Beschluss vom 12.03.2008 -
BVerwG 4 KSt 1010.07ECLI:DE:BVerwG:2008:120308B4KSt1010.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.03.2008 - 4 KSt 1010.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:120308B4KSt1010.07.0]

Beschluss

BVerwG 4 KSt 1010.07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. März 2008
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn,
Gatz und Dr. Jannasch
beschlossen:

Das Ablehnungsgesuch der Kläger gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow wird zurückgewiesen.

Gründe

1 Das Ablehnungsgesuch ist unbegründet.

2

2 Nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit setzt nicht voraus, dass der Richter tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Es genügt, wenn vom Standpunkt der Beteiligten aus gesehen hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln. Die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen zur Ablehnung nicht aus (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1975 - BVerwG 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36 <38 f.>).

3

3 Rechtsansichten und Gesetzgebungsvorschläge, die ein Richter im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens in seiner Eigenschaft als Sachverständiger äußert, rechtfertigen in aller Regel die Besorgnis der Befangenheit in einem konkreten anhängigen Gerichtsverfahren nicht. Das gilt insbesondere dann, wenn die Meinungskundgabe nicht in einer äußeren oder inneren Beziehung zu den Verfahrensbeteiligten, zu dem anhängigen Streitstoff oder zu einer für die Entscheidung maßgebenden Rechtsauffassung steht (Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, Stand: Oktober 2005, Rn. 45 zu § 54). Sind diese Grenzen gewahrt, besteht in aller Regel kein begründeter Anlass für die Annahme, dass der Richter sein Amt nicht unvoreingenommen und im Bemühen um Objektivität wahrnehmen wird. Das gilt im Grundsatz für sachverständige Äußerungen eines Richters im Rahmen parlamentarischer Ausschussberatungen ebenso wie für die Inanspruchnahme seiner richterlichen Sachkunde und Erfahrungen im Rahmen der Beratungen eines Gesetzentwurfs auf ministerieller Ebene.

4 Die Kläger stellen ihr Ablehnungsgesuch im Rahmen des Verfahrens über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren betreffend den Kostenfestsetzungsbeschluss des Gerichts vom 12. Dezember 2007, der die von den Klägern an die Beigeladene zu 1 erstattenden Kosten im Verfahren BVerwG 4 A 1078.04 festsetzt. Der Kostenfestsetzung liegt die Kostengrundentscheidung im rechtskräftigen Senatsurteil vom 16. März 2006 zugrunde, das auf die Klage der Kläger gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 13. August 2004 zum Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld ergangen ist. Die Kläger wenden sich mit ihrer Erinnerung gegen die im Beschluss vom 12. Dezember 2007 vorgenommene kostenrechtliche Aufteilung der von der Beigeladenen zu 1 zur Erstattung gestellten Kosten auf die Gesamtheit aller Kläger in den vom Senat mit Urteilen vom 16. März 2006 entschiedenen Musterverfahren zum Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld und erheben insbesondere Einwendungen gegen die Erforderlichkeit der von der Beigeladenen zu 1 eingeholten Sachverständigengutachten und deren Kostenumfang.

5 Die Überprüfung des angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschlusses steht in keinem denkbaren rechtlichen Zusammenhang mit den von den Klägern zur Begründung ihres Ablehnungsgesuchs angeführten Stellungnahmen, die der Vorsitzende Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow gemeinsam mit Herrn Rechtsanwalt Dr. G. zum Entwurf des Fluglärmgesetzes auf parlamentarischer und ministerieller Ebene abgegeben hat. Die materiellrechtlichen Fragen, die Dr. Paetow in diesen rechtspolitischen, auf den künftigen Schutz vor Fluglärm in der luftverkehrsrechtlichen Planung zugeschnittenen Stellungnahmen aufgeworfen und beantwortet hat, haben keinerlei rechtlichen Bezug zu den rein kostenrechtlichen Grundsätzen und Vorschriften, die der zuständige Kostenbeamte nach dem rechtskräftigen Abschluss der Klageverfahren nach Maßgabe der §§ 162 ff. VwGO im Kostenerstattungsverfahren anzuwenden hat und die auch im Verfahren der Kostenerinnerung für das Gericht maßgeblich sind. Schon aus diesem Grund lässt die Mitwirkung von Dr. Paetow an der Diskussion über ein neues Fluglärmgesetz auf parlamentarischer und ministerieller Ebene bei vernünftiger objektiver Würdigung keine Gründe erkennen, die vom Standpunkt der Kläger aus die Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters und Zweifel an seiner Unparteilichkeit im Kostenerstattungsverfahren rechtfertigen könnten. Das vorliegende Ablehnungsgesuch ist aus denselben Gründen zurückzuweisen, die der Senat in seinem Beschluss vom 4. Oktober 2007 zum Ablehnungsgesuch der Kläger im Kostenerinnerungsverfahren betreffend den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8. Juni 2007 (BVerwG 4 KSt 1004.07 ) ausgeführt hat. Der Senat kann deshalb davon absehen, auf die von den Klägern geltend gemachten Befangenheitsgründe näher einzugehen.