Beschluss vom 11.12.2013 -
BVerwG 2 WDB 7.13ECLI:DE:BVerwG:2013:111213B2WDB7.13.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.12.2013 - 2 WDB 7.13 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:111213B2WDB7.13.0]

Beschluss

BVerwG 2 WDB 7.13

  • TDG Süd 3. Kammer - 03.07.2013 - AZ: S 3 VL 31/12

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
am 11. Dezember 2013 beschlossen:

Dem früheren Soldaten wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung einer ordnungsgemäß begründeten Berufung gegen das Urteil der 3. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 3. Juli 2013 - S 3 VL 31/12 - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Gründe

I

1 Die 3. Kammer des Truppendienstgerichts Süd setzte den früheren Soldaten mit Urteil vom 3. Juli 2013 in den Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers der Reserve (BesGr A 6) herab. Das schriftliche Urteil, dem eine Rechtsmittelbelehrung auch über die Möglichkeit der Einlegung einer Berufung beigefügt war, wurde dem früheren Soldaten am 3. August 2013 zugestellt.

2 Am 5. September 2013 hat der Pflichtverteidiger des früheren Soldaten Berufung eingelegt. Am selben Tag hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung vorgetragen und anwaltlich versichert, der frühere Soldat habe ihn am 3. August 2013 per E-Mail informiert, dass ihm an diesem Tage das Urteil des Truppendienstgerichts zugegangen sei. Er habe ihm auch den Auftrag erteilt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Er habe dies zugesagt. Sein Büro habe die Berufungsfrist gleichwohl nach dem Eingang der nachrichtlichen Mitteilung, dem 7. August 2013, eingetragen, was auch ihm nicht aufgefallen sei.

3 Der Vorsitzende der 3. Kammer des Truppendienstgerichts Süd hat am 5. September 2013 vermerkt, dass die Berufung nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt sei, der frühere Soldat durch seinen Verteidiger aber einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt habe, und die Akten dem Bundesverwaltungsgericht vorlegen lassen.

4 Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hat auf den Beschluss des Senats vom 15. Juli 2005 - BVerwG 2 WDB 2.05 - verwiesen. Die Berufung sei nicht fristgerecht eingegangen. Der Wiedereinsetzungsantrag scheine unbegründet. Den früheren Soldaten treffe ein persönliches Mitverschulden für die Fristversäumnis, weil er sich vor deren Ablauf, ohne dass hinreichende Gründe ersichtlich seien, nicht mehr bei seinem Verteidiger vergewissert habe, ob dieser rechtzeitig Berufung einlegen würde oder schon eingelegt habe.

II

5 Der Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig, insbesondere fristgerecht gestellt (§ 91 Abs. 1 Satz 2 WDO i.V.m. § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO) und begründet.

6 Der Vorsitzende der 3. Kammer des Truppendienstgerichts Süd hätte zwar nach § 117 Satz 1 WDO die Berufung durch Beschluss zunächst als unzulässig verwerfen müssen, wenn sie - wie hier - innerhalb der gesetzlichen Frist nicht eingelegt wurde und erst dann den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht weiterleiten dürfen. Aus prozessökonomischen Gründen und entsprechend dem Grundsatz des Beschleunigungsgebots (§ 17 Abs. 1 WDO) ist jedoch das Fehlen dieses Vorverfahrens nach § 117 Satz 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 WDO, § 46 Abs. 1 StPO unschädlich (Beschluss vom 15. Juli 2005 - BVerwG 2 WDB 2.05 -).

7 Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 44 StPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten. Bei der Prüfung der Frage, ob den Angeschuldigten oder Beschuldigten an einer Fristversäumnis gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 StPO ein Verschulden trifft, ist es den Gerichten regelmäßig verwehrt, ihm die Versäumnisse seiner Verteidiger zuzurechnen (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982 - 2 BvL 26/81 - BVerfGE 60, 253 <257, 299, 300>; BVerfG, Beschluss vom 13. April 1994 - 2 BvR 2107/93 - NJW 1994, 1856 m.w.N.). Das gilt aber nur dann, wenn der Antragsteller nicht durch eigenes Verschulden zur Versäumung der Frist beigetragen hat (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 1972 - 1 StR 267/72 - BGHSt 25, 89 <92 f.>).

8 Sichert ein Verteidiger die Einlegung eines Rechtsmittels zu, darf ein Angeklagter auf die Erfüllung der Zusage vertrauen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2003 - 3 StR 142/03 - juris). Zu einer Überwachung seines Verteidigers ist der frühere Soldat grundsätzlich nicht verpflichtet, solange nicht konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Verteidiger nicht zuverlässig arbeiten werde. Ein Soldat, zumal ein Nichtjurist, ist als Berufungsführer nicht verpflichtet, die korrekte Fristberechnung und ihre Einhaltung durch einen Rechtsanwalt zu kontrollieren. Vielmehr darf er davon ausgehen, dass ein Organ der Rechtspflege eine Zusage fristgerecht einhält und ein Volljurist eine Fristberechnung auf der Grundlage vollständig und zutreffend übermittelter Daten zutreffend vornimmt sowie das zur Fristwahrung Gebotene veranlasst. Soweit der Senat in dem Beschluss vom 15. Juli 2005 - BVerwG 2 WDB 2.05 - etwas anderes vertreten hat, hält er hieran nicht fest, weil es die Anforderungen an Sorgfaltspflichten eines Nichtjuristen überspannt, von ihm die Kontrolle eines Volljuristen bei der korrekten Berechnung und Wahrung einer Rechtsmittelfrist zu erwarten.

9 Hier hatte der frühere Soldat nach der anwaltlichen Versicherung seines Pflichtverteidigers rechtzeitig vor Fristablauf den Auftrag zur Einlegung der Berufung erteilt und dem Verteidiger auch das für die Fristberechnung maßgebliche Datum der Zustellung des schriftlichen Urteils an ihn zutreffend mitgeteilt. Der Verteidiger hatte die Einlegung der Berufung zugesagt. Vorliegend gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der frühere Soldat hätte erkennen können, der Verteidiger würde bei der Überwachung der Fristeneintragungen durch seine Kanzlei den von ihm eingeräumten Fehler begehen und übersehen, dass sein Büro die Frist nicht von der allein maßgeblichen Zustellung an den früheren Soldaten ausgehend berechnen würde. Damit konnte der frühere Soldat darauf vertrauen, das Rechtsmittel werde rechtzeitig eingelegt. Zu der durch ein Verschulden seines Verteidigers versäumten Frist hat er mithin nicht durch eigenes Verschulden beigetragen.