Beschluss vom 11.04.2025 -
BVerwG 7 B 27.24ECLI:DE:BVerwG:2025:110425B7B27.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.04.2025 - 7 B 27.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:110425B7B27.24.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 27.24

  • OVG Münster - 24.05.2024 - AZ: 22 D 77/23.AK

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. April 2025
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Tegethoff und Dr. Löffelbein
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Mai 2024 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde, mit der sich die Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihrer Klage gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung einer Windenergieanlage abweisenden Urteil der Vorinstanz wenden, hat keinen Erfolg.

2 1. Den von der Beschwerde formulierten Fragen kommt sämtlich keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu.

3 Die sich auf konkrete und potentielle Unfallgefahren beziehende erste Frage geht ebenso wie die Fragen zwei und drei nach der Folge der in "signifikanter Menge" bzw. bei "bestimmungsgemäßen Betrieb" der Windenergieanlage in den Boden und das Grundwasser bzw. die Ackerflächen gelangenden Chemikalien (PFAS, Bisphenol-A) von tatsächlichen Feststellungen aus, die das Oberverwaltungsgericht nicht getroffen hat. Dieses hat vielmehr das Vorliegen von von der Anlage ausgehenden konkreten oder potentiellen Gefahren nach jeder Betrachtungsweise für ausgeschlossen erachtet. Dies gelte sowohl hinsichtlich vermeintlicher unzureichender Brandschutzvorkehrungen als auch konkreter Unfallgefahren (UA S. 28). Hinsichtlich der behaupteten Beeinträchtigungen durch die genannten Chemikalien PFAS und BPA hat das Oberverwaltungsgericht mit ausführlicher Begründung ebenfalls Gesundheitsgefahren und eine Beeinträchtigung des Eigentums der Kläger durch eine Kontamination verneint (UA S. 48, 50). Daher gehen auch die weiteren zwei Fragen, mit denen die Beschwerde an "sich über viele Jahre addierende Kontamination von Mikropartikel, Bisphenol-A und PFAS" anknüpft und insoweit einen substantiellen Eingriff in ihr Eigentum und ihre Berufsfreiheit annimmt, von Tatsachen aus, die das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat.

4 Die Frage, ob es zulässig sei, dass Windenergieanlagen bei einer Temperatur von plus 15 Grad Celsius schallvermessen werden, wirft keine in einem Revisionsverfahren grundsätzlich klärungsfähige Rechtsfrage auf, sondern zielt auf eine Klärung tatsächlicher Art. Die Frage, ob eine Klagebefugnis daraus folge, dass "durch jahrzehntelangen Bodenschall der Windenergieanlage(n) (Riss-)Schäden an den landwirtschaftlichen Stallungen und Fundamenten" entstünden, geht wiederum von tatsächlichen Feststellungen aus, die das Oberverwaltungsgericht nicht getroffen hat.

5 Soweit die Kläger schließlich die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig halten, ob sie sich unter Berufung auf ihr Eigentum auf die fehlende "Beachtung eines Vogelschutzgebietes" berufen können, setzen sie sich nicht mit der Entscheidung des erkennenden Senats vom 17. Februar 2021 - 7 C 3.20 - (BVerwGE 171, 292) auseinander, in der ein Klagerecht des Eigentümers eines in einem Natura 2000 liegenden Grundstücks in einem Nachbarstreitverfahren verneint wurde.

6 2. Die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) greift nicht durch. Es fehlt bereits an der zur hinreichenden Darlegung einer Divergenz erforderlichen Benennung eines abstrakten Rechtssatzes in dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 2021 - 4 B 24.20 - von dem die Vorinstanz abgewichen sein soll.

7 3. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.

8 Soweit die Beschwerde dem Oberverwaltungsgericht "unwahre Tatsachendarstellung" vorwirft, übersieht sie, dass eine etwaige Unrichtigkeit tatsächlicher Feststellungen in einem Urteil keinen Verfahrensmangel darstellt. Ob das Gericht auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage entschieden hat (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist grundsätzlich eine dem materiellen Recht zuzuordnende Frage der Tatsachen- und Beweiswürdigung, auf die eine Verfahrensrüge nicht gestützt werden kann (BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2022 - 1 B 83.21 - ‌NVwZ-RR 2022, 476 Rn. 5). Die Beschwerde trägt keine besonderen Umstände vor, die gleichwohl einen Verfahrensverstoß begründen würden. Hierzu genügt insbesondere nicht der Vortrag der Beschwerde, angesichts der Erwähnung der Pferdehaltung in der Klagebegründung, hätte das Oberverwaltungsgericht nicht davon ausgehen dürfen, dass gleichwohl keine Pferdehaltung stattfinde. In ihrem den Tatbestandsberichtigungsantrag der Kläger ablehnenden Beschluss hat die Vorinstanz verdeutlicht, warum sie aufgrund der Antwort des Klägers auf die in der mündlichen Verhandlung offen gestellte Frage nach der landwirtschaftlichen Nutzung nicht von einer Pferdehaltung oder auch nur Grünlandnutzung ausgegangen sei.

9 Auch die Rüge, es habe trotz eines entsprechenden schriftsätzlich formulierten Antrags keine Ortsbesichtigung stattgefunden, greift nicht durch. Der Verfahrensmangel ungenügender Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) setzt voraus, dass dargetan wird, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben gerügt wird, hingewirkt worden ist oder sich dem Gericht hätte aufdrängen müssen (BVerwG, Beschluss vom 3. August 2007 - 6 B 33.07 - juris Rn. 25). Daran fehlt es hier, insbesondere wird von der Beschwerde nicht geltend gemacht, dass in der mündlichen Verhandlung ein entsprechender Beweisantrag gestellt worden ist. Auch die Rüge, der Vorsitzende Richter habe den Prozessbevollmächtigten der Kläger in der mündlichen Verhandlung aufgefordert, keine Beweisanträge mehr zu stellen, führt nicht auf einen Verfahrensverstoß. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine entsprechende Aufforderung überhaupt erfolgt ist, denn es ist weder ersichtlich noch dargetan, dass es dem Prozessbevollmächtigten nicht möglich gewesen wäre, gleichwohl Beweisanträge zu stellen.

10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.