Beschluss vom 13.03.2024 -
BVerwG 10 B 28.23ECLI:DE:BVerwG:2024:130324B10B28.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.03.2024 - 10 B 28.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:130324B10B28.23.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 28.23

  • VG Hamburg - 11.03.2015 - AZ: 19 K 1337/09
  • OVG Hamburg - 21.02.2023 - AZ: 3 Bf 188/19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. März 2024
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und Dr. Günther
beschlossen:

  1. Der Antrag des Beklagten, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2023 wird zurückgewiesen.
  3. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 28 783,50 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Feststellung zur Insolvenztabelle eines Anspruchs der Klägerin gegen den Beklagten auf Rückzahlung von Anerkennungsbeträgen für Verdienstausfälle Selbständiger als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Das Oberverwaltungsgericht hat die begehrte Feststellung ausgesprochen. Der Klägerin stehe ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten zu. Die Bewilligungen seien rechtswidrig. Für krankheitsbedingte Ausfallzeiten bestehe nach dem Feuerwehrgesetz kein Anspruch auf derartige Zahlungen. Der Rücknahme stehe kein schutzwürdiges Vertrauen des Beklagten entgegen, weil er in seinen Anträgen wahrheitswidrig angegeben habe, beruflich selbständig zu sein, die Klägerin dadurch bewusst getäuscht und selbst die Rechtswidrigkeit der Bewilligungen gekannt habe. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

II

2 A. Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachfolgenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i. V. m. § 114, § 121 Abs. 1 ZPO).

3 B. Die auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.

4 1. Mit der vom Beklagten aufgeworfenen Frage,
ob schlichte Zahlungsanweisungen einen Verwaltungsakt im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes darstellen,
wird eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht dargelegt.

5 Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und sowohl für die Vorinstanz als auch in dem angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt werden, dass und inwiefern diese Voraussetzungen vorliegen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>, vom 4. Oktober 2013 - 6 B 13.13 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 181 Rn. 19 und vom 24. Juni 2022 - 10 B 16.21 - juris Rn. 2).

6 Dies leistet die Beschwerde nicht. Die von ihr formulierte Frage war für das Oberverwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich und würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Das Urteil sieht nicht (interne) Zahlungsanweisungen, sondern die gegenüber dem Beklagten nach dessen Antragstellung und der nachfolgenden behördlichen Prüfung erfolgten Auszahlungen von Anerkennungsbeträgen als konkludente Verwaltungsakte an. Im Übrigen ist die Frage, soweit sie einer fallübergreifenden Klärung zugänglich ist, in dem Verfahren der Beteiligten bereits mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juni 2018 - 6 B 1.18 - (NVwZ 2018, 1483 Rn. 19) beantwortet worden. Wie das Berufungsgericht seiner Bewertung zutreffend zugrunde gelegt hat, kann ein Verwaltungsakt nicht nur schriftlich oder mündlich, sondern auch in anderer Weise - etwa durch konkludentes Verhalten - erlassen werden, wenn das entsprechende Behördenverhalten nach seinem objektiven Erklärungsgehalt aus der Sicht des Adressaten bei verständiger Würdigung als hoheitliche Regelung eines Einzelfalls verstanden werden musste. Das hat das Oberverwaltungsgericht hier in Würdigung des Einzelfalls des Beklagten bejaht.

7 Danach wäre auch die weitere mit der Beschwerdebegründung aufgeworfene Frage,
ob ein Verwaltungsakt auch dann ergehen kann, wenn keinerlei Willensäußerung der Behörde nach außen erfolgt,
im angestrebten Revisionsverfahren nicht mehr klärungsbedürftig.

8 2. Der Beklagte hat auch keinen Verfahrensmangel dargelegt, auf dem das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

9 a) Die vom Beklagten erhobenen Aufklärungsrügen (§ 86 Abs. 1 VwGO) und seine Gehörsrüge (Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO) wegen vermeintlich übergangener Beweisanträge greifen nicht durch.

10 Der Beklagte meint, das Berufungsgericht habe ohne die - nach seiner Auffassung - von ihm beantragte Vernehmung der Zeugen A, B, C und D nicht davon ausgehen dürfen, dass er vorsätzlich fehlerhaft angegeben habe, beruflich selbständig zu sein. Allerdings hat er ausweislich der Sitzungsniederschrift der Berufungsverhandlung vom 21. Februar 2023 keine Beweisanträge gestellt. Ein solches Versäumnis kann nicht durch eine Verfahrensrüge im Rechtsmittelverfahren kompensiert werden (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2019 - 10 B 14.19 - juris Rn. 21 m. w. N.). Dem Vortrag in der mündlichen Berufungsverhandlung, es sei weiter aufzuklären und der Mitarbeiter zu hören, der die Anträge ausgelöst habe und für die Anträge des Beklagten zuständig gewesen sei, konnte das Oberverwaltungsgericht weder den Namen eines Zeugen noch ein hinreichend konkretisiertes Beweisthema entnehmen. Seine schriftsätzlichen Beweisanregungen im erstinstanzlichen Verfahren aus dem Jahr 2009, auf die der Beklagte zur Begründung seiner Gehörs- und Aufklärungsrügen verweist, hat er in der mündlichen Berufungsverhandlung weder als Anregungen wiederholt noch - wie grundsätzlich erforderlich - in Form von Beweisanträgen präzisiert. Dass sich eine Beweiserhebung auch ohne Beweisantrag für das Berufungsgericht von Amts wegen hätte aufdrängen müssen, legt die Beschwerde nicht dar.

11 Die Beschwerdebegründung lässt darüber hinaus die gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderliche Bezeichnung von Tatsachen vermissen, aus denen sich die geltend gemachten Verfahrensmängel wegen zu Unrecht unterbliebener Zeugenvernehmungen ergeben sollen. Dazu gehören Ausführungen, welches mutmaßliche Ergebnis eine vermisste Beweisaufnahme im Einzelnen gehabt hätte und inwiefern dieses Ergebnis - nach der materiell-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz - zu einer dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 - 1 C 6.08 - NVwZ 2009, 1162 Rn. 14 m. w. N.). Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, dass und inwiefern die angeführten Zeugen Angaben zur beruflichen Selbständigkeit des Beklagten oder zur Frage der vorsätzlichen Fehlerhaftigkeit von dessen Angaben hätten machen können. Zur Zeugin C wird keine Beweistatsache benannt. Eine Vernehmung des Zeugen E im Berufungsverfahren vermisst die Beschwerde zu den Gesichtspunkten, ob dem Beklagten der Bezug der Leistungen nahegelegt worden sei und welche Umstände angesichts einer - nach dessen Auffassung - fehlenden materiell-rechtlichen Prüfung durch diesen Zeugen zur Auszahlung geführt hätten. Daraus lässt sich jedoch nicht erkennen, inwieweit eine Vernehmung dieses Zeugen nach der für das Vorliegen eines Verfahrensmangels maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts zu einem für den Beklagten günstigeren Ergebnis hätte führen können. Für die Vorinstanz war nicht entscheidungserheblich, ob dem Beklagten eine Antragstellung nahegelegt wurde, sondern ob er vorsätzlich falsche, einen diesbezüglichen Irrtum der Behörde erzeugende Angaben zu einer beruflichen Selbständigkeit gemacht hat und folglich auch die Rechtswidrigkeit der auf sie gestützten Bewilligungen kannte. Schließlich fehlen Ausführungen des Beklagten in der Beschwerdebegründung dazu, inwiefern die Zeuginnen B und A in Bezug auf die als verfahrensfehlerhaft kritisierte Annahme des Berufungsgerichts etwas für ihn Günstigeres hätten beitragen können. Insbesondere legt er nicht dar, welche Tatsache, aus der sich eine berufliche Selbständigkeit des Beklagten im maßgeblichen Zeitraum oder sein fehlender Vorsatz bezüglich unrichtiger Antragsangaben ergeben hätte, mithilfe der unterlassenen Zeugenvernehmungen hätte bewiesen werden können.

12 Auch der Einwand, eine Vernehmung des Zeugen E hätte ergeben, dass das Verhalten des Beklagten nicht erheblich für die Leistung gewesen sei, benennt keine konkrete Tatsache, zu der eine Aussage des Zeugen zu erwarten gewesen wäre. Außerdem bezieht er sich nicht auf die von ihm als verfahrensfehlerhaft angegriffene Tatsachenfeststellung des Berufungsgerichts. Nach dessen materiell-rechtlicher Auffassung waren die Angaben des Beklagten zu seiner beruflichen Selbständigkeit im Übrigen unabhängig von einem Irrtum der Behörde über die landesfeuerwehrrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen für Anerkennungsbeträge kausal für die erfolgten Bewilligungen, weil diese in jedem Falle eine solche Selbständigkeit des Antragstellers erforderten (UA S. 23 f.). Das Oberverwaltungsgericht hat es zudem für rechtlich irrelevant gehalten, dass die Selbständigkeit des Beklagten bei der Klägerin nicht überprüft worden sei (UA S. 24). Auch hiermit setzt sich die Aufklärungsrüge nicht auseinander.

13 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.