Beschluss vom 11.04.2018 -
BVerwG 10 B 24.17ECLI:DE:BVerwG:2018:110418B10B24.17.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 11.04.2018 - 10 B 24.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:110418B10B24.17.0]
Beschluss
BVerwG 10 B 24.17
- VG Köln - 17.02.2016 - AZ: VG 4 K 774/15
- OVG Münster - 14.09.2017 - AZ: OVG 15 A 486/16
In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. April 2018
durch
den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock
und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller
beschlossen:
- Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. September 2017 wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
1 Die Klägerin ist eine aus zwei Personen bestehende Gruppe in der beklagten Landschaftsversammlung. Bis Januar 2017 bildeten die beiden Mitglieder der Gruppe zusammen mit einer dritten Person die Gruppe "Alternative für Deutschland in der Landschaftsversammlung Rheinland" (im Folgenden: AfD-Gruppe).
2 In den Sitzungen der Beklagten am 29. September 2014 und am 21. November 2014 fanden Wahlen zu mehreren Ausschüssen statt. Auf die AfD-Gruppe entfiel dabei kein Sitz. Die AfD-Gruppe hat eine auf Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Wahlen gerichtete Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht abgewiesen hat. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil verworfen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
3 Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
4 1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Klägerin beimisst.
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a) Die Fragen
"Führt die inhaltliche Abgrenzung einer kommunalpolitischen Gruppe/Fraktion zu einer ursprünglich nahestehenden Partei stets zur Auflösung der alten Gruppe/Fraktion und zur Neugründung einer Gruppe/Fraktion?
Kann die Parteimitgliedschaft von Gruppen-/Fraktionsmitgliedern als taugliches Indiz herangezogen werden, wenn unmittelbar vor der Umbenennung und inhaltlichen Abgrenzung einer Gruppe nur ein Mitglied der Gruppe zugleich Mitglied der Partei war?
Kann die Mitgliedschaft eines einzelnen Parteimitglieds in der Vertretung tatsächlich dazu führen, dass eine Gruppe/Fraktion wegen 'politischer Konkurrenz' als aufgelöst und neugegründet zu betrachten ist?"
führen nicht zur Zulassung der Revision, da sie sich auf Vorschriften des irrevisiblen Landesrechts beziehen, die nicht Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein können (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Sie knüpfen daran an, dass das Oberverwaltungsgericht die Berufung in erster Linie deswegen zurückgewiesen hat, weil sie mangels Beschwer der Klägerin unzulässig sei. Die Klägerin sei im erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt gewesen und mit der AfD-Gruppe, der Klägerin des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, weder rechtlich identisch noch deren Rechtsnachfolgerin. Zu diesem Ergebnis ist das Oberverwaltungsgericht aufgrund einer Auslegung und Anwendung von landesrechtlichen Vorschriften, namentlich von § 16a Abs. 1 und § 10 Abs. 5 der Landschaftsverbandsordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994 sowie von § 50 Abs. 3 Satz 3 und § 56 Abs. 1 und 3 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994, gelangt.
6 Einen gleichwohl bestehenden grundsätzlichen Klärungsbedarf zu Fragen des revisiblen Bundesrechts zeigt die Beschwerde, die sich lediglich in der Art eines zugelassenen oder zulassungsfreien Rechtsmittels mit der Sachverhaltswürdigung und der Rechtsanwendung in dem Berufungsurteil auseinandersetzt, nicht auf. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin unter anderem eine Verletzung des Art. 28 Abs. 2 GG geltend macht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht die Zulassung der Revision nur dann zu begründen, wenn die Auslegung und Anwendung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren sind in der Beschwerdebegründung darzulegen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 17. März 2008 - 6 B 7.08 - Buchholz 451.20 § 12 GewO Nr. 1 Rn. 9, vom 8. Mai 2008 - 6 B 64.07 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 132 Rn. 5 und vom 30. Mai 2017 - 10 BN 4.16 - juris Rn. 8). Das leistet die Beschwerdebegründung nicht. Sie zeigt auch nicht auf, dass die Auslegung der einschlägigen Grundsätze des Bundes(verfassungs-)rechts durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht oder nicht hinreichend ausdifferenziert und entwickelt wäre, um einen Maßstab für das Landesrecht abzugeben (vgl. dazu u.a. BVerwG, Beschlüsse vom 21. September 2001 - 9 B 51.01 - Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 44, vom 19. August 2013 - 9 BN 1.13 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 56 Rn. 4 und vom 29. Juni 2015 - 10 B 66.14 - juris Rn. 15). Vielmehr beschränkt sich die Klägerin darauf, die aus ihrer Sicht unzureichende Berücksichtigung des Art. 28 Abs. 2 GG durch das Berufungsgericht zu kritisieren.
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b) Die Frage
"Ist eine aufgelöste Gruppe/Fraktion im kommunalrechtlichen Organstreitverfahren jedenfalls dann als existent zu behandeln, wenn ihre Existenz im Rahmen des Rechtsstreits behandelt wird (hier im Rahmen der Zulässigkeit der Berufung)?"
würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Das Berufungsurteil ist entscheidungstragend darauf gestützt, dass die Klägerin mit der - aufgelösten - AfD-Gruppe weder rechtlich identisch noch deren Rechtsnachfolgerin, sondern eine Neugründung ist und daher durch das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht beschwert wird. Die Klägerin legt nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar, weshalb die Frage der prozessualen Behandlung einer aufgelösten Gruppe oder Fraktion über den hier entschiedenen Einzelfall hinaus der grundsätzlichen Klärung bedürfte.
8 c) Soweit die Klägerin Kritik an der Auffassung des Berufungsgerichts übt, dass die Voraussetzungen des § 91 Abs. 1 VwGO für einen gewillkürten Beteiligtenwechsel, durch den die Klägerin anstelle der AfD-Gruppe eine Beteiligtenstellung erlangen könnte, nicht vorlägen und es außerdem auch an einem Feststellungsinteresse der Klägerin fehle, bezeichnet sie ebenfalls keine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage, sondern beanstandet lediglich die Rechtsanwendung des Berufungsgerichts im Einzelfall.
9 2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Eine Divergenz ist nicht dargelegt. Dieser Zulassungsgrund ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung eines Beschwerdeführers divergierenden Rechtssätze müssen einander gegenübergestellt und die entscheidungstragende Abweichung muss hierauf bezogen konkret herausgearbeitet werden. Das bloße Aufzeigen einer vermeintlich fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht oder der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte oder das Bundesverfassungsgericht aufgestellt haben, genügt den Darlegungsanforderungen einer Divergenzrüge nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13. April 2012 - 8 B 86.11 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 54 Rn. 12 und vom 26. Juli 2016 - 10 B 15.15 - juris Rn. 5, je m.w.N.). So aber liegt der Fall hier.
10 Die Beschwerde weist zwar auf einen vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Rechtssatz hin. Dieser betrifft indessen die Frage, ob ein untergegangenes Land Antragsteller oder Antragsgegner in einem Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG sein kann (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Februar 1954 - 2 BvQ 1/54 - BVerfGE 3, 267 <279 f.>). Die Klägerin zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht in Anwendung dieser Verfassungsnorm einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hätte, sondern beanstandet lediglich eine aus ihrer Sicht unzureichende Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung bezeichneten Grundsätze.
11 3. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
12 a) Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO geltend macht, fehlt es an einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Darlegung. Für die ordnungsgemäße Begründung einer Verletzung der Aufklärungspflicht muss nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 21. April 2017 - 5 B 19.16 - juris Rn. 14) vorgetragen werden, welche Tatsachen auf der Grundlage der insoweit maßgeblichen materiellrechtlichen Auffassung der Vorinstanz aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Aufklärungsrüge kein Mittel darstellt, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren. Deshalb muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen. Solche Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung nicht, die jegliche näheren Ausführungen dazu vermissen lässt, weshalb und mit welchem Ziel das Berufungsgericht den "Akt der (vermuteten) Auflösung" der AfD-Gruppe und der - gemeint wohl ihrer eigenen - "Neugründung" weiter hätte aufklären sollen.
13 b) Soweit die Klägerin beanstandet, dass die AfD-Gruppe am Berufungsverfahren zu beteiligen gewesen wäre, führt dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Die Klägerin, die im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 30. Januar 2017 selbst um Änderung des Rubrums gebeten hatte, legt nicht dar, weshalb das Berufungsurteil auf der unterbliebenen Beteiligung der AfD-Gruppe beruhen und die Klägerin hierdurch beschwert sein könnte (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 4. April 2000 - 7 B 190.99 - VIZ 2000, 661 <662>). Soweit sie in der unterbliebenen Beteiligung einen Verstoß gegen § 65 Abs. 2 VwGO sieht, fehlt es zudem an Angaben dazu, weshalb die Entscheidung - wie es die erwähnte Vorschrift voraussetzt - gegenüber der AfD-Gruppe und der Klägerin nur einheitlich ergehen konnte.
14 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.