Beschluss vom 12.06.2002 -
BVerwG 7 B 29.02ECLI:DE:BVerwG:2002:120602B7B29.02.0

Beschluss

BVerwG 7 B 29.02

  • VG Berlin - 23.11.2001 - AZ: VG 31 A 38.00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Juni 2002
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts
Dr. F r a n ß e n und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht G ö d e l und K l e y
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. November 2001 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 275 000 € festgesetzt.

Die Klägerin beansprucht die Rückübertragung eines Grundstücks nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage als unzulässig abgewiesen, weil sie nicht fristgerecht erhoben worden sei und der Klägerin auch nicht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden könne.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Der geltend gemachte Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor (1); die daneben erhobene Divergenzrüge ist nicht in der vorgeschriebenen Weise begründet worden (2).
1. Die Klägerin sieht einen Verfahrensmangel darin, dass ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Klagefrist versagt und deswegen über ihre Klage durch Prozessurteil entschieden worden sei.
Die Klägerin hatte ihr Wiedereinsetzungsbegehren maßgeblich darauf gestützt, dass die verspätete Klageerhebung auf das Verschulden einer erfahrenen und zuverlässigen Mitarbeiterin ihrer Verfahrensbevollmächtigten zurückzuführen sei, das sich diese und damit auch die Klägerin selbst nicht zurechnen lassen müssten: Diese Büroangestellte habe der Verfahrensbevollmächtigten die Akte am 21. Januar 2000, dem Tage der notierten Vorfrist, anweisungswidrig nicht mit den sonstigen Fristakten vorgelegt; vielmehr sei die Akte in den Stapel mit den Posteingängen geraten. Die Rechtsanwältin habe diesen Stapel, weil sie darunter keine Fristsachen erwartet habe, nicht vor Ablauf der am 24. Januar 2000 endenden Klagefrist angesehen. Die im Fristenkalender auf diesen Tag notierte und korrekt als solche gekennzeichnete Ablauffrist habe die Büroangestellte trotz Nachfrage der Verfahrensbevollmächtigten, ob sämtliche Fristen erledigt seien, schlicht übersehen; erst am 25. Januar 2000 sei ihr der Fristablauf aufgefallen. Mit einem solchen - doppelten - Fehler ihrer bis dahin zuverlässigen Büroangestellten habe die Verfahrensbevollmächtigte nicht rechnen müssen.
Das Verwaltungsgericht hat das mangelnde Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten an der Säumnis als nicht glaubhaft gemacht beurteilt. Es bleibe unklar, warum die Klagefrist wirklich versäumt worden sei; denn die im Fristenkalender angebrachten Kürzel und die Erläuterungen, welche die als Zeugin gehörte Büroangestellte dazu gegeben habe, deuteten darauf hin, dass diese am Tage des Ablaufs der Rechtsmittelfrist sehr wohl bemerkt habe, dass sich die Akte noch bei der Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin befunden habe, und dass die Akte noch am selben Tage zur Zeugin mit einem Erledigungsauftrag zurückgelangt sein müsse. Dann könne die Fristversäumung aber nicht auf einer übersehenen Rechtsmittelfrist beruhen, sondern müsse andere Ursachen haben. Das Gericht übersehe nicht die von der Zeugin genannte Möglichkeit, dass die genannten Kürzel später - gemeint ist nach Fristablauf - angefügt worden seien. Dann aber dürfte es ausgeschlossen sein, dass sie sich daran - wie sie ausgesagt hat - nicht konkret erinnere; denn nach ihren Bekundungen habe es sie "wie ein Blitz" getroffen, als sie zufällig die Fristversäumung bemerkt habe. Die Ursache der Säumnis stelle sich daher für das Gericht als unklar und mithin der dafür geltend gemachte Grund als nicht glaubhaft gemacht dar. Damit sei auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Verspätung der Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin und mithin der Klägerin selbst nicht anzurechnen sei.
Diese Würdigung der für die Beurteilung des Wiedereinsetzungsantrages maßgeblichen Umstände lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht als ausgeschlossen angesehen, dass die Zeugin F. sich angesichts des einmaligen Vorgangs, dessen Entdeckung sie "wie ein Blitz" getroffen habe, nicht mehr daran erinnern könnte, falls die Vermerke im Fristenbuch erst nach dem 24. Januar angebracht worden wären. Es erscheint auch nicht wahrscheinlich, dass derartige Vermerke, die nach der Aussage der Zeugin "üblicherweise" an demselben Tag vorgenommen werden, nachträglich im Kalender bei der Fristsache erfolgen, nachdem die Fristversäumung bereits entdeckt war. Den Fehler hatte die Zeugin, wie sie ausgesagt hat, zu Arbeitsbeginn am Morgen des folgenden Tages festgestellt, als sie sich die Fristen dieses Tages angesehen und dabei - wie immer - noch einmal die Fristen des Vortages geprüft habe.
Die Klägerin wendet ein, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass der Grund der Fristversäumung offensichtlich bei der Zeugin liege und zwar unabhängig davon, wann diese die Kürzel im Fristenkalender vermerkt oder wo sich die Akte seinerzeit befunden habe. Dieser Einwand ist nicht berechtigt. Die Klägerin verkennt, dass es nicht darauf ankommt, ob die Verspätung auf ein Verschulden der Hilfsperson zurückzuführen ist, sondern darauf, ob sie das alleinige Verschulden daran trifft. Dies setzt aber die Kenntnis der Umstände voraus, die zu der Fristversäumung geführt haben. Verfehlt ist es, insoweit - wie die Klägerin - ausschließlich darauf abzustellen, dass die Büroangestellte die Frage ihrer Chefin nach offenen Fristen verneint hat; denn die Tatsache, dass diese fehlerhafte Antwort eine nicht wegzudenkende Ursache für die Fristversäumung war, bedeutet nicht, dass es nicht weitere Ursachen geben kann, die in derselben Weise zum Entstehen der Verspätung beigetragen haben. So verhält es sich auch hier; denn der fehlerhaft beantworteten Frage müssen notwendigerweise weitere Versäumnisse vorausgegangen sein. Angesichts des Inhalts des Fristenkalenders und der möglichen Erklärungen dafür bleibt unklar, welcher Art diese Versäumnisse waren, so dass das Verwaltungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es der Verfahrensbevollmächtigten und damit der Klägerin nicht gelungen ist, sich vom Vorwurf des Verschuldens an der Verspätung zu entlasten.
2. Die von der Klägerin daneben geltend gemachte Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genügt nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Begründung einer solchen Rüge; denn die Klägerin arbeitet keine dem angegriffenen Urteil und den herangezogenen Entscheidungen zugrunde liegenden, einander widersprechenden Rechtssätze heraus. Vielmehr beanstandet sie, dass das Verwaltungsgericht die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht an ein erfolgreiches Wiedereinsetzungsgesuch stelle, überspannt habe. Mit der Rüge solcher vermeintlicher Subsumtionsfehler wird jedoch eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht dargetan.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.