Beschluss vom 12.01.2012 -
BVerwG 4 B 35.11ECLI:DE:BVerwG:2012:120112B4B35.11.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 12.01.2012 - 4 B 35.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:120112B4B35.11.0]
Beschluss
BVerwG 4 B 35.11
- OVG Mecklenburg-Vorpommern - 28.06.2011 - AZ: OVG 3 L 196/07
In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Januar 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Jannasch
beschlossen:
- Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28. Juni 2011 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
1 Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
2 1. Die Verfahrensrüge greift nicht durch.
3 Der Kläger trägt in erster Linie vor, das Oberverwaltungsgericht hätte ein Sachverständigengutachten einholen müssen. Durch dieses wäre bestätigt worden, dass die Interpretation der Vermessungsunterlagen in der Weise zu erfolgen hat, wie er es vorträgt.
4 Damit wird ein Aufklärungsmangel nicht aufgezeigt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verletzt ein Gericht seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer sich nicht aufdrängenden Beweiserhebung absieht, die ein Beteiligter nicht oder lediglich hilfsweise beantragt hat. Die ordnungsgemäße Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht setzt voraus, dass unter Auseinandersetzung mit dem Prozessgeschehen und der Begründung der vorinstanzlichen Entscheidung schlüssig aufgezeigt wird, dass sich dem Gericht auch ohne unbedingten Beweisantrag auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung eine weitere Sachverhaltsermittlung hätte aufdrängen müssen. Daran fehlt es hier. Im Übrigen darf das Tatsachengericht grundsätzlich nach seinem tatrichterlichen Ermessen entscheiden, ob es Sachverständigengutachten einholt (stRspr; vgl. Beschluss vom 13. März 1992 - BVerwG 4 B 39.92 - NVwZ 1993, 268).
5 Das Oberverwaltungsgericht hat den beklagten öffentlich bestellten Vermessungsingenieur, der somit die Fachkunde eines Sachverständigen besitzt, im Erörterungstermin sowie in der mündlichen Verhandlung eingehend befragt. Das Gericht legt in seinem Urteil ausführlich dar, dass der von ihm aus Rechtsgründen als Ausgangspunkt herangezogene (UA S. 11) Fortführungsriss vom 8. Mai 1978 zwar missverständliche bzw. fehlerhafte Notierungen enthalte, das Gemeinte aber durch Auslegung ermittelt werden könne (UA S. 12). Dabei sei für das Gericht maßgeblich, dass nach dem Verständnis des Beklagten sämtliche Katasterzahlen miteinander vereinbar seien, während das Zahlenwerk bei Zuordnung des Streckenmaßes zur südlichen Grenze - wie dies der Kläger befürwortet - des Flurstücks 456/5 insgesamt kein schlüssiges Bild ergeben würde.
6 Das Gericht begründet überdies ausdrücklich, dass vor dem näher dargestellten Hintergrund kein Anlass zu einer Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bestehe. Hierzu führt es aus, der Beklagte habe sein Vermessungsergebnis auf eine sachkundige Gesamtbetrachtung der Angaben im Liegenschaftskataster gestützt und nachvollziehbar und umfassend erläutert. Dabei habe er die lediglich punktuellen Einwände des Klägers ausgeräumt, ohne dass Widersprüche aufgetreten oder Fragen offen geblieben wären (UA S. 14). Vor diesem Hintergrund hat sich eine weitere Beweiserhebung - unabhängig davon, ob sie förmlich beantragt worden ist oder nicht - dem Oberverwaltungsgericht nicht aufgedrängt. Es durfte daher davon absehen, ein Sachverständigengutachten einzuholen.
7 Auch die weitere Verfahrensrüge, das Gericht hätte den Kläger auf die Möglichkeit hinweisen müssen, einen unbedingten Beweisantrag zu stellen, bleibt ohne Erfolg. Es ist Sache der anwaltlich vertretenen Prozessbeteiligten, zu entscheiden, ob sie in einer Verfahrensgestaltung wie der vorliegenden, in der die Notwendigkeit eines Sachverständigengutachtens in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist, einen unbedingten Beweisantrag stellen oder davon absehen. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht sich in der Sache mit der Anregung des Klägers näher auseinandergesetzt, ein Sachverständigengutachten einzuholen, und ausführlich dargelegt, warum es dies nicht für erforderlich hält. Es spricht somit nichts dafür, dass die Regelung in § 86 Abs. 3 VwGO (vgl. hierzu Beschluss vom 27. November 2008 - BVerwG 5 B 54.08 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 60) oder das rechtliche Gehör des Klägers (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt worden wären.
8 2. Das Beschwerdevorbringen ergibt auch nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob das Bedürfnis eines förmlich gestellten Beweisantrags ausnahmslos, also auch dann gilt, wenn über die Frage der Beweiserhebung durch Einholung eines Gutachtens mit dem Gericht in der mündlichen Verhandlung gesprochen und die Frage diskutiert worden ist, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in der oben dargestellten Weise geklärt. Davon abgesehen ist das Anliegen des Klägers nicht - wie er meint - „untergegangen“, sondern in der Sache behandelt worden.
9 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.