Beschluss vom 11.07.2002 -
BVerwG 4 B 30.02ECLI:DE:BVerwG:2002:110702B4B30.02.0

Beschluss

BVerwG 4 B 30.02

  • OVG Rheinland-Pfalz - 21.03.2002 - AZ: OVG 1 A 11551/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Juli 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungs-
gericht H a l a m a und Prof. Dr. R o j a h n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. März 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Die auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich kein Grund für eine Zulassung der Revision.
1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam (sinngemäß) die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen ein Gebäude, das - wie hier ein Sanitärgebäude eines großen Campingplatzes - nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen dient, unter den Begriff der Bebauung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB fällt und deshalb Bestandteil eines Bebauungszusammenhangs sein kann. Diese Frage ist, soweit sie sich überhaupt in verallgemeinerungsfähiger Weise beantworten lässt, in einem Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass unter den Begriff der Bebauung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB nicht jede beliebige bauliche Anlage fällt. Gemeint sind vielmehr Bauwerke, die für die angemessene Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung maßstabsbildend sind. Dies trifft ausschließlich für Anlagen zu, die optisch wahrnehmbar und nach Art und Gewicht geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten städtebaulichen Charakter zu prägen. Wie der beschließende Senat bereits mehrfach entschieden hat, zählen hierzu grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Baulichkeiten, die etwa zu Freizeitzwecken nur vorübergehend genutzt werden (z.B. Wochenendhäuser, Gartenhäuser), sind in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellen (vgl. Senatsbeschluss vom 2. März 2000 - BVerwG 4 B 15.00 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 198 = ZfBR 2000, 428; Beschluss vom 2. August 2001 - BVerwG 4 B 26.01 - BauR 2002, 277 m.w.N.). Diese Rechtsprechung lässt Raum für abweichende Fallgestaltungen. Ob ein Gebäude, das nur vorübergehend (z.B. nur zu bestimmten Jahreszeiten) dem Aufenthalt von Menschen dient, nach Art und Gewicht eine den städtebaulichen Charakter der Umgebung mitbestimmende Baulichkeit darstellt, lässt sich jedoch nur nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls beurteilen und obliegt der tatrichterlichen Würdigung. Allgemein gültige Grundsätze lassen sich hierfür nicht aufstellen. Das zeigt auch der vorliegende Fall. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist das "Sanitärgebäude" nicht nur nach Größe und Gestalt (30 m Länge, Aufstelzung auf Betonsockeln, Massivbauweise mit Walmdach) für die Umgebung prägend; es schließt sich außerdem unmittelbar an die vorhandene Straßenrandbebauung an und besitzt einen kleineren Büroanbau, der dem Gesamtgebäude zumindest teilweise einen gewerblichen Charakter vermittelt, der über den Charakter einer nur vorübergehend genutzten Baulichkeit hinaus geht. Der Streitfall weist somit Besonderheiten auf, die nicht zur Grundlage einer allgemein gültigen Regel gemacht werden können.
2. Die Beschwerde macht ferner geltend, das Berufungsurteil weiche in der Frage, ob das "Sanitärgebäude" unter den Begriff der Bebauung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB falle, von den vorgenannten Senatsbeschlüssen vom 2. März 2000 und vom 2. August 2001 sowie von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Februar 1984 - BVerwG 4 C 55.81 - Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 97 = NJW 1984, 1576) ab. Diese Divergenzrüge ist nicht zulässig. Eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nur dann gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen tragenden Rechtssatz in Anwendung der selben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328).
Diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht. Die von der Beschwerde angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts lassen wie ausgeführt Raum für Fallgestaltungen, in denen auch nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienende Gebäude eine ihre Umgebung städtebaulich mitprägende Baulichkeit darstellen können. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass im vorliegenden Fall Besonderheiten vorliegen, die es rechtfertigen, das "Campingplatzsanitärgebäude mit Büroanbau" als eine gewerbliche bauliche Anlage einzustufen die "optisch gesehen" zu den die Umgebung prägenden Baulichkeiten zu rechnen ist (vgl. Urteilsabschrift S. 9, 10). Die Beschwerde zeigt keinen abstrakten Rechtssatz des Berufungsurteils auf, der einem ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts widersprechen könnte. Die Beschwerde stellt zwar die vorinstanzliche Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalles in Frage. Diese Kritik der dem Tatrichter obliegenden bewertenden Würdigung der örtlichen Gesamtsituation genügt jedoch nicht den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge.
3. Erfolglos bleibt auch die Rüge, das Berufungsurteil weiche von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Oktober 1990 - BVerwG 4 C 45.88 - (Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 265 = NVwZ 1991, 1076) ab. In dem vorgenannten Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Erschließung eines Baugrundstücks über ein im Eigentum der Gemeinde stehendes Wegegrundstück ausnahmsweise auch dann ausreichend gesichert sein kann, wenn die Gemeinde - trotz Fehlens einer förmlichen Widmung - auf Dauer rechtlich gehindert ist, den Anliegerverkehr zu dem Baugrundstück zu untersagen. In Betracht kommen könne insoweit etwa der Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn der Weg z.B. auch dem Zugang zu anderen ähnlich bebauten und genutzten Grundstücken diene. Die Beschwerde zeigt keinen diesen Rechtsausführungen widersprechenden Rechtssatz des Berufungsurteils auf. Sie wendet sich gegen die Anwendung der im Urteil vom 31. Oktober 1990 aufgestellten Rechtsgrundsätze im vorliegenden Fall. Eine Abweichung im abstrakten Rechtssatz wird damit nicht dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
4. Die von der Beschwerde zu § 35 Abs. 4 BauGB aufgeworfene Rechtsfrage rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht, weil diese Frage in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich wäre. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die auch in einem Revisionsverfahren zugrunde zu legen wären, liegt das streitbefangene Bauvorhaben nicht im Außenbereich, sondern im unbeplanten Innenbereich.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 14 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.