Beschluss vom 10.04.2025 -
BVerwG 4 B 19.24ECLI:DE:BVerwG:2025:100425B4B19.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 10.04.2025 - 4 B 19.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:100425B4B19.24.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 19.24

  • VG Köln - 05.05.2022 - AZ: 8 K 2582/22
  • OVG Münster - 12.06.2024 - AZ: 7 A 1268/22

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. April 2025
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Stamm
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Juni 2024 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung von Räumen für Theaterdarbietungen in Räume für Theater-, Kabarett- und Konzertdarbietungen sowie Vortrags- und Seminarveranstaltungen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Nachbarklage abgewiesen. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot zu Lasten des Klägers liege nicht vor. Dieser verfüge schon nicht über eine schutzwürdige Rechtsposition; seine Wohnnutzung sei formell und materiell rechtswidrig. Insoweit werde auf die Entscheidung vom gleichen Tag verwiesen, mit dem die dem Kläger erteilte Genehmigung zur Wohnnutzung auf die Klage des benachbarten Theaters − des hier Beigeladenen − aufgehoben wurde. Die angegriffene Genehmigung lasse überdies auch keine unzulässigen Lärmimmissionen zu. Bei dem Vorhaben handele es sich nicht um eine vom Geltungsbereich der TA Lärm ausgenommene Freizeitanlage im Sinne von Nummer 1 Satz 2 TA Lärm. Die Vorgaben der TA Lärm würden eingehalten.

2 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Die dagegen gerichtete, ausschließlich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

3 Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. November 2024 - 4 B 20.24 - juris Rn. 15).

4 1. Der Kläger möchte sinngemäß grundsätzlich geklärt wissen,
ob die im Rahmen von Baugenehmigungsverfahren gebotene Prüfung des planungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme im Hinblick auf die Zumutbarkeit von Geräuschemissionen unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Abs. 4 UmwRG erfolgt und daran anknüpfend § 6 UmwRG anzuwenden ist.

5 Die Frage ist hier nicht entscheidungserheblich. Die Klage ist im Berufungsverfahren abgewiesen worden; der Kläger kann aus der − vom Oberverwaltungsgericht nicht geprüften − Anwendung der Präklusionsvorschrift des § 6 Satz 2 UmwRG auf die eigene Klage nichts für sich herleiten.

6 Die Entscheidungserheblichkeit der Frage ergibt sich auch nicht aus dem Zusammenhang mit dem parallelen Klageverfahren gegen die dem Kläger erteilte Genehmigung zur Wohnnutzung. Zwar hat der Senat in jenem Verfahren (- 4 B 18.24 -) die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der nämlichen Frage mit Beschluss vom heutigen Tag zugelassen. Auch dürfte der Ausgang des Revisionsverfahrens für dieses Verfahren materiell-rechtlich bedeutsam sein, weil der Kläger im Falle der Klageabweisung über eine Genehmigung für seine Wohnnutzung und damit zugleich − anders als das Oberverwaltungsgericht angenommen hat − gegebenenfalls über eine schutzwürdige Rechtsposition gegenüber dem benachbarten Theater verfügt. Daraus folgt aber nicht, dass die aufgeworfene Grundsatzfrage hier entscheidungserheblich wäre. Über die Anwendung des § 6 UmwRG im Klageverfahren des hier Beigeladenen wäre nicht inzident zu entscheiden.

7 Das Beschwerdeverfahren war auch nicht nach § 94 VwGO auszusetzen. Die Entscheidung, ob die Revision aus den Gründen des § 132 Abs. 2 VwGO zuzulassen ist, hängt nicht vom Ausgang des Verfahrens - 4 B 18.24 - ab. Dies gilt ungeachtet der Frage der Berücksichtigungsfähigkeit neuer Tatsachen in der Revisionsinstanz (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 18 und vom 21. Juni 2018 - 4 CN 8.17 - ZfBR 2018, 684 Rn. 13). Der Kläger hat nicht dargelegt, woraus sich im Fall der Abweisung der gegen seine Genehmigung zur Wohnnutzung gerichteten Klage ein Zulassungsgrund ergeben soll.

8 2. Auf die weiter als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage zum Anwendungsbereich von Nummer 1 Satz 2 Buchst. b TA Lärm kommt es nicht an. Das Oberverwaltungsgericht hat einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot gestützt auf mehrere selbständig tragende Begründungen verneint (UA S. 24). In solchen Fällen setzt die Zulassung der Revision voraus, dass in Bezug auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegt (BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 15, und vom 18. Dezember 2017 - 4 BN 27.17 - juris Rn. 17; stRspr). Daran fehlt es. Jedenfalls zu der tragenden Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Kläger verfüge nicht über eine schutzwürdige Rechtsposition, weil die ihm erteilte Genehmigung zur Wohnnutzung zu Lasten der zuvor bestandskräftig genehmigten Theaternutzung durch den Beigeladenen gegen das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verstoße (vgl. UA S. 24 unter Bezugnahme auf 7 A 1326/22), sind keine Zulassungsgründe geltend gemacht, die über die unter 1. behandelte Grundsatzfrage hinausgehen.

9 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.