Beschluss vom 10.06.2005 -
BVerwG 1 B 149.04ECLI:DE:BVerwG:2005:100605B1B149.04.0

Leitsatz:

Hatte ein Beteiligter einen Prozessbevollmächtigten bestellt, dem die erforderliche Postulationsfähigkeit fehlt, so führt dies nicht dazu, dass der Beteiligte nicht nach Vorschrift des Gesetzes im Sinne von § 138 Nr. 4 VwGO vertreten war.

  • Rechtsquellen
    VwGO §§ 67, 138 Nr. 4
    ZPO §§ 244, 249 Abs. 3, § 547 Nr. 4

  • OVG Greifswald - 27.04.2004 - AZ: OVG 3 L 198/00 -
    OVG Mecklenburg-Vorpommern - 27.07.2004 - AZ: OVG 3 L 198/00

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 10.06.2005 - 1 B 149.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:100605B1B149.04.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 149.04

  • OVG Greifswald - 27.04.2004 - AZ: OVG 3 L 198/00 -
  • OVG Mecklenburg-Vorpommern - 27.07.2004 - AZ: OVG 3 L 198/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Juni 2005
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und R i c h t e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 27. Juli 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die allein auf einen Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt erfolglos.
Die Beschwerde macht geltend, es liege ein absoluter Revisionsgrund im Sinne von § 138 Nr. 4 VwGO vor. Der Kläger sei im Berufungsverfahren nicht entsprechend den Erfordernissen des § 67 VwGO vertreten gewesen, weil die Zulassung seines damaligen Bevollmächtigten zur Rechtsanwaltschaft im Laufe des Verfahrens widerrufen worden sei. § 67 VwGO diene dem Schutz des einzelnen Rechtssuchenden. Hieraus entstünden subjektive Rechte, die wiederum durch § 138 Nr. 4 VwGO geschützt würden.
Damit und mit ihrem weiteren Vorbringen macht die Beschwerde einen Verfahrensfehler nicht ersichtlich. Ist der Prozessbevollmächtigte - etwa wegen Fehlens der Anwaltseigenschaft bei Vertretungszwang (§ 67 VwGO) - nicht postulationsfähig, so bewirkt dies nicht, dass der betroffene Beteiligte nicht nach Vorschrift des Gesetzes im Sinne von § 138 Nr. 4 VwGO vertreten war. Der Beteiligte hat dann lediglich die für die betreffende Prozesshandlung vorgeschriebene Form verfehlt (vgl. BAG, NJW 1991, 1252 zum Fehlen eines absoluten Revisionsgrundes im Sinne des § 551 Nr. 5 ZPO a.F. = § 547 Nr. 4 ZPO n.F.; Eichberger in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 138 Rn. 115; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 138 Rn. 23; Neumann in: NK-VwGO § 138 Rn. 254; vgl. auch BFH/NV 2003, 175). Das Erfordernis einer besonderen Postulationsfähigkeit dient dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Gang des Verfahrens und dem Interesse des Beteiligten an ordnungsgemäßer Beratung. Um diese Zwecke zu erreichen, schreibt das Gesetz eine bestimmte Form des prozessualen Handelns vor. Es liegt jedoch in der Verantwortung des - selbst oder durch einen gesetzlichen Vertreter - handlungsfähigen Beteiligten, eine vertretungsberechtigte Person auszuwählen, die für ihn vor Gericht wirksam handeln kann. Besitzt der von dem Beteiligten ausgewählte Vertreter diese Fähigkeit nicht, so beruht ein Urteil gegen den Beteiligten nicht darauf, dass dem Beteiligten verwehrt wurde, in Bezug auf das Verfahren sein Selbstbestimmungsrecht auszuüben. Es beruht vielmehr darauf, dass der ausgewählte Vertreter die von ihm geschuldete Leistung nicht erbracht hat, weil er die dazu erforderliche Befähigung nicht besaß. Konnte der Beteiligte diesen Mangel nicht erkennen, kann er unter Umständen einen Schadensersatzanspruch gegen seinen Vertreter haben (vgl. BAG, a.a.O.). Die Beschwerde zeigt weder in einer den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise auf noch ist sonst ersichtlich, inwiefern unter den Umständen des vorliegenden Falles - der Prozessbevollmächtigte verlor die Zulassung als Rechtsanwalt und damit die Postulationsfähigkeit erst während des Berufungsverfahrens (nach Erteilung der Zustimmung zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung; vgl. dazu unten) - anderes gelten sollte.
Auch mit ihrem weiteren Vorbringen zeigt die Beschwerde einen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht schlüssig auf. Soweit sie dahin zu verstehen sein sollte, dass sie (auch) auf eine durch den erwähnten Verlust der Anwaltszulassung entstandene Unterbrechung des Verfahrens abhebt (vgl. § 173 VwGO, § 244 ZPO), macht sie mangels Darlegung der erforderlichen Einzelheiten des berufungsgerichtlichen Verfahrens nicht ersichtlich, inwiefern das Berufungsgericht hier an einer abschließenden Entscheidung gehindert gewesen sein sollte. Namentlich geht sie nicht auf den Umstand ein, dass der frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers erst nach der am 27. August 2003 erteilten Zustimmung zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung aufgrund des am 6. Dezember 2003 rechtskräftig gewordenen Widerrufs der Anwaltszulassung (vgl. das in Kopie vorgelegte Schreiben der Rechtsanwaltskammer vom 29. September 2004) die Fähigkeit verloren hat, die Vertretung des Klägers fortzuführen. Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass im Falle einer nach dem Verzicht auf mündliche Verhandlung entstandenen Verfahrensunterbrechung im Sinne von § 244 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO das Urteil in entsprechender Anwendung des § 249 Abs. 3 ZPO erlassen und bekannt gemacht werden kann (BFHE 163, 410 = NJW 1991, 2792). Es bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung, ob dem zu folgen ist, da die Beschwerde insoweit schon mangels der hinreichenden Darlegung eines Verfahrensfehlers keinen Erfolg haben kann.
Ebenso wenig zeigt die Beschwerde Umstände auf, aus denen sich ein Verfahrensfehler im Hinblick auf die Zustellung des Berufungsurteils schlüssig ergibt. Auch wenn man davon ausgeht, dass eine ordnungsgemäße Zustellung an den früheren Bevollmächtigten des Klägers am 10. August 2004 nicht mehr erfolgen konnte, macht die Beschwerde nicht ersichtlich, inwiefern das Urteil, das der Kläger offenbar erhalten hat, nicht nach § 56 Abs. 2 VwGO, § 189 ZPO als zugestellt gilt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.