nicht auf.
10 3. Die Beschwerde bezeichnet auch keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
11 a) Zunächst ist kein Aufklärungsmangel dargelegt. Die Beschwerde macht geltend, dass der Verwaltungsgerichtshof wesentliche Beweisanträge unbeachtet gelassen habe, die für die Feststellung des Sachverhalts von entscheidender Bedeutung gewesen seien.
12 Mit diesem Vorbringen wird eine Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO nicht aufgezeigt. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat und die sich dem Gericht auch nicht aufdrängen musste. Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat; lediglich schriftsätzlich angekündigte Beweisanträge genügen den genannten Anforderungen nicht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. Oktober 2013 - 10 B 19.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziffer 3 VwGO Nr. 67 Rn. 3, vom 16. Dezember 2015 - 10 B 7.15 - juris Rn. 7, vom 21. Juli 2016 - 10 BN 1.15 - juris Rn. 3 und vom 17. März 2017 - 10 B 20.16 - juris Rn. 8). Beweisanträge hat die anwaltlich vertretene Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof aber nicht gestellt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich dem Verwaltungsgerichtshof zu dem von der Beschwerde genannten Beweisthema die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zur hydrogeologischen Beschaffenheit des betroffenen Gebiets von Amts wegen hätte aufdrängen müssen. Der Verwaltungsgerichtshof durfte aufgrund der von der Antragstellerin im Verfahren vorgelegten Gutachten sowie der vom Land Hessen dazu vorgelegten fachlichen Stellungnahmen im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheiden und hat auch die Gründe angegeben, die für seine richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
13 b) Soweit die Beschwerde einen Gehörsverstoß geltend macht, bleibt die Verfahrensrüge ebenfalls ohne Erfolg. Mit dem Vorbringen, der Verwaltungsgerichtshof habe in der mündlichen Verhandlung mehrfach erklärt, das Vorbringen der Antragstellerin werde als ausreichend erachtet, und ihr sei nicht nochmals das Wort erteilt worden, was eine Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung in der mündlichen Verhandlung und der späteren Urteilsbegründung darstelle, rügt die Beschwerde sinngemäß ein unzulässiges Überraschungsurteil. Die Voraussetzungen hierfür liegen aber nicht vor.
14 Eine den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung ist gegeben, wenn das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens und unter Berücksichtigung der Vielfalt der vertretenen Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 13. März 2024 - 10 B 5.24 - juris Rn. 4 m. w. N.). Der Anspruch auf rechtliches Gehör kann auch dann verletzt sein, wenn das Gericht durch eindeutig formulierte Hinweise seine Rechtsauffassung zu erkennen gibt und dann - ohne vorherigen Hinweis - von dieser abrückt, so dass den Prozessbeteiligten kein Vortrag zur gewandelten Rechtsauffassung mehr möglich ist (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 27. Juni 2022 - 8 B 40.21 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 99 Rn. 3 und vom 11. Dezember 2024 - 10 B 7.24 - juris Rn. 17 f.). Das war vorliegend nicht der Fall. Der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 27. August 2024 lassen sich keine Anhaltspunkte für entsprechende rechtliche Hinweise des Verwaltungsgerichtshofs entnehmen. Im Übrigen bleibt das Vorbringen der Beschwerde ohne weitere Substantiierung. Zudem kann regelmäßig erwartet werden, dass die Beteiligten von sich aus erkennen, welche rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte Bedeutung für den Fortgang des Verfahrens und die abschließende Sachentscheidung des Gerichts erlangen können. Es liegt dann an ihnen, entsprechend vorzutragen und gegebenenfalls einen Protokollierungsantrag nach § 105 VwGO i. V. m. § 160 Abs. 4 ZPO zu stellen.
15 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.