Beschluss vom 12.11.2025 -
BVerwG 8 B 18.25ECLI:DE:BVerwG:2025:121125B8B18.25.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.11.2025 - 8 B 18.25 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:121125B8B18.25.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 18.25

  • VG Arnsberg - 22.02.2023 - AZ: 9 K 2026/21
  • OVG Münster - 25.02.2025 - AZ: 4 A 594/23

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 12. November 2025 durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Meister beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Februar 2025 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Klägerin meldete im November 2011 das Gewerbe "Hausmeisterservice (Pflege, Wartung, Instandsetzung)" an. Eine Eintragung des Betriebs in die Handwerksrolle oder in das Verzeichnis für zulassungsfreie Handwerke oder handwerksähnliche Betriebe erfolgte nicht. Nachdem Anfang des Jahres 2020 das bis dahin zulassungsfreie Handwerk des Fliesen-, Platten- und Mosaiklegers aufgrund einer Änderung der Handwerksordnung wieder zulassungspflichtig geworden war, beantragte die Klägerin 2021 die Eintragung in die Handwerksrolle für das handwerkliche Gewerbe Fliesen-, Platten- und Mosaikleger. Dabei gab sie an, sie habe keine Meisterprüfung oder gleichwertige Prüfung abgelegt. Die Beklagte lehnte den Antrag ab. Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Eintragung in die Handwerksrolle nach der für sie allein in Betracht kommenden Übergangsvorschrift des § 126 Abs. 2 HwO. Die Revision gegen sein Urteil hat es nicht zugelassen.

2 Die dagegen gerichtete Beschwerde der Klägerin, die sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) stützt, hat keinen Erfolg.

3 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlich klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2019 - 8 B 37.18 - ZfWG 2019, 262 Rn. 4 m. w. N.). Der Rechtsmittelführer hat darzulegen, dass diese Voraussetzungen vorliegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Daran fehlt es hier.

4 Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen,

  1. ob die §§ 2 und 3 HwO und die hierzu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung - insbesondere die Kriterien fachliche Verbundenheit, untergeordnete wirtschaftliche Bedeutung, gewisse Eigenständigkeit und das Erheblichkeitskriterium des § 3 Abs. 2 HwO - auf handwerkliche Nebenbetriebe eines zulassungsfreien Handwerks anzuwenden sind, die Bestandsschutz nach § 126 Abs. 2 HwO in Anspruch nehmen, obwohl § 20 S. 1 HwO ausdrücklich bestimmt, dass die §§ 2 und 3 HwO nicht für Betriebe eines zulassungsfreien Handwerks gelten und der Wortlaut des § 126 Abs. 2 HwO nur das Innehaben eines handwerklichen Nebenbetriebs eines zulassungsfreien Handwerks zum Stichtag voraussetzt,
  2. ob alle Tatbestandsmerkmale der §§ 2 und 3 HwO und der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (fachliche Verbundenheit, untergeordnete wirtschaftliche Bedeutung, gewisse Eigenständigkeit) nebst dem Erheblichkeitskriterium nach § 3 Abs. 2 HwO als materielle Zulassungsvoraussetzungen für den Bestandsschutz nach § 126 Abs. 2 HwO zu verstehen sind oder ob sie lediglich als begriffliche Abgrenzungshilfen zur Identifizierung eines Nebenbetriebs herangezogen werden dürfen,
  3. welche konkreten Anforderungen an einen Nebenbetrieb im Sinne des § 126 Abs. 2 HwO zu stellen sind,
  4. ob eine restriktive Auslegung des § 126 Abs. 2 HwO durch Rückgriff auf sämtliche Kriterien der §§ 2 und 3 HwO und der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Bestandsschutz bei berufszulassungsbeschränkenden Regelungen, insbesondere mit den aus Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgenden Vorgaben vereinbar ist,

5 verleihen der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Sie sind nicht klärungsbedürftig, weil sie lediglich die Auslegung der Übergangsvorschrift des § 126 Abs. 2 HwO betreffen. Rechtsfragen zu ausgelaufenem oder auslaufendem Recht sowie zu Übergangsrecht kommt regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil mit der Zulassung der Revision keine für die Zukunft richtungsweisende Klärung erreicht werden kann. Eine Zulassung der Revision kommt bei solchen Fragen nur ausnahmsweise in Betracht, wenn sie sich zu den Nachfolgevorschriften offensichtlich in gleicher Weise stellen oder wenn ihre Beantwortung für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist. Für das Vorliegen einer solchen Sachlage ist der Beschwerdeführer darlegungspflichtig (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Dezember 2017 - 8 B 70.16 - juris Rn. 4 und vom 30. Januar 2017 - 10 B 10.16 - juris Rn. 3 m. w. N.). Die Klägerin hat diese Voraussetzungen nicht dargelegt.

6 Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Eintragung in die Handwerksrolle ist § 126 Abs. 2 HwO. Danach ist abweichend von § 7 Abs. 1a HwO auch ohne eine bestandene Meisterprüfung des Betriebsleiters mit dem ausgeübten Handwerk auf Antrag in die Handwerksrolle einzutragen, wer am 13. Februar 2020 einen handwerklichen Nebenbetrieb eines zulassungsfreien Handwerks innehat, das unter anderem in Anlage B Abschnitt 1 Nummer 1 (Fliesen-, Platten- und Mosaikleger) in der am 13. Februar 2020 geltenden Fassung aufgeführt ist und nicht in das Verzeichnis nach § 19 Satz 1 eingetragen ist. Der Antrag ist nach Satz 2 der Vorschrift innerhalb eines Jahres nach dem 14. Februar 2020 bei der zuständigen Handwerkskammer unter näher bestimmten Voraussetzungen zu stellen. § 126 HwO wurde durch Art. 1 Nr. 3 des Vierten Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften vom 6. Februar 2020 (BGBl. I S. 142) in die Handwerksordnung eingefügt. Kern dieses Änderungsgesetzes ist die Wiedereinführung der Zulassungspflicht für verschiedene, seit 2004 zulassungsfreie Handwerke, darunter auch das Handwerk des Fliesen-, Platten- und Mosaiklegers. Um die Wiedereinführung der Zulassungspflicht auch für die seit 2004 neu gegründeten, nicht meistergeführten Betriebe verfassungsgemäß auszugestalten, hat der Gesetzgeber die Einfügung von Bestandsschutzregelungen für notwendig gehalten (BT-Drs. 19/14335 S. 20 f.), welche eine Eintragung in die Handwerksrolle auch ohne Erfüllung der personenbezogenen Voraussetzungen ermöglichen. Während die Übergangsvorschrift des § 126 HwO nach dem ursprünglichen Gesetzesentwurf nur solche Betriebe erfasste, die bereits in das Verzeichnis nach § 19 HwO eingetragen waren, erweiterte der mit der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie in die Handwerksordnung aufgenommene Absatz 2 des § 126 HwO den Bestandsschutz auch auf Nebenbetriebe eines bis zur Neuregelung zulassungsfreien Handwerks, die nicht in das Verzeichnis nach § 19 HwO eingetragen waren (BT-Drs. 19/15873 S. 7 und 22 f.).

7 Die Klägerin hat nicht substantiiert dargetan, dass die auf § 126 Abs. 2 HwO bezogenen Fragen in einer nicht überschaubaren Vielzahl von Verfahren in nicht absehbarer Zukunft noch von Bedeutung wären. Ihr diesbezügliches Beschwerdevorbringen (vgl. Seite 5 der Beschwerdebegründung, dort unter 4.), die Bundesregierung spreche "in der Begründung des Gesetzentwurfs von mehreren tausend Betrieben bundesweit, die von dieser Übergangsregelung erfasst sein sollen", genügt dafür nicht. Darüber hinaus findet sich diese, von der Klägerin ohne nähere Fundstellenangabe zitierte Aussage im Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 19/14974 S. 7 und BT-Drs. 19/14335) nicht wieder. Auch die Behauptung, in der verwaltungsrechtlichen Praxis zeige sich ein uneinheitliches Verständnis der Vorschrift, hat die Klägerin nicht substantiiert. Darüber hinaus erscheint es im Hinblick auf die bereits im Februar 2021 abgelaufene Antragsfrist des § 126 Abs. 2 Satz 2 HwO äußerst unwahrscheinlich, dass in nicht absehbarer Zukunft mit weiteren Anträgen auf Eintragung in die Handwerksrolle nach dieser Vorschrift zu rechnen ist.

8 2. Die Revision ist nicht wegen einer Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Der Zulassungsgrund der Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das bloße Aufzeigen einer vermeintlich fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung solcher Rechtssätze genügt den Darlegungsanforderungen an eine Divergenzrüge nicht (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 17. April 2025 - 8 B 39.24 - juris Rn. 12 m. w. N.). Danach ist hier keine Divergenz dargetan.

9 Die Klägerin bezeichnet keinen entscheidungstragenden Rechtssatz des angegriffenen Urteils, welcher in Anwendung derselben Rechtsnorm in Widerspruch zu einem Rechtssatz des angeblichen Divergenzurteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Februar 1994 - 1 C 2.92 - stünde. Der von der Klägerin angeführte Rechtssatz des Berufungsgerichts, die Maßstäbe der §§ 2 und 3 HwO nebst dem Erheblichkeitskriterium des § 3 Abs. 2 HwO seien zur Bestimmung eines Nebenbetriebs eines zulassungsfreien Handwerks im Sinne des § 126 Abs. 2 HwO anzuwenden, steht nicht in Widerspruch zum angeblichen Divergenzurteil. Dieses betrifft nicht die Anwendung des § 126 Abs. 2 VwGO, sondern verneint die Frage, ob der Inhaber eines in handwerksähnlicher Form betriebenen Nebenbetriebs eines zur Industrie- und Handelskammer gehörenden Unternehmens in das Verzeichnis der Inhaber handwerklicher Betriebe (§ 19 HwO) einzutragen ist. In diesem Zusammenhang führt es aus, für die Herausnahme der in Rede stehenden handwerksähnlichen Nebenbetriebe aus der Eintragungspflicht in das nach § 19 HwO geführte Verzeichnis komme es nicht darauf an, ob es sich im Einzelfall um eine unerhebliche Tätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 HwO handele; dem stehe die Nichtanwendbarkeit des § 3 HwO entgegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 1994 - 1 C 2.92 - juris Rn. 23). Zur Anwendbarkeit der §§ 2 und 3 HwO bei der Bestimmung eines handwerklichen Nebenbetriebs eines zulassungsfreien Handwerks im Sinne des § 126 Abs. 2 HwO stellt das angebliche Divergenzurteil hingegen keinen Rechtssatz auf.

10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.