Beschluss vom 13.06.2022 -
BVerwG 8 B 52.21ECLI:DE:BVerwG:2022:130622B8B52.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.06.2022 - 8 B 52.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:130622B8B52.21.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 52.21

  • VG Berlin - 23.09.2021 - AZ: 29 K 8/21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Juni 2022
durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. September 2021 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1 Die Kläger, drei im Beitrittsgebiet belegene Landkreise, wenden sich gegen die Zuordnung eines im ehemaligen Berlin (West) belegenen Grundstücks an die Beigeladene. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg.

3 Die Revision ist nicht wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlich klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2019 - 8 B 37.18 - ZfWG 2019, 262 Rn. 4). Diesen Voraussetzungen genügt die Beschwerde nicht.

4 1. Die von den Klägern aufgeworfene Frage,
ob die heutigen Gebietskörperschaften im ehemaligen Beitrittsgebiet im Wege der Rechtsnachfolge an solchen Grundstücken Eigentum erworben haben, die im Altbundesgebiet belegen sind, der treuhänderischen Verwaltung der Deutschen Ausgleichsbank (DtA) unterlagen und die durch die DtA an diese Gebietskörperschaften herausgegeben wurden, wenn die heutigen Gebietskörperschaften unter Mitwirkung der DtA ins Grundbuch eingetragen wurden,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen und wäre daher nicht klärungsfähig. Die Frage setzt die rechtliche Möglichkeit eines Eigentumserwerbs der heutigen Gebietskörperschaften im ehemaligen Beitrittsgebiet im Wege der Rechtsnachfolge voraus. Von dieser ist das Verwaltungsgericht jedoch nicht ausgegangen. Die Vorinstanz hat zwar eine Rechtsnachfolge zwischen den 1990 wieder errichteten Kreisen Königs Wusterhausen, Lübben, Luckenwalde, Potsdam und Zossen und den klagenden Landkreisen angenommen. Eine Rechtsnachfolge zwischen dem 1952 aufgelösten ehemaligen Kreis Teltow und den durch die Kommunalverfassung vom 17. Mai 1990 gebildeten Gebietskörperschaften hat es indessen unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung verneint. Danach ist geklärt, dass spätestens mit Inkrafttreten des Gesetzes über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der Deutschen Demokratischen Republik vom 23. Juli 1952 (GBl. DDR S. 613) alle Gemeinden in der DDR als selbständige Körperschaften zu existieren aufgehört haben und die durch das Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR - Kommunalverfassung - vom 17. Mai 1990 (GBl. DDR S. 255) neu begründeten Gebietskörperschaften mit den früheren Gemeinden weder identisch sind noch als Rechtsnachfolger qualifiziert werden können (BVerwG, Beschluss vom 9. März 2009 - 3 B 8.09 - Buchholz 111 Art. 21 EV Nr. 64 Rn. 4; Urteil vom 25. Februar 2010 - 3 C 18.09 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 36 Rn. 10, jew. m. w. N.; vgl. auch BGH, Urteile vom 4. November 1994 - LwZR 12/93 - BGHZ 127, 285 <288 f.> und vom 25. Oktober 2005 - XI ZR 353/04 - BGHZ 164, 361 <369 f.>). Weiteren oder erneuten Klärungsbedarf hierzu zeigen die Kläger nicht auf.

5 2. Die weitere Frage,
ob der Anwendungsbereich des Art. 22 EV eröffnet ist, wenn zuzuordnende Grundstücke in Berlin (West) belegen waren und zwischen 1953 und 1990 durch die DtA für zu diesem Zeitpunkt rechtlich nicht existente fiktive Gebietskörperschaften erworben wurden, welche dann auch im Grundbuch eingetragen wurden,
wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil sie nicht in einer über den konkreten Einzelfall hinausgehenden verallgemeinerungsfähigen Weise beantwortet werden kann. Soweit sie über die Gegebenheiten des Einzelfalls hinausreicht und sich allgemein auf die Anwendbarkeit des Art. 22 EV auf in Berlin (West) belegene Grundstücke bezieht, lässt sich diese Frage mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten. Dass der Anwendungsbereich des Art. 22 EV auch im Fall der Zuordnung von außerhalb des Beitrittsgebiets in Berlin (West) belegenen Grundstücken - bei Vorliegen der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen - eröffnet sein kann, folgt schon aus § 1 Abs. 3 Satz 2 VZOG. Die Vorschrift bestimmt für die Zuordnung von außerhalb des Beitrittsgebiets belegenen Vermögensgegenständen ausdrücklich die Zuständigkeit der Oberfinanzdirektion Berlin. Der Gesetzgeber hat damit klargestellt, dass auch solche Vermögenswerte der Zuordnung unterliegen können, die nicht im Beitrittsgebiet, sondern im Altbundesgebiet belegen sind (vgl. BT-Drs. 12/5553 S. 160).

6 3. Die Frage,
ob der Restitutionsanspruch nach Art. 22 Abs. 1 Satz 7 i. V. m. Art. 21 Abs. 3 EV entsprechende Anwendung findet, wenn ein Grundstück von der DtA zwischen dem Jahr 1952 und dem Jahr 1990 für eine untergegangene fiktive Gebietskörperschaft mit Mitteln erworben wurde, welche aus der Verwaltung anderer Liegenschaften dieser Gebietskörperschaft stammen,
verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Sie geht von den konkreten Umständen des Einzelfalls der Kläger aus, ohne dass ihr eine fallübergreifende Bedeutung zukäme.

7 4. Schließlich führt die Frage,
ob eine Vermögenszuordnung aufgrund einer Verwirkung ausgeschlossen ist, wenn ein Grundstück von der DtA auf Aufforderung des BMI an die jeweilige Gebietskörperschaft übergeben wurde und die Grundbucheintragung dieser Gebietskörperschaft ebenfalls mit aktiver Hilfe der DtA erfolgte,
ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision, weil sie einer über den Einzelfall hinausgehenden grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine Verwirkung nur anzunehmen, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Anspruchs längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2018 - 10 C 10.17 - BVerwGE 164, 53 Rn. 42). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hängt von den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls ab, die sich einer allgemeingültigen Klärung entziehen.

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VZOG nicht erhoben. Wegen des Gegenstandswerts wird auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG hingewiesen.