Beschluss vom 11.01.2007 -
BVerwG 1 WDS-VR 7.06ECLI:DE:BVerwG:2007:110107B1WDS-VR7.06.0

Leitsätze:

-

Der Schutzzweck des § 23 Abs. 1 Satz 2 Soldatenbeteiligungsgesetz gebietet es, den

von einer Personalmaßnahme im Sinne des Satzes 1 dieser Vorschrift betroffenen

Soldaten über das Beteiligungsorgan zu belehren, dessen Beteiligung in seinem

konkreten Einzelfall beantragt werden kann.

  • Rechtsquellen

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.01.2007 - 1 WDS-VR 7.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:110107B1WDS-VR7.06.0]

Beschluss

BVerwG 1 WDS-VR 7.06

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
am 11. Januar 2007 beschlossen:

  1. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde des Antragstellers vom 14. Dezember 2006 gegen die Kommandierungs- und Versetzungsverfügung der Stammdienststelle der Luftwaffe vom 8. Dezember 2006 wird angeordnet.
  2. Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der 1981 geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit mit einer festgesetzten Dienstzeit von acht Jahren, die voraussichtlich mit Ablauf des 30. Juni 2009 enden wird. Zum Stabsgefreiten (StGefr) wurde er am 3. November 2004 ernannt. Seit dem 4. Oktober 2005 wird er beim B... in R. (USA) verwendet; in der zugrundeliegenden Versetzungsverfügung der Stammdienststelle der Luftwaffe (SDL) vom 4. Oktober 2005 war seine voraussichtliche Verwendungsdauer ursprünglich bis zum 31. März 2008 festgesetzt worden.

2 Am 26. Oktober 2006 eröffnete der Kommandant Stabsquartier (Kdt StQ) B... dem Antragsteller den Entwurf eines Antrages auf dessen sofortige vorzeitige Rückversetzung in das Inland. Der Antrag war auf einen nicht mehr hinzunehmenden großen Vertrauensverlust mit der Begründung gestützt, es bestehe der Verdacht, dass der Antragsteller am 16. September 2006 um ca. 1.00 Uhr zusammen mit zwei anderen Soldaten versucht habe, die verschlossene Zimmertür des StGefr B. zu öffnen, wobei die Soldaten ein Luftgewehr mit Zielfernrohr und eine Halogenstehlampe mit sich geführt hätten; der Öffnungsversuch sei mittels einer Scheckkarte und - durch einen der anderen beteiligten Soldaten - mittels eines nicht näher identifizierbaren Gegenstandes erfolgt. Daraufhin beantragte der Antragsteller am selben Tag die Beteiligung der Vertrauensperson und legte am 30. Oktober 2006 eine Stellungnahme vor. Am 31. Oktober 2006 erfolgte die Anhörung des Stabsfeldwebels M., der sich unter der Überschrift „Anhörung VP-StQ B...“ als Vertrauensperson der Unteroffiziere und Mannschaften äußerte. Die Endfassung des Versetzungsantrages des Kdt StQ B... vom 31. Oktober 2006 wurde dem Antragsteller am selben Tag eröffnet.

3 Im Hinblick auf dessen neuerliche Stellungnahme vom 1. November 2006 erstellte der Kdt StQ B... unter dem 3. November 2006 einen neuen Entwurf seines Antrages auf vorzeitige Rückversetzung ins Inland, bei dessen Eröffnung der Antragsteller am 3. November 2006 einer Anhörung der Vertrauensperson nicht zustimmte.

4 Unter Berücksichtigung einer weiteren Stellungnahme des Antragstellers vom 6. November 2006 legte der Kdt StQ B... am 6. November 2006 die Endfassung seines Versetzungsantrages vor, in der er feststellte, der Antragsteller habe zusammen mit anderen Wachsoldaten des B... in der Nacht vom 15. auf den 16. September 2006 versucht, mit Waffengewalt in die dienstliche Unterkunft des StGefr B. einzudringen; dieser Versuch sei aufgezeichnet worden; die Videosequenz liege als Beweismittel vor. Der Antragsteller sei für ihn eindeutig als einer der Täter zu identifizieren. Den mit diesem Dienstvergehen begangenen Vertrauensbruch des Antragstellers betrachte er als endgültig; es lägen Vertrauensverluste, Störungen und Spannungen vor, die den Dienstbetrieb unannehmbar belasteten. Bei der Eröffnung dieser Endfassung des Versetzungsantrages stimmte der Antragsteller am 6. November 2006 einer Anhörung der Vertrauensperson nicht zu.

5 Der Stellvertreter des Kommandeurs und Chef des Stabes sowie der Kommandeur B... befürworteten in ihren Stellungnahmen vom 15. und 20. November 2006 als höhere Vorgesetzte die vorzeitige Rückversetzung des Antragstellers in das Inland.

6 Nach Vororientierung des Antragstellers am 7. Dezember 2006 ordnete die SDL mit Kommandierungs- und Versetzungsverfügung vom 8. Dezember 2006 die Versetzung des Antragstellers zur 2./F... in P. zum 1. Januar 2007 mit Dienstantritt am 28. Dezember 2006 an.

7 Gegen diese Entscheidung legte der Antragsteller mit Schreiben vom 14. Dezember 2006 Beschwerde ein und beantragte die Aufhebung der Versetzungsverfügung sowie gleichzeitig „die gerichtliche Entscheidung“. Mit Schreiben vom selben Tag beantragte sein Bevollmächtigter beim Senat die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Zu diesem Antrag hat der Bundesminister der Verteidigung (BMVg) - PSZ I 7 - mit Schreiben vom 4. Januar 2007 Stellung genommen, nachdem er zuvor mit Bescheid vom 22. Dezember 2006 den Antrag auf Erlass einer vorläufigen Maßnahme nach § 3 Abs. 2 WBO abgelehnt hatte. Den geplanten Dienstantritt verlegte die SDL am 14. Dezember 2006 auf den 15. Januar 2007.

8 Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Die angefochtene Verfügung der SDL sei ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig, weil eine ordnungsgemäße Anhörung der Gruppe der Soldatenvertreter vor Eröffnung dieser Verfügung nicht stattgefunden habe. Zu Unrecht sei der BMVg der Auffassung, die Anhörung des Beteiligungsgremiums sei entbehrlich geworden, weil er, der Antragsteller, am 14. Dezember 2006 seine Unterschrift unter ein neues Anhörungsformular verweigert habe. Seinen Antrag auf Beteiligung der Vertrauensperson vom 26. Oktober 2006 habe er als ausreichend angesehen. Für einen weiteren Antrag auf Beteiligung nach dem Soldatenbeteiligungsgesetz habe er kein Bedürfnis gesehen, weil er seinen ursprünglichen Antrag vom 26. Oktober 2006 bisher nicht zurückgenommen habe. Soweit er gegenüber dem Kdt StQ B... zeitweilig einer Beteiligung der Vertrauensperson widersprochen habe, habe er lediglich verhindern wollen, dass die Vertrauensperson Einsicht in die Disziplinarunterlagen erhalte. In der Sache sei das ihm tatsächlich vorwerfbare Verhalten nicht geeignet, Spannungen im Dienstbetrieb des B... anzunehmen. Es habe sich um eine einmalige Entgleisung gehandelt, die zudem noch unter erheblichem Alkoholeinfluss außerhalb des Dienstes und außerhalb militärischer Anlagen erfolgt sei. Nachweisbar habe er zu keinem Zeitpunkt eine Person bedroht, genötigt oder sonst pflichtwidrig auf sie eingewirkt. Bei ihrer Ermessensentscheidung habe die SDL schließlich die schwerwiegenden finanziellen Nachteile für ihn und seine Ehefrau außer Acht gelassen, die eine vorzeitige Rückversetzung in das Inland zur Folge haben werde.

9 Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom 14. Dezember 2006 gegen die Kommandierungs- und Versetzungsverfügung der SDL vom 8. Dezember 2006 und „den zugleich gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung“ anzuordnen.

10 Der BMVg beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

11 Nach dem objektiven, auch vom Antragsteller insoweit eingeräumten Handlungsablauf sei der Verdacht eines schwerwiegenden Dienstvergehens gegen ihn begründet, insbesondere ein Verstoß gegen seine soldatischen Pflichten aus § 17 Abs. 2 Satz 2 und § 12 SG. Der Eindringversuch in das Zimmer des StGefr B. mit Hilfe einer Scheckkarte bzw. eines anderen Gegenstandes sowie mit dem Einsatz eines Deckenfluters und eines Luftgewehrs offenbare eine grundsätzliche Missachtung der Persönlichkeitssphäre des Kameraden, verbunden mit der Absicht, diesen mit einer Angst- bzw. Schocksituation zu konfrontieren. Das Festhalten des Eindringversuches mit einer Digitalkamera sei geeignet gewesen, die erwartete Reaktion des StGefr B. zur fortdauernden Belustigung bzw. Zurschaustellung des Kameraden zu archivieren. Eine solche Verhaltensweise belege die Einschätzung des Disziplinarvorgesetzten, dass ein vertrauensvolles kameradschaftliches Miteinander in der Zukunft dauerhaft nicht mehr möglich sein werde. Die Verfahrensvorgaben für eine „Spannungsversetzung“ seien eingehalten worden. Zwar habe die am 31. Oktober 2006 eingeholte Stellungnahme des Gruppensprechers der Soldaten im örtlichen Personalrat des B... nicht den Anforderungen des § 52 Abs. 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 20 SBG genügt. Vielmehr sei im Fall der Versetzung eines Soldaten vom Dienststellenleiter der zuständige Personalrat zu beteiligen. Dort habe die Gruppe der Soldaten nach den Vorgaben des § 38 BPersVG durch einen Gruppenbeschluss die Stellungnahme zur beabsichtigten Personalmaßnahme abzugeben. Ein einzelner Soldatenvertreter aus dem örtlichen Personalrat könne in diesem Fall nicht die Funktion einer Vertrauensperson ausüben. Deshalb sei der Antragsteller am 14. Dezember 2006 befragt worden, ob er eine Anhörung des Personalrats zu seiner Versetzungsmaßnahme wünsche. Durch die Verweigerung seiner Unterschrift habe der Antragsteller dokumentiert, einen derartigen Wunsch nicht zu haben. Daher habe die Anhörung endgültig unterbleiben müssen. Offensichtlich wünsche der Antragsteller kein Beteiligungsverfahren mehr. Die Durchführung der Rückversetzung des Antragstellers in das Inland lasse im Übrigen keine unzumutbaren Härten für ihn oder für dessen Ehefrau erkennen.

12 Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des BMVg - PSZ I 7 - 927/06 - sowie die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

13 Der Antrag ist nach § 17 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 21 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 WBO zulässig.

14 Gegenstand des Rechtsschutzbegehrens ist bei sachgerechter Auslegung - im gegenwärtigen Verfahrensstadium - die vom Antragsteller angestrebte Anordnung der aufschiebenden Wirkung (lediglich) seiner Beschwerde vom 14. Dezember 2006 gegen die Kommandierungs- und Versetzungsverfügung der SDL vom 8. Dezember 2006. Soweit der Antragsteller auch „den zugleich gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung“ in seinen Antrag einbezogen hat, geht der Senat bei der hier gebotenen summarischen Prüfung davon aus, dass dieser Teil des Antrags nur vorsorglich für den Fall formuliert worden ist, dass sehr zeitnah ein gerichtlich anfechtbarer Beschwerdebescheid ergeht. Da der BMVg - PSZ I 7 - im Übrigen dem Antrag vom 14. Dezember 2006 sinngemäß auch einen Antrag nach § 3 Abs. 2 WBO entnommen und diesen mit Bescheid vom 22. Dezember 2006 abgelehnt hat, ist im Ergebnis die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 17 Abs. 6 Satz 3 WBO erfüllt.

15 Der Antrag ist auch begründet.

16 Der Gesetzgeber hat dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit truppendienstlicher Maßnahmen grundsätzlich den Vorrang vor privaten Belangen eingeräumt (§ 17 Abs. 6 Satz 1 WBO). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt deshalb nur in Betracht, wenn sich bereits bei summarischer Prüfung durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme ergeben oder dem Soldaten durch deren sofortige Vollziehung unzumutbare, insbesondere nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden (stRspr, u.a. Beschlüsse vom 27. März 1979 - BVerwG 1 WB 193.78 - BVerwGE 63, 210 <211 f.>, vom 4. Dezember 1995 - BVerwG 1 WB 106.95 - Buchholz 236.1 § 25 SG Nr. 1, vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 WB 5.02 - Buchholz 236.12 § 9 SUV Nr. 7 und vom 13. November 2003 - BVerwG 1 WB 40.03 -).

17 Die erstgenannte Voraussetzung ist hier erfüllt, weil auf der Grundlage einer im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Überprüfung durchgreifende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Kommandierungs- und Versetzungsverfügung bestehen.

18 Die Verfügung der SDL ist wegen eines Ermessensfehlers rechtswidrig, weil vor ihrem Erlass keine rechtsfehlerfreie Anhörung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 SBG zu der beabsichtigten Personalmaßnahme erfolgte. Deshalb liegt ein Ermessenfehlgebrauch vor.

19 Der Soldat hat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte fachliche oder örtliche Verwendung oder auf Verwendung auf einem bestimmten Dienstposten. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte bzw. die zuständige personalbearbeitende Stelle über die Verwendung eines Soldaten, sofern hierfür ein dienstliches Bedürfnis besteht, nach pflichtgemäßem Ermessen. Während das Vorliegen eines dienstlichen Bedürfnisses als unbestimmter Rechtsbegriff gerichtlich voll nachprüfbar ist, kann die Ermessensentscheidung nur daraufhin überprüft werden, ob der Vorgesetzte oder die zuständige Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt bzw. die gesetzlichen Grenzen des ihm/ihr insoweit zustehenden Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu prüfen, ob die gesetzlich vorgegebenen oder vom BMVg im Wege der Selbstbindung in Erlassen und Richtlinien festgelegten Verfahrensvorschriften eingehalten sind (stRspr, z.B. Beschluss vom 27. Februar 2003 - BVerwG 1 WB 57.02 - BVerwGE 118, 25 = Buchholz 252 § 23 SBG Nr. 2 = NZWehrr 2003, 212 m.w.N.).

20 Die SDL hat vorliegend gegen § 23 Abs. 2 Satz 2 SBG verstoßen. Bei ihrer Ermessensentscheidung hat sie als zuständige Stelle zwingend das Ergebnis der Anhörung der Vertrauensperson in die zu treffende Personalentscheidung einzubeziehen, sofern die Vertrauensperson auf Antrag des Soldaten zu einer beteiligungsfähigen Maßnahme anzuhören ist. Entsprechendes gilt für Maßnahmen bei Soldaten, die in einer personalratsfähigen Dienststelle verwendet werden, gemäß § 48 Satz 1, § 49 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 3 und § 52 Abs. 1 SBG.

21 Die beabsichtigte Rückversetzung des Antragstellers aus dem Ausland nach Deutschland löste eine Beteiligungspflicht nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SBG aus. Eine Versetzung stellt nach dieser Vorschrift nicht nur eine beteiligungsfähige, sondern in der Regel auch eine beteiligungspflichtige Maßnahme dar (Beschlüsse vom 27. Februar 2003 a.a.O. und vom 20. Juni 2005 - BVerwG 1 WB 28.05 -). Ein Ausnahmefall, der ein Absehen von der Beteiligung rechtfertigt, ist hier nicht feststellbar.

22 Die am 31. Oktober 2006 angehörte „Vertrauensperson der Unteroffiziere und Mannschaften“ war im Falle des Antragstellers nicht das richtige Beteiligungsorgan im Sinne des § 1 Abs. 2 SBG. Bei dem B... handelt es sich um eine personalratsfähige Dienststelle im Sinne des § 49 Abs. 1 Satz 1 und 2 SBG i.V.m. Nr. 1 3. Spiegelstrich der Anlage 4 zur ZDV 10/2, sodass nach § 52 Abs. 1 Satz 1 SBG „die Soldatenvertreter“, also die in dieser Dienststelle in den Personalrat gewählten Soldaten, in Angelegenheiten, die nur die Soldaten betreffen, die Befugnisse der Vertrauensperson haben. Eine solche „Angelegenheit“ ist die Versetzung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SBG. Im Verfahren BVerwG 1 WDS-VR 8.06 (Hauptgefreiter K.) hat der BMVg - PSZ I 7 - vorgetragen, dass bei dem B... und der Bu...ein gemeinsamer örtlicher Personalrat gebildet worden ist. Der Senat geht deshalb im vorliegenden summarischen Verfahren davon aus, dass diesem gemeinsamen örtlichen Personalrat in Gestalt der nach § 48 Satz 1, § 49 Abs. 2 Satz 3 SBG i.V.m. § 38 Abs. 2 Satz 1 BPersVG zur Entscheidung berufenen Soldatenvertreter die Beteiligungsrechte nach § 23 SBG zugewiesen sind. Demzufolge war nach § 52 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SBG der gemeinsame örtliche Personalrat beim B... und der Bu... vor der Versetzungsentscheidung der SDL anzuhören.

23 Für diese Anhörung hatte der Antragsteller am 26. Oktober 2006 einen inhaltlich hinreichend bestimmten Antrag gestellt. Nach der Rechtsprechung des Senats muss ein Anhörungsantrag gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SBG zu der jeweils beabsichtigten konkreten Einzelmaßnahme gestellt werden (Beschluss vom 27. Februar 2003 a.a.O.). Diesem Erfordernis hat der Antragsteller am 26. Oktober 2006 bei der Eröffnung des Entwurfs zum Versetzungsantrag vom selben Tage Rechnung getragen. Soweit er darin „die Beteiligung der Vertrauensperson der Mannschaften gemäß Belehrung vom 13.10.06“ als gewünschtes Beteiligungsorgan angegeben hat, entzieht diese Bezeichnung seinem Beteiligungsbegehren nicht die Grundlage. Aus dieser Formulierung entnimmt der Senat, dass diese Belehrung offenbar nicht den Hinweis auf die Möglichkeit der Beteiligung des Personalrats enthielt. Die Erklärung des Antragstellers vom 26. Oktober 2006 ist deshalb sinngemäß dahin auszulegen, dass er die Beteiligung des für ihn zuständigen Beteiligungsorgans wünschte.

24 Diesen Beteiligungsantrag hat der Antragsteller in der Folgezeit nicht zurückgenommen. Seine Erklärungen am 3. und 6. November 2006 gegenüber dem Kdt StQ B..., er stimme „einer Anhörung der Vertrauensperson nicht zu“, sind insoweit unerheblich. Denn zu diesem Zeitpunkt war der Antragsteller - weiterhin - entgegen § 23 Abs. 1 Satz 2 SBG nicht schriftlich über das in seinem Fall „richtige“ Beteiligungsorgan im Sinne des § 1 Abs. 2 SBG belehrt worden. Der Schutzzweck der Norm des § 23 Abs. 1 Satz 2 SBG gebietet es, den von einer Personalmaßnahme im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 SBG betroffenen Soldaten nicht nur abstrakt über „irgendeine“ Beteiligungsmöglichkeit zu belehren, sondern ihn exakt über das Beteiligungsorgan zu informieren, dessen Beteiligung in seinem konkreten Einzelfall beantragt werden kann. Nur dann hat der Soldat eine vollständige Informationsgrundlage für seine Entscheidung, ob er gerade dieses Beteiligungsorgan in sein Verfahren einbeziehen will oder nicht. Eine derartige differenzierte Belehrung des Antragstellers über die in seinem Fall in Betracht kommende Anhörung des zuständigen Personalrats in Gestalt der gewählten Soldatenvertreter ist - dies räumt auch der BMVg sinngemäß ein - damals nicht erfolgt.

25 Der Antragsteller hat im Übrigen in seiner Stellungnahme vom 6. November 2006 zur Endfassung des Versetzungsantrages vom selben Tage ausgeführt, er habe nicht auf eine Beteiligung verzichten wollen, wenn eine Vertrauensperson seiner Wählergruppe im Bereich des Kdt StQ B... vorhanden gewesen wäre. Ihm sei es lediglich darum gegangen, einer Einsichtnahme durch das Beteiligungsorgan in die Disziplinarunterlagen vorzubeugen.

26 Damit ist die angefochtene Verfügung der SDL am 8. Dezember 2006 ergangen, ohne dass zuvor eine Anhörung der zuständigen Personalvertretung stattgefunden hat und deren Ergebnis in die Ermessensentscheidung der SDL einbezogen worden ist. Da die Anhörung des zuständigen Beteiligungsorgans - wie sich aus § 1 Abs. 1 SBG ergibt - dazu dient, nach den Bestimmungen des Gesetzes zu einer wirkungsvollen Dienstgestaltung und zu einer fürsorglichen Berücksichtigung der Belange des einzelnen Soldaten beizutragen sowie dadurch zugleich auch die Informations- und Entscheidungsbasis der personalbearbeitenden Stelle zu verbreitern (vgl. dazu u.a. Beschluss vom 20. Juni 2005 - BVerwG 1 WB 60.04 - Buchholz 252 § 20 SBG Nr. 1), und weil § 23 Abs. 2 Satz 2 SBG zwingend die Einbeziehung des Ergebnisses der Anhörung des Beteiligungsorgans in die zu treffende Personalentscheidung anordnet, ist die angefochtene Versetzungsverfügung der SDL rechtswidrig.

27 In Ermangelung entgegenstehender Vorschriften ist es nicht ausgeschlossen, im noch laufenden Beschwerdeverfahren die unterlassene Anhörung formgerecht nachzuholen und sodann eine neue Entscheidung über die Versetzung des Antragstellers zu treffen.

28 Insoweit weist der Senat darauf hin, dass der Umstand, dass der Antragsteller am 14. Dezember 2006 ein Formular zur Beteiligung des zuständigen Personalrats nicht ausgefüllt hat, keinen Verzicht auf eine Anhörung der Personalvertretung darstellt. In seiner Beschwerde vom 14. Dezember 2006 hat der Antragsteller betont, dass er seinen Antrag auf Beteiligung der Vertrauensperson vom 26. Oktober 2006 zu keinem Zeitpunkt zurückgezogen habe; er habe lediglich ausschließen wollen, dass der Vertrauensperson Zugang zu den Ermittlungsunterlagen des Disziplinarvorgesetzten gegeben werde. Auch sein Bevollmächtigter hat im Schriftsatz an den Senat vom 9. Januar 2007 hervorgehoben, dass der Antragsteller für einen weiteren Antrag auf Beteiligung kein Bedürfnis gesehen habe, weil er seinen Antrag vom 26. Oktober 2006 bisher nicht zurückgenommen habe. Jedenfalls folgt aus der Verweigerung der Unterschrift unter das Formular vom 14. Dezember 2006 nicht, dass der Antragsteller nunmehr einer Beteiligung der Personalvertretung widerspricht. Der Antragsteller war nicht verpflichtet, auf Aufforderung seines Vorgesetzten den einmal gestellten Antrag zu wiederholen.

29 Die Kostenentscheidung beruht auf § 20 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO.

Beschluss vom 11.01.2007 -
BVerwG 1 WDS-VR 7.06ECLI:DE:BVerwG:2007:110107B1WDSVR7.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.01.2007 - 1 WDS-VR 7.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:110107B1WDSVR7.06.0]

Beschluss

BVerwG 1 WDS-VR 7.06

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
am 11. Januar 2007 beschlossen:

  1. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde des Antragstellers vom 14. Dezember 2006 gegen die Kommandierungs- und Versetzungsverfügung der Stammdienststelle der Luftwaffe vom 8. Dezember 2006 wird angeordnet.
  2. Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der 1981 geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit mit einer festgesetzten Dienstzeit von acht Jahren, die voraussichtlich mit Ablauf des 30. Juni 2009 enden wird. Zum Stabsgefreiten (StGefr) wurde er am 3. November 2004 ernannt. Seit dem 4. Oktober 2005 wird er beim B... in R. (USA) verwendet; in der zugrundeliegenden Versetzungsverfügung der Stammdienststelle der Luftwaffe (SDL) vom 4. Oktober 2005 war seine voraussichtliche Verwendungsdauer ursprünglich bis zum 31. März 2008 festgesetzt worden.

2 Am 26. Oktober 2006 eröffnete der Kommandant Stabsquartier (Kdt StQ) B... dem Antragsteller den Entwurf eines Antrages auf dessen sofortige vorzeitige Rückversetzung in das Inland. Der Antrag war auf einen nicht mehr hinzunehmenden großen Vertrauensverlust mit der Begründung gestützt, es bestehe der Verdacht, dass der Antragsteller am 16. September 2006 um ca. 1.00 Uhr zusammen mit zwei anderen Soldaten versucht habe, die verschlossene Zimmertür des StGefr B. zu öffnen, wobei die Soldaten ein Luftgewehr mit Zielfernrohr und eine Halogenstehlampe mit sich geführt hätten; der Öffnungsversuch sei mittels einer Scheckkarte und - durch einen der anderen beteiligten Soldaten - mittels eines nicht näher identifizierbaren Gegenstandes erfolgt. Daraufhin beantragte der Antragsteller am selben Tag die Beteiligung der Vertrauensperson und legte am 30. Oktober 2006 eine Stellungnahme vor. Am 31. Oktober 2006 erfolgte die Anhörung des Stabsfeldwebels M., der sich unter der Überschrift „Anhörung VP-StQ B...“ als Vertrauensperson der Unteroffiziere und Mannschaften äußerte. Die Endfassung des Versetzungsantrages des Kdt StQ B... vom 31. Oktober 2006 wurde dem Antragsteller am selben Tag eröffnet.

3 Im Hinblick auf dessen neuerliche Stellungnahme vom 1. November 2006 erstellte der Kdt StQ B... unter dem 3. November 2006 einen neuen Entwurf seines Antrages auf vorzeitige Rückversetzung ins Inland, bei dessen Eröffnung der Antragsteller am 3. November 2006 einer Anhörung der Vertrauensperson nicht zustimmte.

4 Unter Berücksichtigung einer weiteren Stellungnahme des Antragstellers vom 6. November 2006 legte der Kdt StQ B... am 6. November 2006 die Endfassung seines Versetzungsantrages vor, in der er feststellte, der Antragsteller habe zusammen mit anderen Wachsoldaten des B... in der Nacht vom 15. auf den 16. September 2006 versucht, mit Waffengewalt in die dienstliche Unterkunft des StGefr B. einzudringen; dieser Versuch sei aufgezeichnet worden; die Videosequenz liege als Beweismittel vor. Der Antragsteller sei für ihn eindeutig als einer der Täter zu identifizieren. Den mit diesem Dienstvergehen begangenen Vertrauensbruch des Antragstellers betrachte er als endgültig; es lägen Vertrauensverluste, Störungen und Spannungen vor, die den Dienstbetrieb unannehmbar belasteten. Bei der Eröffnung dieser Endfassung des Versetzungsantrages stimmte der Antragsteller am 6. November 2006 einer Anhörung der Vertrauensperson nicht zu.

5 Der Stellvertreter des Kommandeurs und Chef des Stabes sowie der Kommandeur B... befürworteten in ihren Stellungnahmen vom 15. und 20. November 2006 als höhere Vorgesetzte die vorzeitige Rückversetzung des Antragstellers in das Inland.

6 Nach Vororientierung des Antragstellers am 7. Dezember 2006 ordnete die SDL mit Kommandierungs- und Versetzungsverfügung vom 8. Dezember 2006 die Versetzung des Antragstellers zur 2./F... in P. zum 1. Januar 2007 mit Dienstantritt am 28. Dezember 2006 an.

7 Gegen diese Entscheidung legte der Antragsteller mit Schreiben vom 14. Dezember 2006 Beschwerde ein und beantragte die Aufhebung der Versetzungsverfügung sowie gleichzeitig „die gerichtliche Entscheidung“. Mit Schreiben vom selben Tag beantragte sein Bevollmächtigter beim Senat die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Zu diesem Antrag hat der Bundesminister der Verteidigung (BMVg) - PSZ I 7 - mit Schreiben vom 4. Januar 2007 Stellung genommen, nachdem er zuvor mit Bescheid vom 22. Dezember 2006 den Antrag auf Erlass einer vorläufigen Maßnahme nach § 3 Abs. 2 WBO abgelehnt hatte. Den geplanten Dienstantritt verlegte die SDL am 14. Dezember 2006 auf den 15. Januar 2007.

8 Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Die angefochtene Verfügung der SDL sei ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig, weil eine ordnungsgemäße Anhörung der Gruppe der Soldatenvertreter vor Eröffnung dieser Verfügung nicht stattgefunden habe. Zu Unrecht sei der BMVg der Auffassung, die Anhörung des Beteiligungsgremiums sei entbehrlich geworden, weil er, der Antragsteller, am 14. Dezember 2006 seine Unterschrift unter ein neues Anhörungsformular verweigert habe. Seinen Antrag auf Beteiligung der Vertrauensperson vom 26. Oktober 2006 habe er als ausreichend angesehen. Für einen weiteren Antrag auf Beteiligung nach dem Soldatenbeteiligungsgesetz habe er kein Bedürfnis gesehen, weil er seinen ursprünglichen Antrag vom 26. Oktober 2006 bisher nicht zurückgenommen habe. Soweit er gegenüber dem Kdt StQ B... zeitweilig einer Beteiligung der Vertrauensperson widersprochen habe, habe er lediglich verhindern wollen, dass die Vertrauensperson Einsicht in die Disziplinarunterlagen erhalte. In der Sache sei das ihm tatsächlich vorwerfbare Verhalten nicht geeignet, Spannungen im Dienstbetrieb des B... anzunehmen. Es habe sich um eine einmalige Entgleisung gehandelt, die zudem noch unter erheblichem Alkoholeinfluss außerhalb des Dienstes und außerhalb militärischer Anlagen erfolgt sei. Nachweisbar habe er zu keinem Zeitpunkt eine Person bedroht, genötigt oder sonst pflichtwidrig auf sie eingewirkt. Bei ihrer Ermessensentscheidung habe die SDL schließlich die schwerwiegenden finanziellen Nachteile für ihn und seine Ehefrau außer Acht gelassen, die eine vorzeitige Rückversetzung in das Inland zur Folge haben werde.

9 Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom 14. Dezember 2006 gegen die Kommandierungs- und Versetzungsverfügung der SDL vom 8. Dezember 2006 und „den zugleich gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung“ anzuordnen.

10 Der BMVg beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

11 Nach dem objektiven, auch vom Antragsteller insoweit eingeräumten Handlungsablauf sei der Verdacht eines schwerwiegenden Dienstvergehens gegen ihn begründet, insbesondere ein Verstoß gegen seine soldatischen Pflichten aus § 17 Abs. 2 Satz 2 und § 12 SG. Der Eindringversuch in das Zimmer des StGefr B. mit Hilfe einer Scheckkarte bzw. eines anderen Gegenstandes sowie mit dem Einsatz eines Deckenfluters und eines Luftgewehrs offenbare eine grundsätzliche Missachtung der Persönlichkeitssphäre des Kameraden, verbunden mit der Absicht, diesen mit einer Angst- bzw. Schocksituation zu konfrontieren. Das Festhalten des Eindringversuches mit einer Digitalkamera sei geeignet gewesen, die erwartete Reaktion des StGefr B. zur fortdauernden Belustigung bzw. Zurschaustellung des Kameraden zu archivieren. Eine solche Verhaltensweise belege die Einschätzung des Disziplinarvorgesetzten, dass ein vertrauensvolles kameradschaftliches Miteinander in der Zukunft dauerhaft nicht mehr möglich sein werde. Die Verfahrensvorgaben für eine „Spannungsversetzung“ seien eingehalten worden. Zwar habe die am 31. Oktober 2006 eingeholte Stellungnahme des Gruppensprechers der Soldaten im örtlichen Personalrat des B... nicht den Anforderungen des § 52 Abs. 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 20 SBG genügt. Vielmehr sei im Fall der Versetzung eines Soldaten vom Dienststellenleiter der zuständige Personalrat zu beteiligen. Dort habe die Gruppe der Soldaten nach den Vorgaben des § 38 BPersVG durch einen Gruppenbeschluss die Stellungnahme zur beabsichtigten Personalmaßnahme abzugeben. Ein einzelner Soldatenvertreter aus dem örtlichen Personalrat könne in diesem Fall nicht die Funktion einer Vertrauensperson ausüben. Deshalb sei der Antragsteller am 14. Dezember 2006 befragt worden, ob er eine Anhörung des Personalrats zu seiner Versetzungsmaßnahme wünsche. Durch die Verweigerung seiner Unterschrift habe der Antragsteller dokumentiert, einen derartigen Wunsch nicht zu haben. Daher habe die Anhörung endgültig unterbleiben müssen. Offensichtlich wünsche der Antragsteller kein Beteiligungsverfahren mehr. Die Durchführung der Rückversetzung des Antragstellers in das Inland lasse im Übrigen keine unzumutbaren Härten für ihn oder für dessen Ehefrau erkennen.

12 Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des BMVg - PSZ I 7 - 927/06 - sowie die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

13 Der Antrag ist nach § 17 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 21 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 WBO zulässig.

14 Gegenstand des Rechtsschutzbegehrens ist bei sachgerechter Auslegung - im gegenwärtigen Verfahrensstadium - die vom Antragsteller angestrebte Anordnung der aufschiebenden Wirkung (lediglich) seiner Beschwerde vom 14. Dezember 2006 gegen die Kommandierungs- und Versetzungsverfügung der SDL vom 8. Dezember 2006. Soweit der Antragsteller auch „den zugleich gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung“ in seinen Antrag einbezogen hat, geht der Senat bei der hier gebotenen summarischen Prüfung davon aus, dass dieser Teil des Antrags nur vorsorglich für den Fall formuliert worden ist, dass sehr zeitnah ein gerichtlich anfechtbarer Beschwerdebescheid ergeht. Da der BMVg - PSZ I 7 - im Übrigen dem Antrag vom 14. Dezember 2006 sinngemäß auch einen Antrag nach § 3 Abs. 2 WBO entnommen und diesen mit Bescheid vom 22. Dezember 2006 abgelehnt hat, ist im Ergebnis die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 17 Abs. 6 Satz 3 WBO erfüllt.

15 Der Antrag ist auch begründet.

16 Der Gesetzgeber hat dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit truppendienstlicher Maßnahmen grundsätzlich den Vorrang vor privaten Belangen eingeräumt (§ 17 Abs. 6 Satz 1 WBO). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt deshalb nur in Betracht, wenn sich bereits bei summarischer Prüfung durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme ergeben oder dem Soldaten durch deren sofortige Vollziehung unzumutbare, insbesondere nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden (stRspr, u.a. Beschlüsse vom 27. März 1979 - BVerwG 1 WB 193.78 - BVerwGE 63, 210 <211 f.>, vom 4. Dezember 1995 - BVerwG 1 WB 106.95 - Buchholz 236.1 § 25 SG Nr. 1, vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 WB 5.02 - Buchholz 236.12 § 9 SUV Nr. 7 und vom 13. November 2003 - BVerwG 1 WB 40.03 -).

17 Die erstgenannte Voraussetzung ist hier erfüllt, weil auf der Grundlage einer im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Überprüfung durchgreifende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Kommandierungs- und Versetzungsverfügung bestehen.

18 Die Verfügung der SDL ist wegen eines Ermessensfehlers rechtswidrig, weil vor ihrem Erlass keine rechtsfehlerfreie Anhörung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 SBG zu der beabsichtigten Personalmaßnahme erfolgte. Deshalb liegt ein Ermessenfehlgebrauch vor.

19 Der Soldat hat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte fachliche oder örtliche Verwendung oder auf Verwendung auf einem bestimmten Dienstposten. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte bzw. die zuständige personalbearbeitende Stelle über die Verwendung eines Soldaten, sofern hierfür ein dienstliches Bedürfnis besteht, nach pflichtgemäßem Ermessen. Während das Vorliegen eines dienstlichen Bedürfnisses als unbestimmter Rechtsbegriff gerichtlich voll nachprüfbar ist, kann die Ermessensentscheidung nur daraufhin überprüft werden, ob der Vorgesetzte oder die zuständige Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt bzw. die gesetzlichen Grenzen des ihm/ihr insoweit zustehenden Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu prüfen, ob die gesetzlich vorgegebenen oder vom BMVg im Wege der Selbstbindung in Erlassen und Richtlinien festgelegten Verfahrensvorschriften eingehalten sind (stRspr, z.B. Beschluss vom 27. Februar 2003 - BVerwG 1 WB 57.02 - BVerwGE 118, 25 = Buchholz 252 § 23 SBG Nr. 2 = NZWehrr 2003, 212 m.w.N.).

20 Die SDL hat vorliegend gegen § 23 Abs. 2 Satz 2 SBG verstoßen. Bei ihrer Ermessensentscheidung hat sie als zuständige Stelle zwingend das Ergebnis der Anhörung der Vertrauensperson in die zu treffende Personalentscheidung einzubeziehen, sofern die Vertrauensperson auf Antrag des Soldaten zu einer beteiligungsfähigen Maßnahme anzuhören ist. Entsprechendes gilt für Maßnahmen bei Soldaten, die in einer personalratsfähigen Dienststelle verwendet werden, gemäß § 48 Satz 1, § 49 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 3 und § 52 Abs. 1 SBG.

21 Die beabsichtigte Rückversetzung des Antragstellers aus dem Ausland nach Deutschland löste eine Beteiligungspflicht nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SBG aus. Eine Versetzung stellt nach dieser Vorschrift nicht nur eine beteiligungsfähige, sondern in der Regel auch eine beteiligungspflichtige Maßnahme dar (Beschlüsse vom 27. Februar 2003 a.a.O. und vom 20. Juni 2005 - BVerwG 1 WB 28.05 -). Ein Ausnahmefall, der ein Absehen von der Beteiligung rechtfertigt, ist hier nicht feststellbar.

22 Die am 31. Oktober 2006 angehörte „Vertrauensperson der Unteroffiziere und Mannschaften“ war im Falle des Antragstellers nicht das richtige Beteiligungsorgan im Sinne des § 1 Abs. 2 SBG. Bei dem B... handelt es sich um eine personalratsfähige Dienststelle im Sinne des § 49 Abs. 1 Satz 1 und 2 SBG i.V.m. Nr. 1 3. Spiegelstrich der Anlage 4 zur ZDV 10/2, sodass nach § 52 Abs. 1 Satz 1 SBG „die Soldatenvertreter“, also die in dieser Dienststelle in den Personalrat gewählten Soldaten, in Angelegenheiten, die nur die Soldaten betreffen, die Befugnisse der Vertrauensperson haben. Eine solche „Angelegenheit“ ist die Versetzung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SBG. Im Verfahren BVerwG 1 WDS-VR 8.06 (Hauptgefreiter K.) hat der BMVg - PSZ I 7 - vorgetragen, dass bei dem B... und der Bu... ein gemeinsamer örtlicher Personalrat gebildet worden ist. Der Senat geht deshalb im vorliegenden summarischen Verfahren davon aus, dass diesem gemeinsamen örtlichen Personalrat in Gestalt der nach § 48 Satz 1, § 49 Abs. 2 Satz 3 SBG i.V.m. § 38 Abs. 2 Satz 1 BPersVG zur Entscheidung berufenen Soldatenvertreter die Beteiligungsrechte nach § 23 SBG zugewiesen sind. Demzufolge war nach § 52 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SBG der gemeinsame örtliche Personalrat beim B... und der Bu... vor der Versetzungsentscheidung der SDL anzuhören.

23 Für diese Anhörung hatte der Antragsteller am 26. Oktober 2006 einen inhaltlich hinreichend bestimmten Antrag gestellt. Nach der Rechtsprechung des Senats muss ein Anhörungsantrag gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SBG zu der jeweils beabsichtigten konkreten Einzelmaßnahme gestellt werden (Beschluss vom 27. Februar 2003 a.a.O.). Diesem Erfordernis hat der Antragsteller am 26. Oktober 2006 bei der Eröffnung des Entwurfs zum Versetzungsantrag vom selben Tage Rechnung getragen. Soweit er darin „die Beteiligung der Vertrauensperson der Mannschaften gemäß Belehrung vom 13.10.06“ als gewünschtes Beteiligungsorgan angegeben hat, entzieht diese Bezeichnung seinem Beteiligungsbegehren nicht die Grundlage. Aus dieser Formulierung entnimmt der Senat, dass diese Belehrung offenbar nicht den Hinweis auf die Möglichkeit der Beteiligung des Personalrats enthielt. Die Erklärung des Antragstellers vom 26. Oktober 2006 ist deshalb sinngemäß dahin auszulegen, dass er die Beteiligung des für ihn zuständigen Beteiligungsorgans wünschte.

24 Diesen Beteiligungsantrag hat der Antragsteller in der Folgezeit nicht zurückgenommen. Seine Erklärungen am 3. und 6. November 2006 gegenüber dem Kdt StQ B..., er stimme „einer Anhörung der Vertrauensperson nicht zu“, sind insoweit unerheblich. Denn zu diesem Zeitpunkt war der Antragsteller - weiterhin - entgegen § 23 Abs. 1 Satz 2 SBG nicht schriftlich über das in seinem Fall „richtige“ Beteiligungsorgan im Sinne des § 1 Abs. 2 SBG belehrt worden. Der Schutzzweck der Norm des § 23 Abs. 1 Satz 2 SBG gebietet es, den von einer Personalmaßnahme im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 SBG betroffenen Soldaten nicht nur abstrakt über „irgendeine“ Beteiligungsmöglichkeit zu belehren, sondern ihn exakt über das Beteiligungsorgan zu informieren, dessen Beteiligung in seinem konkreten Einzelfall beantragt werden kann. Nur dann hat der Soldat eine vollständige Informationsgrundlage für seine Entscheidung, ob er gerade dieses Beteiligungsorgan in sein Verfahren einbeziehen will oder nicht. Eine derartige differenzierte Belehrung des Antragstellers über die in seinem Fall in Betracht kommende Anhörung des zuständigen Personalrats in Gestalt der gewählten Soldatenvertreter ist - dies räumt auch der BMVg sinngemäß ein - damals nicht erfolgt.

25 Der Antragsteller hat im Übrigen in seiner Stellungnahme vom 6. November 2006 zur Endfassung des Versetzungsantrages vom selben Tage ausgeführt, er habe nicht auf eine Beteiligung verzichten wollen, wenn eine Vertrauensperson seiner Wählergruppe im Bereich des Kdt StQ B... vorhanden gewesen wäre. Ihm sei es lediglich darum gegangen, einer Einsichtnahme durch das Beteiligungsorgan in die Disziplinarunterlagen vorzubeugen.

26 Damit ist die angefochtene Verfügung der SDL am 8. Dezember 2006 ergangen, ohne dass zuvor eine Anhörung der zuständigen Personalvertretung stattgefunden hat und deren Ergebnis in die Ermessensentscheidung der SDL einbezogen worden ist. Da die Anhörung des zuständigen Beteiligungsorgans - wie sich aus § 1 Abs. 1 SBG ergibt - dazu dient, nach den Bestimmungen des Gesetzes zu einer wirkungsvollen Dienstgestaltung und zu einer fürsorglichen Berücksichtigung der Belange des einzelnen Soldaten beizutragen sowie dadurch zugleich auch die Informations- und Entscheidungsbasis der personalbearbeitenden Stelle zu verbreitern (vgl. dazu u.a. Beschluss vom 20. Juni 2005 - BVerwG 1 WB 60.04 - Buchholz 252 § 20 SBG Nr. 1), und weil § 23 Abs. 2 Satz 2 SBG zwingend die Einbeziehung des Ergebnisses der Anhörung des Beteiligungsorgans in die zu treffende Personalentscheidung anordnet, ist die angefochtene Versetzungsverfügung der SDL rechtswidrig.

27 In Ermangelung entgegenstehender Vorschriften ist es nicht ausgeschlossen, im noch laufenden Beschwerdeverfahren die unterlassene Anhörung formgerecht nachzuholen und sodann eine neue Entscheidung über die Versetzung des Antragstellers zu treffen.

28 Insoweit weist der Senat darauf hin, dass der Umstand, dass der Antragsteller am 14. Dezember 2006 ein Formular zur Beteiligung des zuständigen Personalrats nicht ausgefüllt hat, keinen Verzicht auf eine Anhörung der Personalvertretung darstellt. In seiner Beschwerde vom 14. Dezember 2006 hat der Antragsteller betont, dass er seinen Antrag auf Beteiligung der Vertrauensperson vom 26. Oktober 2006 zu keinem Zeitpunkt zurückgezogen habe; er habe lediglich ausschließen wollen, dass der Vertrauensperson Zugang zu den Ermittlungsunterlagen des Disziplinarvorgesetzten gegeben werde. Auch sein Bevollmächtigter hat im Schriftsatz an den Senat vom 9. Januar 2007 hervorgehoben, dass der Antragsteller für einen weiteren Antrag auf Beteiligung kein Bedürfnis gesehen habe, weil er seinen Antrag vom 26. Oktober 2006 bisher nicht zurückgenommen habe. Jedenfalls folgt aus der Verweigerung der Unterschrift unter das Formular vom 14. Dezember 2006 nicht, dass der Antragsteller nunmehr einer Beteiligung der Personalvertretung widerspricht. Der Antragsteller war nicht verpflichtet, auf Aufforderung seines Vorgesetzten den einmal gestellten Antrag zu wiederholen.

29 Die Kostenentscheidung beruht auf § 20 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO.